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Milena liebt ihren Job als Erzieherin und widmet sich mit Herz und Seele den Kindern in ihrer Gruppe. Doch als der attraktive Leano eines Tages ein Kind in ihre Obhut gibt, verändert sich ihr Leben schlagartig. Leano macht ihr ein verlockendes Angebot: Sie soll als Kindermädchen für die kleine Adelia bei ihm einziehen. Was Milena nicht ahnt, ist, dass sie damit das Angebot eines der mächtigsten Männer Italiens annimmt. Plötzlich befindet sie sich in einer Welt voller Geheimnisse und Gefahren. An Leanos Seite muss sie zahlreiche Herausforderungen meistern und sich immer wieder beweisen. Trotz seiner kühlen Fassade beginnt Milena, tiefe Gefühle für ihn zu entwickeln - nicht ahnend, dass auch Leano längst sein Herz an sie verloren hat. Doch kann ihre Liebe bestehen, wenn sie sich immer tiefer in den Strudel der Mafia verstrickt? Und wird Milena die dunklen Schatten der Vergangenheit überwinden können, die sie zu verschlingen drohen? Ein fesselndes Spiel aus Macht, Leidenschaft und Gefahr beginnt...
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Seitenzahl: 362
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Für Marita,
ohne die es diese Geschichte und dieses Buch nicht geben würde. Ich danke dir!
Für alle Erzieher/innen,
die tagtäglich ihr Bestes geben – eure Stärke, Liebe und Hingabe machen die Welt zu einem besseren Ort. Ihr seid wahre Held/innen!
Diese Geschichte ist keine rosarote Liebesgeschichte. Ganz und gar nicht. An manchen Stellen wird sie dir das Herz brechen, nur um es dann wieder zu flicken – bevor es erneut in Stücke gerissen wird. Es wird hart, und vielleicht bekommt unsere Milena ihr Happy End. Doch bis dahin muss sie zahlreiche harte Prüfungen bestehen. Das Leben an der Seite eines Mafioso ist weit entfernt von dem eines edlen Prinzen. Du wirst es noch sehen.
Wenn du dich traust, tauche in die Geschichte von Leano und Milena ein. Falls du dich dagegen entscheidest, verzeihe ich dir.
Wenn es dir zu viel wird und du es nicht mehr erträgst, zögere nicht, Kapitel zu überspringen. Milena hätte sich das sicher auch gewünscht. Aber ich bin mir sicher: Am Ende werden die beiden ihr Ende finden. Welches das sein wird – das bleibt das größte Rätsel.
Eine genaue Auflistung der Trigger findet ihr am Ende des Buches. Achtung, diese könnte Spoiler beinhalten.
Blut. Blut war das Einzige, was ich sah. Der Boden war übersät mit toten Körpern. Die vielen Männer und Frauen, die heute hier ihr Leben lassen mussten, lagen überall. Mein Blick suchte hektisch den Raum ab. Keine Spur von Leano …
Ich hatte ihn aus den Augen verloren. Panik durchflutete mich. Ich musste ihn unbedingt finden. In dieser Situation musste ich dringend einen kühlen Kopf bewahren. Doch ich konnte nicht. Ich wusste weder, wo sich Leano befand, noch was sie Emilio gerade antaten.
Der Gedanke an das kleine Mädchen zerriss mich innerlich. Was würden sie wohl mit Adelia tun?
Mein Herz pochte in einem ungesunden Rhythmus. Die Mission war eindeutig: Ich musste sie finden. Nur wie? Ich war nicht mit der Mafia aufgewachsen. Hatte keine Kriege geführt oder Menschen ermordet. Mein gesamter Körper zitterte. Ich wollte mich zusammenkauern wie ein Kind. All das hier vergessen. Doch ich durfte nicht. Die Zeit war, neben ihm, mein größter Feind.
»Mist«, fluchte ich, als ich mir dessen bewusst wurde.
Sie hatten das Haus gestürmt. Adelia entführt. Einzig, weil ich einen Moment unachtsam gewesen war. Ich kannte das Risiko. Die Bedrohung. Das alles war einzig und allein meine Schuld.
Wenn ihnen etwas passieren würde …
Ich verwarf den Gedanken. Wollte nicht daran denken, da es zu sehr schmerzte. Ich könnte mir das niemals verzeihen.
Leano war mein Mann. Emilio mein Freund, und Adelia? Sie war wie meine eigene Tochter. Ich hatte sie alle in mein Herz geschlossen.
Innerlich suchte ich allen Mut zusammen, den ich aufbringen konnte. Bestmöglich versuchte ich, mich zu beruhigen. Meine Beine trugen mich weiter, bis um die Ecke der riesigen Lagerhalle. Alles hier drinnen war dunkel und dreckig, doch vereinzelte Lichtstrahlen drangen durch Ritzen und warfen schwache, flackernde Schatten, die ein wenig Sicht ermöglichten. Diese Halle musste seit Jahren ungenutzt sein. Ich horchte, ob sich irgendjemand in der Nähe befand. Doch es herrschte Stille, was mir seltsam vorkam. Weder hörte ich Schritte noch sah ich einen von Serafinos Männern, obwohl er mich genau hierhergelockt hatte. Bevor ich meine weiteren Schritte überlegen konnte, vernahm ich eine männliche Stimme hinter mir. Ich hatte sie bereits schon einmal gehört.
»Ganz langsam, und dreh dich um«, rief diese.
Mir blieb nichts anderes übrig. Langsam drehte ich mich herum. Ich wusste bereits, wer da stehen würde, doch es mit eigenen Augen zu sehen, ließ mein Herz stolpern. Ich blickte ihm in die dunklen Augen. Seine Lippen zierten ein Lächeln. Dieser Bastard!
Er zielte mit einer Waffe auf mich. Es gab kein Entkommen.
»So schnell sieht man sich wieder, meine Schöne«, trällerte er.
»Ansichtssache«, spuckte ich ihm entgegen.
»Nicht so frech. Du willst doch sicher nicht, dass deinem lieben Ehemann oder dem kleinen Mädchen etwas geschieht?«
Sofort zog ich die Waffe, die Leano mir geschenkt hatte. Aber er war schneller. Ich bemerkte meinen Fehler erst, als es zu spät war.
Ein Schuss ertönte. Ein zerreißender Schmerz durchfuhr mich. Mein Körper prallte auf den Boden. Alles um mich herum verschwamm. Sein Lachen drang nur gedämpft zu mir durch.
Mein Verstand schrie mich an, wach zu bleiben. Doch ich hatte keine Chance. Immer weiter driftete ich in die völlige Dunkelheit und Leere ab.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Leano Salvani
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Leano Salvani
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Leano Salvani
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Leano Salvani
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Leano Salvani
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Leano Salvani
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Leano Salvani
Kapitel 40
Kapitel 41
Leano Salvani
Kapitel 42
Kapitel 43
Leano Salvani
»Das werde ich dir niemals verzeihen«, entgegnete ich Valentina. Meine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
Valentina, meine beste Freundin, zog mich mit sich, während die Bässe des Clubs in meine Ohren drangen. Wir kamen unserem Ziel näher. Sie hatte mich wie üblich mit hierhergeschleppt. Ich wollte die Wochenenden eher dafür nutzen, um abzuschalten. Der Alltag auf der Arbeit erschöpfte mich. Ich brauchte diese zwei Tage, um mich zu erholen. Auch wenn ich die Kinder liebte und meinen Job mit Herz und Seele erledigte. Nur genoss ich ebenso die Ruhe. Val hingegen hatte andere Pläne.
Sie zog mich mit sich zur Tür. »Komm schon, es wird dir guttun. Vielleicht findest du auch endlich jemanden, mit dem du Spaß haben kannst. Du bist so verklemmt.« Sie zwinkerte mir zu. Das sagte sie jedes Mal. Am Ende dieser Nacht würde sie mit einem wildfremden Typen abhauen und ich stand allein da. So lief es immer ab. Doch aus Liebe zu Valentina gab ich nach und ließ mich überreden, mitzukommen.
An der Tür angekommen, winkte uns der Türsteher durch. Wir hatten nie ein Problem, hineinzukommen. Zwei attraktive Frauen waren in solchen Clubs sowieso willkommen. Valentina zog die Blicke der Männer förmlich auf sich. Ihr rotes Minikleid schmiegte sich an ihre Rundungen, ebenso schmeichelte es ihrer gebräunten Haut. Ihre braunen Locken lagen offen über ihren Schultern. Durch ihren Job als Stylistin kannte sie sich – im Gegensatz zu mir – mit Mode gut aus. Mich interessierte das alles nicht so sehr. Als Erzieherin trug ich meist bequeme Hosen und Pullover, keine eleganten Kleider oder Röcke. Trotzdem hatte Val mich als ihr Versuchskaninchen auserkoren. Immer wieder zwang sie mich in ihre Kreationen. So wie an diesem Tag.
Ich trug ein schwarzes Kleid, das mehr von meiner Haut zeigte, als mir lieb war, und dazu schwarze High Heels, die sie mir geliehen hatte. Es war eine ihrer typischen Aktionen, mir etwas aus ihrem Kleiderschrank herauszusuchen, da ich selbst kaum die passende Garderobe für solche Partys besaß. Valentina hatte darauf bestanden, dass ich das Outfit anzog, und obwohl ich mich darin viel zu freizügig und unwohl fühlte, konnte ich ihr wie so oft nicht widersprechen. Ich zog an dem Stoff, um wenigstens ein bisschen mehr zu bedecken, während sie mich mit einem strahlenden Lächeln davon überzeugte, dass ich fantastisch aussah. Ich hatte Mühe, überhaupt in diesen hohen Schuhen laufen zu können. Neben Valentina sah ich vermutlich wie ein unbeholfenes Trampeltier aus. Sie lief wie ein Model über einen Laufsteg und ich bemühte mich, mir nicht den Fuß zu brechen.
Wir betraten den Club, der von LEDs erhellt wurde. Die Musik schallte in meinen Ohren. Valentina ergriff meine Hand und zog mich mit sich in Richtung der Bar.
»Zwei Tequila-Shots, bitte«, rief sie dem Barkeeper zu.
»Val, ich glaube nicht-«, setzte ich erfolglos meinen Widerspruch an.
Der Barkeeper stellte zwei Gläser sowie Zitrone und Salz vor uns ab. Meine Freundin reichte mir eine Scheibe von der Zitrone und mein Glas.
»Mach dich locker, Milena, und hab etwas Spaß. Du solltest nicht immer so ernst sein.« Sie schaute mich eindringlich an und ich bereute es jetzt schon, dass ich so leicht zu überreden war. Beide rieben wir unser Handgelenk mit der Zitronenscheibe etwas an, streuten das Salz darüber und erhoben den Tequila.
»Auf einen schönen Abend«, prostete ich. Ich leckte mein Handgelenk mit der Zitrone und dem Salz ab. In einem Zug schüttete ich den Tequila hinterher. Ein bitterer Geschmack breitete sich auf meiner Zunge aus. Es schüttelte mich. Hitze machte sich in meinem Magen breit und strömte weiter aus, bis mich wohlige Wärme erfüllte. Zum Abschluss bissen wir beide in die Zitrone und versuchten, keine Miene zu verziehen. Mir gelang es allerdings nicht. Valentina bemerkte meinen gescheiterten Versuch und lachte laut. Wir tranken zwei weitere Shots. Allmählich nahm die Wirkung des Alkohols Besitz von mir. Meine anfänglichen Zweifel ließen nach und ich fühlte mich freier.
Valentina erzählte mir den neuesten Klatsch und Tratsch aus der Promiwelt. Ich hatte Mühe, mir ein Lachen zu verkneifen, doch der Alkohol ließ mich unbeschwerter fühlen, und ich konnte nicht anders, als zu lachen. Gerade als der DJ den Song We found Love spielte, sprang ich von dem Barhocker auf und lief zur Tanzfläche.
»Das ist unser Song«, rief Val mir zu.
Gemeinsam bewegten wir unsere Hüften zur Melodie. Es war befreiend, mit ihr einfach zu tanzen. Die Last der vergangenen Tage fiel von mir ab. Mein Kopf schaltete auf Ruhemodus und die Gedanken an das neue Kind in meiner Gruppe verstummten. Wir tanzten eine gefühlte Ewigkeit und zogen die Blicke aller Leute auf uns.
Eine Traube von Männern hatte sich bereits um uns gescharrt. Sie schauten uns mit gierigen Blicken an. Wir genossen es. Genossen das Gefühl, begehrt zu werden. Valentina begann ein Gespräch mit einem attraktiven Blonden, während sich bei mir der Tequila von eben bemerkbar machte.
»Ich bin gleich wieder da«, rief ich ihr zu. Ihre Hände waren bereits dabei, den Mann hier und jetzt zu entkleiden. Ich verließ den Tanzbereich und suchte nach der Damentoilette. Wir besuchten den Club heute erstmalig wieder. Er wurde vor einigen Wochen privat verkauft und von dem neuen Eigentümer saniert. Meine Beine trugen mich über das teure Parkett. Ich bog in den Gang ein, in dem sich vorher die Toiletten befunden hatten, und öffnete die Tür. Sie fiel hinter mir automatisch ins Schloss. Stille erfüllte den Raum. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen. Ich atmete tief durch und ließ die Ruhe mit einem erleichterten Gefühl auf mich wirken.
»Kann ich dir weiterhelfen?« Eine männliche Stimme, erfüllt von Kälte, erklang.
Erschrocken öffnete ich wieder die Augen. Ich sah direkt in die kastanienbraunen Iriden des Mannes, welcher vor mir an einem Schreibtisch saß.
»Ich … Ähm … Verzeihung, ich wollte nicht-«
»Was wolltest du denn?« Der Mann stand auf und kam direkt auf mich zu. Er war groß. Seine braunen, kurzen Haare passten perfekt zu seinem kantigen Gesicht.
Panisch blieb ich an der Tür stehen. Brachte keinen Ton mehr heraus.
Vor mir angekommen, blieb er stehen. Er überragte mich um einen Kopf. Um ihn ansehen zu können, legte ich den Kopf in den Nacken. »Was sucht eine so kleine zierliche Blume in meinem Büro?«
Ich schluckte. Er stand immer noch vor mir. Kein Wort verließ meine Lippen. Mein Körper reagierte auf seine Nähe, indem mein Herz pulsierte und sich Gänsehaut auf meinen Armen ausbreitete. Urplötzlich wurde mir heiß und ich hatte das Gefühl, zu verbrennen.
Er trat einen weiteren Schritt auf mich zu. Nur noch wenige Millimeter trennten uns voneinander. Seinen Arm stützte er über meinem Kopf an der Tür ab. Seine rechte Hand bewegte sich zu meinen Händen und umfasste sie sanft. Nach wie vor sagte keiner von uns ein Wort.
Sein Gesicht kam meinem immer näher. Ich spürte seinen heißen Atem auf meiner Wange. Er roch nach einer Mischung aus Whiskey und Nikotin. Mein Blick hing starr an seinen rosa Lippen.
»Wie heißt du?« Seine Stimme war nur ein Hauchen. Er ließ meine Hand wieder los. Seine Fingerspitzen tanzten langsam meinen Arm hinauf, was ein Kribbeln auf meiner Haut auslöste.
Ich schwieg. Die rauen Finger des Mannes bahnten sich ihren Weg nach oben bis zu meiner Kehle. Dann hielt er kurz inne. Er betrachtete mich mit einem kühlen Blick und schien für einen Moment zu überlegen. Ruckartig umgriff seine Hand meinen Hals und drückte leicht zu.
»Ich habe dich etwas gefragt. Wage es nicht, mich zu ignorieren!«
Ein Gefühl von Angst überkam mich. »Milena«, erwiderte ich leise. Ein Zittern schwang in meiner Stimme mit, was er offenbar bemerkte. Ein Funkeln leuchtete in seinen Augen auf.
»Ein schöner Name für eine so schöne Frau.« Ich sah ihm weiterhin in die Augen. Seine Hand umschlang noch immer meine Kehle. Doch er drückte nicht zu. Ich hatte keine Probleme, Luft zu holen, spürte trotzdem seine Hand um meinen Hals. »Also noch einmal, Milena: Was suchst du hier?«
Ich musste ihm antworten. »Ich war auf dem Weg zu den Toiletten«, blieb ich bei der Wahrheit. Sein Blick war starr auf mein Gesicht gerichtet. »Früher, ich meine, vor dem Verkauf befanden sie sich hier. Ich muss mich geirrt haben.« Wie ein Wasserfall erzählte ich ihm haarklein, wie ich hier gelandet war. Es musste wohl an dem ganzen Alkohol liegen, der meine Zunge lockerte. Am Ende meiner Erzählung sah ich ihn entschuldigend an. Es verunsicherte mich, dass er weiterhin schwieg. Ich wollte gehen, mich aus seinem Griff winden und abhauen. Zu peinlich war mir diese Situation. Die Hand um meine Kehle umfasste diese härter. Ein Keuchen entkam mir, als er fester zudrückte. Im nächsten Moment spürte ich seine Lippen auf meinen. Er küsste mich.
Seine weichen Lippen nahmen von meinen Besitz. Seine Hand gab meinen Hals frei und fuhr in meinen Nacken. Er zog mich näher an sich. Einen Moment zögerte ich, ehe sich die Hitze in meinem Unterleib ausbreitete und mich die Leidenschaft mit sich riss. Der Kuss wurde immer leidenschaftlicher. Ich war so überwältigt von dem Gefühl, dass sich meine Lippen automatisch öffneten. Seine Zunge nutzte die Chance und eroberte meinen Mund. Meine Hände fuhren über seine Brust und ich ertastete unter seinem Hemd die Muskeln. Feuchtigkeit sammelte sich zwischen meinen Beinen. Ich wollte mich ihm voll und ganz hingeben. Verschwunden waren die Zweifel. Zurück blieb nur ein Gefühl der Ekstase.
Die Hand, die er in meinen Haaren vergraben hatte, wanderte nach unten. Sie streifte über meinen Hintern und kniff sanft hinein. Ich stöhnte auf, doch verstummte sofort wieder, als er mich weiterhin sinnlich küsste. Am Saum meines Kleides angekommen, schob er es langsam nach oben. Er beendete den Kuss und atmete hektisch. Meine Augen, die sich vor Überwältigung geschlossen hatten, öffneten sich wieder. Ich sah in an. Sah seinen hungrigen Blick. Er war genauso erregt wie ich, daran bestand kein Zweifel. Dieser Mann war so unfassbar attraktiv.
Seine Hand griff zwischen meine Beine und schob meinen Slip beiseite. Seine Finger glitten zwischen meine Schamlippen, berührten meine erhitzte nasse Haut.
»Stöhn für mich«, flüsterte er mir ins Ohr, als er mit einem Finger in mich eindrang.
Ich gehorchte ihm. Mein Stöhnen erfüllte den Raum. Sein Finger drang immer schneller in mich. Meine Fingerspitzen krallten sich in seine Schultern und suchten nach Halt. Die Schenkel weiter spreizend, genoss ich seine Beanspruchung. Als er noch einen Finger dazunahm, merkte ich, wie die Flüssigkeit meiner Pussy an meinem Oberschenkel herablief.
»Scheiße, bist du nass«, stöhnte der mysteriöse Mann.
Meine Augen fielen auf seinen Schritt und erkannten die Beule in seiner Hose. Mein Unterleib zog sich pulsierend zusammen. Er nahm seinen Daumen dazu, der meine Klitoris rieb und mich um den Verstand brachte. Eine Welle bahnte sich in mir an. Das Zusammenspiel seiner Finger erhitzte meine Erregung weiter. Meine Beine zitterten. Ich hatte Probleme, auf diesen Halt zu finden. Ein Schrei entkam mir, als ich auf seinen Fingern kam.
»Bitte, fick mich«, flehte ich, als mich die Welle des Höhepunkts übermannte. In voller Erwartung, er würde meiner Bitte nachkommen, schmiegte ich mich enger an ihn. Seine Hand glitt erneut zwischen meine Beine. Er schob meinen Slip zurecht und anschließend mein Kleid wieder über meinen Hintern. Verwirrt starrte ich ihn an.
»Ich werde dir ein Taxi rufen«, war das Einzige, was er sagte.
Das Gefühl von Wut baute sich in meinem Körper auf. Ich fühlte mich von ihm ausgenutzt, als hätte er mich nach allem, was passiert war, einfach fallen lassen – nach dem Moment, in dem ich mich einem Fremden hingegeben hatte.
»Brauchst du nicht«, erwiderte ich, drehte mich um und öffnete die Tür, um sie anschließend mit einem Knall hinter mir zufallen zulassen. Hatte er mich nur als ein kleines Spiel gesehen?
Verletzt von der Art, wie er mich behandelt hatte, verschwamm meine Sicht. Ich wollte nicht weinen, keine Schwäche zeigen. Sicher würde er mich beobachten. Doch ich konnte die aufkommenden Tränen nicht zurückhalten. Ich schämte mich, vor ihm gekommen zu sein. Schämte mich dafür, dass ich es genossen hatte. Dass es mir gefallen hatte.
Auf schnellstem Wege verließ ich den Club. Als ich draußen war, hielt ich inne und atmete tief durch. Ich zückte mein Handy, um Val eine Nachricht zu schicken, dass ich bereits auf dem Weg nach Hause war. Sie sollte sich keine Sorgen um mich machen und ihren Spaß haben.
Ich wählte die Nummer eines Taxiunternehmens, als plötzlich ein schwarzer Wagen vor mir hielt.
»Bist du Milena?«, fragte er mich.
Ich schaute nach links und rechts, doch außer mir befand sich keine Menschenseele hier draußen. Lediglich die Musik aus dem Club hallte durch die Luft.
»Ich soll dich nach Hause fahren«, setzte er fort, »Befehl vom Boss.«
Mir war egal, wer sein angeblicher Boss sein sollte. Ich hatte keine Lust auf einen perversen Entführer. Der Typ aus dem Club reichte mir für diesen Abend völlig. Ohne etwas zu erwidern, drehte ich mich um und lief los. Das Auto fuhr mit Schrittgeschwindigkeit neben mir her.
»Ich kann auch den ganzen Weg neben dir herfahren. Kein Problem. Hauptsache, du kommst sicher zu Hause an«, versuchte er es weiter.
Von seiner Aufdringlichkeit genervt, verdrehte ich die Augen. »Ich steige nicht zu Fremden ins Auto, egal, was auch immer dein Boss will.«
»Gut. Ich bin Guilio und jetzt kein Fremder mehr. Also steig endlich ein. Ich verspreche auch, dir nichts zu tun.«
Diese Aussage klang nicht sehr überzeugend, doch was hatte ich für eine Wahl? Bis zu mir nach Hause waren es mehr als zehn Kilometer. Ich trug hohe Schuhe, und als Frau nachts allein unterwegs zu sein, war viel zu gefährlich. Valentina hatte uns mit ihrem Auto hierhergefahren. Ich könnte sie nach den Schlüsseln fragen und selbst fahren, allerdings fühlte ich mich dazu nicht in der Lage. Für ein Taxi hatte ich kein Geld, ich hatte es zu Hause vergessen. Zu meinem Pech.
Kurzentschlossen öffnete ich die Tür zu dem Auto. Vielleicht würde das mein Untergang sein. Wir fuhren zwanzig Minuten, als Giulio vor meiner Tür parkte. Es hatte sich herausgestellt, dass er ein netter Kerl war. Er hatte mir von seinem Job in einer Sicherheitsfirma erzählt. Mein Bauch tat von dem vielen Lachen bereits weh.
Ich verabschiedete mich von ihm und bedankte mich. Überglücklich, dass ich nicht als Leiche im Waldrand geendet war, schloss ich die Tür zu unserem Apartmentkomplex auf. Mit dem Fahrstuhl fuhr ich nach oben und öffnete die Wohnungstür. Erleichtert zog ich die High Heels von meinen schmerzenden Füßen. Ich ging in das Badezimmer, um das Gefühl seiner Hände auf meinem Körper abzuwaschen. Eins war mir bewusst geworden: Ich würde diesen Club nie wieder betreten.
Mein Kopf pochte, als ich blinzelnd die Augen öffnete. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass es bereits Mittag war. Nachdem Guilio mich nachts herausgelassen hatte, dauerte es eine Ewigkeit, bis ich in den Schlaf fand. Zu sehr drehte sich mein Gedankenkarussell um den Mann im Club. Seine Finger an meiner heißen Stelle spürte ich noch immer. Es war nicht falsch gewesen, mich nach ihm zu sehnen. Ich war angetrunken gewesen und er sehr attraktiv. Doch nachdem er mich abgewiesen hatte, blieb nichts als lodernde Wut in mir übrig. Es verletzte mich, dass er mich benutzt hatte, als wäre ich eine Nutte.
Ich erhob mich aus meinem Bett, zog mir bequeme Kleidung über und ging in den Wohn- und Essbereich, wo ich auf Valentina traf.
Wir waren vor drei Jahren zusammen gezogen. Da sowieso immer einer von uns bei der anderen gewesen war, hielten wir es für eine gute Idee und bisher hatte sich nichts daran geändert.
Sie stellte mir ein Glas Wasser und eine Aspirin vor die Nase, was ich dankbar annahm.
»Wie bist du nach Hause gekommen?«, fragte sie und zog eine Augenbraue nach oben.
»So ein Typ hat mich gefahren.«
Ihr Blick ging an mir vorbei, als würde sie noch eine weitere Person erwarten. »Und wie sah er aus?«, hakte sie neugierig nach.
»Er ist ein Arsch. Mehr muss man nicht wissen.«
Ich sah ihr an, dass sie mit meiner Antwort nicht zufrieden war. Sie öffnete bereits den Mund, um weiter nachzuforschen, doch ein Mann, nur mit Boxershorts bekleidet, zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Er stellte sich zu ihr und zog sie in einen Kuss. Genervt verdrehte ich die Augen, nahm mir schnell eine Müslischale und ging zu der Couch. Dort ließ ich mich nieder und schaltete den Fernseher ein. Gerade sehnte ich mich mehr als jemals zuvor nach Trash-TV. Bereits als sich das erste Paar zu streiten begann, erfüllte mich Freude. Warum über sein eigenes Leben nachdenken, wenn ich auch das von Promis verurteilen konnte?
Kaum dass die Diskussion der beiden hitziger wurde, wurde das Programm pausiert. Frustriert stieß ich Luft aus.
Das Programm unterbrach. Ein Studio erschien auf dem Fernseher. Der Bildschirm wurde mit dem Wort Eilmeldung erleuchtet. Zu sehen waren die Neapel-News.
Der Nachrichtensprecher berichtete: »Gerade erhielten wir die Meldung über einen Anschlag auf das Anwesen der Guerras. Berichten zufolge soll die verfeindete Mafiafamilie Salvani dafür verantwortlich sein. Bei der Explosion kamen ein 10-jähriges Mädchen und die Frau des Besitzers ums Leben. Die Behörden ermitteln zum jetzigen Zeitpunkt noch.«
Ungläubig starrte ich auf den Bildschirm. Ich hatte die Namen noch nie gehört, weder Guerra noch Salvani, geschweige denn von einer angeblichen Mafia. Valentina berichtete mir so gut wie alles über die Sternchen unserer Stadt, doch ich war mir sicher, diese hatte sie noch nie erwähnt.
Mein Herz brach, als ich mir die Worte erneut ins Gedächtnis rief. Ein 10-jähriges Mädchen war gestorben. Es traf mich immer sehr, wenn ein Kind so früh von der Welt gehen musste. Sie waren noch so klein und unschuldig.
Weiter berichtete eine Nachrichtensprecherin. »Die zuständigen Behörden gehen von einem Angriff der verfeindeten Mafiafamilie aus. Die Salvanis sollen in der Nacht den Sprengsatz angebracht und durch einen Fernzünder Stunden später gesprengt haben. Es handelt sich somit um einem Mafiakrieg. Passen Sie bitte auf sich auf.«
Auf ihre Worte hin prustete ich los. »Mafia?! So ein Schwachsinn«, regte ich mich auf. Es gab keine Mafia, erst recht nicht in Neapel.
Valentina trat zu mir und sah ebenfalls auf den Bildschirm. »Das arme Mädchen.« Ihre Stimme klang bedrückt. »Meinst du wirklich, die Mafia gibt es nicht?«
»Warum sollte es die Mafia geben, Val? Meiner Meinung nach ist das die Ausrede der Medien und Behörden, wenn sie etwas nicht erklären können. Oder hast du schon einmal jemanden von der Mafia gesehen, wenn sie doch so viele Anhänger haben?« Es war absurd und unmöglich. Absurd, so oft von der Mafia zu hören, ohne je einen von ihnen gesehen zu haben. Bei ihren angeblich so vielen illegalen Aktivitäten müssten es außerdem sehr viel mehr Verhaftungen geben.
»Meinst du nicht, es gibt so einen heißen Mafioso wie im Film?«
»Nein, Val. Das ist alles nur für Bücher und Filme erfunden. Es gibt keine Mafia.«
Ein nervtötendes Klingeln weckte mich. Ich versuchte, es zu ignorieren, doch es hörte nicht auf. Die ersten Sonnenstrahlen kitzelten mein Gesicht. Meine Augenlider öffneten sich und ich wagte den Blick auf mein Handy. Montagmorgen. Der schlimmste Tag der Woche. Nach einem partyreichen Wochenende noch viel mehr.
Trotz alledem war es Zeit für mich. Die Arbeit rief. Schwermütig erhob ich mich aus den himmlisch weichen Kissen. Am Morgen fühlte sich das Bett immer wie der reinste Himmel an.
Routiniert trugen mich meine Beine in das angrenzende Badezimmer. Ich liebte die Wohnung. Jeder von uns besaß sein eigenes Bade- und Schlafzimmer. Die Küche war offen gestaltet und das riesige Panoramafenster zeigte die Stadt aus einem anderen Winkel.
Gerade am Abend, bei Sonnenuntergang, liebte ich es, mit einer heißen Tasse Tee davor zu sitzen und das Farbspiel des Himmels zu beobachten. Es faszinierte mich, wie schön sich die Natur zeigte. Gleichzeitig verschaffte es mir einen Ausgleich von dem stressigen Alltag.
Im Bad angekommen, betrachtete ich mich im Spiegel. Meine Haare standen in alle Richtungen ab, als hätte mich ein Blitz getroffen. Augenringe zierten mein Gesicht und zeichneten meine Müdigkeit. Eilig nahm ich mir die Haarbürste, um die Katastrophe zu retten. Als alle Knoten aus meinen Haaren verschwunden waren, band ich meine Haare zu einem Dutt zusammen. Lange würde dieser sowieso nicht halten, aber zumindest sah ich zu Anfang meiner Schicht gepflegt aus.
Mit geübten Handgriffen legte ich mir ein dezentes Tages-Make-up auf und lief zurück in mein Schlafzimmer. Aus dem Kleiderschrank zog ich eine Leggings und einen Hoodie. Damit würde ich sicherlich keinen Preis bei einer Modeschau gewinnen, allerdings war es bequem und perfekt für die Arbeit mit Kindern.
Nach einem kurzen Blick auf die Uhr machte ich mich auf den Weg. Ich schnappte meine Tasche und die Autoschlüssel und verließ das Gebäude. Mit dem Fahrstuhl fuhr ich in die interne Tiefgarage, in der mein Auto stand. Ich fuhr einen kleinen, weißen Fiat. Aufgrund seines Alters musste er oft in die Werkstatt, aber er stand dennoch treu an meiner Seite.
Musik schallte aus dem Radio, als ich den Motor startete. Neapel war eine so wundervolle Stadt. Ich liebte die altertümliche Innenstadt und die Nähe zum Meer. Meine Gedanken schweiften zu Adelia, einem Kind in meiner Gruppe. Vor zwei Wochen war sie neu zu mir gekommen. Bisher hatte ich nicht viel über sie herausgefunden. Sie verhielt sich zurückhaltend. Meine Versuche, eine Bindung zu ihr aufzubauen, scheiterten bislang. Ein Gespräch mit ihren Eltern wäre ratsam. Nur hatte ich sie noch nie gesehen, was mir Sorgen bereitete. Meine Kolleginnen hatten die Eingewöhnung und Kennlerngespräche durchgeführt. Adelia sollte ursprünglich in eine andere Gruppe, bis sie spontan in meine wechselte. Irgendetwas hatte das kleine Mädchen, das spürte ich. Wenn ich morgens die Kita betrat, saß sie bereits allein da. Machte ich Feierabend, war sie immer noch da.
Stille breitete sich aus, als ich auf dem Parkplatz des Kindergartens ankam und mein Auto unter zwei wunderschönen Bäumen parkte. Es war mein Lieblingsplatz hier.
Die Bäume erinnerten mich an meine Mutter, die bei der Geburt meines Bruders verstorben war. Sie hatte die Blüten der japanischen Kirsche geliebt. Zu meinem Bruder pflegte ich wenig Kontakt. Unsere Berufe spannten uns extrem ein, wodurch wir uns kaum sahen. Er arbeitete in Palermo für eine kleine Firma. Gelegentlich telefonierten wir miteinander, aber ich vermisste unsere gemeinsame Zeit. Früher, als wir noch unzertrennlich gewesen waren.
Ich nahm meine Schlüssel und Arbeitstasche und stieg aus. Schnell schloss ich mein Auto ab.
Motivierter, als nach dem Aufstehen, machte ich mich auf den Weg zum Eingang. Ein paar Eltern nickten mir bereits höflich zu, was ich ihnen erwiderte.
Vor der Tür angekommen, legte sich meine Hand um die Klinke. Kurz hielt ich inne und warf einen letzten Blick auf die Blüten des Baumes. »Na dann, auf gehts«, flüsterte ich zu mir selbst, um mir Mut zu machen. Ich war gut in dem, was ich tat, und eine ausgezeichnete Erzieherin. Doch tief in mir hatte ich trotzdem Angst, zu versagen oder dass einem Kind in meiner Verantwortung etwas passieren könnte.
Mit diesem Gedanken öffnete ich die Tür. Ich würde mein Bestes geben.
Drinnen angelangt, erwartete mich das altbekannte Chaos. Gestresste Mitarbeiter liefen umher. Eltern, die ihre Kinder in die Gruppen brachten. Geschrei und tränenreiche Augen. Den meisten Kindern fiel der Abschied von den Eltern leicht. Doch bei einigen kam es zu Tränen und Traurigkeit. Ich war es gewohnt.
Ich ging in meine Gruppe. Auf den ersten Blick erkannte ich bereits Adelia, die an einem der Tische zum Malen saß. Ein paar meiner kleinen Schätze kamen sofort auf mich zugerannt, um mich freudestrahlend zu umarmen. Meine schlechte Laune verflog. Ein Lächeln breitete sich automatisch auf meinem Gesicht aus. Die Tasche und meine Jacke fanden ihren üblichen Platz. Straßenschuhe wurden durch Hausschuhe ersetzt.
Ich suchte mir eine kleine Ecke, in der ich den Überblick über den Raum hatte, und setzte mich auf den Boden. Die Kinder spielten und ich beobachtete sie dabei.
Nach einiger Zeit fiel mir Adelia auf. Ihre langen blonden Haare waren zu einer Flechtfrisur zusammengebunden und sie trug ein rosa Kleid. Sie sah wie eine kleine Prinzessin aus.
Unbemerkt rutschte ich etwas näher zu ihr heran. Sie war darin vertieft, ein Buch anzuschauen. Darin ging es um einen kranken Hasen, dessen Mutter ihn gesund pflegte. Ich nutzte es gern, um den Kindern Krankheit und Gesundheit zu vermitteln.
»Der kleine Hase ist krank«, erzählte ich.
Sie schien mir allerdings nicht zuzuhören. Ihre Finger streichelten über das Bild des Hasen.
»Weißt du, was dem Hasen helfen könnte, wieder gesund zu werden?«, fragte ich sie. Erneut erhielt ich keine Reaktion von ihr.
Schweigend saßen wir da. Als ich die Hoffnung aufgeben wollte, drehte sie den Kopf zu mir und musterte mich. Ihre Augen wirkten nicht unschuldig, so wie die der anderen Kinder. In ihnen fand ich Traurigkeit. Nicht enden wollende Traurigkeit.
Es brach mir das Herz, sie so sehen zu müssen. Ich wollte sie gerade in den Arm nehmen und trösten. Als sie bemerkte, dass ich mich ihr näherte, versteifte sie sich sofort. Ruckartig hielt ich in meiner Bewegung inne.
Adelia sprang auf und rannte in eine Spielecke, in der sie sich hinter den Kuscheltieren verstecken konnte. Mein Bauchgefühl sagte mir, ich solle ihr nachgehen. Für sie da sein, aber ihr Verhalten zeigte mir, dass sie ihre Ruhe wollte. Sie hatte noch kein Vertrauen zu mir. Gegen mein Bauchgefühl ließ ich ihr den Freiraum, den sie wollte, und wandte mich den anderen Kindern zu.
Alea, eine Kollegin von mir, kam auf mich zu, um etwas mit mir zu besprechen. Als ihr Blick auf Adelia fiel, hielt sie inne. »Hat sie mittlerweile schon etwas gesagt?«, fragte sie. Ich schüttelte den Kopf.
Adelia war vor zwei Wochen zu mir gekommen. In diesen zwei Wochen hatte sie nicht ein Wort von sich gegeben. Sie war bereits fünf Jahre alt und müsste die Fähigkeit, zu sprechen, besitzen. Ich wusste nicht, ob sie nicht wollte oder vielleicht nicht konnte.
»Haben die Eltern etwas gesagt, als sie gebracht wurde?«
»Leider nein, der Vater sagte nichts zu uns. Er meinte nur, sie bräuchte dringend einen Betreuungsplatz. Der Preis würde keine Rolle spielen«, erklärte sie und sah mich mit einem mitleidigen Blick an. »Vielleicht dringst du zu ihr durch. Meine Versuche sind leider fehlgeschlagen.«.
Uns allen lag Adelia auch nach der kurzen Zeit sehr am Herzen. Doch was wäre ich für eine Erzieherin, wenn ich nicht alles in meiner Macht Stehende tun würde, um diesem kleinen Mädchen wieder etwas Licht zu schenken.
»Ich gebe mein Bestes, das weißt du doch«, erwähnte ich, obwohl Alea das bereits wusste.
Sie nickte mir zustimmend zu, sah ein letztes Mal zu Adelia und ging zurück in ihren Gruppenraum.
Ich schaute mich im Raum um und bemerkte, dass Adelia aus ihrem Versteck gekommen war. Sie war bereits mit einem anderen Spielzeug beschäftigt. In ihren Händen hielt sie eine Puppe, welche sie in ein kleines Puppenbett legte. Behutsam deckte sie sie zu und wachte über sie, während sie schlief.
Vielleicht war es besser, wenn ich ihr zunächst ihren Freiraum ließ. Sie würde sich mir bestimmt öffnen, wenn sie sich dazu bereit fühlte. Ich sollte sie nicht überfordern.
Alle Kinder saßen am Esstisch, nachdem wir ein Bild für ihre Eltern gemalt und aufgeräumt hatten. Adelia aß so gut wie gar nichts. Ich sollte sie definitiv im Auge behalten. Nach dem Essen machten sich alle Kinder bereit für den Mittagsschlaf. Als alle schliefen, machte ich mich auf den Weg zum Pausenraum, in dem Alea schon saß.
»Und wie war die Party am Wochenende?«, unterbrach sie die Stille. Alea war nur ein paar Jahre älter als ich. Wir unterhielten uns öfter über die Clubs dieser Stadt, doch ich konnte mich nicht daran erinnern, ihr etwas erzählt zu haben.
Ich warf ihr einen verwirrten Blick zu. »Es war … naja … eine Erfahrung«
»Eine Erfahrung?« Sie zog eine Augenbraue nach oben und grinste mich an.
Stumm ging ich mit meinem Tee auf sie zu und setzte mich an den Tisch. Bald hatte ich Feierabend, den meine Nerven dringend brauchten.
Alea schmunzelte mich die ganze Zeit über an, was ich versuchte, zu ignorieren. Irgendwann hatte ich nicht mehr die Nerven dafür.
»Alea, was ist los? Warum grinst du mich an?«
»Erzähl schon. Wie alt ist er? Wie groß? Wie heißt er? War es gut?«
»War was gut?« Ich konnte ihr nicht ganz folgen.
»Du weißt schon … war er gut ausgestattet? Wie lange hat er durchgehalten?«
»STOPP. Alea, wir sind auf der Arbeit. Die Kinder …«
»Welche Kinder? Ich sehe keine.«
Guter Punkt. »Na, die im Raum nebenan schlafen und die so etwas auf keinen Fall hören sollten«, erwiderte ich zähneknirschend. »Hör zu, es gab keinen Typen. Selbst wenn es einen gegeben hätte, wäre er mit Abstand der größte Arsch in der ganzen Stadt.«
Alea öffnete bereits den Mund, um etwas zu erwidern. Doch Schreie aus dem Schlafraum weckten unsere beider Aufmerksamkeit. Sofort sprang ich auf und eilte zu den Kindern in den Raum nebenan.
Es war Adelia …
Adelia schlug wild um sich und weinte unaufhörlich. Sie hatte einen Albtraum und träumte immer noch.
Schnellen Schrittes ging ich auf sie zu und sank auf die Knie. Ich streichelte über ihren Rücken. Sanft rüttelte ich sie, um sie zu wecken.
»Adelia, Kleine. Alles ist gut. Ich bin bei dir«, flüsterte ich.
Die kreisenden Bewegungen meiner Hand verstärkten sich. Es dauerte nicht lange, bis sie sich schließlich beruhigte. Ihre Arme erschlafften. Einzig leise Schluchzer entkamen ihr.
Nach weiteren endlos anfühlenden Minuten öffnete sie ihre Augen. Unter Tränen blickte sie zu mir auf.
Mein Herz brach in diesem Moment. Das kleine Mädchen tat mir unfassbar leid. Die Traurigkeit in ihrem Blick erweckte mein Mitleid. Ich musste unbedingt etwas finden, um ihr zu helfen. Doch dafür müsste ich zunächst die Ursache für ihr Verhalten kennen. Genau in dieser Sekunde schwor ich mir, alles dafür zugeben, dass es ihr besser ging.
Adelia sprach kein Wort. Ich tat es ihr gleich und schwieg ebenfalls. Es war bereits ein Riesenerfolg, dass sie meine Nähe zuließ.
Die restliche Zeit blieb sie wach. Schweigen umgab uns beide. Ich blieb die ganze Zeit über bei ihr, streichelte weiter beruhigend ihren Rücken und wischte ihr die Tränen aus dem Gesicht. Irgendwann hörte sie auf zu weinen. Ihr Blick lag ununterbrochen auf mir.
Trotz dass sie geschrien hatte, schliefen die anderen Kinder nach wie vor tief und fest. Alea war die Einzige, die uns kurz Gesellschaft leistete. Sie hatte vorbeigeschaut und sich versichert, dass alles gut war. Danach ließ sie uns wieder allein.
Die Zeit verging wie im Schneckentempo. Adelia und ich saßen nebeneinander, bis ich sie mit den anderen Kindern ins Bad schickte.
Während ich die Matten, auf denen die Kinder geschlafen hatten, wieder in den Schrank verstaute, zogen sich die Kinder selbstständig an. Die ganze Zeit über behielt ich mein Sorgenkind im Auge.
Ein Elterngespräch wäre dringend angeraten und landete auf meiner mentalen To-do-Liste.
Am Nachmittag nach dem Essen schnappten Alea und ich uns die restlichen Kinder. Wir gingen nach draußen auf den Spielplatz. Während die Kinder spielten, nutzte ich die Chance, um mit einigen Eltern zu reden.
Gerade beendete ich ein Gespräch mit einer Mutter, als ich nach Adelia schauen wollte. Seitdem sie diesen Albtraum gehabt hatte, machte ich mir Sorgen um sie. Weswegen ich sie, mehr als die anderen Kinder, im Auge behielt.
Mein Blick fiel auf den Sandkasten, der einige Meter von mir entfernt stand und leer war. Sie konnte doch nicht einfach verschwunden sein. Mein Herz raste. Hektisch blickte ich mich auf dem Außengelände um.
»Hast du Adelia gesehen? Sie war gerade noch hier«, erkundigte ich mich bei einer Kollegin.
»Ihr Vater hat sie abgeholt. Du warst vertieft in das Gespräch mit Signora Russo.«
Augenblicklich beruhigte ich mich. Sie war nicht weg, sondern wurde abgeholt. Nur dadurch verflog die Chance auf Informationen. Ich würde morgen mit dem Vater sprechen. Das Gute im Kindergarten war, dass die Eltern jeden Tag wiederkamen.
Ich räumte meinen Gruppenraum auf, bevor ich mich in den wohlverdienten Feierabend verabschiedete.
Der erste Tag hatte viele Überraschungen für mich bereitgehalten und ich hatte das Gefühl, es würden noch einige folgen.
Ich setzte mich in mein Auto und fuhr los. Der Berufsverkehr kostete mich die letzten Nerven, aber irgendwann schaffte ich es endlich nach Hause.
Kraftlos nach den Strapazen des Tages ließ ich meine Tasche und meine Jacke auf den Boden fallen und trug mich auf die Couch. Das Handy aus der Hosentasche gezogen, öffnete ich meine Social-Media-App, doch sofort kamen Videos über den Anschlag der Camorra.
Irgendwann musste ich wohl eingeschlafen sein, denn am nächsten Morgen wurde ich unsanft von meinem Handy geweckt.
Auf dem Weg zum Kindergarten entschied ich mich dazu, mir einen Kaffee zu holen. Ich hielt an meinem Lieblingscafé und ging hinein.
Das Café Venezia war wie jeden Morgen gut besucht. Die Schlange reichte bereits bis draußen auf die Straße. Kein Wunder bei den fantastischen Getränken, die sie hier zauberten.
Nach zehn Minuten trat ich vor die Bedienung, um meine Bestellung abzugeben. »Einen Vanilla Chai Latte, bitte.«
Die Frau nickte und warf mir ein freundliches Lächeln zu, ehe sie meinen Kaffee zubereitete.
»Das macht dann bitte 4,95.« Den Kaffee stellte sie vor mir auf dem Tresen ab.
»Einen Moment, bitte.« Ich suchte in meiner Tasche nach meiner Karte, die ich schnell fand und der Kassiererin reichte.
Sie tippte etwas auf den Bildschirm ein und runzelte die Stirn. »Tut mir leid, Ihre Karte ist nicht ausreichend gedeckt.«
Verblüfft blieb ich stehen. Schweiß rann mir den Nacken herunter. »Das muss ein Fehler sein. Es ist genügend Geld auf der Karte.«
»Nein, tut mir leid. Die Kasse zeigt mir an, Ihre Karte sei nicht ausreichend gedeckt.« Sie reichte mir meine Karte zurück und sah mich mitleidig an.
Das war doch ein einziger Albtraum! Leider konnte ich nicht die Augen öffnen und es würde vorbei sein. Noch nie war meine Karte nicht gedeckt gewesen. Voller Scham kramte ich in meiner Tasche, auf der Suche nach etwas Kleingeld. Die Kunden hinter mir wurden immer ungeduldiger und mein Puls stieg vor Nervosität in die Höhe.
»Ich zahle«, sprach eine mir bekannte Stimme. Mein Herz setzte aus, als ich erkannte, wer es war. »Und bitte fügen Sie der Bestellung noch eine heiße Schokolade und einen schwarzen Kaffee hinzu.«
Langsam hob ich den Kopf, um ihn anzusehen. Ich lag mit meiner Vermutung richtig. Es war der Mann aus dem Club …
Vor zwei Wochen
»Die Nächste!«, schnauzte ich.
»Bist du dir sicher? Sie hatte Top-Qualitäten-«, begann Emilio, doch ich ignorierte ihn. Mit einer ausladenden Handgeste bedeutete ich ihr, zu gehen. Emilio geleitete sie nach draußen.
Isalie lag seit zwei Wochen im Koma. Meine Wut brodelte noch immer. Ich wollte Rache, aber meine Aufmerksamkeit galt Adelia. Sie musste lernen, ohne ihre Mutter zurechtzukommen. Neben den Geschäften hatte ich mich jetzt auch noch um eine Fünfjährige zu kümmern. Es zerrte an meinen Nerven. Emilio suchte mir genau aus diesem Grund ein Kindermädchen. Bisher ohne Erfolg.
Nichts und niemand würde Adelia gerecht werden. Wütend stieg ich in mein Auto, um zu einem meiner Bordelle zu fahren. In meiner Abwesenheit kümmerten sich meine Männer darum.
Ich bog gerade in eine Seitenstraße ein, als ein Ball über die Straße rollte. Abrupt bremste ich. Ich drehte mich nach rechts, um aus dem Fenster zuschauen und den Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, als mir auffiel, dass es sich wohl um einen Kindergarten handelte. Eine Frau stand neben einer Schaukel und spielte mit den Kindern.
Ihr braunes Haar wehte im Wind. Sofort war ich gefangen von ihrer Art. Der Umgang mit den Kindern wirkte so liebevoll. Genau das, was ich für Adelia wollte.
Ich nahm mein Handy, um unauffällig ein Foto von ihr Emilio zuschicken. »Finde alles über sie heraus«, fügte ich der Nachricht hinzu und setzte meine Fahrt fort.
Meine Gedanken drehten sich um die hübsche Frau. Sie würde die Richtige für Adelia sein. Vielleicht auch für mich …
»Adelia, kommst du bitte? Wir müssen los«, rief ich meiner Nichte zu.
»Ja!«, erwiderte sie.
Während ich am Treppenende auf sie wartete, kam sie die Treppen nach unten gesprungen.
»Hast du alles, was du brauchst?«
Sie nickte mir zu.
Irgendetwas war anders. Adelia hatte die letzten Wochen nicht gern in den Kindergarten gewollt und mich hatten frühmorgens immer Diskussionen erwartet, doch heute blieben diese aus.
Ich schnappte mir die Schlüssel und gemeinsam gingen wir zu meinem Audi, der in der Tiefgarage parkte. Adelia setzte sich vorn auf ihren Kindersitz, während ich mich auf dem Fahrersitz niederließ. Nachdem ich mich versichert hatte, dass sie sich anschnallte, fuhr ich los. Die Straßen waren an diesem Morgen frei, was normalerweise in Neapel nicht so war.
»Leo, kann ich eine heiße Schokolade bekommen?«, bat sie mich und schaute mich dabei mit ihren zuckersüßen Augen an.
»Tut mir leid, Adelia, heute nicht. Wir sind spät dran.«
»Bitte?« Ihre Augen wurden glasig und sie zog die Lippen zusammen. Sie sah aus wie ein Hund, der um ein Leckerli bettelte.
Sie wusste genau, was sie tun musste, damit sie bekam, was sie verlangte. Ich atmete tief durch, verdrehte die Augen und kam ihrer Bitte nach. Bei der nächsten Kreuzung bog ich in Richtung eines Cafés ab.
»Na gut, ausnahmsweise.«
Sie lachte mich freudig an. Ich liebte es, sie lachen zu hören, gerade in so einer dunklen Zeit für uns.
Vor dem Café angekommen, suchte ich einen Parkplatz und blieb stehen.
»Ich bin gleich wieder da, warte so lange im Auto. Und Adelia, komme nicht auf unsinnige Ideen!«, ermahnte ich sie.
Ihre Hand hob sich an ihren Kopf und sie salutierte.
Kaum dass ich aus meinem Auto gestiegen war, sah ich die lange Schlange. Das konnte dauern. Ich würde alles für Adelia tun. Egal, was. Doch heute drängte die Zeit. Nachdem ich sie in den Kindergarten gebracht hätte, stand bereits ein dringender Termin an.
Geduldig wartete ich in der Reihe, bis nur noch wenige Personen vor mir dran waren.
Mein Kopf hob sich und mein Blick fiel auf eine Frau mit braunen Haaren. Ich sah sie nicht zum ersten Mal.