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Abenteuer des Kapitän Hatteras Jules Verne - Diese Version ist vollständig, Teil 1 und 2 - Die "Abenteuer des Kapitän Hatteras" (auch "Die Abenteuer des Kapitän Hatteras" oder "Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras") ist ein Roman des französischen Autors Jules Verne. Der Roman wurde erstmals 1866 unter dem französischen Titel "Voyages et aventures du capitaine Hatteras" von dem Verleger Pierre-Jules Hetzel veröffentlicht. Die erste deutschsprachige Ausgabe erschien 1875 unter dem Titel "Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras". Der englische Titel des Romans lautet "The Adventures of Captain Hatteras".
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Seitenzahl: 645
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»Morgen bei fallender Fluth wird die Brigg Forward, Kapitän K. Z., Lieutenant Richard Shandon, von New-Prince's-Docks abfahren. Bestimmung unbekannt.«
So las man im »Liverpool-Herald« am 5. April 1860.
Für einen der ersten Handelshäfen Englands ist die Abfahrt einer Brigg ein unbedeutendes Ereigniß, das inmitten der Schiffe jeder Größe und jeder Nationalität kaum bemerkt wird.
Dennoch fand sich am 6. April vom frühen Morgen an eine ansehnliche Volksmenge auf den Quais der New-Prince's-Docks ein. Die unzählbare Corporation der Seeleute der Stadt schien sich da ein Rendezvous zu geben. Die Arbeiter der benachbarten Werfte verließen ihr Tagewerk, die Kaufleute ihre düstern Comptoire, ihre unbesuchten Gewölbe. Die bunten Omnibus, welche längs der äußern Mauer der Baffins fahren, brachten jede Minute eine Ladung Neugieriger; die Stadt schien nur einen einzigen Gedanken zu haben: der Abfahrt des Forward beizuwohnen.
Der Forward war eine Brigg von hundertundsiebenzig Tonnen Gehalt, ein Schraubendampfer von hundertundzwanzig Pferdekraft. Bot er auch den Augen des Publicums nichts außerordentliches dar, so nahmen doch Kenner einige Besonderheiten wahr, welche jeder Seemann verstand.
Daher machte sich auch eine Gruppe Matrosen an Bord des in der Nähe ankernden Nautilus über die Bestimmung des Forward allerhand Vermuthungen.
»Was soll man, sagte einer, von diesen Masten denken? es ist doch nicht gebräuchlich, daß Dampfschiffe so viel Segel haben.
– Das Fahrzeug muß, erwiderte ein Bootsmann mit breitem, rothem Gesicht, sich mehr auf seine Masten als seine Maschine verlassen wollen, und wenn es so stark in hohen Segeln ist, so geschah es wohl deshalb, weil die niedrigen oft maskirt sein werden. Darum glaub' ich sicher, daß der Forward für die Nord- oder Süd-Polarmeere bestimmt ist, wo die Eisberge den Wind mehr hemmen, als es einem tüchtigen Schiffe paßt.
– Sie sollen Recht haben, Meister Cornhill, versetzte ein dritter Matrose, haben Sie auch bemerkt, wie dieser Vordersteven gerade auf's Meer fällt?
– Und dazu, sagte Meister Cornhill, ist er mit einer Schneide von Gußstahl versehen, die scharf wie ein Rasirmesser ist, und einen Zweidecker entzweischneiden kann, wenn der Forward mit aller Kraft von der Seite her auf ihn eindringt.
– Sicherlich, erwiderte ein Lootse der Mersey, denn diese Brigg fährt mit ihrer Schraube hübsch vierzehn Knoten. Es war zum Staunen, wie sie bei der Probefahrt die Strömung durchschnitt. Glauben Sie mir, 's ist ein feiner Segler.
– Und ebenso ist sie mit ihren Segeln nicht in Verlegenheit, fuhr Meister Cornhill fort; es fährt stracks in den Wind und ist leicht mit der Hand zu lenken. Und noch etwas besonders! Haben Sie das weite Hennegat seines Steuerruders bemerkt?
– Wahrhaftig, so ist es, erwiderten die andern, aber was ist daraus abzunehmen?
– Es beweist dies für's erste, Ihr lieben Bursche, versetzte der Meister mit Selbstzufriedenheit, daß Ihr weder zu sehen, noch zu deuten versteht; es ist daraus abzunehmen, daß man dem Kopf des Steuers Spielraum geben wollte, um leichter seine Stelle zu ändern. Sie wissen wohl nicht, daß dies Manoeuvre zwischen den Eisblöcken oft vorkommt?
– Vortrefflich geurtheilt, erwiderten die Matrosen des Nautilus.
– Und zudem, fuhr der eine von ihnen fort, wird die Meinung des Meister Cornhill durch die Ladung der Brigg bestätigt. Ich weiß es von Clifton, der unerschrocken Theil nimmt. Der Forward nimmt für fünf bis sechs Jahre Lebensmittel, und dem entsprechend Kohlen mit. Die ganze Ladung desselben besteht aus Kohlen und Lebensmitteln, nebst einem Pack wollener Kleidung und Robbenfellen.
– Ah! Dann ist auch nicht mehr daran zu zweifeln, sagte Meister Cornhill; aber kurz, mein Freund, da Du Clifton kennst, hat denn der nichts von seiner Bestimmung gesagt?
– Er konnte mir nichts sagen, weil er's nicht weiß; darauf ist die Mannschaft geworben. Wohin es geht, soll man erst erfahren, wenn man an Ort und Stelle ist.
– Und auch, erwiderte ein Ungläubiger, wenn sie zum Teufel gehen, wie es mir ganz den Anschein hat.
– Aber auch was für ein Sold! fuhr Cliftons Freund lebhaft fort, welch' hoher Sold! Fünfmal höher, als der gewöhnliche. Ah! Sonst hätte Richard Shandon Niemand gefunden, der unter solchen Bedingungen sich hätte werben lassen! Ein Fahrzeug von auffallendem Bau, das wer weiß wohin fährt, und nicht aussieht als wolle es ernstlich wiederkommen! Ich meinestheils hätte nicht große Lust dazu.
– Lust oder nicht, Freund, erwiderte Meister Cornhill, Du wärest nie fähig gewesen, der Bemannung des Forward anzugehören.
– Und weshalb?
– Weil Dir die nöthigen Erfordernisse abgehen. Ich habe mir sagen lassen, Verheiratete würden gar nicht angenommen. Da Du nun zu dieser Sorte gehörst, so brauchst Du nicht so spröde zu thun; für Dich freilich wär' es eine wahre Zwangspartie.«
Der also angezapfte Matrose lachte mit seinen Kameraden, und gab damit zu erkennen, daß Meister Cornhill Recht hatte.
Cornhill fuhr mit Selbstbefriedigung fort: »Bis auf den Namen ist auch alles an dem Schiff erschrecklich kühn! Der Forward – d. h. Vorwärts, bis wohin? Und dazu kennt man den Kapitän der Brigg nicht.
– O ja! man kennt ihn, erwiderte ein junger Matrose mit etwas naivem Angesicht.
– Wie? Man kennt ihn?
– Allerdings.
– Kleiner, sagte Cornhill, kannst Du glauben, daß Shandon Kapitän des Forward sein werde?
– Aber, versetzte der junge Matrose ...
– So laß Dir sagen, daß Shandon Unterbefehlshaber ist, weiter nichts; 's ist ein wackerer, kühner Seemann, ein Wallfischfahrer, der erprobt ist, ein tüchtiger Kamerad, aber schließlich doch nicht der Befehlshaber; er ist so wenig Kapitän, wie Du und ich, unbeschadet meinem Respect! Den, der nach unserm Herrgott an Bord befehlen wird, kennt er selber auch nicht. Wenn der rechte Zeitpunkt kommt, wird der wahre Kapitän zum Vorschein kommen, man weiß nicht wie, und wer weiß von welchem Ufer der beiden Welten; denn Richard Shandon hat nicht gesagt, und darf auch nicht sagen, wohin auf der Welt er fahren würde.
– Dennoch, Meister Cornhill, fuhr der junge Seemann fort, versichere ich Sie, daß sich einer an Bord vorgestellt hat, einer in dem Schreiben, worin dem Herrn Shandon seine Stelle übertragen ward, angekündigt worden ist!
– Wie? entgegnete Cornhill mit Stirnrunzeln, Du willst behaupten, der Forward habe einen Kapitän an Bord?
– Ja wohl, Meister Cornhill.
– Du sagst mir das, mir?
– Allerdings, weil ich es von Johnson habe, dem Rüstmeister.
– Von Meister Johnson?
– Allerdings, er hat mir es selbst gesagt.
– Er hat Dir's gesagt?
– Er hat mir es nicht allein gesagt, sondern den Kapitän gezeigt.
– Gezeigt hat er Dir ihn! erwiderte Cornhill betroffen.
– Ja wohl, gezeigt.
– Und Du hast ihn gesehen?
– Mit eigenen Augen.
– Und wer ist's?
– Ein Hund.
– Ein Hund?
– Ein vierfüßiger?
– Ja!«
Die Matrosen des Nautilus waren ganz verdutzt; in jedem andern Falle würden sie hell aufgelacht haben. Ein Hund Kapitän einer Brigg von hundertundsiebenzig Tonnen! Aber der Forward war wirklich ein so außerordentliches Fahrzeug, daß man zweimal es ansehen mußte, ehe man lachte, ehe man in Abrede stellte. Uebrigens lachte selbst Meister Cornhill nicht.
»Und Johnson hat Dir diesen so außerordentlichen Kapitän gezeigt, diesen Hund? fuhr er fort zu dem jungen Matrosen.
– So wie ich Sie sehe, mit Erlaubniß.
– Nun, was denken Sie davon? fragten die Matrosen den Meister Cornhill.
– Ich denke, nichts, erwiderte dieser barsch, ich denke nichts, als daß der Forward ein Schiff des Teufels ist, oder Narren gehört, die für das Irrenhaus reif sind!«
Die Matrosen sahen ferner den Forward schweigend an, und nicht einem einzigen von ihnen fiel es ein zu behaupten, der Johnson habe den jungen Seemann zum Besten gehabt.
Der Forward zog übrigens seit einigen Monaten die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich. Daß er etwas auffallend gebaut, mit Geheimniß umhüllt war; das Incognito seines Kapitäns; die Art, wie Richard Shandon seine Ausrüstung betrieb; die besondere Auswahl seiner Mannschaft; die unbekannte, von manchen kaum vermuthete Bestimmung desselben, – alles wirkte zusammen, der Brigg ein mehr als sonderbares Gepräge zu geben.
Für einen Denker, Träumer, Philosophen hat übrigens ein Schiff, das abzufahren im Begriff ist, etwas höchst anregendes; die Phantasie begleitet es gerne bei seinem Ringen mit den Wogen, seinen Kämpfen mit den Winden, bei der abenteuerlichen Fahrt, die nicht immer im Hafen ihr Ziel findet, und wofern nur der geringste ungewöhnliche Zwischenfall eintritt, erhält das Schiff ein phantastisches Aussehen.
So war es auch mit dem Forward. Und wenn die gewöhnlichen Zuschauer nicht so kundige Bemerkungen, wie Meister Cornhill, machen konnten, so gab es doch seit drei Monaten Stoff genug zu fortwährendem Gerede, für die Unterhaltung in Liverpool.
Die Brigg wurde zu Birkenhead, einer wirklichen Vorstadt von Liverpool am linken Ufer der Mersey, gebaut, und durch Dampfbarken in unablässigem Verkehr mit dem Hafen gehalten. Die Erbauer, Scott & Cie., hatten von Richard Shandon einen Aufriß und detaillirten Plan erhalten, welcher den Tonnengehalt, die Größenverhältnisse, das Modell der Brigg höchst genau angab. Man konnte darin den Scharfsinn eines vollendeten Seemanns erkennen. Da Shandon beträchtliche Mittel zur Verfügung hatte, so wurden die Arbeiten in Angriff genommen und nach der Weisung des unbekannten Eigentümers auf's rascheste betrieben.
Die Bauart der Brigg war von erprobter Solidität; sie war offenbar bestimmt, enormem Druck zu widerstehen, denn ihr Fugenwerk aus Teak, einem indischen, durch äußerste Dauerhaftigkeit ausgezeichneten Bauholz, war noch dazu mit dem stärksten Eisenbeschlag versehen. Man fragte sich unter den Seeleuten, weshalb der Rumpf eines mit solchen Widerstandsverhältnissen gebauten Schiffes nicht aus Eisenblech gefertigt wurde, wie bei andern Dampfbooten. Darauf antwortete man, der geheimnißvolle Ingenieur müsse wohl seine Gründe dafür haben.
Die Brigg nahm auf dem Werft allmälig ihre Gestalt an, und ihre Stärke wie Feinheit setzten die Kenner in Erstaunen. Wie die Matrosen des Nautilus bemerkt hatten, bildete sein Vordersteven einen rechten Winkel mit dem Kiel; es war nicht mit einem Schnabel versehen, sondern mit einer Schneide von Gußeisen aus den Werkstätten R. Hawthorn's zu Newcastle. Dieses metallene, im Sonnenschein blinkende Vordertheil, gab der Brigg, obwohl sie gar nichts Militärisches an sich hatte, ein ganz besonderes Aussehen. Doch wurde auf dem Vordercastell eine Kanone vom Kaliber eines Sechzehnpfünders aufgestellt; auf einem Zapfen sich drehend, konnte sie leicht nach allen Richtungen gestellt werden.
Am 5. Februar 1860 wurde das seltsame Schiff im Angesicht einer ungeheuern Zuschauermenge vom Stapel gelassen, was vollkommen gelang.
Aber welches war denn die Bestimmung des Schiffes? Es sollte den Erebus und Terror, den Sir John Franklin aufsuchen, nichts weiter. Denn im Jahr zuvor war der Commandant Mac Clintock mit sichern Beweisen vom Scheitern dieser unglücklichen Unternehmung aus den Nord-Polarmeeren heimgekehrt.
Wollte denn der Forward nochmals die nordwestliche Durchfahrt machen? Wozu nützte dies? Der Kapitän Mac Clur hatte sie im Jahre 1853 aufgefunden, und sein Lieutenant Creswell hatte zuerst die Ehre, um das amerikanische Festland herum von der Behrings- bis zur Davis-Straße zu fahren.
Es war jedoch für Sachverständige unzweifelhaft, daß der Forward den Eisregionen Trotz bieten sollte. Wollte er zum Südpol vordringen, noch weiter als der Wallfischfahrer Wedell, als der Kapitän Roß? Aber zu welchem Zweck und Nutzen?
Am folgenden Tag, nachdem die Brigg vom Stapel gelaufen, kam ihre Maschine aus den Werkstätten von R. Hawthorn zu Newcastle an.
Diese Maschine, von hundertundzwanzig Pferdekraft mit oscillirenden Cylindern, nahm wenig Raum ein: für ein Schiff von hundertundsiebenzig Tonnen eine bedeutende Kraft. Da es zudem reichlich mit Segeln versehen war, so besaß es außerordentliche Schnelligkeit, wie die Probefahrten bewiesen.
Nachdem die Maschine an Bord war, begann das Einbringen der Vorräthe; keine geringe Arbeit, denn das Schiff wurde auf sechs Jahre verproviantirt. Die Lebensmittel bestanden aus gesalzenem und getrocknetem Fleisch, geräuchertem Fisch, Zwieback und Mehl; Kaffee und Thee wurden lavinengleich in die untern Räume gewälzt. Richard Shandon leitete die kostbare Befrachtung als ein Mann, der sich darauf verstand; alles wurde streng ordnungsmäßig packetirt, etikettirt, numerirt; auch wurde ein großer Vorrath von dem indischen Präparat, Pemmican genannt, welches sehr nahrhafte Bestandtheile enthält, mitgenommen.
Diese Gattung von Lebensmitteln ließ keinen Zweifel, daß es auf eine langedauernde Expedition abgesehen war; und ein kundiger Beobachter begriff auf den ersten Blick, daß diese in die Polar-Meere gehen sollte, wenn er die Tonnen Lime-juice und Kalkpastillen, Päcke von Senf, Sauerampferkörnern und Löffelkraut sah, die Menge von solchen Mitteln gegen den Scorbut, welche man bei den Fahrten in die nördlichen und südlichen Zonen so nothwendig braucht. Shannon besorgte diesen Theil der Ladung mit ganz besonderer Sorgfalt.
Waffen wurden wenige mitgenommen, aber eine Kammer mit Pulver gefüllt, was beunruhigen konnte; denn die einzige Kanone an Bord konnte solches Bedürfniß nicht haben. Ebenso wurde für riesenhafte Sägen gesorgt und starke Werkzeuge, wie Hobel, bleierne Keulen, Handsägen, enorme Beile etc., dazu eine ansehnliche Menge Spreng-Cylinder, womit man das ganze Zollgebäude Liverpools in die Luft sprengen konnte, Raketen und Kunstfeuer zu Signalen, Fanale aller Art.
Die zahlreichen Zuschauer auf den Quais von New-Prince's-Docks bewunderten ferner ein langes Wallfischboot von Mahagoni, eine Pirogue von Blech mit Guttapercha bezogen, und eine Anzahl Halkett-boafs, Kautschuküberzüge, welche man durch Aufblasen in Canots verwandeln konnte. Jeder fühlte sich um so mehr beunruhigt, als mit der sinkenden Fluth der Forward zu seiner geheimnißvollen Bestimmung abzufahren im Begriff war.
Das Schreiben, welches Richard Shandon acht Monate zuvor erhalten hatte, lautete wörtlich:
Aberdeen, den 2. August 1859.
»Herrn Richard Shandon, Liverpool.
»Mein Herr.
»Gegenwärtiges soll Sie in Kenntniß setzen, daß sechzehntausend Pfd. Sterling dem Bankhause Marcuart K Cie. in Liverpool zugestellt worden sind. Hier beifolgend eine Reihe von Anweisungen mit meiner Unterschrift, mit welchen Sie über Summen bis zu dem gedachten Betrag verfügen können.
»Sie kennen mich nicht; darauf kommt wenig an. Ich kenne Sie, und das ist die Hauptsache.
»Ich biete Ihnen die Stelle des Unterbefehlshabers an Bord der Brigg Forward, zu einer Expedition, die lang und gefährlich sein kann.
»Lehnen Sie ab, so ist's nichts. Nehmen Sie an, so sollen Sie fünfhundert Pfund als Gehalt empfangen, und nach Verlauf jedes Jahres, so lange die Unternehmung dauert, soll Ihr Gehalt um ein Zehntheil erhöht werden.
»Die Brigg Forward existirt noch nicht. Sie müssen sie noch bauen lassen, so daß sie spätestens zu Anfang April 1860 in die See stechen kann. Hierbei folgt ein detaillirter Plan mit Aufriß. Sie haben sich pünktlich daran zu halten. Das Schiff soll in den Werften der Herren Scott & Cie. gezimmert werden, mit welchen Sie sich darüber zu benehmen haben.
»Ich empfehle Ihnen ganz besonders die Bemannung des Forward; sie wird bestehen aus einem Kapitän, der bin ich, einem Lieutenant, Sie, einem dritten Officier, einem Rüstmeister, zwei Maschinisten, einem Eismeister, acht Matrosen und zwei Heizern, zusammen achtzehn Mann, inbegriffen den Doctor Clawbonny aus dieser Stadt, welcher zu gehöriger Zeit bei Ihnen erscheinen wird.
»Die zur Theilnahme an der Expedition des Forward berufenen Leute müssen Engländer sein, frei, ohne Familie, unverheiratet, nüchtern (denn geistige Getränke und selbst Bier werden an Bord nicht geduldet), bereit alles zu unternehmen und alles zu ertragen. Sie werden dieselben vorzugsweise aus Leuten von sanguinischer Leibesbeschaffenheit wählen, welche eben deshalb das Lebensprincip thierischer Wärme in höherm Grade in sich enthalten.
»Sie bieten ihnen das Fünffache ihres gewöhnlichen Soldes, mit einer jährlichen Zulage von einem Zehntel. Bei Beendigung der Unternehmung werden jedem derselben fünfhundert Pfund zugesichert, und zweitausend Pfund Ihnen. Diese Gelder werden von den obgedachten Herren Marcuart & Cie. bezogen.
»Diese Unternehmung wird lange dauern und voll Strapazen, aber ehrenvoll sein. Sie haben sich also nicht zu besinnen, Herr Shandon.
»Antwort post restante Göteborg (Schweden)
unter K. Z.«
»P. S. Sie werden künftigen fünfzehnten Februar einen großen dänischen Hund mit herabhängenden Lefzen, schwärzlich fahl mit schwarzen Querstreifen empfangen. Sie wollen ihm an Bord eine Stätte anweisen und ihm Gerstenbrod vermischt mit Brühe von Talgbrot zum Futter geben. Den Empfang des Hundes melden Sie nach Livorno unter gleichen Buchstaben wie oben.
»Der Kapitän des Forward wird zu passender Zeit sich einfinden und zu erkennen geben. Im Augenblick der Abfahrt werden Sie neue Instruktionen bekommen.
Der Kapitän des Forward K. Z.«
Richard Shandon war ein guter Seemann; er hatte lange Zeit Wallfischfänger in den Nord-Polarmeeren commandirt, und dabei in ganz Lancaster einen fest begründeten Ruf gewonnen. Ein solcher Brief konnte mit Recht tiefen Eindruck machen; dies geschah denn auch bei ihm, doch blieb er kaltblütig.
Er befand sich zudem in den gewünschten Verhältnissen; weder Frau, noch Kinder, noch Verwandte; ein freier Mann, wie irgend einer. Da er also mit Niemand zu berathen hatte, begab er sich stracks zu den Banquiers Marcuart & Cie.
»Wenn das Geld da ist, sagte er sich, kommt das Uebrige von selbst.«
Er wurde in dem Bankhause mit den Rücksichten empfangen, welche man einem Manne zollt, an den sechzehntausend Pfund ruhig in einer Kasse warten. Als dieser Punkt im reinen war, liess sich Shandon ein Blatt weißes Papier geben, und meldete mit derber Seemanns-Handschrift seine Annahme unter der angegebenen Adresse.
Noch denselben Tag setzte er sich mit den Schiffbaumeistern zu Birkenhead in Verbindung, und vierundzwanzig Stunden nachher lag bereits der Kiel des Forward der Länge nach auf den Stapelblöcken des Zimmerplatzes.
Richard Shandon war ein Junggeselle von vierzig Jahren, kräftig, energisch und tapfer, drei Vorzüge eines Seemanns, denn sie verleihen Zuversicht, Nachdruck und Kaltblütigkeit. Er war als ein eifersüchtiger und schwer zu befriedigender Charakter bekannt, daher auch nie von seinen Matrosen geliebt, vielmehr gefürchtet. Dieser Ruf ging übrigens nicht so weit, daß er ihm Mühe verursacht hätte, seine Mannschaft zusammenzubringen, denn man wußte, daß er gewandt sich aus der Noth herauszuziehen vermochte.
Shandon besorgte, die geheimnißvolle Seite möge geeignet sein, ihn in seinem Vorgehen zu hemmen.
»So ist's denn auch am besten, sagte er sich, nichts laut werden zu lassen; es giebt Seehunde, die möchten auch das Weil und Warum der Sache wissen, und da ich nichts weiß, so wäre ich sehr in Verlegenheit, ihnen zu antworten. Dieser K. Z. ist sicher ein sonderlicher Geselle; aber schließlich kennt er mich und rechnet auf mich: das genügt. Sein Schiff soll hübsch hergerichtet werden, und ich will nicht Richard Shandon heißen, wenn es nicht die Bestimmung hat, das Eismeer zu befahren. Aber das wollen wir unter uns behalten.«
Darauf ließ sich Shandon angelegen sein, seine Mannschaft aufzubringen, und zwar genau unter den vom Kapitän vorgeschriebenen Bedingungen.
Er kannte einen wackeren, sehr ergebenen Burschen, der ein guter Seemann war, James Wall mit Namen. Derselbe mochte dreißig Jahr alt sein, und hatte schon mehrmals die nördlichen Meere besucht. Shandon bot ihm die Stelle eines dritten Officiers an, und James Wall nahm ohne Weiteres an; es war ihm nur um die Fahrt zu thun. Shandon setzte ihm die Sache im Detail auseinander, und ebenso einem gewissen Johnson, den er zu seinem Rüstmeister machte.
»Ein groß Glück ist's nicht, erwiderte James; soviel werth als sonst etwas. Handelt sich's darum, die nordwestliche Durchfahrt zu suchen, so kann man wieder heimkehren.
– Nicht immer, erwiderte Meister Johnson; aber es ist das doch kein Grund, um die Fahrt nicht zu machen.
– Uebrigens, irren wir nicht in unsern Vermuthungen, fuhr Shandon fort, so muß man zugeben, daß die Fahrt unter günstigen Umständen vor sich geht. Der Forward wird ein vorzügliches Schiff sein, und mit einer guten Maschine versehen kann er weit fahren. Wir brauchen nur achtzehn Mann im Ganzen. – Achtzehn Mann, versetzte Meister Johnson; soviel hatte der Amerikaner Kane an Bord, als er seine berühmte Fahrt nach dem Pol unternahm.
–Es ist immer höchst auffallend, fuhr Wall fort, daß ein Privatmann noch einmal den Versuch macht, durch das Meer von der Davis- zur Behrings-Straße zu dringen. Die zum Auffinden des Admirals Franklin ausgeschickten Expeditionen haben England schon über siebenhundertundsechzigtausend Pfund gekostet, ohne zu irgend einem praktischen Resultat zu führen! Wer zum Teufel kann nochmals sein Vermögen an eine solche Unternehmung setzen?
– Vor allem, James, erwiderte Shandon, raisonniren wir über eine bloße Vermuthung. Ob wir wirklich in die nördlichen oder südlichen Polar-Meere fahren werden, weiß ich nicht. Vielleicht handelt sich's darum, eine neue Entdeckung zu versuchen. Uebrigens soll über kurz oder lang ein gewisser Doctor Clawbonny sich einfinden, der wird ohne Zweifel mehr davon wissen und Auftrag haben uns darüber zu unterweisen. Werden schon sehen.
– So warten wir also ab, sagte Meister Johnson; ich meinestheils will nun tüchtige Untergebene aufsuchen, Commandant; und was ihr Princip der Lebenswärme, wie der Kapitän sagt, betrifft, so will ich zum Voraus dafür einstehen. Sie können sich auf mich verlassen.«
Dieser Johnson war ein sehr schätzbarer Mann; er war mit der Schifffahrt in den hohen Breitegraden vertraut. Er hatte sich als Quartiermeister an Bord des Phönix befunden, welcher zu den im Jahre 1853 zum Aufsuchen Franklins entsendeten Expeditionen gehörte; dieser wackere Seemann war sogar beim Tod des französischen Lieutenants Bellot zugegen, welchen er bei seiner Fahrt durch die Eisberge begleitete. Johnson kannte das Matrosenpersonal zu Liverpool, und machte sich sogleich an's Werk, seine Leute zusammenzubringen.
Shandon, Wall und er hatten solchen Erfolg, daß schon in den ersten Decembertagen ihre Mannschaft vollständig beisammen war; doch ging es nicht ohne Schwierigkeiten ab; viele, die wohl durch die hohe Löhnung sich anlocken ließen, wurden doch durch die unbestimmte Zukunft der Expedition abgeschreckt, und mancher ließ sich zwar entschlossen anwerben, kam aber nach einiger Zeit wieder, um sein Wort und Draufgeld zurückzugeben. Alle versuchten übrigens durch das Geheimniß zu dringen, und drängten den Commandanten Richard mit Fragen; derselbe verwies sie an Meister Johnson.
»Was willst Du, daß ich Dir sagen soll, mein Freund! erwiderte der Letztere unabänderlich; ich weiß nicht mehr als Du. Jedenfalls wirst Du Dich in guter Kameradschaft befinden mit unerschrockenen Gesellen, die nicht wanken; das ist schon etwas! Also nicht so viel Bedenken! es gilt annehmen oder lassen!«
Und die meisten nahmen an.
»Du begreifst wohl, fügte manchmal der Rüstmeister bei, daß mir die Wahl wehe thut. Eine so hohe Löhnung, wie man sie noch niemals erlebt hat, mit der Gewißheit, bei seiner Rückkehr ein hübsches Kapital beisammen zu haben, so etwas kann doch wohl anziehen.
– Allerdings, erwiderten die Matrosen, das ist sehr verführerisch! Ein gutes Auskommen bis an's Ende seiner Tage!
– Ich will indeß nicht verhehlen, fuhr dann Johnson fort, daß die Unternehmung langwierig, mühevoll und gefährlich ist; das steht ausdrücklich in unsern Instructionen; also muß man sich wohl merken, wozu man sich verbindlich macht; sehr wahrscheinlich, alles Menschenmögliche zu versuchen und vielleicht noch mehr! Also hast Du nicht Muth im Herzen, einen erprobten Charakter, hast Du nicht den Teufel im Leibe, magst Du Dir nicht sagen, daß zwanzig gegen eins Du dabei bleiben kannst, kurz, ist es Dir darum zu thun, daß Du Deine Haut lieber an dem Ort lässest, wie an einem andern – so kehre mir den Rücken und überlaß Deinen Platz einem kühneren Gesellen!
– Aber doch, Meister Johnson, fuhr der Matrose, wenn ihm so zugesetzt wurde, fort, Sie kennen doch wenigstens den Kapitän?
– Kapitän ist Freund Richard Shandon, bis daß ein anderer an seine Stelle tritt.«
Das war auch wohl die Meinung des Commandanten; er gab sich gern der Idee hin, daß er im letzten Moment seine genauen Instructionen über das Reiseziel erhalten und dann Chef an Bord des Forward bleiben werde. Er verbreitete auch gern diese Meinung, sei's im Gespräch mit seinen Officieren, sei's im Verlauf der Schiffbauarbeiten.
Shandon und Johnson hielten sich strenge an die hinsichtlich der Gesundheit der Mannschaft gegebenen Vorschriften; dieselbe hatte ein befriedigendes Aussehen; ihre elastischen Glieder, ihre klare und blühende Hautfarbe zeigte, daß sie die strengste Kälte auszuhalten fähig waren. Es waren zuversichtliche und entschlossene Männer, energisch und von dauerhafter Leibesbeschaffenheit.
Die gesammte Mannschaft gehörte dem protestantischen Religionsbekenntniß an; das gemeinsame Gebet, das Bibellesen, trägt oft dazu bei, widerwärtige Gemüther in Eintracht zu halten und zur Zeit der Entmuthigung aufzurichten. Shandon wußte aus Erfahrung, wie ersprießlich diese Gewohnheiten in ihrem Einfluß auf die Sittlichkeit einer Mannschaft sind. Hierauf besorgten Shandon und seine beiden Officiere die Verproviantirung, wobei sie sich strenge an die Instructionen des Kapitäns hielten, welche klar, präcis und in's Einzelne gehend waren und die Quantität wie Qualität der geringsten Artikel vorschrieben. Die empfangenen Anweisungen setzten den Commandanten in Stand, jeden Artikel baar zu bezahlen, mit einem Discont von acht Procent, welchen Richard Shandon pünktlich zu Gunsten des K. Z. eintrug.
Mannschaft, Proviant, Ladung, alles war im Januar 1860 bereit und fertig. Shandon fand sich tagtäglich zu Birkenhead ein.
Am 23. Januar Vormittags befand er sich seiner Gewohnheit nach auf einer der breiten Dampfbarken, welche an beiden Enden mit einem Steuer versehen unablässig die Ueberfahrt von einem Ufer der Mersey an's andere besorgen; es herrschte damals einer der gewöhnlichen Nebel, welcher die Bootsleute des Flusses nöthigte, sich des Compasses zu bedienen, obwohl die Ueberfahrt kaum zehn Minuten währt.
Indessen, so dick dieser Nebel war, sah Shandon durch denselben hindurch einen Mann von untersetzter Statur, etwas dick, mit feinen, muntern Gesichtszügen und freundlichem Blick, der auf ihn zuging, seine beiden Hände ergriff, und mit einer Wärme und Vertraulichkeit schüttelte, die, wie die Franzosen sich ausdrücken, »ganz südlich« war.
Aber war dieser Mann auch nicht aus dem Süden, so kam er doch eben von dort; er sprach und gesticulirte flink; sein Gedanke machte sich Luft um jeden Preis; seine Augen, klein wie die eines Mannes von Geist, sein großer, beweglicher Mund, gaben der Ueberfülle des Inneren einen Ausweg; er sprach so viel und so lebhaft, daß Shandon, offen gestanden, nichts davon verstand.
Doch erkannte der Schiffslieutenant sogleich den kleinen Mann, obschon er ihn nie gesehen hatte; und als dieser einmal Athem holte, äußerte Shandon rasch:
»Der Doctor Clawbonny?
– Er selbst, in eigner Person, Commandant! Seit einer vollen Viertelstunde suche ich Sie, frage allerwärts nach Ihnen! Sie sind es also, Commandant Richard Shandon? Sie sind's leibhaftig? Keine Mythe also? Ihre Hand, Ihre Hand! daß ich sie nochmals drücke. Wenn es nun einen Commandanten Richard Shandon giebt, so giebt es auch eine Brigg Forward unter seinem Befehl; und wenn er abfährt, wird er den Doctor Clawbonny mitnehmen.
– Ja wohl, Doctor, ich bin Richard Shandon, es existirt eine Brigg Forward, die wird abfahren!
– Das ist logisch, erwiderte der Doctor. Darum bin ich auch so froh, auf der Höhe meiner Wünsche! Seit langer Zeit wartete ich auf eine solche Gelegenheit, voll Sehnsucht, eine solche Reise zu machen. Nun, mit Ihnen, Commandant...
– Gestatten Sie... sagte Shandon.
– Mit Ihnen, fuhr Clawbonny fort, ohne ihn zu hören, werden wir gewiß weit fahren, und keinen Fußbreit weichen.
– Aber... versetzte Shandon.
– Denn Sie haben schon Proben abgelegt, Commandant, und ich weiß, was Sie geleistet haben. Ah! Sie sind ein stolzer Seemann!
– Wollen Sie die Güte haben...
– Nein, ich will Ihre Kühnheit, Ihre Tapferkeit und Geschicklichkeit nicht einen Augenblick in Zweifel gezogen haben, nicht einmal von Ihnen! Der Kapitän, der Sie zu seinem Stellvertreter gewählt hat, versteht sich darauf, dafür bürg' ich!
– Aber darum handelt sich's nicht, sagte Shandon ungeduldig.
– Und worum handelt sich's denn? Sie lassen mich lange schmachten.
– Sie lassen mich ja nicht reden, zum Henker! Sagen Sie mir nur gefälligst, Doctor, wie sind Sie dazu gebracht worden, an der Expedition des Forward Theil zu nehmen?
– Nur durch einen Brief, den ich hier Ihnen vorweise; er ist sehr lakonisch, aber hinreichend!«
Mit diesen Worten überreichte er Shandon das Schreiben, welches also lautete:
Inverneß, den 22. Januar 1860.
»An den Doctor Clawbonny, Liverpool.
»Wenn der Doctor Clawbonny sich für eine lange dauernde Expedition auf dem Forward einschiffen will, kann er sich dem Commandanten Richard Shandon vorstellen, welcher dafür instruirt ist.
Der Kapitän des Forward. K. Z.«
»Der Brief ist diesen Vormittag angekommen, und ich bin schon bereit, an Bord des Forward zu gehen.
– Aber doch, fuhr Shandon fort, wissen Sie, Doctor, worin der Zweck dieser Reise besteht?
– Durchaus nicht; aber was liegt daran? Gehe ich nur irgendwo hin. Man nennt mich einen Gelehrten; der bin ich nicht, Commandant, ich weiß nichts, und wenn ich einige Bücher schrieb, die Absatz finden, so that ich nicht wohl daran; das Publicum ist wohl so gütig, sie zu kaufen. Ich weiß nichts, sag' ich Ihnen; nur das weiß ich, daß ich nichts weiß. Nun bietet man mir an, meine Kenntnisse zu vervollständigen, oder, besser gesagt, mir erst Kenntnisse zu erwerben in Medicin, Chirurgie, Geschichte, Geographie, Botanik, Mineralogie, Conchyliologie, Geodäsie, Chemie, Physik, Mechanik, Hydrographie. Nun, ich nahm's an, und versichere Sie, daß ich mich nicht bitten lasse!
– So wissen Sie also nicht, fuhr Shandon verdrießlich fort, wohin der Forward gehen soll?
– O ja, Commandant; er fährt dahin, wo es etwas zu lernen, zu entdecken, sich zu belehren, zu vergleichen giebt, wo man andere Sitten, andere Länder, andere Völker trifft, um sie bei ihren Verrichtungen zu studieren; er fährt, mit einem Wort, dahin, wo ich noch niemals gewesen bin.
– Aber specieller? rief Shandon.
– Specieller, erwiderte der Doctor, ich hörte sagen, er fahre in die Nordmeere. Gut, ich bin es zufrieden nach Norden!
– Sie, kennen doch, fragte Shandon, den Kapitän des Schiffes?
– Im mindesten nicht! Aber, Sie dürfen mir's glauben, 's ist ein wackerer Mann!«
Als der Commandant und der Doctor zu Birkenhead ausgestiegen waren, machte jener diesen mit der Sachlage bekannt, und dieses Geheimniß entzündete die Phantasie des Doctors. Beim Anblick der Brigg war er über die Maßen erfreut. Seit diesem Tag wich er Shandon nicht von der Seite, und besuchte jeden Morgen den Rumpf des Forward.
Auch wurde er besonders beauftragt, die Einrichtung der Pharmacie an Bord zu überwachen.
Denn dieser Clawbonny war Arzt, und sogar ein guter Arzt, aber mit wenig Praxis. Im fünfundzwanzigsten Jahre ein Doctor wie alle andern, war er im vierzigsten ein echter Gelehrter; sehr gekannt in der ganzen Stadt, wurde er ein einflußreiches Mitglied der literarischen und philosophischen Gesellschaft zu Liverpool. Sein kleines Vermögen gestattete ihm, unentgeltlichen Rath zu ertheilen, der darum nicht minder Werth hatte; geliebt, wie es einem ausnehmend liebenswürdigen Mann gebührte, fügte er nie Jemand ein Leid zu, nicht einmal sich selber; lebhaft und redselig, wenn man will, aber das Herz in der Hand, reichte er diese Jedermann.
Als sich in der Stadt das Gerücht von seiner Aufnahme an Bord des Forward verbreitete, boten seine Freunde alles auf, ihn zurückzuhalten; aber das bestärkte ihn nur um so mehr in seinem Vorhaben. Wenn aber der Doctor irgendwo Wurzel gefaßt hatte, gehörte viel dazu, um ihn wieder von diesem Boden auszureißen!
Von diesem Tage an nahmen die Vermuthungen und Befürchtungen in steigendem Maße zu; aber das hinderte nicht, daß der Forward am 5. Februar 1860 vom Stapel lief. Zwei Monat später war er zum Auslaufen bereit.
Am 15. Februar, wie das Schreiben des Kapitäns angekündigt hatte, wurde auf der Eisenbahn von Edinburgh nach Liverpool ein Hund dänischer Race an Richard Shandon überschickt. Das Thier schien tückisch, scheu, selbst ein wenig schlimm, mit einem eigenthümlichen Blick. Auf seinem kupfernen Halsband war die Inschrift Forward. Der Commandant wies ihm sogleich an Bord seine Stätte an, und meldete den Empfang unter den angegebenen Buchstaben nach Livorno.
So war also bis auf den Kapitän, die Bemannung vollständig. Sie bestand aus:
1. K.Z., Kapitän;
2. Richard Shandon, Commandant;
James Wall, dritter Officier;
Doctor Clawbonny;
Johnson, Rüstmeister;
Simpson, Harpunier;
Bell, Zimmermann;
Prunton, erster Maschinist;
Plover, zweiter Maschinist;
Strong (Neger), Koch;
Joker, Eismeister;
Wolsten, Waffenschmied;
Bolton, Matrose;
Garry, Matrose;
Clifton, Matrose;
Gripper, Matrose;
Pen, Matrose;
Waren, Heizer.
Mit dem 5. April war der zur Abfahrt bestimmte Tag erschienen. Die Aufnahme des Doctors an Bord beruhigte ein wenig die Gemüther. Wohin der würdige Gelehrte zu gehen sich entschloß, konnte man getrost auch gehen. Doch waren die meisten Matrosen etwas unruhig, und Shandon, in Besorgniß, es möchten einige ausreißen, wünschte lebhaft auf hoher See zu sein. War einmal die Küste außer Sicht, so würde die Mannschaft sich darein ergeben.
Die Cabine des Doctor Clawbonny lag im Hintergrund des Hüttendecks und nahm die ganze Rückseite des Schiffes ein. Die Cabinen des Kapitäns und des Schiffslieutenants, welche mehr zurückstanden, hatten eine Aussicht auf's Verdeck. Die des Kapitäns blieb, nachdem sie mit verschiedenen Instrumenten, Möbeln, Reisekleidern, Büchern, Kleidern zum Wechseln und Geräthschaften nach detaillirter Angabe ausgestattet worden, hermetisch verschlossen. Nach Weisung des Unbekannten wurde der Schlüssel zu dieser Cabine ihm nach Lübeck adressirt zugeschickt; er hatte also allein Zutritt zu seinem Gemach.
Diese Bestimmungen waren Shandon nicht nach dem Sinn, und nahmen ihm viel Aussicht auf sein Obercommando. Seine eigene Cabine hatte er vollständig nach den Bedürfnissen der projectirten Reise eingerichtet, da ihm die Erfordernisse für eine Polar-Expedition gründlich bekannt waren.
Das Zimmer des dritten Officiers lag innerhalb des falschen Verdecks, welches ein geräumiges Schlafgemach für die Matrosen bildete; die Leute hatten es hier sehr gemächlich, und sie hätten schwerlich an Bord eines andern Schiffes eine so bequeme Einrichtung getroffen. Man bewies ihnen eine Sorgfalt, wie einer Ladung von Werth; ein geräumiger Ofen nahm die Mitte des gemeinsamen Saales ein.
Der Doctor Clawbonny fand alles nach Wunsch; er hatte seit dem 6. Februar, dem Tage nach dem Stapellassen des Forward, seine Cabine in Besitz genommen, und wie ein Kind Vergnügen daran gefunden, sein wissenschaftliches Gepäck in Ordnung zu bringen. Seine Bücher, Herbarien, Meßinstrumente, physikalischen Apparate, seine Sammlung von Thermometer, Barometer, Hygrometer, seine Brillen, Compasse, Sextanten, Karten, Pläne, die Fiolen, Pulver, Fläschchen seiner sehr vollständigen Reise-Apotheke, alles dies war dermaßen geordnet, daß es hätte das British Museum beschämen können. Dieser Raum von sechs Quadratfuß enthielt schätzbare Reichthümer.
Er war stolz auf diese Ausstattung und glücklich in seinem schwimmenden Heiligthume, das leider so enge war, daß es seine zum Besuch hinströmenden Freunde nicht aufnehmen konnte.
Zur vollständigen Beschreibung der Einrichtung des Forward habe ich noch beizufügen, daß die Lagerstätte des Hundes dicht unter dem Fenster der geheimnißvollen Cabine angebracht war; aber ihr wilder Bewohner zog vor, in den Gängen oder dem untersten Schiffsraum umherzustreifen, und bei Nacht hörte man ihn jämmerlich heulen, daß es in den leeren Räumen des Fahrzeugs in unheimlicher Weise widerhallte.
That er dies aus Sehnsucht nach seinem abwesenden Herrn? oder aus innerm Vorgefühl drohender Gefahren? Die Matrosen waren geneigt das letztere zu glauben.
Der Doctor Clawbonny, dessen Sanftmuth und Liebkosungen einen Tiger zähmen konnten, bemühte sich vergebens um die Gunst dieses Hundes; er verlor Zeit und Mühe.
Da dieses Thier übrigens auf keinen der Namen hörte, welche sich im Hundekalender verzeichnet finden, so kamen die Leute an Bord zuletzt darauf, ihn Kapitän zu benennen, denn er schien die Gebräuche an Bord völlig zu kennen. Offenbar hatte er schon Seereisen gemacht.
Unter den gegebenen Umständen war Richard Shandon nicht ohne Unruhe, und sprach diese am Abend vor der Abreise, dem 5. April, in einer Unterhaltung mit dem Doctor, Wall und Johnson aus.
Diese vier befanden sich im Versammlungszimmer des Hüttendecks beim zehnten Gläschen Grog, ihrem letzten ohne Zweifel, da nach den Vorschriften des Schreibens aus Aberdeen die ganze Mannschaft, vom Kapitän bis zum Heizer an Bord, weder Wein, noch Bier oder geistige Getränke bekommen sollten, außer im Krankheitsfall auf Anordnung des Arztes.
Seit einer Stunde sprach man von nichts als der bevorstehenden Abreise. Den Instructionen des Kapitäns nach mußte Shandon morgen ein Schreiben mit den letzten Anordnungen erhalten.
»Wenn dies Schreiben, sagte der Commandant, mir nicht den Namen des Kapitäns angiebt, muß es uns wenigstens den Bestimmungsort des Schiffes melden. Wohinaus soll man sonst steuern?
– Wahrhaftig, erwiderte der ungeduldige Doctor, an Ihrer Stelle würde ich selbst ohne den Brief abreisen; er würde uns wohl einzuholen verstehen, denk' ich.
– Sie haben keine Vermuthung darüber, Doctor! Aber in welcher Richtung würden Sie steuern, wenn es beliebt?
– Nach dem Nordpol zu, offenbar! Das versteht sich ja ohne allen Zweifel.
– Ohne allen Zweifel! entgegnete Wall; und warum nicht nach dem Südpol?
– Nach dem Südpol, schrie der Doctor, gewiß nicht!
– Sollte der Kapitän den Gedanken haben, mit einer Brigg durch den ganzen Atlantischen Ocean zu fahren! Denken Sie doch einmal daran, lieber Wall.
– Der Doctor hat auf alles eine Antwort, erwiderte letzterer.
– Gut, also nach Norden, fuhr Shandon fort. Aber, sagen Sie mir, Doctor, meinen Sie nach Spitzbergen? Grönland? Labrador? Oder die Hudsonsbai? Führen diese verschiedenen Wege auch alle zu demselben Ziel, der undurchdringlichen Eisdecke, so wäre ich doch sehr in Verlegenheit, mich für einen oder den andern derselben zu entscheiden. Können Sie mir darüber eine entschiedene Antwort geben, Doctor?
– Nein, erwiderte dieser in Verlegenheit; aber schließlich, was wollen Sie thun, wenn Sie kein Schreiben erhalten? – Nichts; abwarten.
– Abfahren nicht? rief Clawbouny, und schwang sein Glas in Verzweiflung.
– Allerdings nicht.
– Das ist das Gescheiteste, erwiderte Meister Johnson gelassen, während der Doctor, der an seinem Platz keine Ruhe hatte, um den Tisch herum spazierte. Ja, das Gescheiteste; doch kann ein zu langes Abwarten mißliche Folgen haben: erstlich, die Witterung ist gut, und wenn es nach Norden zu geht, müssen wir den Eisbruch benutzen, um durch die Davis-Straße zu fahren; überdies wird die Mannschaft immer unruhiger; unsere Leute werden durch ihre Freunde und Kameraden veranlaßt, den Forward zu verlassen, und ihr Einfluß könnte uns einen schlimmen Streich spielen.
– Man muß weiter annehmen, fuhr James Wall fort, daß, wenn eine Panik einträte, die Matrosen bis zum letzten Mann ausreißen würden; und ich weiß nicht, Commandant, ob es Ihnen gelingen würde, Ihre Mannschaft von neuem aufzubringen.
– Aber was anfangen? schrie Shandon.
– Was Sie gesagt haben, versetzte der Doctor: Abwarten, aber nur bis morgen, ehe man den Muth sinken läßt. Die Versprechungen des Kapitäns sind bisher mit einer Regelmäßigkeit erfüllt worden, die eine gute Bürgschaft ist; man hat also keinen Grund zu glauben, daß wir nicht zu richtiger Zeit über unsere Bestimmung werden in Kenntniß gesetzt werden; ich zweifle keinen Augenblick, daß wir morgen auf dem Irländischen Meere fahren; dazu, meine Freunde, schlage ich ein letztes Glas vor auf unsere glückliche Reise; sie beginnt zwar auf eine etwas unklare Weise, aber mit Seeleuten wie Sie giebt es tausend Wege zum guten Ende.«
Und alle vier stießen zum letzten Mal an.
»Jetzt, Commandant, fuhr Meister Johnson fort, darf ich Ihnen einen Rath geben, so besteht er darin: Sie treffen alle Vorbereitungen zur Abfahrt; die Mannschaft muß Sie ganz sicher wissen. Morgen, mag ein Brief kommen, oder nicht, machen Sie segelfertig, zu heizen ist noch nicht nöthig; es sieht aus, als wolle der Wind gut halten, und es ist leicht die hohe See zu gewinnen; der Lootse komme an Bord; zur Zeit der Fluth verlassen Sie die Docks und ankern draußen vor der Spitze von Birkenhead; dann haben unsere Leute mit dem Lande keine Verbindung mehr, und wenn der verteufelte Brief endlich kommt, wird er uns dort finden, wie anderwärts.
– Brav gesprochen, wackerer Johnson! sagte der Doctor, und reichte dem alten Seemann die Hand.
– So wollen wir es denn machen!« erwiderte Shandon.
Jeder begab sich dann in seine Cabine und erwartete in unruhigem Schlaf den Sonnenaufgang.
Am folgenden Morgen fand sich bei den ersten Briefabgaben in der Stadt nicht ein einziger an den Commandanten Richard Shandon.
Demungeachtet machte dieser seine Vorbereitungen zur Abfahrt; das Gerücht davon verbreitete sich sogleich in Liverpool, und es strömte eine außerordentliche Menge von Zuschauern auf die Quais von New-Prince's Docks.
Es kamen viele derselben an Bord der Brigg, dieser um von einem Kameraden Abschied zu nehmen, jener um einem Freund abzurathen, ein anderer um sich das seltsame Schiff zu besehen, wieder ein anderer, um den Zweck der Reise zu erfahren, und man murrte, als man den Commandanten schweigsamer und rückhaltender sah wie jemals.
Dafür hatte er wohl seine Gründe.
Es schlug zehn Uhr; elf sogar. Gegen ein Uhr Nachmittags sollte die Fluth fallen. Shandon warf vom Hüttendeck aus einen unruhigen Blick auf die Menge; die Matrosen vollzogen schweigend seine Befehle, stets die Augen auf ihn gerichtet, in Erwartung einer Mittheilung, welche ausblieb.
Meister Johnson machte segelfertig; es war bedeckter Himmel, und vor den Baffins draußen ging die See sehr hohl; es wehte ein ziemlich starker Südost, doch konnte man leicht aus der Mersey herauskommen.
Um zwölf Uhr noch nichts. Der Doctor Clawbonny ging unruhig auf und ab, lorgnettirte, gesticulirte. Er fühlte sich aufgeregt, was er auch thun mochte. Shandon biß sich die Lippen blutig.
Jetzt trat Johnson heran und sagte zu ihm:
»Commandant, wollen wir die Fluth benutzen, so dürfen wir keine Zeit verlieren; vor Ablauf einer guten Stunde kommen wir nicht aus den Docks heraus.«
Shandon blickte noch einmal umher und sah auf seine Uhr. Die Zeit der Briefausgabe zu Mittag war vorüber.
»Wohlan denn!« sagte er zu seinem Rüstmeister.
Dieser rief den Zuschauern zu, das Verdeck zu räumen.
Es entstand eine rege Bewegung, indem die Einen auf das Quai eilten, die Andern die Taue lösten.
In der Verwirrung, da die Matrosen ohne viel Rücksicht die Neugierigen wegtrieben, hörte man den Hund heulen.
Dies Thier sprang auf einmal vom Vordercastell mitten durch die dichte Menge. Man wich ihm aus; er sprang auf das Hüttendeck, und – tausend Zeugen sahen es – der Kapitän Hund hielt zwischen den Zähnen einen Brief.
»Ein Brief! rief Shandon, aber da ist er ja an Bord?
– Dagewesen ist er ohne Zweifel, aber nun ist er nicht mehr da, erwiderte Johnson, und zeigte auf das nun völlig geräumte Verdeck.
Kapitän! Kapitän! ici!« rief der Doctor, und versuchte den Brief zu nehmen, aber der Hund wich ihm aus mit lebhaften Sprüngen. Es schien, er wolle seine Botschaft nur Shandon selbst einhändigen.
»Kapitän, ici!« rief dieser.
Der Hund kam herbei; Shandon nahm ihm den Brief ab, und Kapitän bellte dreimal laut beim tiefen Schweigen der Menge.
Shandon zögerte den Brief zu öffnen.
»Ei so lesen Sie doch! Lesen Sie!« rief der Doctor. Shandon sah ihn an. Die Adresse, ohne Ort und Datum lautete:
»An den Commandanten Richard Shandon, an Bord der Brigg Forward.«
Shandon öffnete und las: »Sie fahren nach dem Cap Farewell zu. Am 20. April werden Sie dort eintreffen. Wenn der Kapitän sich da nicht an Bord einfindet, fahren Sie durch die Davis-Straße und das Baffins-Meer hinauf bis zur Melville-Bai.
Der Kapitän des Forward. K. Z.«
Shandon legte den lakonischen Brief sorgfältig zusammen, steckte ihn in seine Tasche, und gab Befehl zur Abfahrt. Seine im Pfeifen des Ostwindes hallende Stimme hatte etwas Feierliches.
Bald war der Forward aus den Baffins heraus, und fuhr, von einem Lootsen aus Liverpool geleitet, die Strömung des Mersey. Die Menge stürzte auf das äußere Quai längs den Docks Victoria, um das seltsame Schiff noch einmal zu sehen. Die Mastbäume waren rasch aufgerichtet, die Segel aufgehißt, und mit deren Beistand fuhr der Forward, nachdem er um die Spitze Birkenhead gebogen, äußerst schnell in's Irländische Meer.
Der Wind war ungleich, doch günstig, mit starken Aprilstößen. Der Forward durchschnitt rasch das Meer, und seine Schraube beseitigte jedes Hinderniß. Gegen drei Uhr kreuzte er mit dem Post-Dampfer zwischen Liverpool und der Insel Man. Der Kapitän rief ihn von seinem Bord aus an, das letzte Lebewohl, welches die Mannschaft des Forward zu hören bekam.
Um fünf Uhr gab der Pilot die Leitung des Schiffes an Richard Shandon zurück, und sein Kutter verschwand bald im Südwest.
Gegen Abend fuhr die Brigg um das Südende der Insel Man. Während der Nacht ging das Meer sehr hohl; der Forward hielt sich gut, ließ die Spitze von Ayr nordwestlich und steuerte dem Nord-Canal zu.
Johnson hatte Recht; auf dem Meer gewann bei den Matrosen die Liebe zur See die Oberhand. Beim Anblick der Trefflichkeit des Fahrzeugs vergaßen sie das Besorgliche ihrer Lage. Das Leben an Bord gestaltete sich regelmäßig.
Der Doctor schlürfte mit größtem Behagen die Seeluft; er ging kräftigen Schrittes allen Windstößen entgegen, für einen Gelehrten auf ziemlich seemännischem Fuß.
»Das Meer ist doch etwas Herrliches, sagte er zu Meister Johnson, als er nach dem Frühstück wieder auf das Verdeck sich begab. Ich mache mich etwas spät mit demselben vertraut, aber ich werde mich bald darein finden.
– Sie haben Recht, Herr Clawbonny; ich gäbe alle Continente der Welt für ein Stückchen Ocean. Man behauptet, die Seeleute würden bald ihr Geschäft müde; nun bin ich schon vierzig Jahre Seefahrer, und dies Leben gefällt mir noch so gut, wie am ersten Tag.
– Es ist doch eine wahre Lust, ein gutes Schiff unter den Füßen zu haben, und irre ich nicht, so hält sich der Forward trefflich.
– Sie urtheilen richtig, Doctor, erwiderte Shandon, der zu den beiden hinzutrat; 's ist ein trefflich Fahrzeug, und ich sage offen, noch nie ist ein für die Fahrt in's Eismeer bestimmtes Schiff besser versehen und bemannt gewesen. Das erinnert mich, wie vor dreißig Jahren der Kapitän James Roß, als er die nordwestliche Durchfahrt suchte ...
– Er fuhr auf der Victoria, sagte lebhaft der Doctor, einer Brigg von etwa gleichem Tonnengehalt, wie die unsrige, und ebenfalls mit einer Dampfmaschine.
– Wie? Das wissen Sie?
– Urtheilen Sie selbst, fuhr der Doctor fort; damals waren die Maschinen noch in ihrer Kindheit, und die der Victoria verursachte derselben mehr wie eine nachtheilige Verzögerung: nachdem der Kapitän Roß sie Stück für Stück vergeblich reparirt hatte, ließ er sie zuletzt auseinander nehmen, und gab sie bei seinem ersten Winteraufenthalt auf.
– Teufel! rief Shandon; Sie wissen es genau, sehe ich!
– Was meinen Sie? fuhr der Doctor fort; das hat man vom Lesen. Ich habe die Werke von Parry, Roß, Franklin, die Berichte von Mac Clure, Kennedy, Kane, Mac Clintock gelesen, und es ist dabei etwas an mir hängen geblieben. Ich sage weiter, daß dieser nämliche Mac Clintock an Bord des Fox, einer Schraubenbrigg, wie die unsrige, leichter und directer zum Ziel gelangte, als alle seine Vorgänger.
– Sie haben vollkommen Recht, erwiderte Shandon; dieser Mac Clintock ist ein kühner Seemann; ich hab' ihn bei der Arbeit gesehen; Sie können beifügen, daß wir uns gleich ihm schon im April in der Davis-Straße befinden werden, und wenn es uns gelingt, zwischen den Eisblöcken durchzudringen, so wird das unserer Reise einen bedeutenden Vorschub geben.
– Sofern nicht, entgegnete der Doctor, es uns geht, wie dem Fox im Jahre 1857, daß wir gleich im ersten Jahre zwischen den Eisblöcken des nördlichen Baffins-Meeres stecken bleiben und mitten in der Eisdecke überwintern müssen.
– Wir müssen hoffen, daß wir glücklicher sein werden, Herr Shandon, erwiderte Johnson; und wenn man mit einem Fahrzeug, wie der Forward nicht dringen kann, wohin man will, muß man es ganz aufgeben.
– Uebrigens, fuhr der Doctor fort, wenn der Kapitän an Bord ist, wird er besser als wir wissen, was zu thun ist, und um so mehr, als es uns vollständig unbekannt ist; denn aus seinem gar zu lakonischen Briefe können wir den Reisezweck nicht errathen.
– Es ist schon viel werth, erwiderte Shandon lebhaft, daß wir wissen, welchen Weg wir zu nehmen haben; und jetzt, seit einem Monat, denk' ich mir, wir können die übernatürliche Einwirkung dieses Unbekannten und seiner Instructionen schon entbehren. Uebrigens wissen Sie meine Meinung über ihn.
– Ho! Ho! rief der Doctor aus, ich glaubte wie Sie, dieser Mann werde das Commando des Schiffes Ihnen lassen, und niemals an Bord kommen, aber ...
– Aber? versetzte Shandon etwas ärgerlich.
– Aber seit Ankunft des zweiten Briefes hab' ich in dieser Hinsicht meine Ideen ändern müssen.
– Und weshalb, Doctor?
– Weil dieser Brief Ihnen zwar die Richtung angiebt, welche genommen werden soll, allein über die Bestimmung des Forward keine Auskunft giebt; man muß aber doch wissen, wohin man fährt. Wie kann, frage ich, ein dritter Brief an Sie gelangen, weil wir uns auf hoher See befinden! Auf Grönland muß der Postdienst etwas zu wünschen übrig lassen. Sehen Sie, Shandon, ich denke mir, dieser Schalk wartet auf uns an einem dänischen Platze, zu Holsteinborg oder Uppernawick; dort wird er zu seiner Ladung noch Robbenfelle, Schlitten und Hunde kaufen, kurz alle Geräthschaften, welche für eine Reise in das nördliche Eismeer nöthig sind. Es wird mich daher wenig überraschen, wenn wir ihn eines schönen Morgens aus seiner Cabine herauskommen und das Commando auf eine durchaus nicht übernatürliche Weise führen sehen.
– Möglich, erwiderte Shandon trocken; aber inzwischen weht frischer Wind, und es ist nicht klug, zu solcher Zeit seine Masten einer Gefahr auszusetzen.«
Shandon verließ den Doctor und gab Befehl, die hohen Segel aufzugeien.
»Es hält, sagte der Doctor zum Rüstmeister.
– Ja, erwiderte letzterer, und das ist zu bedauern, denn Sie könnten wohl Recht haben, Herr Clawbonny.«
Am Samstag gegen Abend fuhr der Forward am Vorgebirge Galloway vorüber, dessen Leuchtthurm nordöstlich bemerklich ward; während der Nacht ließ man das Vorgebirge Cantyre im Norden und Cap Fair im Osten der Küste Irlands. Gegen drei Uhr früh lief die Brigg neben der Insel Rathlin vorbei aus dem Nord-Canal in den Ocean.
Es war Sonntag, der 8. April; die Engländer, besonders die Matrosen, feiern diesen Tag streng; daher widmete man einen Theil des Vormittags dem Vorlesen der Bibel, welches der Doctor gern vornahm.
Der Wind wurde darauf zum Orkan, welcher die Brigg an die irländische Küste zurückzuwerfen drohte; die Wellen wurden stark, und das Schwanken des Schiffes arg. Der Doctor spürte nichts von der Seekrankheit, weil er nicht wollte. Um Mittag verschwand im Süden Cap Malinhead, das letzte Stück von Europa, welches die kühnen Seeleute erblicken sollten.
Man befand sich damals unter 55° 57' Breite, und 7° 40' Länge.
Gegen neun Uhr Abends legte sich der Sturm, und der Forward blieb als guter Segler in nordwestlicher Richtung: er war nach dem Urtheil der Kenner zu Liverpool vorzugsweise Segelschiff.
Während der folgenden Tage kam der Forward rasch nordwärts voran; der Wind schlug um in Süd, und das Meer ging gewaltig hohl; die Brigg fuhr damals mit vollen Segeln. Einige Sturmvögel flatterten über dem Hinterverdeck; der Doctor war so glücklich einen der letzteren zu schießen, und derselbe fiel an Bord. Er verstand es auch denselben schmackhaft zuzubereiten, indem er zuerst alles unter der Haut liegende Fett ablöste, so daß der ranzige Geschmack, welcher den Seevögeln mitunter eigen ist, völlig beseitigt wurde.
Während des letzten Sturmes hatte Richard Shandon Gelegenheit, sich von den Vorzügen seiner Leute besonders zu überzeugen.
James Wall, der Richard höchst ergeben war, faßte gut auf, verstand gut auszuführen, aber es mochte ihm am selbständigen Auftreten fehlen; in einer Stellung dritten Ranges war sein Platz.
Johnson, ein erfahrener Seemann, ergraut in Fahrten nach dem Eismeer, war an Kaltblütigkeit und Kühnheit unübertrefflich.
Der Harpunier Simpson und der Zimmermann Bell waren zuverlässige Leute, an strenge Disciplin und Pflichterfüllung gewöhnt. Der Eismeister Foker, im Seedienst erfahren, in Johnson's Schule gebildet, versprach die trefflichsten Dienste zu leisten.
Von den übrigen Matrosen schienen Garry und Bolton die besten zu sein: Bolton, ein lustiger Geselle, munter und redselig; Garry, ein Junggeselle von fünfunddreißig Jahren, energischen Gesichtszügen, doch etwas blaß und traurig.
Die drei Matrosen Clifton, Gripper und Pen schienen weniger eifrig und weniger entschlossen; sie murrten gern. Gripper wäre bei der Abfahrt selbst den Dienst wieder aufzugeben geneigt gewesen, hätte ihn nicht einiges Schamgefühl gehalten. Ging es gut, waren nicht allzuviel Gefahren zu bestehen oder Manoeuvres auszuführen, so konnte man auf diese drei Männer bauen; aber man mußte sie tüchtig nähren. Trotz der Vorschrift fiel ihnen die Enthaltsamkeit schwer, und bei der Mahlzeit vermißten sie den Branntwein oder Gin; sie entschädigten sich jedoch am Kaffee oder Thee, welche reichlich an Bord gespendet wurden.
Die beiden Maschinisten, Brunton und Plover, und der Heizer waren zufrieden, daß sie bis jetzt die Arme kreuzten. Shandon wußte also, wie er mit jedem daran war.
Am 14. April durchschnitt der Forward den großen Golfstrom, welcher, nachdem er entlang der Ostküste Amerikas bis zur Bank New-Foundlands nordwärts geflossen, sich nordöstlich dem Gestade Norwegens zuwendet. Man befand sich damals unter 51° 37' Breite und 22° 58' Länge, zweihundert Meilen von der Spitze Grönlands ab. Das Wetter wurde kälter; das Thermometer fiel auf 0° des hunderttheiligen, d. h. den Gefrierpunkt.
Der Doctor hatte noch nicht seine Polarwinterkleidung angezogen, sondern sein Seemannscostüm, gleich den Matrosen und Offizieren. Es war eine Lust, ihn zu sehen, wie er ganz in den hohen Stiefeln steckte, mit seinem großen Hut von Wachsleinwand, Hosen und Jacke von gleichem Stoff; durch die starken Regen und großen Wellen, welche die Brigg überschütteten, bekam der Doctor das Aussehen eines Seethieres, worauf er sich etwas einbildete.
Zwei Tage lang war das Meer äußerst unruhig; der Wind schlug um nordwestlich, und hemmte die Fahrt des Forward. Vom 14. bis 16. April ging die See sehr hoch; aber am Montag erfolgte ein heftiger Platzregen, der das Meer fast augenblicklich beruhigte. Shandon machte den Doctor auf diese eigenthümliche Erscheinung aufmerksam.
»Ei, erwiderte letzterer, dies bestätigt die merkwürdigen Beobachtungen des Wallfischfahrers Scoresby, welcher Mitglied der königlichen Gesellschaft zu Edinburgh ist. Sie sehen, daß während des Regens die Wellen wenig merkbar sind, selbst bei heftigem Wind; dagegen bei trockenem Wetter würde die See auch bei minder starkem Wind mehr aufgeregt sein.
– Aber, wie erklärt man diese Erscheinung, Doctor?
– Sehr einfach, man erklärt sie nicht.«
In diesem Augenblick machte der Eismeister auf eine rechts vom Bord, etwa fünfzehn Meilen unter'm Wind, schwimmende Masse aufmerksam.
»Ein Eisberg in diesen Strichen!« sagte der Doctor.
Shandon richtete sein Fernrohr nach der bezeichneten Stelle, und bestätigte die Angabe des Piloten.
»Das ist merkwürdig! sagte der Doctor.
– Darüber staunen Sie? sagte der Commandant lachend. Sollten wir so glücklich sein, auf etwas zu stoßen, das Sie in Erstaunen versetzt?
– Es ist mir auffallend, ohne daß es mich in Staunen versetzte, erwiderte lächelnd der Doctor; denn die Brigg Ann de Poole aus Greenspond blieb im Jahre 1813 unter'm vierundvierzigsten Grade nördlicher Breite in wahren Eisfeldern stecken, und ihr Kapitän Dayement zählte die Blöcke nach Hunderten!
– Gut! sagte Shandon, Sie können uns noch dazu belehren!
– O! Das will noch wenig heißen, erwiderte bescheiden der liebenswürdige Clawbonny, ist man ja unter noch weit niedern Breitegraden auf Eisberge gestoßen.
– Damit sagen Sie mir nichts neues, lieber Doctor. Als ich Schiffsjunge an Bord der Kriegscorvette Fly war ...
– Im Jahre 1818, fuhr der Doctor fort, zu Ende März, oder auch April sind Sie unter'm zweiundvierzigsten Breitegrad zwischen zwei große schwimmende Eisinseln gerathen.
– Ah! Das ist zu arg! rief Shandon aus.
– Aber 's ist wahr; ich brauche also nicht in Staunen zu gerathen, wenn uns zwei Grad weiter nördlich ein schwimmender Eisberg aufstößt.
– Sie sind wie ein Brunnen, Doctor, erwiderte der Commandant, aus dem man nur zu schöpfen braucht.
– Gut! Ich werde rascher seicht werden, als sie sich denken, und jetzt, können wir die Erscheinung näher ansehen, Shandon, so würde mir es eine große Freude sein.
– Sogleich. Johnson, sagte Shandon zu seinem Rüstmeister, der Wind wird, scheint es, stärker.
– Ja, Commandant, erwiderte Johnson; wir gewinnen jedoch wenig, und die Strömung der Davis-Straße wird sich bald fühlbar machen.
– Sie haben Recht, Johnson, und wenn wir am 20. April das Cap Farewell in Sicht haben wollen, müssen wir mit Dampf fahren, oder wir werden an die Küste von Labrador getrieben. Herr Wall, wollen Sie also Befehl zum Heizen ertheilen.«
Dieser Befehl wurde ausgeführt; nach einer Stunde hatte der Dampf schon hinreichende Treibkraft; die Segel wurden beschlagen, und die Schraube trieb den Forward kräftig dem Nordwest entgegen.
Bald ließen sich zahlreichere Schaaren von Vögeln, Sturmvögel und andere Bewohner dieser öden Gegenden sehen, woraus man die Nähe Grönlands erkannte. Der Forward fuhr rasch nordwärts.
Am Dienstag, den 17. April, gegen elf Uhr Vormittags, meldete der Eismeister das erste Erscheinen des Eis-Blink, welches sich mindestens zwanzig Meilen in Nord-Nord-West zeigte. Es war ein blendend weißer Streifen, welcher trotz dichten Gewölkes den ganzen benachbarten Theil der Atmosphäre lebhaft erhellte. Die Leute von Erfahrung an Bord konnten über die Erscheinung keinen Zweifel haben, und sie erkannten an dem weißen Schein, daß dieser Blink von einem ausgedehnten Eisfeld dreißig Meilen über dem Gesichtskreis hinauskommen mußte, und durch Brechung der Lichtstrahlen entstand.
Gegen Abend schlug der Wind südlich um, und ward günstig; Shandon konnte tüchtig Segel aufspannen und ließ aus Sparsamkeit die Heizung aufhören. Der Forward fuhr mit vollen Segeln dem Cap Farewell zu.
Am 18. um drei Uhr ließ sich an einem weißen, nicht eben dichten, aber glänzenden Streifen, der lebhaft zwischen den Linien des Meeres und Himmels abstach, ein Eisstrom erkennen. Er trieb offenbar vielmehr von der Ostküste Grönlands her, als von der Davis-Straße, denn die Eisblöcke ziehen sich vorzugsweise an den Westrand des Baffins-Meeres. Eine Stunde nachher fuhr der Forward mitten durch abgesonderte Blöcke des Eisstroms, und da wo sie am meisten zusammenhingen, folgten sie der Wellenbewegung.
Am folgenden Morgen, bei Tagesanbruch, meldete die Wache ein Schiff: es war eine dänische Corvette, Walküre, welche in entgegengesetzter Richtung des Forward der Bank von New-Foundland zufuhr. Die Strömung von der Straße her machte sich schon fühlbar, und Shandon mußte die Segel verstärken, um dagegen zu steuern.
Damals befanden sich der Commandant, der Doctor, James Wall und Johnson beisammen auf dem Hinterdeck, um die Richtung und Kraft dieser Strömung zu untersuchen. Der Doctor fragte, ob wirklich diese Strömung gleichmäßig im Baffins-Meer existire.
»Allerdings, erwiderte Shandon, und die Segelschiffe können nur mit Mühe dem Polarstrom entgegen steuern.
– Um so mehr, fügte James Wall bei, als man ihn ebensowohl auf der Ostküste Amerika's als auf der Westküste Grönlands findet.
– Nun, sagte der Doctor, das giebt den Aufsuchern der nordwestlichen Durchfahrt einen besondern Grund! Dieser Strom fließt mit einer Schnelligkeit von etwa fünf Meilen die Stunde, und es ist schwerlich vorauszusetzen, daß er im Innern des Golfs entsteht.
– Dies ist um so richtiger, Doctor, fuhr Shandon fort, als man gleich dieser Strömung von Norden nach Süden eine entgegengesetzte von Süden nach Norden in der Behrings-Straße findet, welche den Ursprung dieser bildet.
– Demnach, meine Herren, sagte der Doctor, muß man zugeben, daß Amerika völlig von den Polarlanden losgetrennt ist, und daß die Gewässer des Stillen Meeres um diese Küsten herum bis in's Atlantische fließen. Uebrigens ergiebt sich auch aus dem höhern Niveau der Gewässer des erstern noch ein Grund für deren Abfluß in die Meere Europas.
– Aber, fuhr Shandon fort, es muß doch Gründe für diese Theorie geben, und wenn das der Fall ist, muß unser Universal-Gelehrter sie kennen.
– Wahrhaftig, versetzte letzterer mit liebenswürdiger Befriedigung, wenn dies Sie interessiren kann, so will ich Ihnen sagen, daß Wallfische, die in der Davis-Straße verwundet wurden, einige Zeit nachher in der Nähe der Tartarei noch mit der europäischen Harpune im Leibe gefangen wurden.
– Wofern sie also nicht um's Cap Horn, oder das der guten Hoffnung gefahren sind, erwiderte Shandon, so müssen sie nothwendig ihren Weg um die Nordküste Amerika's herum genommen haben. Das ist unbestreitbar, Doctor.
– Wenn Sie jedoch nicht überzeugt wären, mein wackerer Shandon, sagte der Doctor lachend, so könnte ich noch andere Thatsachen vorbringen, z. B. das in der Davis-Straße flößende Holz, Lärchen, Zitterespen und andere Producte der tropischen Zone. Nun wissen wir, daß des Golfstromes wegen dieses Holz nicht in die Enge hineintreiben kann; wenn sie also aus demselben heraustreiben, so konnten sie nur durch die Behrings-Straße in denselben hineinkommen.
– Ich bin überzeugt, Doctor, und gestehe, daß man bei Ihren Beweisen schwerlich ungläubig bleiben kann.
– Meiner Treu! sagte Johnson, da kommt just etwas, was die Sache klar machen kann. Ich sehe da draußen ein hübsch großes Stück Holz. Mit Erlaubniß des Commandanten wollen wir den Baumstamm auffischen, an Bord ziehen und um sein Heimatland befragen.
– Ganz recht, sagte der Doctor, das Beispiel nach der Regel.«
Shandon gab den Befehl dazu; die Brigg fuhr auf das wahrgenommene Holz und bald darauf zog es die Mannschaft, mit einiger Mühe, an Bord.
Es war ein Acajoustamm, der vom Gewürm bis in den Kern zerfressen war, sonst hätte er nicht obenauf schwimmen können.
»Das ist ja überführend, rief der Doctor freudig, denn, da die Strömungen des Atlantischen Oceans denselben nicht haben in die Davis-Straße treiben können, weil er nicht durch nordamerikanische Flüsse in das Polar-Becken getrieben werden konnte, da der Baum in der Gegend des Aequators wächst, so ist es klar, daß er direct aus der Behrings-Straße kommt. Und sehen Sie, meine Herren, dies Meergewürm, von dem es durchfressen wurde; es gehört zu den Gattungen der heißen Zone.
Offenbar, versetzte Wall, haben die Widersacher der Durchfahrt Unrecht.