Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Es war der 31. Dezember. Langsam ging ich durch die Cuxhavener Altstadt, meinen Gedanken und Erinnerungen nachhängend. Der Himmel erstrahlte wie im Frühling in einem warmen Blau und die vielen Wolken leuchteten golden-orange. Menschen eilten vorüber, Silvesterraketen in ihren prall gefüllten Plastiktaschen voller Gemüse, Knabbereien und Alkohol für einen langen Abend mit Freunden, um das alte Jahr fröhlich und gesellig zu verabschieden. Für mich bedeutete dieser Jahresabschluss Abschied von Robert, von unseren Träumen, Wertevorstellungen, Idealen, von unseren gemeinsamen Zukunftsplänen ...
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 56
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
für meine Freundin Christa
Es war der 31. Dezember. Langsam ging ich durch die Cuxhavener Altstadt, meinen Gedanken und Erinnerungen nachhängend.
Der Himmel erstrahlte wie im Frühling in einem warmen Blau und die vielen Wolken leuchteten golden-orange. Menschen eilten vorüber, Sylvesterraketen in ihren prall gefüllten Plastiktaschen voller Gemüse, Knabbereien und Alkohol für einen langen Abend mit Freunden, um das alte Jahr fröhlich und gesellig zu verabschieden.
Für mich bedeutete dieser Jahresabschluss Abschied von Robert, von unseren Träumen, Wertevorstellungen, Idealen, von unseren gemeinsamen Zukunftsplänen.
Ein langer Weg lag noch vor mir. Ich wollte zu meiner Kirche im Strichweg, die sicherlich auch am heutigen Nachmittag ihre Tore für mich geöffnet haben würde. Kalter Wind berührte schneidend meine Wangen. Die Hände hatte ich tief im langen Wintermantel vergraben. Meine Handschuhe lagen leider vergessen daheim auf der Heizung.
Die Geschäfte in der Nordersteinstraße waren schon geschlossen. Ich würde mir später irgendwo einen wärmenden Kaffee gönnen und anschließend mit dem Taxi den Heimweg antreten.
Vor zwei Jahren hatte ich einen Schlussstrich unter meine langjährige Ehe gesetzt, die seit weit über zehn Jahren nur noch auf dem Papier bestand. Was hatte ich nicht alles unternommen, um meine Beziehung zu retten. Drei Jahre lang war ich alleine zur Eheberatung gegangen. Mein Mann war nicht bereit, an den häufigen Sitzungen teilzunehmen. Meine beiden Söhne wurden ab und zu in diese Gespräche mit einbezogen. Wir drei hielten zusammen, wie Pech und Schwefel. Alles war und blieb jedoch ein aussichtsloses Unterfangen und letztendlich machte mir gerade mein Jüngster Mut, mein Leben neu zu beginnen.
So ließ ich alles zurück, das schöne Haus mit dem großzügig angelegten Garten, die Freunde, meine Kunden, meine Schüler, einfach alles. Drei Wochen vor meinem Umzug nach Cuxhaven hatte ich die letzte große Gemäldeausstellung im Rathaus meiner Heimatstadt. Ich nannte diese Ausstellung „Rosenzeit“ und widmete sie meinem Förderer und Galeristen, der noch kurz vor seinem Tod in seinem Garten viele Rosenstöcke gepflanzt hatte.
Für mich war es bislang die größte und denkwürdigste Ausstellung. Der Ratssaal war mit über 300 Gästen absolut überbelegt. Meine Schülerinnen und Schüler standen von der Treppe an bis zur Ratssaaltür Spalier und übergaben mir Rosen in allen erdenklichen Farben, so dass mein Herz immer schwerer wurde im Hinblick auf den bevorstehenden Abschied.
Ein Künstlerkollege aus Cuxhaven hielt für mich seine erste Laudatio, eine junge Musikstudentin untermalte die Feier mit klassischen Melodien, der Bürgermeister hielt die Eröffnungsrede und dann durfte auch ich noch an das Podium, um mich und meine Arbeiten vorzustellen. Es war eine gelungene Feier. Die zahlreichen Besucher waren begeistert von der Vielfalt der Motive und Techniken meiner Malerei. Ich hatte meinen ersten großen Verkaufserfolg und konnte mir von dem Erlös die nötigen Möbel für mein neues Zuhause kaufen. Ich schwebte wie auf Wolken.
Erst einen Monat zuvor hatte ich meine zukünftige Wohnung im Dachgeschoss einer Pizzeria gefunden. Sie lag in der Innenstadt und war lediglich 2 ½ Zimmer groß mit wunderschönen Sprossenfenstern, kleiner Küche und nachträglich eingebautem Miniaturbad. Genauer gesagt musste man beinahe über die Toilette steigen, um in die Dusche zu kommen, aber das störte mich nicht.
Mein ältester Sohn Sven wollte bei seinem Vater bleiben. Er hatte gerade eine Lehre begonnen. Mein jüngerer Sohn Alexander, der von uns liebevoll Sascha genannt wurde, musste erst noch das Schuljahr in unserer Heimatstadt beenden, bevor er zu mir kommen konnte. Das aber würde mir genügend Zeit geben, die kleine Wohnung gemütlich herzurichten.
Ich hatte nicht damit gerechnet, wie schwer mir dann letztendlich der Abschied von der Heimat fallen würde. Meine Schülerinnen und Schüler, die mir fast wie Freunde waren, musste ich zurück lassen. Ich hatte kein Auto und von dem wenigen Geld, das ich mit meinem Künstlerdasein verdiente, konnte ich mir auch keines leisten.
Mein Mann war schwer verletzt, als ich ihn verließ. Er zahlte für mich keinen Unterhalt, übernahm aber großzügig die Raten für das gemeinsame Haus. Er hatte mich davon in Kenntnis gesetzt, lediglich für Sascha Unterhalt zu zahlen. Diese Summe reichte gerade für die Miete, Warmwasser und Strom. Ich aber war zu stolz, Geld vom Staat zu beanspruchen.
Mein Mann erlaubte mir allerdings, in meinem nun leerstehenden Atelier weiterhin Kurse zu erteilen. Ich konnte von diesem Angebot nur selten Gebrauch machen, da die Anfahrt sehr beschwerlich war. Die Bahnverbindung war nur zum Teil gesichert und ich musste, um mein Ziel zu erreichen, mit dem Bus über zahlreiche Dörfer tuckern.
Dennoch, das erwirtschaftete Geld gab mir die Möglichkeit, bei äußerster Sparsamkeit über die Runden zu kommen.
Auf meine künstlerische Tätigkeit wollte und konnte ich einfach nicht verzichten und so war ich sehr erfreut, dass meine Bewerbung um eine Gemäldeausstellung in einer Bankfiliale angenommen wurde. Ich rechnete aufgrund der Qualität meiner Bilder mit einem weiteren Erfolg und damit, dass ich schnell wieder eine solide Basis zum Leben erhalten würde.
Leider kam alles ganz anders. Als die Sommerferien endlich ins Land kamen, war die Wohnung gemütlich eingerichtet. Sascha sollte es an nichts fehlen. Ich hatte von meinem wenigen Geld im Versandhandel ein günstiges Jugendzimmer erstanden. Natürlich bekam Sascha ein eigenes Zimmer, das größte dazu. Auch einen Fernsehanschluss ließ ich in sein Zimmer legen, so dass er nichts entbehren musste.
Ich gab mich derweil mit einem „Zimmer für alles“ zufrieden. Lange Regale an der einen Zimmerwand ersetzten den Schrank, der nötig gewesen wäre.
Eine kleine Vitrine fasste mein weniges Geschirr und ein paar Gläser. Allerdings sah meine Spieluhrensammlung sehr schön hinter der beleuchteten Glasfront aus. Ein kleiner Ecktisch, unter der Dachschräge aufgestellt, gab Platz für eine blau-weiße Stehlampe, Ein ausziehbarer Kieferntisch mit sechs dazu passenden Stühlen würde Esszimmertisch wie auch Arbeitstisch sein.
Gleichzeitig würden eventuelle Reiki-Patienten diesen Tisch als Behandlungsliege vorfinden. Mit einer weichen Isomatte und einer Wolldecke würde die harte Tischplatte sicherlich bequemer zum Liegen werden, so dachte ich jedenfalls.
Das absolute Highlight war aber die wunderschöne Schlafcouch, in meinen Lieblingsfarben Türkis und Rot gehalten, mit grafischem Muster und gelben Streifen. Und dann kaufte ich mir ein Luxusobjekt, eine im Preis reduzierte Stereoanlage. Ich war überglücklich.
Das übrig gebliebene halbe Zimmer nutzte ich als Ankleideraum, denn nur dort hinein passten ein kleiner Kleiderschrank und eine Kommode für meine restliche Wäsche. Außerdem nutzte ich das Zimmer zum Bügeln. Auf der Kommode gestaltete ich mir einen kleinen Altar mit Kruzifix, Kerzen, Gesangbuch und meiner Hausbibel. So konnte ich ab und zu eine kleine Andacht halten. Auch mein altes Akkordeon fand in diesem Zimmer einen neuen Platz.
Die Küche war bis auf Spüle und Herd leider nicht möbliert und fasste wegen der Dachschrägen lediglich eine Kühl- und Gefrierkombination, einen Schrank mit Regalen, sowie einen Kunststoff-Rollwagen mit zwei Böden, der Kochlöffel, Kochtöpfe und noch ein wenig Geschirr aufnehmen konnte.
Leider hatte ich keinen Platz mehr für einen Tisch, so dass die Fensterbank als Abstellfläche dienen musste. Handwerker, die mich besuchten, meinten stirnrunzelnd: „Was, doch so viel….“ Aber für mich reichten
Platz und Möbel.