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Er ist heiß, distanziert und unberechenbar. Eine Versuchung. Ihr Verderben? – Eine düstere Boss Romance für Fans von Ana Huang und Vi Keeland Als Romy den Job als persönliche Assistentin bei AB International annimmt, ahnt sie, dass Probleme vorprogrammiert sind. Denn ihr neuer Chef ist niemand Geringeres als ihre Jugendliebe Asher. Von dem liebevollen Jungen von damals ist jedoch nichts mehr übrig. Jetzt ist er ein eiskalter Geschäftsmann, der nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist. Doch je mehr Zeit sie miteinander verbringen, desto tiefer dringt Romy unter Ashers harte Schale. Und als sie in Gefahr gerät, ist er derjenige, der sie beschützt. Auch wenn das bedeuten könnte, dass er sie dadurch für immer verliert.
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© Piper Verlag GmbH, München 2024
Redaktion: Cornelia Franke
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Covergestaltung: Giessel Design
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Cover & Impressum
Widmung
Content Notes
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Danksagung
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Für alle, die zweite Chancen lieben.
Stalking: Kapitel 7, Kapitel 10, 16 (Angriff auf Romy)
Gewalt an Frauen: Kapitel 16, 17
Polizeiliche Ermittlung: Kapitel 7, 13, 14, 20, 21
Explizite Beschreibung von:
Alkohol- und Drogenmissbrauch: Kapitel 13, 20, 21
Asher
»Die Bewerberinnen waren alle scheiße, Marlie. Kannst du nicht doch weiterarbeiten?« Ich sitze hinter meinem gläsernen Schreibtisch und trommle mit den Fingern auf meinem Oberschenkel. Meine hochschwangere Assistentin lächelt zuckersüß, während sie mit der Gabel eine Olive aus dem Glas in ihrer Hand fischt.
»Ich glaube kaum, dass ich mein Kind im Vorraum deines Büros zur Welt bringen soll.«
Sie ist die einzige Mitarbeiterin, die mich duzen darf und das auch nur, weil ich es ohne sie nicht geschafft hätte, diese Firma aufzubauen. Marlie hat mir immer den Rücken freigehalten und des Öfteren auf Knien unter meinem Schreibtisch dafür gesorgt, dass ich schnell und einfach Stress abbaue. Ein Jammer, dass sie letztes Jahr geheiratet hat und das mit der Treue ernst nimmt.
»Du könntest es im Krankenhaus rauspressen und danach direkt wiederkommen«, schlage ich vollkommen überzeugt vor.
Eine Assistentin wie sie finde ich nie wieder. Alle Frauen, die wir uns heute angesehen haben, waren zu jung und dadurch zu unerfahren oder nicht intelligent genug. Ich erwarte hohe Kompetenz und zusätzlich etwas Nettes fürs Auge.
Offensichtlich existieren solche Frauen nicht mehr in New York.
»Mit einem Neugeborenen vor der Brust?« Marlie zieht amüsiert die Augenbrauen hoch. »Ich bitte dich, Asher. Du bist nicht der Typ Mann, der gern Kinder um sich hat.«
Seufzend lehne ich mich zurück. »Hast recht. Ich kann mit Babys nicht viel anfangen. Die sind halt noch zu nichts fähig.«
Marlie lässt sich leise ächzend auf einen der Sessel vor meinem Schreibtisch sinken, bevor sie sich die nächste Olive in den Mund schiebt. Seit sie schwanger ist, ist ihr Verbrauch von diesen Dingern besorgniserregend hoch.
»Mach dir keine Gedanken. Wir finden eine akzeptable Vertretung für mich. Außerdem wäre es nur für drei Monate. Das wirst du schon überleben.«
Eine auf meinem Bildschirm erscheinende Nachricht hindert mich an einer Antwort.
»Ich habe einen Anruf in Leitung zwei. Wir sprechen später.« Mit einer schlichten Handbewegung fordere ich sie dazu auf, den Raum zu verlassen, bevor ich das Telefonat annehme.
»Was gibt’s, Preston?«, knurre ich und drehe mich mitsamt Stuhl um, sodass ich die Aussicht der Upper East Side genieße.
»Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass du eine neue Assistentin suchst. Wie es der Zufall so will, habe ich die perfekte Kandidatin. Sie hat an der NYU studiert, ist offen und kommunikativ und ein richtiges Organisationstalent. Deine Termine würde sie mit links koordinieren und dir mit der rechten Hand Kaffee bringen.« Preston klingt so sehr von seinem Vorschlag überzeugt, dass ich mich dabei erwische, Gefallen an dieser Unbekannten zu finden. Allerdings weiß ich auch, mit welchen Frauen mein bester Freund normalerweise verkehrt.
»Wehe, du schleppst mir eine von deinen Bettgeschichten hier an, Nolan«, warne ich. »Ich stelle dich zu Marlie durch, damit sie dir die Zeit für das Vorstellungsgespräch gibt.«
»Bettgeschichte? Gott, nein. Es geht um …« Bevor er den Satz beendet, habe ich ihn weitergeleitet. Für einen Außenstehenden mag das unhöflich erscheinen, aber Preston kennt mich, seitdem wir im Sandkasten gespielt haben. Er weiß mit meinen Allüren umzugehen, genauso wie ich seine kleinen Macken aushalte.
Mit der Handfläche fahre ich mir übers Gesicht. Dieser Bewerbungszirkus hat mich den kompletten Vormittag gekostet. Also vertiefe ich mich in die angehäufte Arbeit, halte Ausschau nach neuen Baugrundstücken, die ich günstig aufkaufen kann, und überprüfe anstehende Immobilien-Deals, die kurz vor dem Abschluss stehen. Irgendwann bringt Marlie mir mein Mittagessen, doch erst, als sie erneut den Kopf in mein Zimmer steckt, werfe ich einen Blick auf die Uhr. Es ist bereits nach fünf.
»Ich mache jetzt Feierabend. Morgen kommen weitere fünf Bewerberinnen. Also mach nicht zu lange und schlaf genug, damit du sie nicht direkt beim Reinkommen abschreckst.«
»Sehr witzig. Bis morgen.« Meine Freude auf weitere Vorstellungsgespräche hält sich in Grenzen.
Ich warte ab, bis Marlie die Bürotür schließt. Erst danach logge ich mich über einen sicheren Browser in ein separates E-Mail-Programm ein. Die kleine Eins an dessen Icon zeigt, dass neue Informationen auf mich warten.
An meinem zweiten Whiskey nippend, studiere ich den neusten Bericht, den meine Privatdetektivin mir hat zukommen lassen.
Seit Kurzem sind Gerüchte darüber im Umlauf, dass einige meiner Geschäfte nicht legal sein sollen. Diese Vorwürfe lasse ich sicher nicht auf mir sitzen, daher muss ich den Drahtziehenden dahinter finden, um ihn oder sie zur Rede zu stellen.
Ich tippe eine knappe Antwort, stehe mit dem Glas in der Hand auf und stelle mich vor die Fensterfront, durch die ich über die Dächer der Stadt sehe. Inzwischen ist es dunkel geworden und New Yorks Skyline besteht nur noch aus Schatten und blinkenden Lichtern.
Für meinen Erfolg habe ich hart gearbeitet. Es ist nicht einfach, mit achtundzwanzig bereits CEO eines eigenen Unternehmens zu sein. Das hat Disziplin, viel Schweiß und den Großteil meines Privatlebens gekostet. Und nur, weil ein Neider mit diesem Erfolg nicht zurechtkommt, sollte keinesfalls mein Name darunter leiden.
Manche Leute behaupten, ich wäre ein rachsüchtiger, kalter Bastard, der nur an sich selbst denkt. Aber das stimmt nicht. Ich bin in keiner Weise kalt. Vielmehr reserviert. Auf meinen Vorteil bedacht. Talentiert darin, Menschen zu lesen und ihre Absichten zu erkennen. Dabei hilft es enorm, ein gutes Pokerface zu besitzen.
Doch seitdem die ersten Geschäftspartner mich auf die Gerüchte angesprochen haben, lodert in meinen Adern der Wunsch nach Rache. So hoch und heiß, dass es sich an manchen Tagen anfühlt, als würde ich von innen heraus verbrennen.
Der Drahtzieher wird für seine Lügen zur Rechenschaft gezogen werden, denn niemand legt sich mit mir an, ohne Konsequenzen zu spüren.
Romy
Seufzend lehne ich mich an die Wand des großen Gebäudekomplexes und puste mir frustriert eine Strähne aus dem Gesicht. Wieso ist es so schwer, in New York einen Job zu finden? Seit zwei Wochen renne ich von einem Vorstellungsgespräch zum nächsten und jedes Mal habe ich noch vor Ort eine freundliche Absage bekommen. Niemand ist sonderlich von meiner Mitwirkung bei einem Start-up beeindruckt. Mein Ex-Freund Dan hat seine Firma aus dem Nichts aufgebaut und ich war von Anfang an dabei, doch an der Upper East Side schenkt man mir dafür lediglich ein mildes Lächeln.
Mein Handy vibriert und als ich den Namen meines Bruders auf dem Display lese, fühle ich mich noch schlechter. Seit ich meinen Job, zeitgleich meinen Freund und die gemeinsame Wohnung verloren habe, lebe ich bei ihm.
»Na, wie liefs?« Seine Stimme klingt so hoffnungsvoll, dass ich am liebsten in Tränen ausgebrochen wäre.
»Wie zuvor. Ohne Berufserfahrung kein Job.« Was wiederum bedeutet, dass ich entweder weiter auf Prestons Sofa versauere oder zurück zu meinen Eltern nach Rhode Island muss.
»Das ist … echt scheiße.«
»Wem sagst du das?« Ich stoße mich von der Hauswand ab und trete an die Straße, wo ich versuche, die Aufmerksamkeit eines vorbeifahrenden Taxis zu erregen.
»Aber vielleicht kann ich dich aus deiner Misere befreien.« Sofort werde ich hellhörig.
»Inwiefern?«
Preston räuspert sich und ich verdrehe die Augen. Diese spannungsaufbauenden Pausen muss er sich echt abgewöhnen.
»Du könntest in einer Stunde bei einem weiteren Vorstellungsgespräch sein. Es wäre zwar befristet für drei Monate, aber besser als nichts, oder?«
Quietschend hüpfe ich aufgeregt auf und ab. »Wo muss ich hin? Schreib mir sofort die Adresse! Du bist der beste Bruder auf der ganzen Welt!«
Preston lacht, doch ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, dass das nicht sein typisches Lachen ist.
»Wo ist der Haken?«, frage ich misstrauisch.
»Das Gespräch ist bei AB International«, gibt er kleinlaut zu, doch ich verstehe nur Bahnhof.
»Und?«
»Das ist Ashers Firma.« Schlagartig wird mir die Tragweite seiner Worte bewusst und die Welt bleibt stehen. Krampfhaft halte ich das Telefon fest.
Asher. Dieser Name reißt nach fast zehn Jahren noch immer alte Wunden auf. Normalerweise schalte ich auf Durchzug, wenn ihn jemand erwähnt, oder blättere schnell auf die nächste Seite der Tageszeitung, wenn ich ihn im Wirtschaftsteil entdecke.
»Romy? Bist du noch dran?« Prestons Stimme klingt weit entfernt und ich konzentriere mich wieder darauf, um mich nicht in Erinnerungen zu verlieren.
»Ja, bin ich«, entgegne ich seufzend.
»Drei Monate wären doch super zum Überbrücken und parallel suchst du weiter. Außerdem hast du gute Chancen, den Job wegen eurer Vergangenheit zu bekommen. Wegen unserer Vergangenheit«.
Neben mir hält ein Taxi. Ich muss unbewusst danach gewunken haben. Wie in Trance öffne ich die Tür und rutsche auf die Rückbank.
»Schick mir die Adresse, Pres. Ich gehe hin.« Auch wenn sich alles in mir dagegen sträubt, tue ich meinem Bruder den Gefallen, damit er seine Wohnung so schnell wie möglich wieder für sich hat.
***
Zwanzig Minuten später stehe ich vor dem imposanten Gebäude von AB International und kämpfe gegen meinen inneren Schweinehund.
»Es ist nur ein Vorstellungsgespräch und Asher wird dich nicht direkt rausschmeißen. Preston hat ihm gesagt, dass du kommst, und er hatte deutlich mehr Zeit, sich auf dieses Zusammentreffen vorzubereiten als du.«
Es ist offiziell: Ich rede mit mir selbst und die ersten Leute in meiner Nähe schauen mich deswegen merkwürdig an. Also hole ich noch einmal tief Luft und drücke die Glastür auf. Das Klacken meiner Absätze hallt auf dem grau-schwarz marmorierten Boden wider. Von einem grimmig dreinblickenden Sicherheitsmann bekomme ich einen Besucherausweis. Anschließend schickt er mich in die zwanzigste Etage, um mich anzumelden.
Hinter dem dortigen Empfangstresen sitzt eine hübsche dunkelhaarige Frau mit vollen, roten Lippen.
»AB International, wir sind gleich für Sie da. AB International, bitte haben Sie noch einen Moment Geduld.« Sie schiebt ihr Headset beiseite und lächelt mich freundlich an. Eine Reihe strahlend weißer Zähne kommt dabei zum Vorschein.
»Guten Tag, willkommen bei AB International. Was kann ich für Sie tun?«
»Mein Name ist Romy Nolan. Ich bin wegen des Vorstellungsgesprächs mit Mr. Brennon hier.« Ich zeige ihr meinen Besucherausweis. Nachdem sie einen Blick darauf geworfen hat, wendet sie sich von mir ab. Mit ihrem langen, rot lackierten Fingernagel fährt sie eine gedruckte Liste entlang.
»Miss Nolan, da haben wir Sie. Fahren Sie mit dem Fahrstuhl in den achtzigsten Stock. Wenn Sie links abbiegen, kommen Sie zu einigen Sitzgelegenheiten. Dort warten Sie. Die Assistentin von Mr. Brennon wird Sie aufrufen.«
Ich kralle meine Finger um den Henkel der schwarzen Handtasche, bevor ich mich abwende und langsam zum Aufzug gehe. Das hier ist real. Gleich werde ich Asher gegenüberstehen. Mit zitternden Fingern drücke ich den Knopf für die achtzigste Etage. Anschließend lehne ich mich gegen das kühle Metall der Fahrstuhlwand und schließe die Augen. Mein Herz hämmert wild gegen meine Brust. Es will ausreißen. Sich daraus befreien und davongaloppieren, um sich selbst zu schützen. Eine leise Stimme in meinem Kopf wiederholt immer wieder, dass es ein Fehler war herzukommen.
Zeitgleich mit dem Pling des Aufzugs öffne ich meine Augen und trete hinaus in den Flur. Die Sitzecke links von mir ist leer. Ich nehme auf einem der Sessel Platz und ziehe den Saum meines schwarzen Kleides nach unten. Auf einmal kommt es mir furchtbar freizügig vor. Zu kurz, zu viel Ausschnitt, zu figurbetont. Dabei habe ich es heute Morgen noch für die beste Option gehalten.
Es ist still um mich herum.
Zu still; weshalb meine Gedanken umso lauter sind.
Neben mir öffnet sich eine Tür und eine hochgewachsene, dunkelhaarige Frau mit verträumtem Gesichtsausdruck kommt heraus. Als sie mich bemerkt, lächelt sie. Doch es wirkt eher wie das Zähnefletschen eines Hais, statt einer freundlichen Geste.
»Du kannst direkt wieder gehen. Sie waren so begeistert von mir, dass ich die Stelle sicher bekomme.« Sie wackelt Richtung Fahrstuhl davon. »So einen Mann habe ich noch nie getroffen. Er ist unfassbar heiß und zeitgleich kalt wie Eis«, schwärmt sie währenddessen.
Ich sehe ihr hinterher und überlege, direkt die Flucht zu ergreifen, doch das Auftauchen einer weiteren Brünetten hindert mich daran. Im Gegensatz zu der Bewerberin lächelt sie mich einladend an, während sie sich über ihren prallen Babybauch streicht.
»Miss Nolan? Wir wären bereit für Sie.«
Schön, dass sie bereit sind. Ich bin es nicht. Trotzdem stehe ich auf und folge ihr. Das Büro ist groß. Drei der vier Wände sind verglast und bieten einen atemberaubenden Blick auf die Upper East Side. Ein Mann mit dunklem Haar und breiten Schultern steht mit dem Rücken zu mir vor der Glasfront. Die Hände hat er locker in den Taschen seiner schwarzen Anzugshose vergraben.
»Bitte setzen Sie sich. Ich bin Marlie und wie Sie unschwer erkennen«, sie zeigt auf ihren Babybauch, »ist das der Grund, weshalb Mr. Brennon eine neue Assistentin benötigt.«
Bei der Erwähnung seines Namens dreht er sich um. Unsere Blicke treffen sich und meine Welt steht still. Diese dunkelbraunen Augen würde ich überall wiedererkennen, auch wenn unsere letzte Begegnung zehn Jahre her ist.
Ich öffne den Mund, bekomme keinen Ton heraus, und schließe ihn wieder. Asher setzt sich mir gegenüber. Sein Gesicht ist starr, wie eine Maske; seine Augen so dunkel und undurchsichtig wie die schwärzeste Nacht. Kein Hinweis darauf, dass er sich an mich erinnert.
»Lassen Sie sich von seinem hübschen Äußeren nicht blenden.« Marlie lacht und löffelt Oliven aus einem Glas. Mit gerümpfter Nase beobachte ich sie dabei. Allein beim Geruch wird mir schlecht.
»Haben Sie Ihre Bewerbung dabei?« Marlie lächelt mich an und ich schiebe eine Mappe über den Tisch. Dabei bin ich mir überdeutlich bewusst, dass Asher jede meiner Bewegungen verfolgt. Am liebsten würde ich ihn ignorieren. Mich auf das Gespräch mit Marlie konzentrieren, lächeln und ihre Fragen beantworten. Leider hat er mich schon immer angezogen, wie die Motte das Licht.
Ich straffe die Schultern, schlage die Beine übereinander und lehne mich im Sessel zurück.
»Sie haben Personalmanagement an der NYU studiert und mit sehr gut abgeschlossen. Beeindruckend.« Marlie klingt ehrlich begeistert.
»Vielen Dank«, erwidere ich, ohne den Blick von Asher abzuwenden. Seine Gesichtszüge haben die jugendliche Leichtigkeit verloren. Sie sind jetzt härter und kantiger. Gleichen dem Marmor, der hier überall verlegt ist. Sein braunes Haar ist akkurat frisiert. Jedes Härchen sitzt an seinem Platz. Allein durch sein Auftreten bekomme ich das Gefühl, er hat sein Leben vollkommen im Griff. Anders als ich, sonst würde ich mich nicht ausgerechnet bei ihm bewerben.
»Weshalb hat Ihr letzter Arbeitgeber Sie gehen lassen?« Endlich löse ich meine Augen von ihm und schaue stattdessen die Frau an seiner Seite an.
»Fragen Sie ihn, falls Sie ihn treffen. Er hat alle ohne Vorwarnung gekündigt und die Firma dicht gemacht«, antworte ich wahrheitsgemäß. Marlies volle Lippen formen ein perfektes O.
»Ihre Referenzen sind hervorragend. Die besten, die wir bisher gesehen haben. Ich bin überzeugt, dass Sie die richtige Kandidatin für meine Vertretung sind.« Ich lächle, während Marlie meine Mappe auf den Tisch legt und sich ihrer nächsten Olive widmet. Asher schweigt weiterhin. Er hat sich die Unterlagen nicht einmal angesehen. Ist es ihm so egal, wer seine neue Assistentin wird?
»Hast du gar nichts zu sagen, Asher? Erzähl mir nicht, du wüsstest nicht, wer ich bin«, platzt es aus mir heraus, während ich ihn provozierend anfunkle.
Er lehnt sich vor, stützt die Ellenbogen auf die gläserne Tischplatte und legt die Fingerspitzen aneinander. Ein dunkler, holziger Duft schlägt mir entgegen. Irritiert kräusle ich die Nase. Inzwischen riecht er sogar anders. Männlicher. Gefährlicher. Verlockender. Ich schlucke.
»Unsere letzte Begegnung ist fast zehn Jahre her, Süße. Ich selektiere Erinnerungen aus dieser Zeit.« Ich beiße mir auf die Unterlippe, damit mir die Kinnlade nicht herunterfällt.
Diese Ignoranz entfacht eine brennende Wut in meinem Inneren. Meine rechte Hand kribbelt und ich balle sie im Schoß zur Faust. Noch nie wollte ich jemandem sehnlicher eine reinhauen als Asher Brennon in diesem Moment. Deshalb ärgert es mich ungemein, dass seine raue, düstere Stimme mir eine Gänsehaut verpasst.
»Ihr kennt euch?« Marlie klingt gleichermaßen überrascht, wie enttäuscht. Wahrscheinlich hatte sie gehofft, mit mir ihre Suche zu beenden.
»Willst du damit sagen, dass du mich vergessen hast?«, frage ich Asher schnippisch und spüre, wie mein Herz leichte Risse bekommt.
Er erwidert nichts. Lediglich seine Kiefermuskulatur zuckt, als er sich in seinem Stuhl zurücklehnt. Ich schürze die Lippen. Das ist nicht der Mann, in den ich mit sechzehn verliebt war. Der mir süße Floskeln ins Ohr flüsterte, während wir nackt in seinem Bett lagen. Er mag aussehen wie ein Abbild von ihm, aber kein Funke seines jugendlichen Ichs steckt noch in ihm.
»Vielen Dank für das Gespräch«, sage ich, während ich mich erhebe. »Marlie, ich gehe davon aus, dass Sie mir den Job anbieten wollten.« Sie nickt zerknirscht. »Tut mir sehr leid, aber bevor ich für den da arbeite, werde ich lieber obdachlos. Einen schönen Tag.«
Ohne Asher eines weiteren Blickes zu würdigen, verlasse ich sein Büro und knalle die Tür hinter mir zu. Ich rechne es Preston hoch an, dass er mir diese Chance ermöglicht hat, aber für diesen Asher arbeite ich für kein Geld der Welt.
Asher
»Verrätst du mir, was das eben war?« Marlie sieht mich mit großen Augen an, doch ich bin nicht in der Stimmung für Erzählungen aus meiner Vergangenheit. Erst muss ich etwas anderes klarstellen.
»Nein«, antworte ich schroff und stehe auf.
»Asher! Wo zum Teufel willst du hin? In fünf Minuten kommt die nächste Bewerberin.« Ich ignoriere sie und stürme aus dem Büro. Niemand wagt es, so mit mir zu sprechen, außer Romy.
Die Aufzugtüren schließen sich vor meinen Augen, doch im letzten Moment schiebe ich meine Hand dazwischen. Romy lehnt in der hinteren Ecke der Kabine; den Kopf in den Nacken gelegt. Ihre Augen sind geschlossen. Auf Hals und Dekolleté zeichnen sich rote Flecken ab. Wie damals schon, wenn sie sich aufgeregt hat. Ihre Brust hebt und senkt sich schnell. Noch hat sie mich nicht bemerkt.
In der Kabine steht ein junger Mann, der mich irritiert ansieht. Doch ich will keine Zeugen für das kommende Gespräch.
»Raus!«, blaffe ich und der Angesprochene stolpert bei dem Versuch, schnellstmöglich zu verschwinden, über seine eigenen Füße.
Romy öffnet die Augen und funkelt mich böse an, während die Türen sich schließen. Sie verschränkt die Arme vor dem Oberkörper und drückt ihre Brüste damit noch weiter nach oben. Mein Schwanz zuckt, während mein Blick über ihren Körper gleitet. Sie ist kurviger als früher. Weiblicher. Und das steht ihr verdammt gut.
»Willst du auch was sagen oder mich nur angaffen?«, fragt sie und eigentlich hätte ich nichts dagegen, sie weiter anzuschauen. Ich liebe den Anblick wütender Frauen.
Stattdessen drücke ich den roten Knopf hinter mir und der Fahrstuhl kommt mit einem Ruck zum Stehen. Romys Augen weiten sich, während ich langsam auf sie zugehe.
»Asher, ich warne dich.« Sie will zurückweichen, doch die Wand verhindert, dass sie sich weiter von mir entfernt. Ich stütze meine Hände rechts und links von ihrem Kopf ab, kessle sie mit meinem Körper ein. Ihr süßer Rosenduft steigt mir in die Nase. Verboten und verlockend zugleich.
»Ich will nur eine Sache klarstellen«, raune ich leise und sehe in ihre blauen Augen, in denen ich früher so oft ertrunken bin, während sie in meinen Armen lag oder unsere Blicke sich auf dem Schulflur trafen.
»Die da wäre?« Romy schluckt und ich verdränge die Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit. Dieser Mann bin ich nicht mehr.
Wir sind uns so nah, dass ihre Brust bei jedem Atemzug meine berührt. Meine Hose wird von Sekunde zu Sekunde enger.
Langsam löse ich eine Hand von der Wand und umfasse ihr Kinn mit meinen Fingern. Nicht so grob, um ihr wehzutun, allerdings auch nicht sanft, damit sie nicht auf falsche Gedanken kommt. Die Flecken an ihrem Hals und dem Dekolleté sind verschwunden. Dafür ziert eine sanfte Röte ihre Wangen.
»Ich habe uns nie vergessen, aber ich habe mich weiterentwickelt. Für derartige Erinnerungen gibt es keinen Platz mehr in meinem Leben«, raune ich und streife mit den Lippen ihren Mund. Sie erzittert. Ihr warmer Atem trifft auf meine Haut und ich spüre einen Schauer, der meinen Rücken hinabläuft. Es ist ein kleiner Moment der Schwäche, den sich der masochistische Teil in mir gönnt, bevor ich von ihr ablasse und den Fahrstuhl durch einen Knopfdruck wieder in Bewegung setze.
Romy hat sich von mir abgewandt. Ihre Stirn lehnt am kühlen Metall der Wandverkleidung. Jede noch so kleine Veränderung ihres Körpers fällt mir auf. Zehn Jahre mögen vergangen sein, aber meine Anziehungskraft auf sie hat nicht nachgelassen. Das sehe ich, in der Art, wie sie die Schenkel zusammendrückt, und höre es durch ihr schnelles, unregelmäßiges Atmen.
»Faszinierend, dass du immer noch so stark auf mich reagierst.«
»Leck mich, Asher«, knurrt sie.
Ich lache leise und zufrieden, bevor ich hinter sie trete. Meine Hände platziere ich an ihren Hüften, meine Lippen liegen an ihrem Ohr. Ihr Schaudern lässt meinen Schritt beinahe explodieren.
»Das könnte ich. Aber wie würde das aussehen, wenn sich die Türen öffnen und der CEO eines Unternehmens zwischen den Schenkeln einer Frau erwischt wird?«
Ich spüre, wie sie die Luft anhält, als das Pling des Aufzugs ertönt. Ohne etwas zu erwidern, schiebt sie sich an mir vorbei. Zurück bleibt nur ihr süßlicher Duft, der mich beinahe um den Verstand bringt, während ich die achtzig Stockwerke wieder nach oben fahre.
Zurück in meinem Büro, begrüßt mich Marlie, die es sich auf meinem Stuhl bequem gemacht und die Hände über dem Bauch gefaltet hat.
»Das war interessant«, bemerkt sie, während ich mir einen Whiskey einschenke. Es ist zwar noch früh, aber irgendwo auf der Welt wird es bereits vier Uhr sein.
»Bringen wir die anderen Vorstellungsgespräche hinter uns«, murmle ich und kippe den Inhalt meines Glases schnell herunter, um dafür gewappnet zu sein.
»Es gibt keine. Ich habe allen weiteren abgesagt.« Argwöhnisch betrachte ich ihr zufriedenes Grinsen. »Romy ist die Beste für den Job. Sie hat gute Referenzen und kann dir, wenn nötig, den Kopf zurechtrücken. Eure gemeinsame Vergangenheit ist ärgerlich, aber inzwischen solltest du wissen, wann dein Schwanz besser in der Hose bleibt.«
Etwas zu laut stelle ich das leere Glas auf dem Tisch ab und werfe Marlie einen warnenden Blick zu. Sie mag besondere Privilegien in dieser Firma genießen, aber gerade geht sie eindeutig zu weit.
»Hast du es überhört, als sie meinte, dass sie nicht für mich arbeiten wird.« Außerdem weiß ich nicht, ob ich mit ihr arbeiten will. Romy Nolan bedeutete schon immer Ablenkung und die brauche ich momentan nicht.
»Mit der richtigen Bezahlung lässt sich jeder umstimmen. Also denk drüber nach, Asher. Entweder es wird Romy oder du wählst jemanden aus den vorherigen Bewerberinnen aus. Bis morgen Abend brauche ich eine Antwort.«
Marlie sieht zufriedener aus, als sie sein sollte, während ich versuche, meine selbst heraufbeschworenen Bilder, zurückzudrängen: Romy halbnackt, während ich vor ihr auf Knien bin und ihr mithilfe meines Mundes zeige, was ich in den letzten Jahren perfektioniert habe. Jede Frau, mit der ich geschlafen habe, hat dazu beigetragen und trotzdem konnte ich jede einzelne vergessen, sobald der Morgen anbrach.
Dass Romy jedoch meine Gedanken beherrscht, obwohl sie längst weg ist, ist kein gutes Zeichen. Sie lenkt mich bereits ab, statt dass ich mich auf das Wesentliche konzentriere: die Arbeit und meine persönlichen Nachforschungen.
Dieser Moment im Fahrstuhl hat eine Lawine losgetreten, die nicht mehr zu stoppen ist. Ich weiß selbst, dass sie die Beste für den Job ist, und trotzdem gebe ich Marlie nicht die Genugtuung, direkt einzuwilligen. Denn wenn ich mich für Romy entscheide, schlittern wir auf eine Katastrophe zu, die uns beide einiges kosten wird.
Romy
Das Zusammentreffen mit Asher hallt noch immer in mir nach, als ich wenig später zu meiner letzten Wohnungsbesichtigung aufbreche. Wenn ich Preston schon nicht mit der Nachricht eines erfolgreichen Vorstellungsgespräches erfreuen kann, dann vielleicht mit einer gefundenen Wohnung.
»Bitte lieber Gott, lass mich dieses Zimmer bekommen«, flehe ich und lege den Kopf in den Nacken, um in den strahlend blauen Himmel zu sehen. Normalerweise bete ich nicht, aber ein bisschen Hilfe von oben schadet sicher nicht. Die letzten drei Wohnungsbesichtigungen waren allesamt Reinfälle und außer für diese hier habe ich keine weiteren Annoncen gefunden. Sie ist also meine vorerst letzte Chance, dem Sofa meines Bruders zu entkommen.
Mit zitternden Knien betrete ich das Gebäude. In der Mail stand, dass das Appartement im vierten Stock sei und allein bei dem Gedanken an die vielen Treppenstufen, seufze ich. Doch, weil sich Ashers Worte noch immer in meinem Kopf abspielen, kann ich unmöglich einen weiteren Aufzug betreten, ohne mir vorzustellen, was passiert wäre, wenn er die Stopp-Taste nicht gelöst hätte.
Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, als ich zu diesem Vorstellungsgespräch gegangen bin. Aber sicher nicht eine Version von Asher, mit der ich nichts anfangen kann. Früher waren wir immer auf derselben Wellenlänge. Von dem Moment an, als er das erste Mal bei uns zu Hause gewesen ist. Aber heute … habe ich nichts davon gespürt. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass alles, was ihn früher ausgemacht hat, verloren ist.
Oben angekommen gibt es drei Türen. Zwei von ihnen sind geschlossen, die andere ist geöffnet. In ihr lehnt ein Mann, der einen teuer aussehenden, dunkelblauen Anzug trägt. Sein dunkelblondes Haar ist nach hinten gegelt, sieht allerdings so aus, als wäre er zuvor ein paar Mal mit den Fingern hindurch gefahren. Er ist schätzungsweise Ende zwanzig.
»Romy?« Seine Stimme ist angenehm tief und sein Lächeln so sympathisch, dass ich mich direkt wohlfühle.
»Genau, du bist Robert?« Er nickt und tritt beiseite, um mich reinzulassen.
»Nenn mich bitte Rob. Danke, dass es so kurzfristig geklappt hat.« Er schließt die Tür und nimmt mir den Mantel ab, während ich mich interessiert umsehe. Wir stehen in einem langen, hellen Flur, von dem rechts und links mehrere Türen abgehen.
»Nein, ich danke dir. Diese Wohnung ist meine letzte Hoffnung.« Ich ziehe eine gequälte Grimasse, die ihn zum Lachen bringt.
»Weshalb suchst du denn so dringend?«, fragt er neugierig, während wir den Flur entlang in den offenen Raum gehen. Es ist ein geräumiger Wohn-Ess-Bereich mit bodentiefen Fenstern, einem Zugang zum Balkon und einer Küchenzeile. Die Wohnung passt perfekt zur teuren Lage in Harlems Zentrum; wie auch die Einrichtung, die durch puren Luxus besticht. Von Sekunde zu Sekunde schwindet meine Hoffnung, mir dieses Zimmer leisten zu können.
»Weil mein Exfreund ein Arschloch ist«, antworte ich wahrheitsgemäß und verziehe mein Gesicht. Allein der Gedanke an ihn entfacht die Wut in meinem Inneren.
»Ich höre die Worte Exfreund und Arschloch in einem Satz und weiß genau, dass diese Story Potenzial hat, ein grandioser Song zu werden.« Überrascht drehe ich mich um. Geräuschlos hat ein weiterer Mann den Raum betreten.
»Romy, das ist Tyler. Er ist der Dritte im Bunde.« Tyler ist etwa im selben Alter wie Rob und doch sehen beide grundverschieden aus. Tyler erscheint in zerrissenen Jeans und einem ausgewaschenen Bandshirt. Aufgrund der vielen dunklen Bartstoppeln schätze ich, dass er sich seit mehreren Tagen nicht rasiert hat, und sein braunes Haar trägt er in diesem Man-Bun, auf den viele Frauen heutzutage stehen.
»Du hast doch kein Problem damit, mit zwei Männern zusammenzuleben?«, fragt Rob, woraufhin ich den Kopf schüttle.
»Aktuell wohne ich bei meinem Bruder. Dadurch wurde ich abgehärtet.«
Sich mit Preston eine Wohnung zu teilen, ist in etwa so, als hätte man einen Gorilla als Mitbewohner. Er rastet aus, wenn ich es am wenigsten erwarte. Er markiert sein Revier mit übertriebener Männlichkeit und lässt die Essensreste überall – nicht nur in der Küche – liegen. Außerdem vögelt er in der gesamten Wohnung, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass ich auf seinem verdammten Sofa schlafe.
»Gute Voraussetzungen. Aber jetzt erzähl mir mehr von deinem Ex. Ich brauche Inspiration.« Verwirrt sehe ich von Tyler zu Rob, der breit grinst. Ein bisschen merkwürdig ist sein Mitbewohner schon.
»Ty ist Musiker und wartet auf den großen Durchbruch. Vielleicht hilft deine Geschichte ihm dabei, den Song zu schreiben, mit dem er eine Plattenfirma überzeugt.« Er lacht dabei so laut, als glaube er seinen eigenen Worten nicht. Auch meine Mundwinkel zucken. Die beiden sind mir auf eine schräge Art sympathisch und falls ich hier einziehe, würden sie die Geschichte ohnehin erfahren.
»Ich habe Dan am College kennengelernt. Er hat ein Start-up gegründet, mit dessen App Leute leichter in Aktien investieren können, und war damit sehr erfolgreich. Ich habe ihn parallel zum Studium unterstützt und bin nach dem Abschluss voll eingestiegen. Vor zwei Wochen hat er alle Mitarbeiter aus heiterem Himmel entlassen. Zu Hause hat er mir eine Abfindung in die Hand gedrückt und mir eröffnet, dass er sich in Paraguay ein neues Leben aufbauen will. Ohne mich. Die Wohnung hatte er bereits gekündigt und unsere Nachmieter sollten in zwei Tagen einziehen. Tja und jetzt bin ich hier.«
Stille breitet sich zwischen uns aus. Tyler ist die Kinnlade nach unten geklappt und Rob sieht betreten zu Boden.
»Das ist …«, er versucht, die richtigen Worte zu finden.
»… scheiße«, beendet Tyler den Satz. Ich nicke und knirsche mit den Zähnen. So heftig hintergangen wurde ich bisher noch nie. Dan hat es innerhalb weniger Minuten geschafft, meine Existenz komplett auf den Kopf zu stellen.
»Was machst du denn beruflich?«, fragt Rob, während er die Hände in den Taschen seiner Anzughose vergräbt und auf den Füßen vor- und zurückwippt.
»Ursprünglich habe ich Personalmanagement studiert. Im Start-up war ich für die Angestellten verantwortlich und habe Aufgaben der Assistenz der Geschäftsleitung erledigt. Aktuell bin ich auf der Suche, aber die Vorstellungsgespräche laufen anders als erwartet. Aber keine Sorge, ich habe genug Geld beiseitegelegt, um die Miete bezahlen zu können.« Das war das Ausschlusskriterium bei den letzten Besichtigungen: kein Job, also kein geregeltes Einkommen.
»Mach dir darüber keine Gedanken, sondern sieh dir erstmal an, was wir zu bieten haben.«
In der nächsten Viertelstunde führen mich die beiden durch die Wohnung. Es gibt insgesamt drei Schlafzimmer und zwei Badezimmer jeweils mit Dusche. Der Balkon, der vom Wohnzimmer abgeht, ist für jeden von uns nutzbar und bietet einen idyllischen Ausblick auf einen kleinen schlauchförmigen Park. Das Appartement ist perfekt und ich verstehe mich hervorragend mit Tyler und Rob. Am liebsten würde ich sofort einziehen, um Prestons Gastfreundschaft nicht weiter auszunutzen. Außerdem erfahre ich, dass Rob als Anwalt in einer Kanzlei arbeitet und Tyler neben einigen wenigen Auftritten als Sänger, als Barkeeper sein Geld verdient.
»Wenn wir alle zu Hause sind, halten wir uns meistens hier im Wohnzimmer auf. Ty lädt öfter Leute für Jamsessions ein, ich rate dir also Ohropax zu kaufen.« Rob lacht und Tyler boxt ihm direkt gegen die Schulter.
»Wenn die Lautstärke überhandnimmt, kannst du jederzeit ein Veto einlegen und uns rausschmeißen«, versichert er mit bösem Seitenblick zu seinem Mitbewohner.
Ich nicke und nehme einen Schluck von dem Wasser, das die Jungs mir angeboten haben. Jetzt kommt der für mich unangenehmste Teil. »Was würde es denn kosten?«, frage ich zögerlich und knibble am Etikett der Flasche herum.
»Kommt darauf an, was du zahlen kannst. Normalerweise nehmen wir 1000 Dollar für das Zimmer. Wenn du allerdings erstmal nur 800 zahlst, bis du einen Job gefunden hast, ist das auch in Ordnung.« Tyler zuckt mit den Schultern und ich runzle die Stirn, während ich im Kopf die Kosten überschlage. Für eine Vier-Zimmer-Wohnung in Harlem ist das viel zu günstig.
»Wo ist der Haken? Machen die Nachbarn enorm Krach? Seid ihr Drogenhändler und ich muss damit rechnen, dass jederzeit die Polizei reinstürmt?«
Tyler grinst.
»Die Bude gehört meinem Onkel. Wir wohnen hier … vergünstigter.« Erwartungsvoll sehen die beiden mich an.
»Wann kann ich einziehen?« Die Begeisterung in meiner Stimme ist unüberhörbar. Tyler und Rob tauschen einen Blick. Letzterer zuckt mit den Schultern. Sie führen ein Gespräch direkt vor meinen Augen, ohne Worte zu benutzen, und ich bin fasziniert davon.
»Wenn du willst, sofort. Das Zimmer ist frei und vollkommen möbliert.« Ich springe auf und falle beiden vor Freude um den Hals. Problem Wohnung wurde soeben gelöst.
Romy
In der darauffolgenden Nacht schlafe ich schlecht.
Vielleicht liegt es an dem neuen Bett oder der fremden Umgebung. Vielleicht aber auch an der Begegnung mit Asher, die ich nicht vergesse. Denn er ist der Protagonist in jedem meiner Träume. Zuerst taucht sein Gesicht immer wieder zwischen den Menschenmassen auf, während ich über die Fifth Avenue schlendere. Sei es der Mann neben mir an der Ampel, eine Spiegelung in einem Schaufenster oder der Fahrgast eines vorbeirauschenden Taxis.
Dann ändert sich die Szenerie und ich stehe allein in einem Raum, der über und über mit Bildern gefüllt ist. Es ist eine Fotogalerie meines Lebens von vor zehn Jahren. Erinnerungen an Asher prangen in jedem Rahmen. An sein ungezügeltes Lachen und seine verstohlenen Blicke, wenn er Preston besuchte und ich den Raum betrat. Oder seine Hände, die über meinen nackten Körper strichen, wenn wir allein in meinem Bett waren. Doch immer, wenn ich näher an eines der Fotos herantrete, um mich in einer dieser Erinnerungen zu verlieren, verblasst es und wird weiß.
Beim vierten Mal stampfe ich verärgert mit dem Fuß auf den Boden, der daraufhin unter mir zusammenkracht. Ein Schrei löst sich aus meiner Kehle, während ich immer tiefer falle und der Sturz kein Ende nimmt. Doch dann lande ich überraschend weich. Langsam öffne ich meine vor Angst zugekniffenen Augen und nehme die Umgebung um mich herum wahr. Eine Art Déjà-vu überkommt mich. Ich bin in Ashers Büro. Meine Bewerbungsmappe liegt aufgeschlagen auf dem Tisch. Er sitzt vor mir. Das Jackett hat er ausgezogen und die Ärmel des weißen Hemdes hochgekrempelt, sodass ich seine venendurchzogenen Unterarme sehe. Von Marlie fehlt jede Spur.
Seine braunen Augen glitzern vor Verlangen und je länger er mich ansieht, desto dunkler werden sie. Von Vollmilchschokolade zu Zartbitter; in wenigen Sekunden. Ich schlucke. Zwischen meinen Beinen wird es heiß, als würde die Wärme, die ich eben noch in meinen Wangen gespürt habe, nach unten wandern. Wobei nein, sie wandert nicht. Sie sprintet.
Ich schlage die Beine übereinander und bemühe mich um einen möglichst professionellen Gesichtsausdruck.
Asher lehnt sich in seinem Stuhl zurück und bedeutet mir mit dem Zeigefinger aufzustehen. Wie ferngesteuert erhebe ich mich und umrunde seinen Schreibtisch. Dabei erinnere ich mich nicht, meinem Körper den Befehl dazu gegeben zu haben, doch wenn Asher etwas will, konnte ich mich ihm nie widersetzen. Es ist, als würde mein früheres Ich wieder hervorkommen und die toughe Frau, die ich geworden bin, nach hinten drängen.
»Setz dich.« Seine tiefe Stimme jagt mir einen Schauer über den Rücken, während ich auf seine gläserne Tischplatte sinke. Hungrig wandert sein Blick meinen Körper hinab und bleibt genau an der Stelle hängen, wo ich meine Schenkel fest zusammendrücke. Ein wissendes Lächeln umspielt seine Lippen, als er aufsteht. Betont lässig platziert er seine Hände neben meinem Körper. Dabei kommt er mir so nah, dass mich sein dunkler, holziger Geruch umhüllt. Ein gefährlicher, verführerischer Kokon, dem ich mich nicht entziehen will.
»Erinnerst du dich an das, was ich dir im Fahrstuhl gesagt habe?«, raunt er mir zu, während seine Lippen mein Ohr streifen. Ich ziehe hörbar Luft ein.
»Du hast viel gesagt«, entgegne ich heiser und balle meine Hände zu Fäusten, um ihn nicht anzufassen, auch wenn alles in mir danach schreit. Doch wenn ich ihn jetzt berühre, könnte ich nicht mehr damit aufhören. Er lacht. Ein leises, raues Lachen, dass so verdammt sexy ist, dass meine Brustwarzen automatisch hart werden.
»Daran, wie ungünstig es wäre, bei dieser einen Sache erwischt zu werden.«
Zwischen meinen Schenkeln ist es so heiß, dass ich drohe zu verbrennen, wenn er mir nicht sofort Erlösung verschafft. Meine Brustwarzen reiben schmerzhaft am Stoff meines BHs. Ich nicke, unfähig, einen vernünftigen Satz zu bilden.
Ashers Gesicht ist nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Er müsste sich nur vorlehnen und könnte meine Lippen in Besitz nehmen.
»Hier wird uns so schnell niemand stören.« Seine Worte sind ein geflüstertes Versprechen, das mich beinahe zum Explodieren bringt. Quälend langsam wandern seine Finger meine Schenkel hinab und schlüpfen unter mein Kleid. Ich wimmere vor Verlangen, als er meinen Slip beiseiteschiebt und durch meine Feuchtigkeit streicht. Asher knurrt, während ich zufrieden aufseufze und mich seiner Hand entgegendränge. Mit einem Ruck zieht er mich bis an den Rand der Tischkante und geht vor mir auf die Knie, während er mein rechtes Bein über seiner Schulter platziert. Heißer Atem trifft meine empfindliche Mitte und ich erzittere.
Stöhnend lege ich den Kopf in den Nacken. Seine Zunge umspielt meine Klitoris, während er langsam einen Finger in mich schiebt. Meine Hände finden ihren Weg in sein dichtes Haar, wühlen darin, ziehen daran und drücken ihn tiefer in meinen Schoß. Seine Zunge fühlt sich besser an als in meiner Erinnerung. Geschickter. Erfahrener. Absolut süchtig machend. Ein gewaltiger Orgasmus baut sich in mir auf; schneller, als ich es je zuvor erlebt habe.
Doch noch bevor ich unter seinen Berührungen zerberste, wache ich auf und starre an die Decke meines dunklen Zimmers.
Mein Atem geht schwer.
Noch immer hängt meine Libido dem Traum nach, während sich meine Gedanken nur langsam klären.
Ich setze mich auf und fahre mir mit den Händen übers Gesicht. Meine Wangen sind so heiß, dass ich Spiegeleier darauf braten könnte.
»Was zur Hölle war das?«, murmle ich und lasse mich zurück in die Kissen sinken. Mein Unterleib pocht verlangend nach einem Ende. Aber ich will nicht, dass Asher der Grund dafür ist. Er sollte keinen Platz in meinen Gedanken einnehmen. Doch mein Unterbewusstsein sieht das anders. Sagt man nicht, dass das, was man in der ersten Nacht im neuen Heim träumt, in Erfüllung gehen wird?
Am nächsten Morgen schlurfe ich vollkommen übernächtigt in die Küche. Mein Körper schreit nach Koffein. Nach dem Sextraum mit Asher habe ich kein Auge mehr zugemacht, aus Angst, dort zu landen, wo wir aufgehört haben.
Tyler lümmelt mit Kopfhörern auf den Ohren am Küchentisch. Seine Finger trommeln rhythmisch auf der Oberfläche und sein Kopf wippt unaufhörlich mit. Einen Moment bleibe ich im Türrahmen stehen und beobachte ihn dabei, doch der Duft von frischem Kaffee zieht mich in Richtung des Vollautomaten.
»Du siehst aus, als hättest du mies geschlafen. Ist das Bett so scheiße?« Tyler hat seine Over-Ears abgezogen. Jetzt hängen sie lässig um seinen Hals. Die Musik spielt noch immer leise und vertreibt die Stille im Raum. Mit hochgezogenen Augenbrauen sieht er mich an.
»Das Bett ist wunderbar. Ich habe nur schlecht geträumt«, erkläre ich, während ich mich mit der Hüfte gegen die Küchenanrichte lehne und an meinem Kaffee nippe. Allein der Gedanke an vergangene Nacht, gepaart mit dem kräftigen Geschmack meines Lieblingsgetränks führt dazu, dass ich begeistert aufseufze.
»Schlecht geträumt. So nennt man das also heutzutage.« Tyler grinst vielsagend. Ich strecke ihm die Zunge raus, bevor ich ihm gegenüber Platz nehme.
»Ich weiß genau, worauf du anspielst, aber glaub mir … wenn ich männlichen Besuch gehabt hätte, wäre dir das nicht entgangen.«
Mein neuer Mitbewohner lacht, woraufhin sich auch meine Mundwinkel nach oben ziehen. Es ist schön, hier mit ihm zu sitzen und herumzualbern. Mit Preston habe ich das auch oft getan, aber er ist mein Bruder. Es ist quasi seine Pflicht, über Dinge zu lachen, die ich ihm erzähle. Bei Ty habe ich das Gefühl, dass wir eine gute Grundlage haben, um eine tiefgehende Freundschaft aufzubauen. Immerhin hat die Chemie zwischen ihm, Rob und mir auf Anhieb gepasst.
»Was hast du heute noch so vor?« Er macht seine Musik aus, lehnt sich auf dem Stuhl zurück und verschränkt die Arme hinter dem Kopf. Dabei rutscht sein T-Shirt ein Stück nach oben und entblößt einen durchtrainierten Bauch. Für einen winzigen Moment bin ich abgelenkt. Erst sein amüsiertes Räuspern erinnert mich daran, ihm noch nicht geantwortet zu haben.
»Vermutlich Jobanzeigen durchschauen und mich bei allem bewerben, was halbwegs passt.« Ich ziehe eine Grimasse. Allein die Vorstellung ist furchtbar.
»Vielleicht gibt es bei uns in der Bar eine Möglichkeit. Aushilfen suchen wir tendenziell immer.«
»Das wäre klasse, danke!«
»Gern. Ich hake direkt be…« Eine nervtötend klingelnde Glockenmelodie unterbricht uns. Ty kontrolliert sofort seine Kopfhörer, aber die sind inzwischen stumm.
Es dauert einige Sekunden, bis ich realisiere, dass es sich dabei um mein Handy handelt. Sofort springe ich auf und sprinte in mein Schlafzimmer. Auf dem Display wird eine mir unbekannte Nummer angezeigt. Unschlüssig starre ich die Ziffern an. Normalerweise nehme ich solche Anrufe nicht an. Diesmal habe ich jedoch das Gefühl, dass ich es tun sollte. Womöglich hat sich eine der Firmen, bei denen ich mich beworben habe, umentschieden.
»Romy Nolan.«
»Hier ist Marlie von AB International. Störe ich?«
Irritiert runzle ich die Stirn. Ich will gerade den Mund aufmachen, um ihr zu sagen, dass ich keine Zeit habe, als sie schon weiterspricht.