Akzeptiere, was du nicht ändern kannst. Mit buddhistischer Weisheit und westlicher Psychologie zu mehr Gelassenheit - David Richo, Ph.D. - E-Book

Akzeptiere, was du nicht ändern kannst. Mit buddhistischer Weisheit und westlicher Psychologie zu mehr Gelassenheit E-Book

David Richo, Ph.D.

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Beschreibung

Warum empfinden so viele Menschen ihr Leben als unglücklich und unerfüllt? Dieser Frage geht der erfahrene Psychotherapeut David Richo nach. Mit einer Mischung aus westlicher Psychologie und östlicher Spiritualität erklärt er die Wurzeln des Unglücklichseins und zeigt uns anhand zahlreicher praktischer Übungen einen Weg, trotz aller Widrigkeiten Freiheit und Erfüllung zu finden. Der Schlüssel liegt für Richo in der Akzeptanz dessen, was wir nicht ändern können: Denn Ungerechtigkeit, Schmerz und Trauer gehören zum Leben dazu; und nur wer nicht dagegen ankämpft, kann wahrhaft glücklich werden.

  • Das Leben ist nicht fair. Ist so. Dieses Buch hilft, der Verbitterung zu entgehen und Glück zu finden
  • Gelassenheit durch Akzeptanz: Umarme, was ist, und werde (trotzdem) glücklich!
  • Der renommierte Psychotherapeut David Richo bietet eine gelungene Kombi aus buddhistischer Lehre und moderner Psychologie
  • Fünf Kernerkenntnisse und zahlreiche alltagstaugliche Übungen, die helfen, Enttäuschungen zu verkraften

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Seitenzahl: 301

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David Richo

Akzeptiere,was du nicht ändern kannst

Mit buddhistischer Weisheit undwestlicher Psychologie zu mehrGelassenheit

Aus dem amerikanischen Englischvon Maike und Stephan Schuhmacher

Anaconda

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und

enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte

Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung

durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung

oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in

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Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlichgeschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- undData-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jeglicheunbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Titel der amerikanischen Originalausgabe: The Five Things WeCannot Change … and the Happiness We Find by Embracing Them.Erschienen bei Shambhala Publications, Boston, © 2005 by David Richo.Published by arrangement with Shambhala Publications, Inc.,Boulder, USA. Das Buch erschien auf Deutsch zuerst 2007 unter demTitel Fünf Dinge, die wir nicht ändern können, und das Glück, dasdaraus entsteht bei Windpferd in Oberstdorf.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2024 by Anaconda Verlag, einem Unternehmender Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagmotiv: Detail aus »Save Nature. Earth Day greeting card«,

nadezhda_grapes / Freepik.com

Umschlaggestaltung: eisele grafik·design, München

Satz und Layout: InterMedia – Lemke e. K., Heiligenhaus

ISBN 978-3-641-32445-2V001

www.anacondaverlag.de

Inhalt

Einführung

Das bedingungslose Ja

Warum ich?

Gegebenheiten als Geschenke

Gegebenheiten als Gnade

Erster Teil:Die Gegebenheiten des Lebens

1Alles verändert sich und endet irgendwann

Wie wir vermeiden und annehmen

Angezogen oder abgestoßen

Älter werden: Das Bild im Spiegel ändert sich

Warum wir unbedingt die Kontrolle haben möchten

Nichts Getrenntes

Eine zweihändige Praxis

Tod und Erneuerung

2Nicht immer geht alles nach Plan

Die Konzeption der Natur

Unsere Berufung

Das größere Leben

Alles findet in der Liebe sein Gleichgewicht

3Das Leben ist manchmal nicht gerecht

Rache oder Versöhnung?

Warum wird einem Unschuldigen Leid zugefügt?

Die Kunst, das Ego zu zähmen

Verpflichtungen jenseits des Egos

Eine achtsame Antwort auf Ungerechtigkeit

4Leiden gehört zum Leben

Sind wir Opfer?

Ein Ja dem Leiden, das die Natur mit sich bringt

Mit dem Schmerz anderer sein

Wenn Aufmunterung nicht funktioniert

Die trächtige Leere

5Die Menschen sind nicht immer liebevoll und loyal

Der lebenslange Einfluss der Kindheit

Wie man auf sich acht gibt,wenn man sich anderen gegenüber öffnet

Gegebenheiten erwachsener Beziehungen

Grenzen in unseren Beziehungen – eine Checkliste

6Zuflucht vor den Gegebenheiten

Religion als Zuflucht

Dreifache Zuflucht

Ablenkung oder Ressource?

Magisches Denken

Zuflucht als Hintertür

Sicherheit in der Zufluchtlosigkeit

Die Weisheit in uns

Zweiter Teil:Ein bedingungsloses Jazu unserer bedingten Existenz

7Wie man zum Ja wird

Liebende Güte

Die Übung von Tonglen

Nichts »da draußen«

Die Natur praktiziert Ja

8Ja zu Gefühlen

Wie wir uns mit Gefühlen sicher fühlen können

Liebe befreit

Wie uns Angst zurückhält

Die Lebensspanne eines Gefühls

Wie empfangen wir die Gefühle anderer?

Die Diagnose unserer Gefühle

Was Gefühle nicht sind

Gefühle sind dreidimensional

9Ein Ja zu dem, der ich bin

Psychologische Arbeit

Die spirituelle Praxis

Mystisches Bewusstsein

Ich oder Nicht-Ich?

Ein beständiges Gefühl meiner selbst

Epilog

Die Gegebenheiten als Akte der Gnade begreifen

Für meine wunderbar liebenswertenNeffen und Nichten Christian, Damien und Theaund in zärtlicher liebevoller Erinnerungan meine Schwestern Gail und Linda.

Einführung

Es gibt einige Dinge im Leben, über die wir keine Kontrolle haben – wahrscheinlich sind es sogar die meisten Dinge. Wir finden im Laufe unseres Lebens heraus, dass die Wirklichkeit sich weigert, sich unseren Befehlen zu beugen. Eine andere Kraft, die – manchmal durchaus mit einem gewissen Sinn für Humor – andere Pläne hat als wir, kommt ins Spiel. Wir sehen uns gezwungen loszulassen, wo wir so gern festhalten würden, und gezwungen festzuhalten, wo wir so gern loslassen möchten. Unser Leben, das Leben eines jeden von uns, enthält unerwartete Wendungen, manch unerwünschtes Ende sowie alle möglichen unerklärlichen Herausforderungen.

Reinhold Niebuhr, ein amerikanischer protestantischer Theologe, dichtete ein Gebet, das zum Eckpfeiler der modernen Selbsthilfe-Programme geworden ist: »Gott gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.« Das ist ein tiefgründender Wunsch. Doch was sind die Dinge, die wir nicht ändern können? Sind sie für jeden von uns einzigartig, oder gibt es da einige Dinge, die wir alle anerkennen und akzeptieren müssen, um in unserem Leben Frieden finden zu können?

Als Psychotherapeut, der mit Klienten arbeitet, wie auch in meinem eigenen Leben habe ich immer wieder dieselben Fragen und inneren Kämpfe auftauchen sehen. Es gibt fünf unvermeidliche Gegebenheiten, fünf unveränderliche Tatsachen, mit denen ein jeder von uns oft genug zu tun hat:

1. Alles verändert sich und endet irgendwann.

2. Nicht immer geht alles nach Plan.

3. Das Leben ist manchmal nicht gerecht.

4. Leiden gehört zum Leben.

5. Die Menschen sind nicht immer liebevoll und loyal.

Dies sind die Kernherausforderungen, mit denen wir alle uns konfrontiert sehen. Doch allzu oft versuchen wir diese Fakten in unserem Leben zu leugnen. Wir verhalten uns, als wären diese Tatsachen nicht immer gültig oder nicht auf jeden von uns anwendbar. Wenn wir uns jedoch der Anerkennung dieser fünf grundlegenden Wahrheiten verweigern, stellen wir uns gegen die Wirklichkeit, und das Leben gerät zu einer endlosen Reihe an Enttäuschungen, Frustrationen und Leid.

In diesem Buch vertrete ich die Ihnen vielleicht etwas radikal vorkommende Ansicht, dass die fünf Gegebenheiten gar nicht so übel sind, wie sie erscheinen mögen. Das, was uns eigentlich Probleme bereitet, ist, dass wir diese Gegebenheiten fürchten und dagegen ankämpfen. Haben wir erst einmal gelernt, diese grundlegenden alltäglichen Tatsachen anzunehmen und zu schätzen, dann werden wir begreifen, dass sie genau das sind, was wir brauchen, um Mut, Mit­gefühl und Weisheit zu erlangen – kurz gesagt, um wirklich glücklich zu werden.

Eine Gegebenheit ist eine Tatsache des Lebens, über die wir keine Macht haben. Sie ist etwas, das wir nicht ändern können, das in der Natur der Dinge liegt. So gesehen, gibt es im Grunde sehr viele Gegebenheiten. Außer den fünf unangenehmen oben angeführten gibt es auch schöne Gegebenheiten: Wir erfahren Wonne, unsere Hoffnungen werden manchmal übertroffen, wir entdecken einzigartige innere Gaben, die Dinge rücken sich irgendwie zurecht, das Glück ist uns hold und Wunder an Heilung geschehen.

Außerdem gibt es Gegebenheiten, die nur für uns als Individuen gelten: unser Körper, unsere Gestalt und Persönlichkeit, unsere einzigartigen psychischen und geistigen Gaben oder Grenzen, unser Temperament, unsere genetische Zusammensetzung, unser Intelligenzquotient, unser konventioneller oder unkonventioneller Lebenswandel, ob wir introvertiert oder extrovertiert sind und so weiter.

Tatsächlich haben wir es ständig mit Gegebenheiten zu tun, was wir auch tun und wohin wir auch gehen. Wenn wir einen Arbeitsplatz haben, besteht die Gegebenheit darin, dass wir befördert oder gefeuert werden können – oder alle möglichen Optionen dazwischen. Eine Gegebenheit in einer Beziehung kann sein, dass sie ein Leben lang hält oder mit dem nächsten Telefonanruf endet.

Ich habe festgestellt, dass alles, was unserem sogenannten Ego den Kampf ansagt, eine machtvolle Quelle der Transformation und inneren Evolution ist. Die fünf einfachen Tatsachen des Lebens bieten dem mächtigen Ego, das die totale Kontrolle für sich beansprucht, Paroli und versetzen es in Angst und Schrecken. Das Leben geschieht uns auf seine ihm eigene Weise, so sehr wir auch protestieren und versuchen mögen, ihm aus dem Weg zu gehen. Niemandem sind die unerbittlichen Gegebenheiten des Lebens jemals erspart geblieben. Wenn wir nicht bereit sind, sie zu ertragen, dann fügen wir unserem Leben unnötigen Stress hinzu, weil wir auf verlorenem Posten kämpfen.

In diesem Buch werde ich erklären, warum wir angesichts der Gegebenheiten unseres Lebens nicht zu verzweifeln brauchen. Wir können lernen, das Leben zu seinen Bedingungen anzunehmen. Wir können diese Bedingungen sogar befriedigend finden. Wir brauchen dem Himmel nicht zu zürnen. Wir müssen nicht verlangen, dass mit uns eine Ausnahme gemacht wird, oder müssen Zuflucht bei einem Glaubenssystem suchen, das die Wucht der Gegebenheiten dämpft, indem es uns ein Paradies ohne solche »Unannehmlichkeiten« verspricht. Wir können uns ein gesundes und authentisches Leben gestalten, indem wir Ja zum Leben sagen, so wie es ist. Und in der Tat ist unser Weg eben das, »was ist«.

Die Geschichte von Buddhas Erleuchtung illustriert, dass die Gegebenheiten eines Lebens die Grundlage von Wachstum und Transformation sind. Der Buddha wurde als der indische Prinz Siddhârtha Gautama geboren. Sein Vater, der König, versuchte, ihm die Begegnung mit allem Schmerz und jeglichen Unannehmlichkeiten zu ersparen. Er versuchte eine perfekte Umgebung für Siddhârtha zu schaffen, indem er ihm alle erdenklichen Befriedigungen verschaffte und ihn von allem Unangenehmen abschirmte. Doch eines Tages wollte der junge Prinz wissen, was hinter den Palastmauern läge. Als er sich hinauswagte, begegnete er schon bald zum ersten Mal Krankheit, Alter und Tod – den natürlichen Umständen eines jeden Lebens. Dieser Anblick berührte ihn tief und brachte ihn dazu, sich auf eine spirituelle Reise zu machen, die ihn letztlich zur Erleuchtung führte. Seine legendäre Transformation begann, als er sich den Gesetzen des Lebens mit Neugier und Mut stellte.

Seit jeher haben die fünf Gegebenheiten die Menschen vor Rätsel gestellt und ihnen Kummer bereitet. Die Religionen bieten Antworten auf Mysterien wie diese. Ich werde in diesem Buch immer wieder Lehren des Buddhismus und anderer Weltreligionen heranziehen. Die spirituellen Traditionen bieten uns wertvolle Hilfsmittel, Modelle und Inspirationen, mit deren Hilfe wir uns den Gegebenheiten des Lebens mit Offenheit und Gelassenheit zu stellen vermögen. Ich werde mich besonders auf die buddhistische Tradition stützen, da diese besonderen Wert darauf legt, dass wir unsere Illusionen durchschauen und uns dem Leben stellen, damit wir das, was in uns angelegt ist, verwirklichen können.

Das bedingungslose Ja

Jede der Gegebenheiten oder Bedingungen unserer Existenz wirft die Frage nach unserem Schicksal auf. Sind wir hier, um unseren Willen zu bekommen oder um mit dem Fluss des Lebens zu fließen? Sind wir hier, um sicherzustellen, dass alles nach unseren Plänen verläuft, oder um auf die Überraschungen und Synchronizitäten, die uns neue Perspektiven eröffnen, zu vertrauen? Sind wir hier, um sicherzustellen, dass uns niemand übers Ohr haut, oder sind wir hier, um aufrichtig und liebevoll zu sein? Sind wir hier, um Schmerz zu vermeiden, oder um mit ihm umzugehen, an ihm zu wachsen und durch ihn zu lernen, mitfühlend zu sein? Sind wir hier, um von allen loyale Liebe zu empfangen oder um selbst aus vollem Herzen zu lieben?

Die alten Römer sprachen von Amor fati, der Tugend, sein Schicksal zu lieben. Einigen von uns fällt es schwer, mit den Ängsten, die durch unsere Lebensumstände hervorgerufen werden, umzugehen. Wir kämpfen gegen diese Umstände an. C. G. Jung hat die Methode, mit diesen Gegebenheiten umzugehen und sie zur Erfüllung unseres Schicksals zu nutzen, besonders deutlich formuliert. Seiner Ansicht nach sollten wir die Gegebenheiten mit einem bedingungslosen Ja zu dem, was ist, annehmen, ohne subjektive Proteste. Das wäre dann nicht nur eine Akzeptanz der Bedingungen der Existenz, sondern auch eine Akzeptanz unserer eigenen Natur, so wie sie ist. Ein solches Ja ist die Bereitschaft, ohne ein Kissen als Polster auf dem Boden der konkreten Wirklichkeit zu landen. Ein solches Ja macht uns flexibel, stimmt uns auf eine sich ständig verändernde Welt ein und öffnet uns für alles, was das Leben uns bringen mag. Ein solches Ja ist keine stoische Ergebenheit in den Status quo, sondern eine mutige Hingabe – eine Anpassung an die Wirklichkeit.

Trauen wir der Wirklichkeit erst einmal mehr als unseren Hoffnungen, dann wird unser Ja zu einem »Sesam öffne dich« für spirituelle Überraschungen. In diesem Buch werde ich aufzeigen, wie wir die spirituellen Reichtümer entdecken können, die in unseren schwierigsten Herausforderungen verborgen liegen.

Das »Ja« ist der tapfere Verbündete der Gelassenheit; das »Nein« ist der verängstigte Komplize der Angst. Wir finden Hilfe, indem wir Ja sagen und den Gegebenheiten mit Achtsamkeit begegnen – das heißt, durch Furchtlosigkeit und mit geduldiger Aufmerksamkeit für den gegenwärtigen ­Augenblick. Unterstützt werden wir dabei von der Natur, der Psychologie, den religiösen Traditionen und der spirituellen Praxis. Dies sind die Ressourcen und Werkzeuge, die auf den folgenden Seiten präsentiert werden.

Hamlet spricht von den »tausend Stößen, die unsers Fleisches Erbteil sind«, eine poetische Definition der Gegebenheiten des Lebens. Wenn uns etwas mit jenem schmerzhaften dumpfen Aufprall der unveränderbaren Lebensumstände zustößt, können wir uns fragen: »Was kann ich hierbei lernen? Wozu ist dies gut?« Wir können lernen, darauf zu vertrauen, dass den Gegebenheiten des Lebens ein transformatives oder evolutionäres Potenzial innewohnt.

Manchmal mag es uns so vorkommen, als wären die Gegebenheiten des Lebens grausame Streiche, die uns ein rachsüchtiges Universum spielt. Sie können uns wie eine Bestrafung für einen Eigensinn erscheinen, den wir geerbt, aber nicht verursacht haben. Sie mögen sogar wie boshafte Tricks aussehen, die uns das Leben vergällen sollen. Aus antiquierter theologischer Sicht werden sie als Strafe angesehen, die ein rachsüchtiger Gott uns aus dem Garten Eden Vertriebenen für unsere »Erbsünde« auferlegt hat. Das bedingungslose Ja mit seinem impliziten Vertrauen auf die Nützlichkeit der Gegebenheiten für unser Wachstum schneidet durch diese, auf Angst gegründete, Anschauung des Lebens hindurch. Zur Wirklichkeit, zu den Dingen, die wir nicht ändern können, Ja zu sagen – das ist, als entschlösse sich ein Reiter, sich im Sattel umzudrehen und endlich in die Richtung zu sehen, in die das Pferd läuft. Auf diese Weise im Sattel zu sitzen ist Achtsamkeit, eine Würdigung des Hier und Jetzt ohne Ablenkung durch Furcht und Begehren. Achtsamkeit ist ein bedingungsloses Ja zu dem, was ist und wie es ist. Wir begegnen unseren Problemen im Hier und Jetzt, ohne zu protestieren oder jemandem die Schuld zu geben. Ein solches Ja ist bedingungslos, weil es frei ist von Konditionierung durch das neurotische Ego, frei von Furcht, Begehren, Kontrolle, Urteilen, Klagen, Erwartung. Wenn wir achtsam sind, begegnen wir jedem Augenblick mit Offenheit, Neugier und Freundlichkeit. Achtsamkeit ist sowohl ein Seinszustand als auch eine tägliche spirituelle Praxis, eine Form der Meditation.

Warum ich?

Sehen wir uns mit einer der Gegebenheiten des Lebens konfrontiert, so fragen wir vielleicht: »Warum passiert solch eine schreckliche Sache ausgerechnet einem guten Menschen wie mir? Ich hätte doch wirklich Besseres verdient.« Die achtsame Version der Frage lautet: »So ist es also gekommen. Und was nun?« Wir werden bemerken, dass wir glücklicher sind, wenn wir das, was wir am Leben nicht mögen, als eine Gegebenheit des Lebens akzeptieren. Unser acht­sames Ja ist ein Eintritt in dieses schützende Paradox.

Wenn wir den Dingen, die wir nicht ändern können, uneingeschränkt zustimmen, sagen wir Ja zu uns selbst, so wie wir sind in unserer sich unaufhörlich entfaltenden Autobiografie. Die Bedingungen der Existenz sind unsere persönlichen Erfahrungen und keine fremden Kräfte oder Hürden, die man vermeiden muss. Sie sind auch die universellen Erfahrungen aller Menschen. Alle Menschen, die je gelebt haben, sind diesen fünf Hauptgegebenheiten begegnet. Das macht sie zu einem Teil des Menschseins, und daher sind sie ein notwendiger Teil.Wenn wir schließlich die Gegebenheiten als Erweiterungen unseres menschlichen Daseins annehmen, sagen wir nicht aus Resignation oder zur Beschwichtigung Ja zu ihnen. Wir sagen Ja zu den Bestand­teilen unseres eigenen Menschseins.

Alle Gegebenheiten des Lebens basieren auf einer grundlegenden Tatsache: Jedem von uns kann alles nur Mög­liche widerfahren. Das ist die Gegebenheit der Gegebenheiten. Den meisten von uns fällt es schwer, wirklich daran zu glauben, dass dies auch auf uns selbst zutrifft. Wir meinen, richtig großes Glück oder sehr großes Pech stieße nur anderen Menschen zu, nicht aber uns selbst. Voll und ganz daran zu glauben, dass uns jederzeit alles passieren kann, ist eine ausgesprochen erwachsene Errungenschaft, und sie gewährt uns zwei wundervolle Geschenke. Erstens lassen wir ab von der Ansicht, unser Ego sei privilegiert, es habe Anrecht auf Sonderbehandlung. Wir lassen von dem kindischen Glauben ab, ein Retter – sei er nun überwelt­licher oder welt­licher Natur – würde kommen und für uns eine Ausnahme machen, sodass uns die harten Schläge des Lebens erspart bleiben. Zu glauben, dass uns alles passieren kann, hilft uns außerdem, demütig zu sein und Kameradschaft gegenüber unseren Mitmenschen zu empfinden. »Nichts Mensch­liches ist mir fremd«, schrieb der römische Dichter Terenz im zweiten Jahrhundert vor Christi. Es hat etwas Tröstliches, zu einer großen Familie zu gehören, mit allen anderen im selben Boot zu sitzen, ganz gleich wie hart das Leben werden mag.

Die Gegebenheiten des Lebens sind ein Schlüssel zu unserer persönlichen Evolution. Nach der traditionellen buddhistischen Sicht ist die Geburt als Mensch ein großer Segen. Im menschlichen Bereich, heißt es, gäbe es für uns genau die richtige Mischung von Leid und Freude, die es uns erlaubt zu erwachen, zur Erleuchtung zu gelangen. Mit anderen Worten, die Gegebenheiten des Lebens liefern uns genau jene Mischung von Erfahrungen, die wir brauchen, um aufzuwachen.

Allen Dingen wohnt der natürliche, nicht zu unterdrückende Drang inne, sich zu entwickeln, das heißt, innerhalb der sich wandelnden Bedingungen ihrer Umgebung ihr volles Potenzial zu erreichen. Darum ist auch die Hoffnung, die uns so oft tröstet, kein närrisches Hirngespinst. Hoffnung ist eine authentische Reaktion auf die dem Leben innewohnende Tendenz zur Erfüllung. Ein bedingungsloses – das heißt, achtsames – Ja gegenüber den Gegebenheiten, ohne Diskussion oder Klagen, ist alles, was dazu nötig ist.

Gegebenheiten als Geschenke

Das Wort Gegebenheit hat zwei Bedeutungen. Es ist ein Umstand, an dem wir nichts ändern können, aber es ist auch etwas, das uns gegeben wurde. Sobald wir Ja sagen, offenbaren sich die Gegebenheiten plötzlich als Geschenke, als geschickte Mittel der Evolution. Die Gegebenheiten sind unerbittlich, aber auch reich an Weisheit. Nur unter solch anspruchsvollen und fordernden Bedingungen konnten wir uns entwickeln. Die Gegebenheiten des Lebens sind Geschenke, weil sie die Zutaten von Charakter, Tiefe und Mitgefühl sind.

Wie finden wir den Aspekt des Geschenks in den vielen Herausforderungen des Lebens? Zuerst und vor allem müssen wir davon ablassen, sie kontrollieren oder abwenden zu wollen. Dann verwandeln sich die mysteriösen Gegebenheiten in Türen zur Freiheit. Aber wir Menschen haben schon seit langer Zeit mit Abwehr und Widerstand auf die Herausforderungen des Lebens reagiert. Tatsächlich ist unser Widerstand gegen Unannehmlichkeiten Teil unseres menschlichen Erbes. Es entbehrt nicht der Ironie, dass wir so verzweifelt versuchen, das abzuwehren, was zu unserem Menschsein gehört und was die Bedingungen darstellt, die letztlich unser Wachstum bewirken.

Der Satz »Die Dinge hinnehmen, die wir nicht ändern können« mag sich so anhören, als müssten wir die Dinge nur deshalb akzeptieren, weil wir sie nicht ändern können. Haben wir erst einmal wirklich verstanden, dass das, was sich unserer Kontrolle entzieht, vielleicht genau das ist, was wir brauchen, erkennen wir, dass das Annehmen der Wirklichkeit unsere eigene Art und Weise sein kann, aktiv an unserer eigenen Evolution teilzunehmen. Gelassenheit ergibt sich nicht nur daraus, dass wir annehmen, was wir nicht ändern können, sondern auch daraus, dass wir es aufgeben, immer die Kontrolle haben zu wollen. Das, was uns geschieht, hat einen Sinn, und dieser Sinn ist vielschichtig, daher werden in diesem Buch immer wieder darauf zurückkommen.

Das bedingungslose Ja macht uns bereit, Freude ebenso wie Schmerz zu erfahren. Die Welt zu ihren Bedingungen anzunehmen, heißt, ein heldenhaftes Leben zu führen. In den klassischen Heldensagen gibt es immer eine Zeit des Kampfes, in der der Held sich den Bedingungen der Existenz stellen muss. Ein Held ist jemand, der Schmerz durchlebt hat, von ihm transformiert wurde und ihn benutzt, um anderen zu helfen. So wie Shakespeare in King Lear sagte:

Ein sehr armer Mann, zu den Streichen des Glücks zahm gemacht,

den die Kenntnis und das Gefühl aller Arten von Elend gegen andre mitleidig macht.

Die Gegebenheiten des Lebens statten Lear mit Mitgefühl gegenüber anderen aus. Unsere spirituelle Arbeit ist nicht bloß persönlich. Wir Individuen werden von dem glühenden Drang beseelt, die evolutionären Möglichkeiten des kollektiven menschlichen Geistes zu aktivieren. Letzten Endes widmen wir uns der spirituellen Praxis, damit wir die ganze Menschheit zusammen mit uns zur Erleuchtung bringen können. Es ist tatsächlich eine in das Gutsein eingebaute Eigenschaft, von sich selbst zu geben: Wie Aristoteles sagt: »Güte kann nicht anders als sich zu verschenken.«

Für Wesen, die so komplex und kreativ sind wie wir, wäre es nicht befriedigend, in einer Welt ohne herzzerreißende Gegebenheiten zu leben. Shakespeare, Mozart oder Einstein hätte es in einer Welt, in der die Dinge sich nicht verändern und nicht enden, in der alles vollkommen vorhersehbar ist, in der es im Leben kein Leiden gibt und jeder uns wirklich liebt, nicht gegeben. Eine solche Welt wäre oberflächlich und letztlich »ekel, schal und flach und unersprießlich«, wie Hamlet von seiner begrenzten Welt sagt.

Für kreative Menschen haben die Bedingungen der Existenz einen Sinn, der weit über die Bedeutung hinausgeht, die unsere Gesellschaft ihnen beimisst. Sie modellieren die Gegebenheiten des Lebens als Kunstwerk um. Das liegt daran, dass die Gegebenheiten Quellen der Kreativität und neuer Möglichkeiten sind. Unsere eigenen Unvollkommenheiten und die der Welt werden zum Rohmaterial für ein Meisterwerk. Der Künstler nimmt es und verdaut es, verarbeitet es zu etwas Nützlichem und Aufbauendem für andere, so wie ein Vogel, der seine Jungen mit Futter füttert, das er vorverdaut hat.

Gegebenheiten als Gnade

Um wirklich Glück im Leben zu finden, müssen wir uns emotional und spirituell entwickeln. Spirituelles Bewusstsein überwindet den Dualismus, unsere allzu simplen Vorstellungen von Gut und Böse. Ein bedingungsloses Ja ist ein Ja zu den Paradoxa des Lebens. Ein Paradox verbindet offensichtliche Widersprüche miteinander. So sagen wir zum Beispiel bedingungslos Ja zu einer von Veränderungen und Endlichkeit konditionierten Existenz. Wir können Verpflichtungen eingehen, auch wenn wir wissen, dass manche Pläne fehlschlagen. Wir können unser Mitgefühl aufrechterhalten, ganz gleich, wie ungerecht die Welt uns behandeln mag. Wir können uns liebevoll anderen gegenüber verhalten, ohne Rücksicht darauf, wie grausam sie sich uns gegenüber verhalten. Nichts, was uns geschieht, muss uns von dem Pferd namens Ja abwerfen. Wir können die dunkle Seite von Menschen erkennen und diese Menschen dennoch nicht verloren geben; das ist eine weitere Eigenschaft der spirituellen Reife.

Hier einige andere Beispiele für die Paradoxa, die wir fröhlich annehmen können, wenn wir erkennen, wie wertvoll die Gegebenheiten sind:

Obgleich alles sich ändert und irgendwann endet, erneuern die Dinge sich und gehen durch Zyklen, die die Evolution fördern.

Obgleich die Dinge nicht immer nach Plan gehen, spüren wir manchmal, dass ein größerer Plan, der erstaunliche Möglichkeiten eröffnet, durch Synchronizität am Werk ist.

Obgleich das Leben nicht immer gerecht ist, bleibt etwas in uns der Gerechtigkeit verpflichtet und weigert sich, ungerecht oder rachsüchtig zu sein.

Obgleich Leiden zum Leben gehört, kennen wir Wege, damit umzugehen, und dadurch vergrößern wir unser Vermögen, mit zukünftigem Schmerz umzugehen und anderen in ihrem Schmerz zu helfen.

Obgleich die Menschen nicht immer liebevoll und loyal sind, braucht uns nichts daran zu hindern, mit Liebender Güte zu agieren und andere nicht verloren zu geben. Keine menschliche Tat kann einen anderen Menschen der Fähigkeit zu lieben berauben.

Die Gegebenheiten sind auf eine Weise formuliert, die negativ erscheinen mag, aber jede hat ihre positive Seite. Die oben aufgeführten Paradoxa zeigen die positive Dimension in jeder der Bedingungen der Existenz auf. Jedes Mal, wenn wir auf eine Gegebenheit mit einem Ja reagieren, entwickeln wir uns emotional und spirituell weiter: Wir gewinnen an Geduld, Ausdauer, Vergebung, Großzügigkeit, Weisheit, Wertschätzung, Beharrlichkeit und bedingungsloser Liebe.

Doch letztlich bedeutet die Tatsache, dass es vieles im Leben gibt, was wir nicht kontrollieren können, dass wir vielleicht einen besondern Auftrieb brauchen, etwas, das uns unser Ego nicht liefern, das unser begrenzter Verstand nicht erfassen, das unser zerbrechlicher Wille nicht herbeiführen kann. Dies ist die unterstützende Kraft der Gnade, dem spirituellen Komplementär zum Bemühen. Etwas kommt ins Spiel, das größer ist als wir, und macht unseren Weg leichter begehbar.

Die Upanischaden, heilige Texte des Hinduismus, sagen über die Gnade: »Das Selbst [die Wahrheit] kann nicht durch die Vedas [die Schriften] noch durch Verstehen, noch durch Gelehrtheit gewonnen werden. Derjenige, den das Selbst erwählt, der gewinnt das Selbst.« Gnade ist das Geschenk des Höheren Selbst an das Ego. Eine Quelle jenseits des Egos gewährt uns das Geschenk, unsere gewöhnlichen Begrenzungen zu transzendieren. Gnade bedeutet, dass wir nicht allein sind; wir haben immer Begleitung:

Wenn wir überzeugt sind, wir halten keine Minute länger durch, und es dennoch tun, ist das die Gnade eines Schöpfers, der in uns lebt.

Wenn wir überzeugt sind, wir können das Licht nicht finden, und es dennoch tun, ist das die Gnade des Lichtes der Welt in uns.

Wenn wir überzeugt sind, wir können keinen einzigen Atemzug mehr machen und es dennoch tun, ist das die Gnade des Geistes, der durch uns atmet.

Unser Herz wurde aus Licht gemeißelt. Das bedingungslose Ja hilft unserem Herzen, sein Licht nach außen scheinen zu lassen. Gnade, das sind jene besonderen Geschenke, die die Begrenzungen unseres Verstandes, Willens und Herzens durchbrechen. Gnade erweitert unseren Intellekt, indem sie uns mit intuitiver Weisheit ausstattet. Wir werden plötzlich von etwas inspiriert, das wir nicht mittels Logik entdeckt haben. Gnade erweitert unseren Willen, indem sie uns Stärke oder Mut schenkt, die wir zuvor nicht besaßen. Gnade erweitert unser Herz, indem sie es ermöglicht, eher zu lieben als zu hassen, eher sich zu versöhnen als Vergeltung zu üben, eher Demut als Hybris zu zeigen. Wir könnten all das nicht aus uns heraus tun; unser selbstbezogenes Ego fände keinerlei Motivation für solche Tugenden. Gnade ist der innere Verbündete und Führer, die motivierende Kraft unserer spirituellen Praxis.

Wenn die Gegebenheiten zu einer Gnade werden, steht ein bedingungsloses Danke an der Seite unseres bedingungslosen Ja. Wenn wir das Schlechte mit dem Guten akzeptieren, das Schwierige mit dem Leichten, dann entsteht automatisch Dankbarkeit. Hamlet sagt zu Horatio:

Hat sie dich auserkoren …

Ein Mann, der Stöß und Gaben vom Geschick

Mit gleichem Dank genommen;

Jede Gegebenheit des Lebens zieht viele Gnaden nach sich. Die Tatsache, dass die Dinge sich ändern und irgendwann enden, bedeutet, dass wir in der Vergänglichkeit die Gnade, mit dem Leben zu fließen, finden mögen. Gesundheit, sowohl im psychologischen als auch im spirituellen Sinne, bedeutet, mit dem Strom der Ereignisse zu fließen, statt von ihnen aufgehalten oder niedergemacht zu werden. Die Tatsache, dass die Dinge nicht immer nach Plan gehen, bedeutet, dass viele Kräfte, die das Ego übersteigen, in unserem Leben am Werke sind – Mächte, die uns auf einen Pfad zu unserer Bestimmung führen, den wir sonst vielleicht vernachlässigt hätten. Haben wir erst einmal verstanden, dass wir von Kräften jenseits des Egos unterstützt werden, erkennen wir, dass es nicht unbedingt in unserem Interesse sein muss, die Kontrolle zu haben: Wir könnten mächtige Pläne umstürzen, die in unserem Interesse am Werk sind.

Die Tatsache, dass das Leben manchmal nicht gerecht ist, obwohl wir instinktiv wissen, was gerecht wäre, bedeutet, dass wir alle aufgerufen sind, die Bedingungen für Gerechtigkeit in der Welt zu schaffen. Wenn wir zu einem solchen Aufruf Ja sagen, finden wir unseren Mut. Dann entdecken wir Möglichkeiten, uns selbst ins Gleichgewicht zu bringen und der Welt beizustehen, ins Gleichgewicht zu kommen.

Die Tatsache, dass Leiden zum Leben gehört, bringt die Gnade von Ausdauer, Geduld und Mitgefühl hervor. Wir werden vom Schmerz der anderen berührt und neigen weniger dazu, zur Quelle des Leidens anderer zu werden.

Die Tatsache, dass die Menschen nicht immer liebevoll und loyal sind, schlägt uns jene Wunden, die uns zu Menschen mit Tiefgang und Charakter macht. Vielleicht sind solche Wunden eine Gnade, da die so entstehenden Breschen Öffnungen zur Ganzheit sein können. Und allem voran werden wir hierdurch herausgefordert, bedingungslose Liebe an den Tag zu legen.

Gnade hat nichts Einschläferndes, sie tritt mit Pauken und Trompeten auf. Jede Gnade ist ein Weckruf, unsere Bemühungen zu verstärken. Ich hoffe, in diesem Buch zeigen zu können, dass uns in Form von Gegebenheiten Gnade zuteilwird. Außerdem werden wir, wenn wir den Mut haben, den unausweichlichen Wahrheiten des Lebens zu begegnen, die Gnade finden zu lieben, ganz gleich, was uns passieren mag. Liebe ist in dem Sinne immer bedingungslos, dass sie nicht durch irgendwelche Bedingungen der Existenz behindert oder unterdrückt wird. Und auch Veränderungen, Zuendegehen, Planänderungen, Ungerechtigkeit, Schmerz, Unloyalität oder Mangel an Liebe können uns nicht daran hindern, zu lieben. Unser Ja zu solch einer atemberaubenden Gnade ist das, was unser Ego schon immer sagen wollte, das es das Ende von Angst und den Beginn von Freiheit bedeutet.

Erster Teil:

Die Gegebenheiten des Lebens

Der Unverblümtheit der Wirklichkeit zu begegnen ist die höchste Form von geistiger Gesundheit und erleuchteter Schau. … Hingabe durchläuft verschiedene Ebenen der Demaskierung, bis wir den Punkt erreichen, an dem wir die Welt direkt und einfach sehen, ohne ihr unsere Konstrukte aufzuzwingen. … Wir mögen uns vielleicht verloren oder ausgeliefert oder verletzlich fühlen. Aber das ist einfach nur ein Zeichen, dass das Ego die Gewalt über sein Territorium verliert; es ist keine Bedrohung.

Chögyam Trungpa Rinpoche

1

Alles verändert sich und endet irgendwann

Die erste Gegebenheit ist, dass Veränderung und Zuendegehen für jeden Menschen, für jede Beziehung, für jede Begeisterung oder Sache unausweichlich sind. Nichts ist vollkommen, dauerhaft befriedigend oder bleibt auf Dauer, wie es ist. Zu gegebener Zeit zerfällt alles. Jeder Anfang führt zu einem Ende. Allen Erfahrungen, Menschen, Orten und Dingen ist eine Lebensdauer gegeben. Unsere Beziehungen durchlaufen Phasen von der Romanze über den Kampf bis hin zur Bindung. Dann enden sie mit Tod oder Trennung. Unser Interesse an einem Hobby oder einer Karriere verläuft über eine glockenförmige Kurve von steigendem Inte­resse, Gipfelhöhe und Absteigen. Unser Körper ­altert. Unsere Besitztümer nutzen sich ab. Unser Gedächtnis schwindet. Auch die Welt der Natur verändert sich. Tierarten verschwinden. Erdbeben richten erneut die Kontinentalplatten aus. Die Jahreszeiten wechseln. Selbst die Rose wird nach ihrem atemberaubend schönen Debüt verwelken.

Doch haben wir erst einmal Zutrauen zum Evolutionsprozess gewonnen, dann begreifen wir, dass die Weise, wie die Dinge sind, genau das sein muss, was am besten ist. Die Veränderungen sind sorgfältig zeitlich koordinierte Ausrichtungen, die bewirken, dass das Universum bestehen bleibt und sich entwickelt. Das ist letztlich ein Mysterium, da nur schwer zu begreifen ist, warum es so sein muss. ­Alles, was wir beobachten können, ist, dass das Leben der Vielfalt und dem neuen Wachstum verpflichtet ist, und das geschieht um den Preis des Zuendegehens. Vielleicht enden Dinge, damit wir den hohen spirituellen Gipfel erreichen können, der mit dem Loslassen einhergeht. Auch dies ist ein Mysterium, und angesichts dieses Mysteriums ist die einzige vernünftige Haltung, unser »Warum?« in ein »Ja« zu verwandeln.

Wir können die Gegebenheiten des Lebens willkommen heißen. Das bedingungslose Ja ist Gastfreundschaft gegenüber dem Leben, in welchem Gewand es uns auch erscheinen mag. Im Buch Genesis gewähren Sarah und Abraham drei Fremden Gastfreundschaft, ohne zu ahnen, dass sie Engel sind. In der griechischen Mythologie zeigten sich Philemon und Baucis zwei Vorbeiziehenden, nämlich dem verkleideten Zeus und Hermes, gegenüber gastfreundlich. Insofern kann Gastfreundschaft das Göttliche im Unbekannten offenbaren. Ein Willkommen heißendes Ja sensibilisiert uns für die spirituelle Welt und offenbart sie uns. Zur Wirklichkeit Ja zu sagen bedeutet, die Ewigkeit aufzunehmen. Zum Endlichen und Begrenzten Ja zu sagen bedeutet, das Unendliche und Grenzenlose zu Gast zu haben.

Der Umstand, dass die Wirklichkeit vergänglich ist, muss nicht bedeuten, dass sie trivial, nutzlos oder oberflächlich ist. Er kann vielmehr ein Hinweis auf die Heiligkeit der Dinge sein. Heiligkeit ist Ganzheit. Das Heilige erkennen heißt, sich der heiligen Möglichkeiten in den endlichen Ereignissen bewusst zu sein. Heiligkeit ist die gesamte Beschaffenheit von Dingen, Ereignissen und menschlichen Beziehungen, vom Anfang bis zum Ende.

Muss die Vergänglichkeit es unmöglich machen, glücklich zu werden? In Prediger 1.2 wird gewarnt: »Es ist alles ganz eitel, es ist alles ganz eitel.« Das hebräische Wort, das mit Eitelkeit übersetzt wird, bedeutet wörtlich »dünne Luft«. Dennoch wird uns in demselben Buch geraten, mit unserem Partner das Leben zu genießen, mit Freuden zu essen und zu trinken und all unsere Arbeit mit Begeisterung zu tun (Prediger 9.7-10). Die Antwort darauf, dass der Weg allen Fleisches so unersprießlich ist, liegt darin, die fleischlichen Dinge trotzdem zu genießen. Ein Weg in das Mysterium von Wandel und Vergänglichkeit könnte der des Paradox sein: Genüsslich Ja zu dem sagen, was unbefriedigend ist.

Wie wir vermeiden und annehmen

Wie Meister Eckhart sagt, müssen wir von allem loslassen, damit unsere Seele in »unbehindertem Nichtsein« stehen kann. Welch unglaubliche Tiefe des spirituellen Bewusstseins zeigt sich in dieser Aussage! Doch dieses Bewusstsein kann auch das unsere sein. Zuerst sehen wir alles an uns selbst und um uns herum an und sagen: »All dies wird vergehen.« Dann kontemplieren wir uns, ohne all das, woran wir haften, und sagen: »Ich möchte völlig unbelastet sein. Ich möchte rein gar nichts sein. Ich möchte in der vollen Herrlichkeit des Ja stehen.«

In unserer Kultur vermeiden wir es beflissentlich, uns die Wirklichkeit von Wandel und Tod vor Augen zu führen. Wir verhalten uns so, als wären wir nicht fähig, damit umzugehen. Doch wir sind mit einer natürlichen und verlässlichen inneren Technologie ausgestattet, mit Verlust und Vergänglichkeit umzugehen: Wir können trauern. Wenn wir nicht über unsere Gefühle hinweggehen oder sie betäuben, sind wir automatisch traurig, wütend oder ängstlich, wenn es zu einem Verlust kommt. Dies sind die Gefühle von Kummer, die uns dabei helfen, uns durch die unersprießlichen Tatsachen von Tod und Vergänglichkeit hindurchzuarbeiten. Wenn wir uns den Existenzbedingungen mit Gefühl stellen, dann kommt das Ja im Gewand des Trauerns daher. Die Tatsache, dass wir Kummer empfinden können, bedeutet, dass wir mit Verlusten und Vergänglichkeit umgehen und sie verkraften sollten. Unsere eigene Natur, wie auch die Natur als ganze, ist darauf kalibriert, mit dem Tod umzugehen, statt ihn zu verleugnen. Der Tod wird in der Tat jenen nicht fremd sein, die während ihres Erwachsenen­lebens geübt haben, von ihrem Ego und dessen Verhaftungen abzulassen. Trauer, das Ja unter Tränen, ermöglicht es uns, die Wirklichkeit und ihre Bedingungen, einschließlich des Endes mit dem Tod, anzunehmen. Da jede der Gegebenheiten des Lebens einen Verlust repräsentiert, ist Trauerarbeit ein geschicktes Mittel, mit dem man ihnen allen begegnen kann. Wenn wir uns der gesellschaftlichen Verleugnung der Notwenigkeit von Trauerarbeit anschließen, verlieren wir unsere Chance, an dem, was uns das Leben bringt, zu wachsen. Es liegt an uns, jene Trauer zuzulassen, die die jewei­ligen Lebensbedingungen erfordern. Es ist an uns, darauf zu vertrauen, dass Trauern genau der Weg zur Überwindung eines Verlustes ist und zum Fortschreiten zu dem, was als Nächstes kommt – das ist die Vorgehensweise der Evolution.

Durchleben wir zum Beispiel die Erfahrung, einen Partner oder ein Familienmitglied zu betrauern, so führt uns das dazu, den Menschen, den wir verloren haben, loszulassen. Der Kummer macht uns bereit, das Haften an der Vergangenheit schließlich aufzugeben und weiterzugehen, auf andere zu, die uns etwas Ähnliches bieten können, wie das, was wir verloren haben. Wir werden keine neue Mutter bekommen, aber wir können mütterliche Momente bei anderen erfahren, die uns nähren und liebevoll umsorgen. Auf diese Weise fühlen wir uns nicht mehr allein und isoliert, sondern mit der Wirklichkeit ausgesöhnt und wieder mit anderen Menschen verbunden. Aussöhnung ist in der Tat die Fähigkeit, etwas anzunehmen, das dem Verlorenen nahekommt. Es ist das Ja eines gesunden Kompromisses.

Angezogen oder abgestoßen

Unser Hingezogensein zu wie unser Abgestoßensein von Menschen, Orten und Dingen scheinen über eine glockenförmige Kurve zu verlaufen. Wir können in der Kurve drei Phasen feststellen: Steigen, Höhepunkt und Fallen. Wir hören einen Song und fangen an, ihn zu lieben (erhöhtes Interesse), kaufen daher die CD und hören sie ständig (Höhepunkt der Freude). Dann hören wir sie weniger oft (Nachlassen des Interesses), und schließlich wird der beste Song, den wir je gehört haben, kaum je wieder angehört. Sein Reiz hat den Gipfel der glockenförmigen Kurve längst überschritten.

Die gleiche glockenförmige Kurve tritt im Fall der Ablehnung auf, wie die Geschichte von der Schönen und dem Biest belegt. Anfangs verspürte die Schöne Abscheu, doch später wurde es Liebe. Da es sich um ein Märchen handelt, bleibt der positive Höhepunkt bestehen – »und sie lebten glücklich bis an ihr Ende«. Doch zu verlangen, dass der Höhepunkt irgendeiner Erfahrung bestehen bleibt, bedeutet, in einem Märchen zu leben.

Ein anderes Beispiel für die Kurve in Hinsicht auf Ablehnung ist unsere Reaktion auf ein Monster in einem Horrorfilm. Beim ersten Anblick wenden wir den Blick in Abscheu oder Schrecken ab. Doch während das Monster in einer Szene nach der anderen auftaucht, gewöhnen wir uns an seinen Anblick und fürchten uns nicht mehr. Die glockenförmige Kurve, eine innere geometrische Figur in ­allen von uns, ist in der Tat die Kurve, auf der wir zur Furcht­losigkeit fortschreiten.