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Sie hätte nie gedacht, dass ein einfaches Schmuckstück ihr Leben verändert. Nun, er auch nicht. In einem der angesagtesten Clubs Los Angeles trifft Riley Matthews auf den attraktiven Ian. Sie verbringen einen berauschenden Abend miteinander, der unerwartet im Blitzlichtgewitter endet. Am nächsten Morgen wacht sie mit einem Filmriss auf, hat einen Diamantring am Finger und findet sich zu allem Überfluss noch auf der Startseite einer der bekanntesten Onlineklatschblätter Kaliforniens wieder. Ihr heißer Flirt ist niemand Geringeres als der berühmte Popstar Adrian Adams. Für Riley ist klar, dass sie sich von ihm fernhalten muss, um ihr Geheimnis zu wahren, doch er lässt nicht locker. Kann sie seinen Avancen widerstehen oder wird sie ihnen verfallen und damit alles riskieren, was sie sich mühsam aufgebaut hat?
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Seitenzahl: 281
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Marina Maaß wurde 1996 in Niedersachsen geboren und hat die Liebe zu Büchern und dem kreativen Schreiben bereits im frühen Alter entdeckt. Gemeinsam mit ihrer Familie und zwei Hunden lebt sie in einem kleinen Dorf am Rande der Südheide. Mit A GIFT OF FATE hat sie sich den Traum vom ersten eigenen Roman erfüllt.
Für meine Freunde
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
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Kapitel
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Kapitel
Kapitel
Kapitel
Epilog
Die wummernden Bässe lassen den Boden unter meinen Füßen vibrieren. Überall um mich herum tanzen Leute. Sie reiben ihre Körper aneinander, lachen, flirten oder tauschen heiße Küsse mitten auf der Tanzfläche aus. Das Lightroom platzt mal wieder aus allen Nähten, und ausgerechnet heute feiert Emily ihre letzte bestandene Prüfung. Denn seit etwa sieben Stunden ist meine beste Freundin endlich eine vollwertige Ärztin!
Amüsiert beobachte ich, wie sie mit einem Typen flirtet, der eigentlich gar nicht ihrem Beuteschema entspricht. Jetzt allerdings zwirbelt sie die Spitzen ihres glatten, dunklen Long Bobs, neigt den Kopf zur Seite und verzieht ihre vollen Lippen zu einem aufreizenden Lächeln. Da spricht eindeutig die zweite Flasche Champagner aus ihr! Schmunzelnd leere ich das Glas in meiner Hand in einem Zug und stelle erschrocken fest, dass nicht nur Emily die Auswirkungen des Champagners spürt. Für einen kurzen Moment halte ich mich am Tresen hinter mir fest, bis der Boden aufhört zu wanken.
Reiß dich zusammen, Riley, ermahne ich mich selbst, du musst morgen arbeiten! Im Gegensatz zu Emily habe ich mir keinen Urlaub genommen, was sich gerade als ziemlich blöde Idee herausstellt. Benommen schüttle ich den Kopf, als Emily plötzlich vor mir auftaucht und vor Begeisterung quietscht.
„Siehst du den niedlichen Kerl da vorne?“ Ich werfe einen kurzen Blick über ihre Schulter. Sie redet tatsächlich von dem blonden Schönling auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes! Mit einem kurzen Nicken bedeute ich ihr weiterzusprechen, bereue es jedoch bereits im nächsten Moment, als der Club sich zu drehen beginnt. Nicht gut.
„Also, auf jeden Fall will er uns mit in die VIP-Lounge nehmen. Ist das nicht irre?“
Ich seufze, als ich das begeisterte Funkeln in ihren Augen wahrnehme. Egal, was ich jetzt sage, sie wird niemals zustimmen, nach Hause zu gehen. Außerdem ist es ihr besonderer Abend, also setze ich mein lässigstes Grinsen auf und finde mich nur wenige Minuten später oberhalb des Clubs in einem kleinen, separaten Raum mit geschmackvollen Ledersofas und einer eigenen Bar wieder. Es hätte uns schlechter treffen können.
Das Licht hier ist gedämpfter und die Musik nicht so furchtbar laut, man kann sogar sein eigenes Wort verstehen. Wir befinden uns etwa zehn Meter über der Tanzfläche, die ich interessiert beobachte. Das Zusammentreffen von so vielen verschiedenen Leuten fasziniert mich stets aufs Neue, auch wenn große Menschenmengen normalerweise nicht so mein Ding sind. Nachdenklich schwenke ich die prickelnde Flüssigkeit in meinem Glas hin und her, das Emilys Verehrer – der sich als Alec vorgestellt hat – mir in die Hand gedrückt hat.
„Die können uns hier oben nicht sehen. Das Fenster ist einseitig verspiegelt.“ Ich zucke zusammen, während ich meinen Blick nach links lenke.
Ganz heimlich, still und leise ist neben mir ein weiterer junger Mann aufgetaucht. Sein hellbraunes Haar ist lässig nach hinten gestylt, allerdings ist es nicht akkurat frisiert, eher verwuschelt, so als wollte er diesen „Gerade aufgestanden“-Look. Seine grünen Augen funkeln mich verschmitzt an, was wunderbar zu dem verwegenen Lächeln auf seinen Lippen passt.
„Klasse“, entgegne ich lächelnd, bevor ich einen großen Schluck Champagner zu mir nehme, „ich beobachte Menschen ohnehin lieber, als selbst gesehen zu werden.“
„Geht mir ähnlich. Vor allem, wenn sie so schön sind wie du.“
Ungewollt entwischt mir ein Kichern. O Gott, was war das denn? Normalerweise lasse ich Männer, die solche Sprüche draufhaben, sofort stehen. Das muss der Champagner sein … vom dem sollte ich ab jetzt besser die Finger lassen.
Meine neue Bekanntschaft und Alec durchkreuzen diesen Plan jedoch, und ich bin zu betrunken oder zu höflich, um Nein zu sagen. In den nächsten Stunden knallt ein Korken nach dem anderen, und wir feiern so ausgelassen, dass ich gegen drei Uhr morgens nicht mehr weiß, wo vorne und hinten ist.
Lachend lege ich den Kopf in den Nacken, während kleine Tränen über meine Wange laufen. Ian – so heißt meine charmante Clubbekanntschaft – ist furchtbar lustig, und, na ja, der Alkohol tut sein Übriges.
„Okay, okay, Leute. Ich weiß, ihr habt viel Spaß, aber ich denke, wir sollten langsam los, Riley.“ Emily klingt so betrunken, wie ich mich fühle, und dennoch weiß ich, dass sie recht hat.
„Einen Moment noch“, Ian sieht mich an, „du bist doch eine Frau.“ Spontan sehe ich an mir herunter. Brüste sind noch da, und ein Penis scheint mir auch nicht gewachsen zu sein, also ja. Ich bin offenkundig eine Frau.
„Mein Management will, dass ich mich mit meiner Freundin verlobe, um mein Image ein bisschen aufzubessern. Unglaublich, was?“ Verwirrt ziehe ich die Augenbrauen zusammen. Hat der gerade Management gesagt? Der Champagner scheint selbst meine letzte noch funktionierende Gehirnzelle infiltriert zu haben.
„Auf jeden Fall brauche ich mal eine weibliche Meinung zum Verlobungsring.“ Er lehnt sich zu mir herüber und öffnet eine kleine, dunkelblaue Samtschachtel, die sehr edel aussieht. Doch was sich im Inneren befindet, ist noch um einiges beeindruckender.
„Wow“, meine ich leise und neige den Kopf ehrfürchtig zur Seite. So etwas Schönes und Teures habe ich noch nie in meinem Leben gesehen! Das spärliche Licht der Lounge bricht sich in dem großen Diamanten und verursacht ein wunderschönes Funkeln, von dem ich kaum die Augen lassen kann.
„Viel zu protzig, oder? Hab ich meinem Manager auch gesagt, aber der wollte nicht hören.“ Ian seufzt. „Anscheinend stehen die Frauen da heutzutage drauf. Na ja, zumindest Ashleen.“
Ich habe immer noch keine Ahnung, von was oder wem genau er da redet, aber momentan ist es mir auch egal. Meine Aufmerksamkeit gilt noch immer dem Ring. Meinem Sitznachbarn treiben meine bewundernden Blicke ein mildes Grinsen auf die Lippen.
„Willst du ihn mal anprobieren? Ihr könntet in etwa dieselbe Größe haben.“ Sofort schüttle ich den Kopf. Dem kann ich doch in keinem Fall zustimmen, egal wie betrunken ich bin.
„Bringt es nicht Unglück, wenn man den Verlobungsring einer anderen anzieht?“, frage ich neckend, was Ian nur mit einem Schulterzucken abtut.
„Ein bisschen Pech schadet dieser Verbindung nicht.“
Ah ja. Bei den beiden herrschen wirklich seltsame Beziehungsverhältnisse … Und noch bevor ich irgendwie protestieren kann, steckt der Ring auch schon an meinem Finger. Fasziniert halte ich ihn gegen das Licht, während ich meine Hand hin und her drehe. Er ist atemberaubend! Doch leider habe ich nicht viel Zeit, ihn weiter zu bewundern, denn auf einmal bricht Hektik aus. Zwei überdimensional große, kahlrasierte Sicherheitsmänner kommen auf Ian zu, der daraufhin panisch einige Worte mit Alec wechselt und mir einen kurzen Blick zuwirft.
„Wir bringen euch nach Hause. Kommt mit.“
In großer, für mich nicht nachvollziehbarer Eile werden wir über eine Treppe in einen langen, dunklen Gang zur Hintertür eskortiert. Stirnrunzelnd werfe ich meinem Begleiter einen Blick zu, aber der ignoriert mich vollkommen. Das ist alles höchst merkwürdig. Zu allem Überfluss passiert kurz vor der Tür dann in der Hektik schließlich noch das Unausweichliche: Der Alkohol beeinträchtigt nun auch meinen Gleichgewichtssinn, ich stolpere über meine eigenen Füße und falle. Doch bevor ich auf dem Boden aufkomme, fängt Ian mich auf.
Intensive grüne Augen funkeln mich an, während ich in seinen Armen liege, und erschweren mir für einen kurzen Moment das Atmen. Waren die vorhin auch schon so schön? Mein Herz hämmert wie wild in meinem Brustkorb, als er schützend den Arm um mich legt. Endlich finde ich meine Stimme wieder.
„Danke“, murmle ich leise, schlinge meinen Arm um seine Mitte und halte mich an ihm fest. Meinen Beinen traue ich jedenfalls nicht mehr.
Alec stößt die Tür nach draußen auf, und auf das, was mich da erwartet, bin ich nicht vorbereitet. Ein Blitzlichtgewitter bricht über uns herein, und ich reiße panisch die Hände in die Luft, um mein Gesicht zu schützen. Auf keinen Fall darf ich auf einem Foto erkennbar sein!
Energisch wehrt der junge Mann neben mir die Fotografen ab, führt mich zielsicher zu seinem dunklen Wagen und schiebt mich ins Innere. Erleichtert aufatmend lasse ich mich in die bequemen Sitze der Rückbank sinken. Hier bin ich sicher vor den Kameras, durch die getönten Scheiben kann man nichts erkennen. Langsam gleitet mein Blick zu dem attraktiven Mann neben mir, als die Wagentüren geschlossen werden. Wer zur Hölle bist du, Ian, und was hast du mir da nur eingebrockt?
Das Häckseln des Mixers lässt mich wenige Stunden später aus dem Schlaf hochschrecken. Stöhnend drehe ich mich auf die andere Seite. Die Nacht kann unmöglich schon vorbei sein!
„Willst du auch einen Smoothie?“ Emily schreit gegen das laute Geräusch des Mixers an, was meine Kopfschmerzen nicht gerade lindert. Ich habe noch nie verstanden, wie sie trotz ihres teilweise exzessiven Alkoholkonsums an den Wochenenden – oder in der Woche, so wie gestern – keinen Kater haben kann. Wie ist das möglich? Ich dagegen sterbe jedes Mal einen grausamen Tod, wenn ich nach einer durchzechten Nacht aufwache. Das Leben kann manchmal so unfair sein …
„Alles, was ich will, ist eine Aspirin“, knurre ich leise und drücke mir das Kopfkissen aufs Gesicht. Mein Kopf hämmert fast so stark wie die Bässe im Club in der vergangenen Nacht.
„Du musst langsam echt aufstehen, Riley.“ Die Stimme meiner besten Freundin ist auf einmal so nah, dass ich mir das Kissen wieder unter den Kopf lege und sie anschaue. „Es ist schon fast zwölf.“
Verdammt! Meine Schicht beginnt in zwei Stunden, und ich sehe vermutlich aus wie der Tod auf zwei Beinen! Zumindest fühle ich mich so. Brummelnd strample ich mir die Decke von den Beinen und schlurfe den Flur hinunter ins Badezimmer, wo mich ein Bild des Grauens erwartet.
„Ach du Heiland …“ Erschrocken schlage ich mir die Hand vor den Mund. Ich sehe ja furchtbar aus! Ob das in zwei Stunden wieder herzurichten ist, wage ich zu bezweifeln.
Unter meinen schokoladenbraunen Augen zeichnen sich dunkle Ringe ab, die selbst mit viel Concealer schwer abzudecken sein werden. Meine langen, honigblonden Haare hängen platt und glanzlos herunter. Zu allem Überfluss fällt durch das helle Badezimmerlicht zusätzlich auf, dass mein Ansatz längst hätte nachgefärbt werden müssen. Ich muss dringend zum Friseur, das geht ja gar nicht!
Noch immer sind um meinen Mund Rückstände des Lippenstifts von gestern zu sehen, und zu guter Letzt stelle ich fest, dass sich eine meiner falschen Wimpern auf meinen Hals verirrt hat. Ich muss mich ganz schnell wieder in Ordnung bringen, so kann ich auf gar keinen Fall bei meinen Patienten sehen lassen.
Gerade als ich mein T-Shirt ausziehen will, um in die Dusche zu steigen, fällt mein Blick auf meine linke Hand, was mich augenblicklich innehalten lässt. Dort an meinem Ringfinger funkelt ein Ring mit dem wohl eindrucksvollsten Diamanten, den ich jemals gesehen habe. Wie zur Hölle kommt der an meine Hand? Denn dieser Stein ist mit tausendprozentiger Sicherheit echt und nicht nur billiger Modeschmuck. Mit aller Kraft ziehe ich daran, doch der Ring bewegt sich keinen Millimeter. Also schmiere ich ihn ordentlich mit Seife ein und versuche erneut, ihn vom Finger zu ziehen. Doch trotz meines kleinen Hilfsmittels bleibt er weiterhin an Ort und Stelle. Das ist nicht gut. Gar nicht gut.
„Ems!“ Mit schnellen Schritten laufe ich ins Wohnzimmer, wo die junge Ärztin dick eingemummelt in einer flauschigen, weißen Decke auf ihrem Sofa liegt. Sie sieht mindestens genauso schlecht aus, wie ich mich fühle.
„Na, geduscht hast du aber noch nicht.“ Sie wirft mir einen abschätzenden Blick zu, bevor sie mich mit einer Handbewegung wieder Richtung Badezimmer scheucht.
„Was ist letzte Nacht passiert?“ Mir ist schon klar, dass mir die Zeit davonrennt, aber die Antwort auf meine Frage ist wesentlich wichtiger als eine heiße Dusche. Ich lasse mich neben sie fallen, ehe ich meine Hand hochhalte und ihr somit den Ring präsentiere.
„Ich war betrunken, ja. Aber doch nicht so betrunken, dass ich mich mit einem fremden Mann verlobt habe!“
Die grünen Augen meiner besten Freundin weiten sich um das Dreifache, als sie nach meiner Hand greift und den Ring bewundert.
„Der Diamant hat mindestens fünf Karat. Ich meine, guck mal, wie riesig der ist!“
Wenn sich jemand mit teuren Schmuckstücken auskennt, dann Emily. Ihre Eltern sind stinkreich, weshalb sie sich niemals Sorgen um Geld machen muss. Eigentlich müsste sie nicht mal arbeiten, aber das geht gegen ihre Überzeugung, sagt sie. Sie könne nicht den ganzen Tag zu Hause sitzen, nichts tun und gelegentlich ein bisschen Geld ausgeben. Das entspreche nicht ihrem Naturell, was sie in meinen Augen um einiges sympathischer macht. Geld und Luxus ist ihr mehr oder weniger egal, auch wenn sie in einem riesigen Drei-Zimmer-Apartment in West Hollywood wohnt. Ganz ohne Glanz und Glamour geht es wohl doch nicht. Allerdings ist mir ihre Schmuckanalyse momentan herzlich egal.
„Der ist bestimmt Millionen wert“, haucht sie ehrfürchtig, was mir ein genervtes Schnauben entlockt.
„Wie ist der an meinen Finger gekommen?“, knurre ich gereizt, und diesmal ist Emily diejenige, die seufzen muss. Sie weiß ganz genau, dass man mir besser schnell antwortet, wenn ich so einen Ton anschlage.
„Ich weiß es nicht mehr“, gibt sie schließlich ehrlich zu, während sie meine Hand loslässt und sich zurücklehnt.
„Ich kann mich noch erinnern, dass ich diesen Alec kennengelernt hab, der uns mit in die VIP-Lounge genommen hat.“ Ja, daran kann ich mich auch noch erinnern. Der charmante Typ, der eigentlich nicht ihrem Beuteschema entspricht.
„Und dann war da noch dieser Kumpel von ihm. Mit dem hast du dich aber überwiegend unterhalten …“ Krampfhaft versuche ich nachzudenken, doch es sind nur noch Erinnerungsfetzen übrig.
Ein atemberaubendes Lächeln mit einer Reihe strahlend weißer Zähne. Tiefgrüne Augen mit den intensivsten Blicken, die mir je ein Mann zugeworfen hat.
Starke, muskulöse Arme, die mich auffangen, als ich zu fallen drohe. Aber das ist auch schon alles. Frustriert lege ich den Kopf in den Nacken. Das kann doch alles nicht wahr sein! Ich kann mich nicht mal an seinen dämlichen Namen erinnern! Irgendwas mit „I“, glaube ich. Oder war es mit „E“? Ich weiß es nicht mehr.
„Auf jeden Fall bekomme ich das Ding nicht vom Finger. Hab es auch schon mit Seife probiert.“ Emily legt den Kopf zur Seite und betrachtet den Ring erneut mit zusammengekniffenen Augen.
„Zum Aufschneiden ist der definitiv zu schade. – Aber du hast gerade ein ganz anderes Problem“, fügt sie hektisch hinzu, nachdem sie einen Blick auf die Uhr an der gegenüberliegenden Zimmerseite geworfen hat.
„Dann versuche ich es einfach noch mal mit Desinfektionsmittel“, überlege ich laut, als Emily mir hart gegen die Schulter boxt.
„Aua!“ Ich werfe ihr einen bösen Blick zu, während ich mir den Oberarm reibe.
„Riley! Deine Schicht fängt gleich an.“ Oh, verdammt! Aber gut, dann muss das Schmuckproblem erst mal warten.
„Alter, ich trinke in meinem gesamten Leben keinen Champagner mehr.“
Alec reibt sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken, bevor er das Glas frisch gepressten Orangensaft herunterkippt, das vor ihm steht, und zwei Paracetamol hinterherschmeißt.
„Diese Blubberbrause zerschießt mir jedes Mal wieder den Schädel.“ Grinsend schiebe ich mein Rührei auf dem Teller umher. Mir geht es zwar nicht ganz so schlecht wie meinem Gitarristen, allerdings habe auch ich einige Erinnerungslücken, was den gestrigen Abend angeht.
Ich musste einfach mal wieder unter Leute. Seit Wochen arbeite ich an meinem neuen Album, und in den letzten Tagen hat es beim Schreiben und Komponieren stark gehapert. Da ist mir die Decke auf den Kopf gefallen. Immerhin bin ich keine Maschine, die einen Nummer-eins-Hit nach dem anderem aus dem Ärmel schüttelt.
Also habe ich mir meinen Bandkollegen und besten Freund Alec Marshall geschnappt, und wir sind ins Lightroom gefahren. Unseren absoluten Lieblingsclub in ganz Los Angeles. Was genau passiert ist, weiß ich allerdings nicht mehr genau. Nur der Paparazzi-Ansturm am Ende ist mir im Gedächtnis geblieben.
„Muss auf jeden Fall ein Wahnsinnsabend gewesen sein, wenn du so einen Kater hast, und das, obwohl wir vorher noch einige Lines gezogen haben. Eigentlich hätte der Alkohol dadurch gar nicht so kicken dürfen.“
Alec nickt, während er auf seinem Toast herumkaut.
„Richte Maria bitte aus, dass ihr Frühstück mal wieder der Wahnsinn ist“, meint er mit vollem Mund, was mir ein leichtes Schmunzeln entlockt.
Maria ist seit etwa einem Jahr meine Haushälterin und Köchin. Zugleich ist sie die gute Seele dieses Hauses. Alle meine Freunde lieben sie und vor allem ihr grandioses Essen. Während ich in meiner top ausgestatteten Viertausend-Dollar-Hochglanzküche gerade mal ein Brot schmieren kann, zaubert sie die unterschiedlichsten Gerichte auf den Teller, die jedem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Ohne sie wüsste ich gar nicht, wie ich neben der Musik einen anständigen Haushalt führen sollte.
Maria ist durch ihre herzliche und fürsorgliche Art bereits nach kurzer Zeit wie eine zweite Mutter für mich geworden, und um nichts auf der Welt würde ich sie missen wollen. Hier bricht ja schon das Chaos aus, wenn sie mal zwei Tage Urlaub nimmt.
„Ich werde es ihr ausrichten“, erwidere ich also, wobei sie dieses Kompliment schon an die hundert Mal bekommen hat, „allerdings schmeckt mit einem Kater alles besser. Das müsstest du doch am besten wissen.“
Grinsend schmeißt Alec eine Weintraube nach mir, die ich geschickt mit dem Mund auffange, bevor ich mich selbst meinem Essen widme. Diese entspannten, ausgelassenen Frühstücke mit meinem besten Freund genieße ich immer sehr. Sie sind ein guter Ausgleich zu meinem sonst so stressigen Alltag. Und auch für Alec ist es immer wieder eine willkommene Gelegenheit, seinen komplizierten Frauengeschichten zu entkommen.
Erst gestern im Club hat er eine hübsche Brünette aufgegabelt, die er schließlich mit in die VIP-Lounge gebracht hat. Ob er sie wiedersehen wird, ist jedoch fraglich. Für One-Night-Stands ist Alec immer zu haben, von Monogamie hält er umso weniger. Gerade, als ich ihn über seine neuste Eroberung ausfragen will, findet unsere friedliche Frühstücksatmosphäre allerdings ein jähes Ende.
„ADRIAN ADAMS!“ Die wütende Stimme meines Managers hallt durch die komplette untere Etage meines Hauses. Kein gutes Zeichen.
„Oho.“ Alec schluckt, bevor er eine Grimasse schneidet und um einen ganzen Kopf kleiner wird, als die schweren Schritte von Samuel Donovan immer näher kommen.
„Scheint so, als hätten wir großen Mist gebaut.“ Ich schaffe es gerade noch zu nicken, als Sam mit seinem Handy in der Hand um die Ecke biegt und damit wild vor meinem Gesicht herumfuchtelt.
„Was habt ihr beiden Schwachköpfe euch dabei gedacht?“ Sein Gesicht ist hochrot vor Wut, und in seinen blauen Augen kann ich erkennen, dass er mir am liebsten den Hals umdrehen würde.
„Jeder Vollidiot weiß doch, dass das Personal im Lightroom dafür bekannt ist, die Presse anzurufen, sobald ein Promi auftaucht!“
Ich werfe Alec einen schnellen Blick zu, bevor ich meine Aufmerksamkeit auf das Handydisplay lenke.
Es zeigt die Startseite vom Hollywood Ticker, einer App, die täglich mit den neusten Informationen der angesagtesten Stars auftrumpft. Und heute bin ich Gesprächsthema Nummer eins. Angespannt knirsche ich mit den Zähnen, während ich durch mehrere Fotos scrolle, die mich mit einer mir unbekannten Frau im Arm zeigen. Man kann ihr Gesicht nicht erkennen, da sie ihre Hand geschickt davor platziert hat. Doch dadurch bemerke ich den funkelnden Ring an ihrem Finger, der … Oh, fuck!
„Kannst du mir mal verraten, wieso eine fremde Frau den Zwei-Millionen-Dollar-Ring trägt, der eigentlich am Finger von Ashleen Johnson sein sollte?“ Sam versucht, ruhig zu bleiben, doch ich weiß, dass er kurz vorm Explodieren ist. Dafür kenne ich ihn nach drei Jahren gut genug.
„Nein, kann ich nicht“, entgegne ich also wahrheitsgemäß, während ich ihm fest in die Augen schaue, „ich kann dir nicht mal sagen, wer sie ist.“
„Das wird ja immer besser“, knurrt mein Manager, „du kannst dir verdammt noch mal keinen Skandal mehr leisten, Ian! Ashleen sollte dein Image aufbessern, und das weißt du genau. Aber was machst du? Wirfst dich den Paparazzi zum Fraß hin!“
Ich versuche etwas zu erwidern, doch Sam ist noch nicht fertig.
„Die Presse wird sich auf diese Story stürzen wie ausgehungerte Hyänen auf frisches Fleisch.“ Ich kann verstehen, wieso Sam so außer sich ist, aber das Geschehene jetzt ohnehin nicht mehr ändern.
„Ganz ehrlich, diese ganze Verlobungsgeschichte war doch eh vollkommener Bullshit.“ Mir ist klar, dass ich mich gerade sehr weit aus dem Fenster lehne, aber das muss das jetzt einfach mal gesagt werden. „Wie soll Ashleen mein Image aufbessern? Die Kleine ist die Skandalnudel schlechthin.“
Wundert mich sowieso, dass sie nicht schon längst wieder in einer Entzugsklinik ist.
„Außerdem kann ich sie nicht mal leiden.“ Die paar Dates, die wir gehabt haben, sind die Hölle gewesen. So eine eingebildete und egozentrische Person ist mir lange nicht mehr untergekommen.
„Diese Verbindung sollte für euch beide von Vorteil sein! Aber das hast du – dank gestern – gründlich in den Sand gesetzt! Wie kann man nur so engstirnig sein?“
Schulterzuckend nehme ich einen Schluck von meinem Saft. Besser in den Sand gesetzt und das neue Topthema der Presse als den Rest meines Lebens mit dieser Frau. Ich war von Anfang an nicht begeistert von der Hochzeitsidee, aber Sam war Feuer und Flamme, weshalb ich mich ihm zuliebe darauf eingelassen habe. Immerhin hat er einen erheblichen Teil dazu beigetragen, meine Karriere nach vorne zu bringen. Doch genug ist genug, weshalb ich jetzt beschlossen habe, schnellstmöglich von diesem Zug abzuspringen. Ich habe einen eigenen Willen, und den setze ich jetzt endlich durch. Ashleen Johnson ist Vergangenheit, und das soll verflucht noch mal auch so bleiben!
„Ich wundere mich ohnehin schon, warum Amber mich noch nicht angerufen hat“, seufzt Sam, während er sich einen meiner Toasts schnappt und abbeißt. „Die springt zu Hause bestimmt schon im Dreieck.“
Nur Sekunden später fängt sein Handy an zu klingeln, und ein Schmunzeln tritt auf meine Lippen, denn es scheint, als hätte Amber Johnson seine Worte gehört und direkt zum Telefon gegriffen. Kurz darauf beginnt auch mein Handy zu vibrieren. Na super.
„… Amber, meine Liebe. Gut, dass du anrufst …“ Mit schnellen Schritten verlässt mein Manager die Küche, um in Ruhe im angrenzenden Wohnzimmer telefonieren zu können.
Ich dagegen atme noch einmal tief durch, werfe Alec einen gequälten Blick zu und nehme den Anruf entgegen, der mich mit Sicherheit einige Nerven kosten wird. Mir bleibt nicht einmal Zeit, ein kurzes „Hallo“ loszuwerden, da wettert Ashleen auch schon los.
„Hast du die Fotos im Hollywood Ticker gesehen?! Wer ist dieses blonde Flittchen? Und warum trägt sie MEINEN Ring? Hast du Idiot eigentlich eine Ahnung, wie ich jetzt dastehe? Alle haben doch schon geahnt, dass wir uns verloben würden! Herrgott, Ian! Jedem ist doch klar, dass das auf dem Bild nicht ICH bin. Du bist so dämlich. Was hast du dir nur dabei gedacht?! Wahrscheinlich gar nichts, weil du mal wieder zugekokst warst, wie immer.“
Wow. Während dieser Schimpf- beziehungsweise Beleidigungstirade hat sie nicht einmal Luft geholt. Unfassbar, dass ich mit dieser reizenden Frau und ihrem charmanten Mundwerk den Rest meines Lebens verbringen sollte. Alec wirft mir nur einen mitleidigen Blick zu. Die Stimme meiner Beinahe-Verlobten ist dermaßen laut und schrill, dass er jedes einzelne Wort mitbekommen hat. Allerdings habe ich davon jetzt die Nase voll!
„Ash? Halt die Klappe. Du nennst mich einen zugekoksten Mistkerl? Du bist doch keinen Deut besser. Wenn ich dich daran erinnern darf, hast du dir auch schon den ein oder anderen Fehltritt geleistet, wenn du mal wieder stockbesoffen warst. Also hör mir gut zu, denn das werden die letzten Worte sein, die du aus meinem Mund hören wirst. Ich weiß noch nicht, wie genau ich Sam davon überzeuge, aber eines kannst du mir glauben: Ich werde alles daransetzen, dich niemals heiraten zu müssen.“
Ohne auf ihre Antwort zu warten, lege ich auf.
„Diese blöde …“ Mit voller Wucht schlage ich mit der Faust auf den Tisch, ein klirrendes Geräusch ertönt, und ein stechender Schmerz zuckt durch meine Hand.
„Verdammt.“ Eine warme Flüssigkeit läuft mir über die Finger, die sich bei genauerem Hinsehen als Blut entpuppt. Blöderweise habe ich in meinem Wutanfall direkt auf den Teller geschlagen, und die Scherben haben sich in meine Hand gebohrt.
„Das sieht übel aus, Mann.“ Alec inspiziert die Verletzung, was mir trotz seiner Vorsicht höllische Schmerzen bereitet. „Wir müssen ins Krankenhaus. Das muss genäht werden, fürchte ich … Sam!“
Fluchend wickle ich ein Geschirrtuch um die Hand. Na das hat mir gerade noch gefehlt.
Eine heiße Dusche und zwei Outfitwechsel später stehe ich im Providence Saint John’s Health Center auf Station 21 und notiere die Vitalwerte des letzten Patienten auf meinem Rundgang.
Immer wieder fällt mein Blick auf den riesigen Ring an meinem Finger, den ich seit Schichtbeginn versuche loszuwerden. Leider ohne Erfolg. Er scheint wie festgeklebt zu sein.
Das Tragen von Schmuck ist hier strengstens untersagt, da es gegen die Hygienevorschriften verstößt, und ich hoffe inständig, dass es niemandem auffällt. Gut, bei dem Diamanten ist das schon eine Herausforderung, doch bisher hat mich noch niemand darauf angesprochen. Seufzend schiebe ich die Hand in den unförmigen, blauen Kasack, der mir heute fast zwei Nummern zu groß ist und wie ein Sack an mir herunterhängt.
Ein Blick auf die Uhr an meinem anderen Handgelenk zeigt mir, dass ich jetzt endlich ein paar Minuten Zeit für die dringend benötigte Tasse Kaffee hätte, nach der ich mich in den letzten Stunden regelrecht verzerrt habe. Also mache ich mich auf den Weg in Richtung Schwesternzimmer, doch schon im nächstgelegenen Gang hält mich eine mir nur allzu bekannte Stimme auf.
„Riley, Schätzchen! Hast du ein paar Minuten?“ Mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen bleibe ich stehen und biege in den kleinen Aufenthaltsraum ab, den unsere Langzeitpatienten für ihre Zusammenkünfte nutzen. An einem kleinen Tisch in der hintersten Ecke des Raumes, neben dem Fenster mit dem besten Ausblick über den Stadtteil, sitzen zwei ältere Damen in gemütlich aussehenden weißen Sesseln. Vor ihnen auf dem Tisch liegt ein Kartendeck, was mir verrät, dass sie wieder am Mau-Mau-Spielen waren, als ich den Flur entlang geschlendert bin.
„Mrs. Beck, Mrs. Simpson“, ich sehe die beiden nacheinander an und lasse mich in den dritten Sessel fallen, „Sie werten meinen Tag gerade um einiges auf. Was kann ich für Sie tun?“
„Also erst mal kannst du uns duzen, Liebes. Das haben wir dir schon hundertmal gesagt. Immerhin kennen wir uns inzwischen lang genug, oder nicht?“
Grinsend schüttle ich den Kopf. Die zwei können es einfach nicht lassen.
Eloise Beck und Margret Simpson warten seit etwa vier Jahren auf ein Spenderorgan. Die eine auf eine Leber und die andere auf eine Niere. Deswegen kommen sie regelmäßig für ein paar Tage zur Kontrolle hier auf die Station. Wir sind uns hier vor drei Jahren zum ersten Mal begegnet und waren uns auf Anhieb sympathisch, weshalb ich die Damen sehr schnell ins Herz geschlossen habe.
Sie selbst haben sich auch erst hier im Krankenhaus kennengelernt und eine ganze Menge Gemeinsamkeiten festgestellt. Schon bald waren sie beste Freundinnen. Beide brauchen offensichtlich ein neues Organ, um noch ein wenig weiterleben zu können. Ihre Männer sind schon lange verstorben, und ihre Familien wohnen in anderen Bundesstaaten, weshalb ihre Angehörigen eher mit Abwesenheit glänzen. Ihre neu entdeckte Freundschaft ist eine rührende Geschichte, die mir immer wieder aufs Neue das Herz erwärmt. Dabei könnten die beiden auf den ersten Blick gar nicht unterschiedlicher sein.
Eloise ist eine sehr feine, immer gut gekleidete ältere Dame. Hier im Krankenhaus weigert sie sich seit Tag eins strikt, einen Kittel zu tragen, was die ein oder andere Diskussion zwischen uns verursacht hat. Man sieht ihr einfach an, dass sie aus gutem Hause ist und eine Menge Geld hat, was nicht zuletzt dem Tod ihres Mannes geschuldet ist, der ein hohes Tier in der Filmbranche gewesen ist.
Magret Simpson dagegen ist durch und durch ein Freigeist. Auf Reichtum legt sie keinen Wert, ganz im Gegenteil: In den Siebzigern hat sie wohl eine ganze Zeit lang nur in einem alten Van gelebt und keinen festen Wohnsitz gehabt. Sie und ihr Mann waren Hippies, was man ihr heute immer noch etwas ansieht. Ihre grauen Haare reichen ihr fast bis zum Hintern, und die Kleidung in ihrer Krankenhaustasche besteht ausschließlich aus luftigen, bunten Gewändern. Wenn sie könnte, würde sie vermutlich barfuß durch die Gänge wandern, doch das habe ich schnell zu verhindern gewusst. Immerhin ist es auch in ihrem Interesse, sich nicht noch zusätzliche Infektionen einzuhandeln.
„Also, können wir ihn mal sehen?“ Eloise beugt sich neugierig nach vorne und beäugt meine Hand, während ich die Stirn in Falten lege.
„Was genau wollt ihr sehen?“, frage ich schließlich langsam.
„Na den Ring, Dummerchen! Den fetten Klunker.“ Margret wackelt anzüglich mit den Augenbrauen, was mich unter normalen Umständen amüsiert hätte, doch jetzt gerade ist mir nicht zum Lachen zumute. Woher wissen die beiden von dem Ring? Noch etwas unsicher ziehe ich meine linke Hand aus der Tasche und halte sie ihnen hin. Ganz verzückt greifen sie danach, um das Schmuckstück eingehend zu inspizieren.
„Der sieht ja noch besser aus als auf den Fotos!“
„Und wie schön der funkelt. Da hat er ganz tief in die Tasche gegriffen, Margret. Ich sag’s dir!“
Moment mal. Was?
„Von welchen Fotos sprecht ihr da?“ Eloise greift nach ihrem Smartphone, das neben ihr auf dem Tisch liegt, und hält es mir hin.
„Keine Sorge, dein Gesicht kann man nicht erkennen. Sonst wären hier bestimmt schon massenhaft Reporter.“ Sie lacht kurz auf. „Wir haben dich nur anhand des Tattoos an deinem Handgelenk erkannt. Wieso hast du uns denn nicht erzählt, dass du mit einem der berühmtesten Sänger der Gegenwart liiert bist? Meine Enkelin ist ganz vernarrt in ihn und seine Musik.“
Fassungslos greife ich nach dem Handy und starre auf das Display. Die beiden haben recht. Da bin ich!
Mein Gesicht ist zum Glück tatsächlich nicht zu erkennen. Man sieht lediglich meine blonde Haarpracht und meine beiden Hände, die ich abwehrend in die Höhe halte. Den Ring präsentiere ich der Kamera dabei allerdings wie auf dem Silbertablett.
Auf einem weiteren Foto hat der Fotograf näher herangezoomt, um mich besser erkennen zu können, aber man kann nur mein Taubentattoo erkennen. Wobei man wirklich ganz genau hinsehen muss – so wie anscheinend die zwei. Neben mir ist ein junger Mann abgebildet, dessen Arm schützend um meine Schultern liegt. Er hat den Blick gesenkt, aber irgendwoher weiß ich, dass seine Augen grün sein müssen. Merkwürdig. Will mein Unterbewusstsein mir mit dieser Information vielleicht etwas sagen?
Auf einmal werden meine Knie weich, und ich bin froh, bereits auf einem Sessel zu sitzen. Nachdem ich ein paarmal tief durchgeatmet habe, wird mir schließlich auch klar, weshalb mein bester Freund Josh mich seit heute Morgen mit Anrufen terrorisiert. Er wird die Bilder auch gesehen und mich erkannt haben. Und wahrscheinlich tobt er innerlich vor Wut.
„Ist alles in Ordnung, Schätzchen?“ Meine beiden Patientinnen schauen mich besorgt an, also nicke ich kurz und schenke ihnen ein flüchtiges Lächeln. Doch gerade, als ich alles richtigstellen will, steckt meine Kollegin Claire den Kopf zur Tür herein und sieht mich entschuldigend an.
„Martin braucht dich in der Notaufnahme, Riley. Scheint dringend zu sein.“ Ich nicke und stehe auf, während ich mich bei Eloise und Margret entschuldige.
Die Verlobungsgeschichte hatte Zeit bis später, aber wenn Martin Aleksandrov ruft, sollte man ihn besser nicht warten lassen.
„Riley, da bist du ja. Danke, dass du es so schnell geschafft hast.“
Überrascht ziehe ich die Augenbrauen hoch. Es ist sehr selten, dass Martin einen so freundlichen Ton anschlägt. Irgendwas ist hier im Busch, und vermutlich werde ich gleich erfahren, worum es sich handelt. Ich folge dem Chefarzt der Notaufnahme durch sein Areal.
Für einen normalen Mittwochvormittag herrscht hier recht viel Betrieb. Überall laufen Krankenschwestern, Pfleger und Ärzte geschäftig durch die Gegend. Fast alle Behandlungskabinen sind mit einem blauen Vorhang verschlossen, also belegt. Durch die gläserne Eingangstür kann ich einen Blick ins Wartezimmer werfen, wo noch weitere Patienten auf eine Behandlung warten oder Angehörige auf gute Nachrichten von ihren Liebsten hoffen. Martin und ich steuern auf die letzte Behandlungskabine der Notaufnahme zu.
„Was du gleich sehen wirst, erfordert höchste Diskretion, ist das klar? Deshalb habe ich gerade dich rufen lassen. Du bist bekannt dafür, sehr verschwiegen zu sein.“ Ich nicke, während er noch murmelt: „Aus deiner Vergangenheit machst du ja auch ein großes Geheimnis.“
Genervt rolle ich mit den Augen. Dass ich, was mein Privatleben angeht, nicht so gesprächig bin wie die anderen Schwestern, war ihm schon immer ein Dorn im Auge. Vor allem zu der Zeit, als er bei mir landen wollte und ich ihn jedes Mal aufs Neue abgewiesen habe.
„Also, wir haben einen sehr prominenten Patienten, alles klar?“ Mit zusammengekniffenen Augen nicke ich erneut. Was beziehungsweise wer wird mich hinter diesem Vorhang wohl erwarten?
„Mister Adams, mein Name ist Dr. Martin Aleksandrov. Ich bin für heute Ihr behandelnder Arzt. Das ist Riley, eine unserer Krankenschwestern. Sie wird mir assistieren.“ Ich nicke dem jungen Mann kurz zu, halte dann jedoch inne. Mit großen Augen starre ich ihn an.
Das dunkelblonde Haar. Die grünen Augen, die mich angriffslustig anfunkeln. Dieses charmante Grinsen auf seinen Lippen … Vor mir sitzt der Typ von den Bildern! Der Besitzer des Ringes, der gerade zehn Kilo schwerer wird und meine Hand nach unten zieht. Dieser berühmte Popstar.
„Wir können später gern ein Foto machen, Süße. Nachdem du meine Hand gerettet hast, versteht sich.“ Ugh. Der ist ja sehr von sich überzeugt.
„Verzichte“, entgegne ich schlicht und konzentriere mich auf Martin, der mich um ein Nahtset bittet. Die Wunde ist wohl tiefer, als sie auf den ersten Blick aussieht.