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Der junge D'Artagnan macht sich auf den Weg nach Paris, um ein Musketier zu werden. Auf seinem Weg begegnet er den drei Musketieren Athos, Porthos und Aramis. Gemeinsam trotzen sie Intrigen, Königinnen, Kardinälen und skrupellosen Feinden – immer bereit, ihre Schwerter im Namen der Freundschaft und der Gerechtigkeit zu erheben. Doch die Feinde sind mächtig und überall lauert Gefahr: Kardinal Richelieu spinnt im Hintergrund seine Netzwerke, die düstere Lady de Winter kennt keine Gnade, und politische Spannungen drohen das Land zu zerreißen. Für D'Artagnan und seine Freunde steht im Romanklassiker „Die drei Musketiere“ von Alexandre Dumas viel auf dem Spiel: nicht nur ihre Ehre, sondern das Schicksal Frankreichs selbst.
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Seitenzahl: 1096
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Alexandre Dumas
Die drei Musketiere
Copyright © 2024 Novelaris Verlag
ISBN: 978-3-68931-094-3
1. Die drei Geschenke von Herrn d’Artagnans Vater
2. Das Vorzimmer des Herrn von Treville
3. Die Audienz
4. Die Schulter von Athos
5. Die Musketiere des Königs
6. Seine Majestät König Ludwig der Dreizehnte
7. Das Hauswesen der Musketiere
8. Eine Hofintrige
9. D'Artagnan zeigt sich in einem eigentümlichen Licht
10. Eine Mausefalle im siebzehnten Jahrhundert
11. Die Intrige schürzt sich
12. George Villiers, Herzog von Buckingham
13. Herr Bonacieux
14. Der Mann von Meung
15. Beamter und Kriegsmann
16. Herr Siegelbewahrer Seguier
17. Die Haushaltung Bonacieux
18. Der Liebhaber und der Gatte
19. Feldzugsplan
20. Die Reise
21. Die Gräfin von Winter
22. Das Ballet der Merlaison
23. Das Rendezvous
24. Der Pavillon
25. Porthos
26. Die These von Aramis
27. Die Frau von Athos
28. Rückkehr
29. Die Jagd nach der Ausrüstung
30. Mylady
31. Engländer und Franzosen
32. Ein Procuratorsmahl
33. Zofe und Gebieterin
34. Die Ausrüstung von Aramis und Porthos
35. Bei Nacht sind alle Katzen grau
36. Rachetraum
37. Das Geheimnis Myladys
38. Athos fand mühelos seine Ausrüstung
39. Eine holdselige Erscheinung
40. Eine furchtbare Erscheinung
41. Die Belagerung von La Rochelle
42. Anjou-Wein
43. Die Wirtschaft zum Roten Taubenschlag
44. Von dem Nutzen der Ofenröhren
45. Eheliche Szene
46. Die Bastei Saint Gervais
47. Der Rat der Musketiere
48. Familienangelegenheit
49. Widerwärtigkeiten
50. Plauderei eines Bruders und einer Schwester
51. Offizier!
52. Erster Tag der Gefangenschaft
53. Zweiter Tag der Gefangenschaft
54. Dritter Tag der Gefangenschaft
55. Vierter Tag der Gefangenschaft
56. Fünfter Tag der Gefangenschaft
57. Ein Vorwurf zu einer klassischen Tragödie
58. Die Flucht
59. Was in Portsmouth am 23. August 1628 vorfiel
60. In Frankreich
61. Das Kloster der Karmeliterinnen in Betune
62. Zwei Abarten von Teufeln
63. Ein Tropfen Wasser
64. Der Rotmantel
65. Das Gericht
66. Die Hinrichtung
67. Eine Botschaft des Kardinals
Epilog
Cover
Table of Contents
Text
Am ersten Montag des Monats April 1625 schien das Dorf Meung, wo der Verfasser des Romans der Rose geboren wurde, in einem so umfassenden Aufruhr begriffen zu sein, als ob die Hugenotten gekommen wären, um ein zweites Rochelle daraus zu machen. Mehrere Bürger beeilten sich, als sie die Frauen die Straßen entlang fliehen sahen und die Kinder auf den Türschwellen schreien hörten, den Brustpanzer umzuschnallen und, ihre etwas unsichere Haltung durch eine Muskete oder eine Lanze unterstützend, sich zur Herberge zum Freimüller zu begeben, vor der sich eine von Minute zu Minute anwachsende lärmende, neugierige, dichte Gruppe drängte.
Zu dieser Zeit waren die panischen Schrecken recht häufig, und wenige Tage vergingen, ohne dass irgendeine Stadt irgendein Ereignis dieser Art in ihre Archive einzutragen hatte. Da gab es adelige Herren, die unter sich Krieg führten; da war der König, der den Kardinal bekriegte; da war der Spanier, der den König bekriegte. Außer diesen stillen oder öffentlichen, geheimen oder geräuschvollen Kriegen, gab es Diebe, Bettler, Hugenotten, Wölfe und Lakaien, die mit aller Welt Krieg führten. Die Bürger bewaffneten sich immer gegen die Diebe, gegen die Wölfe, gegen die Lakaien; – häufig gegen die adeligen Herren und die Hugenotten; – zuweilen gegen den König; – aber nie gegen den Kardinal und den Spanier. Infolge dieser Gewohnheit geschah es, dass die Bürger an dem erwähnten ersten Montag des Monats April 1625, als sie die Geräusche hörten und weder die gelben und roten Standarten, noch die Livree des Herzogs von Richelieu sahen, zur Herberge zum Freimüller liefen.
Hier angelangt, vermochte jeder die Ursache dieses Lärms zu sehen und zu erkennen.
Ein junger Mensch … entwerfen wir sein Porträt mit einem Federzuge: Man denke sich Don Quijote im Alter von achtzehn Jahren; Don Quijote ohne Bruststück, ohne Panzerhemd und ohne Beinschienen; Don Quijote in einem Wams, dessen blaue Farbe sich in eine unbestimmbare Farbnuance von Weinhefe und Himmelblau verwandelt hatte. Langes, braunes Gesicht, hervorspringende Backenknochen, Zeichen der Schlauheit, außerordentlich stark entwickelte Kiefermuskeln, ein untrügliches Zeichen, an dem der Gascogner selbst ohne Barett zu erkennen ist, und unser junger Mann trug ein mit einer Art von Feder verziertes Barett; das Auge offen und gescheit; die Nase gebogen, aber fein gezeichnet; zu groß für einen Jüngling, zu klein für einen gemachten Mann, und ein ungeübtes Auge würde ihn für einen reisenden Pächtersohn gehalten haben, hätte er nicht den langen Degen getragen, der an einem ledernen Wehrgehänge befestigt an die Waden seines Eigentümers schlug, wenn er zu Fuß war, und an das raue Fell seines Pferdes, wenn er ritt.
Denn unser junger Mann hatte ein Pferd, und dieses Ross war so merkwürdig, dass es wirklich ins Auge stach. Es war ein Klepper aus dem Bearn, zwölf bis vierzehn Jahre alt, von gelber Farbe, ohne Haare am Schweif, aber nicht ohne Fesselgeschwüre an den Beinen, ein Tier, das, während es den Kopf im Gehen tiefer hielt, als die Knie, was die Anwendung des Sprungriemens überflüssig machte, mutig noch seine acht Meilen im Tage zurücklegte. Unglücklicherweise waren die geheimen Vorzüge dieses Pferdes so gut unter seiner seltsamen Haut und unter seinem fehlerhaften Gang versteckt, dass in einer Zeit, wo sich jedermann auf Pferde verstand, die Erscheinung der genannten Mähre in Meung, wo sie vor ungefähr einer Viertelstunde durch das Beaugencytor eingetroffen war, eine allgemeine Sensation darstellte, deren schlechter Eindruck bis auf den Reiter zurückwirkte.
Und diese Sensation war für den jungen d’Artagnan (so hieß der Don Quijote dieser zweiten Rosinante), umso peinlicher, als er sich die lächerliche Seite nicht verbergen konnte, die ihm, ein so guter Reiter er auch war, ein solches Pferd gab. Es war ihm nicht unbekannt, dass dieses Tier einen Wert von höchstens zwanzig Livre hatte; die Worte, von denen das Geschenk begleitet wurde, waren allerdings unschätzbar.
„Mein Sohn,“ sagte der gascognische Edelmann im dem reinen Patois des Bearn, von dem sich Heinrich IV. nie hatte losmachen können, „mein Sohn, dieses Pferd ist in dem Hause Deines Vaters vor bald dreizehn Jahren geboren, und seit dieser Zeit hiergeblieben, was Dich bewegen muss, dasselbe zu lieben. Verkaufe es nie, lasse es ruhig und ehrenvoll an Altersschwäche sterben, und wenn Du einen Feldzug mit ihm machst, so schone es, wie Du einen alten Diener schonen würdest. Am Hofe,“ fuhr d’Artagnan Vater fort, „wenn Du die Ehre hast dahin zu kommen, eine Ehre, auf die wir übrigens vermöge unseres alten Adels Anspruch machen dürfen, halte würdig Deinen Namen als Edelmann aufrecht, der von unsern Ahnen seit fünfhundert Jahren auf eine ruhmvolle Weise geführt worden ist, halte ihn aufrecht für Dich und für die Deinigen. Unter den Deinigen verstehe ich Deine Verwandten und Deine Freunde; dulde nie etwas, außer von dem Herrn Kardinal und von dem König. Durch seinen Mut höre wohl, nur durch seinen Mut, macht ein Edelmann heut zu Tage sein Glück. Wer eine Sekunde zittert, lässt sich vielleicht den Köder entgehen, welchen ihm das Glück gerade während dieser Sekunde darreichte. Du bist jung. Du musst aus zwei Gründen tapfer werden; einmal weil Du ein Gascogner und dann weil Du mein Sohn bist. Fürchte die Gelegenheit nicht und suche die Abenteuer; ich habe Dich den Degen handhaben gelehrt. Du besitzest einen eisernen Kniebug, eine stählerne Handwurzel; schlage Dich bei jeder Veranlassung; schlage Dich umso mehr, als Zweikämpfe verboten sind und weil es deshalb eines doppelten Mutes bedarf, sich zu schlagen. Mein Sohn, ich habe Dir nur fünfzehn Taler, mein Pferd und die Ratschläge zu geben, die Du soeben vernommen hast. Deine Mutter wird das Rezept zu einem gewissen Balsam beifügen, das sie von einer Zigeunerin erhalten hat, und das die wunderbare Kraft besitzt, jede Wunde zu heilen, die nicht gerade das Herz berührt. Ziehe aus Allem Nutzen, lebe glücklich und lange.
„Ich habe nur ein Wort beizufügen. Ich will Dir ein Beispiel nennen, nicht das meinige, denn ich bin nie bei Hof erschienen und habe nur die Religionskriege als Freiwilliger mitgemacht: ich spreche von Herrn von Treville , der einst mein Nachbar war und die Ehre hatte, als Kind mit unserem König Ludwig XIII., den Gott erhalten möge, zu spielen. Zuweilen arteten ihre Spiele in Schlachten aus, und bei diesen Schlachten war der König nicht immer der Stärkere. Die Schläge, welche er erhielt, flößten ihm große Achtung und Freundschaft für Herrn von Treville ein. Später schlug sich Herr von Treville fünfmal während seiner ersten Reise nach Paris mit anderen vom Tode des seligen Königs an bis zur Volljährigkeit des jungen, ohne die Kriege und Belagerungen zu rechnen, siebenmal, und von dieser Volljährigkeit an bis auf den heutigen Tag hundertmal! – Nun ist er, allen Edikten, Ordonnanzen und Urteilssprüchen zum Trotz, Kapitän der Musketiere, d. h. Anführer einer Legion von Cäsaren, welche der König sehr hoch achtet und der Kardinal fürchtet, der sich sonst bekanntlich vor nichts zu fürchten pflegt. Noch mehr, Herr von Treville nimmt jährlich 10,000 Taler ein; er ist also ein sehr vornehmer Herr. – Er hat angefangen wie Du, besuche ihn mit diesem Briefe und richte Dein Benehmen nach seinen Vorschriften ein, damit es Dir ergehe, wie ihm.“
Darauf gürtete Herr d’Artagnan Vater dem Jüngling seinen eigenen Degen um, küsste ihn zärtlich auf beide Wangen und gab ihm seinen Segen.
Das väterliche Zimmer verlassend, fand der junge Mann seine Mutter, welche ihn mit dem berühmten Rezepte erwartete, zu dessen häufiger Anwendung die soeben erhaltenen Ratschläge ihn nötigen sollten. Der Abschied war von dieser Seite länger und zärtlicher als von der anderen. Nicht als ob Herr d’Artagnan seinen Sohn, der sein einziger Sprössling war, nicht geliebt hätte, aber Herr d’Artagnan war ein Mann, und er hätte es als eines Mannes unwürdig erachtet, sich seiner Rührung hinzugeben, während Frau d’Artagnan Weib und überdies Mutter war. Sie weinte schrecklich, und wir müssen es Herrn d’Artagnan zum Lob nachsagen, dass er sich trotz seiner Anstrengungen, ruhig zu bleiben, wie es die Pflicht eines zukünftigen Musketiers war, von der Natur hinreißen ließ und eine Menge Tränen vergoss, von denen er nur mit großer Mühe die Hälfte verbergen konnte.
Am selben Tage begab sich der junge Mann auf den Weg, ausgerüstet mit den drei väterlichen Geschenken, welche, wie gesagt, aus fünfzehn Talern, dem Pferde und dem Briefe an Herrn von Treville bestanden; die Ratschläge waren, wie man sich wohl denken kann, in den Kauf gegeben worden. Mit einem solchen Vademekum erschien d’Artagnan in moralischer, wie in physischer Beziehung als eine getreue Kopie des Helden von Cervantes, mit dem wir ihn so glücklich verglichen, als wir uns durch unsere Geschichtschreiberpflichten veranlasst sahen, sein Bild zu entwerfen. Don Quijote hielt die Windmühlen für Riesen und die Schafe für Armeen, d’Artagnan nahm jedes Lächeln für eine Beleidigung und jeden Blick für eine Herausforderung. Demzufolge hielt er seine Faust von Tarbes bis Meung geschlossen und fuhr wenigstens zehnmal des Tags an seinen Degenknopf; die Faust traf indessen keinen Kinnbacken und der Degen kam nicht aus der Scheide. Nicht als ob der Anblick der unglückseligen gelben Mähre nicht oftmals ein Lächeln auf den Gesichtern der Vorübergehenden hervorgerufen hätte, aber da über dem Klepper ein Degen von achtungswerter Größe klirrte und über diesem Degen ein mehr wildes als stolzes Auge glänzte, so unterdrückten die Vorübergehenden ihre Heiterkeit, oder wenn diese Heiterkeit mächtiger wurde, als die Klugheit, so suchten sie wenigstens, wie die antiken Masken, nur auf einer Seite zu lachen; d’Artagnan blieb also majestätisch und unverletzt in seiner Empfindlichkeit bis zu dem unseligen Städtchen Meung.
Hier aber, als er an der Türe des Freimüllers vom Pferd stieg, ohne dass irgend Jemand, Wirt, Kellner oder Hausknecht erschien, um ihm den Steigbügel am Auftritt zu halten, erblickte d’Artagnan an einem halbgeöffneten Fenster des Erdgeschosses einen Edelmann von schöner Gestalt und vornehmem Aussehen mit leicht gerunzeltem Gesicht, der mit zwei Personen sprach, welche ihm mit großer Untertänigkeit zuzuhören schienen. d’Artagnan glaubte ganz natürlich, seiner Gewohnheit gemäß, der Gegenstand des Gespräches zu sein, und horchte. Diesmal hatte sich d’Artagnan nur zur Hälfte getäuscht; es war zwar nicht von ihm die Rede, aber von seinem Pferde, dessen Eigenschaften der Edelmann seinen Zuhörern aufzählte, und da diese Zuhörer, wie gesagt, große Ehrfurcht vor dem Erzähler zu hegen schienen, so brachen sie jeden Augenblick in ein neues schallendes Gelächter aus. Da nun ein halbes Lächeln hinreichte, um den jungen Mann zum Zorne zu reizen, so begreift man leicht, welchen Eindruck eine so geräuschvolle Heiterkeit auf ihn hervorbringen musste.
d’Artagnan wollte sich jedoch vorerst über die Physiognomie des Frechen belehren, der es wagte, sich über ihn lustig zu machen. Er heftete seinen Blick voll Stolz auf den Fremden und erkannte in ihm einen Mann von vierzig bis fünfundvierzig Jahren, mit schwarzen, durchdringenden Augen, bleicher Gesichtsfarbe, stark hervortretender Nase und schwarzem, vollkommen zugestutztem Schnurrbart; derselbe trug ein Wams und veilchenblaue Beinkleider mit Schnürnesteln von ähnlicher Farbe. Dieses Wams und diese Beinkleider schienen, obwohl neu, doch zerknittert, wie lange in einem Mantelsack eingeschlossene Reisekleider. d’Artagnan machte alle seine Bemerkungen mit der Geschwindigkeit des schärfsten Beobachters und ohne Zweifel von einem instinktartigen Gefühl angetrieben, das ihm sagte, dieser Fremde müsse einen großen Einfluss auf sein zukünftiges Leben ausüben.
Da nun in dem Moment, wo d’Artagnan sein Auge auf den Edelmann mit der veilchenblauen Hose heftete, dieser Herr eine seiner gelehrtesten und gründlichsten Erläuterungen in Bezug der bearnischen Mähre zum Besten gab, so brachen seine Zuhörer in ein schallendes Gelächter aus, und er selbst ließ augenscheinlich gegen seine Gewohnheit ein bleiches Lächeln, wenn man so sagen darf, über sein Antlitz schweben. Diesmal konnte kein Zweifel entstehen, d’Artagnan war wirklich beleidigt. Erfüllt von dieser Überzeugung, drückte er sein Barett tief in die Augen und rückte, indem er sich Mühe gab, einige von den Hofmienen nachzuahmen, die er in der Gascogne bei reisenden vornehmen Herren aufgefangen hatte, eine Hand auf das Stichblatt seines Degens, die andere auf die Hüfte gestützt, vor. Leider verblendete ihn der Zorn immer mehr, je weiter er vorschritt, und statt einer würdigen stolzen Rede, die er im Stillen zu einer Herausforderung vorbereitet hatte, fand er auf seiner Zungenspitze nichts mehr, als eine plumpe Grobheit, die er mit einer wütenden Gebärde begleitete.
„He, mein Herr,“ rief er, „mein Herr, der Ihr Euch hinter jenem Laden verbergt, ja Ihr, sagt mir doch ein wenig, über wen Ihr lacht, dann wollen wir gemeinschaftlich lachen.“
Der Edelmann richtete langsam die Augen von dem Pferde auf den Reiter, als ob er einiger Zeit bedürfte, um zu begreifen, dass so seltsame Worte an ihn gesprochen wurden; da ihm sodann kein Zweifel mehr übrig blieb, so runzelte er leicht die Stirne, und antwortete nach einer ziemlich langen Pause mit einem unbeschreiblichen Ausdruck von Spott und Keckheit:
„Ich spreche nicht mit Euch.“
„Aber ich spreche mit Euch“, rief der junge Mann, ganz außer sich über diese Mischung von Frechheit und guten Manieren, von Anstand und Verachtung.
Der Unbekannte betrachtete ihn noch einen Augenblick mit seinem leichten Lächeln und zog sich langsam vom Fenster zurück, ging dann aus dem Wirtshause, näherte sich d’Artagnan bis auf zwei Schritte und blieb vor dem Pferde stehen. Seine ruhige Haltung und seine spöttische Miene hatten die Heiterkeit derjenigen vermehrt, mit denen er plauderte, und die am Fenster geblieben waren. Als d’Artagnan ihn auf sich zukommen sah, zog er seinen Degen einen Fuß lang aus der Scheide.
„Dieses Pferd ist offenbar oder war vielmehr in seiner Jugend ein Goldfuchs“, sprach der Unbekannte, während er in den begonnenen Untersuchungen fortfuhr, und wandte sich dabei an seine Zuhörer am Fenster, ohne dass er die Erbitterung d’Artagnans im Geringsten zu beachten schien. „Es ist eine in der Botanik sehr bekannte, aber bis jetzt bei den Pferden sehr seltene Farbe.“
„Wer über das Pferd lacht, “ rief der Nebenbuhler Trevilles wütend, „würde es nicht wagen, über den Herrn zu lachen.“
„Ich lache nicht oft, mein Herr,“ erwiderte der Unbekannte, „wie Ihr selbst an meinen Gesichtszügen wahrnehmen könnt, aber ich möchte mir doch gerne das Recht wahren, zu lachen, so oft es mir beliebt.“
„Und ich“, rief d’Artagnan, „ich will nicht, dass irgend Jemand über mich lache, wenn es mir missfällt.“
„Wirklich, mein Herr?“ erwiderte der Unbekannte, ruhiger als je, „nun denn, das ist nicht mehr als billig.“
Und auf seinen Fersen sich drehend, schickte er sich an, durch das große Tor in das Gasthaus zurückzukehren, wo d’Artagnan ein völlig gesatteltes Pferd wahrgenommen hatte.
Aber d’Artagnan besaß nicht den Charakter, mit dem es ihm möglich gewesen wäre, einen Menschen loszulassen, der die Frechheit gehabt hatte, über ihn zu spotten. Er zog seinen Degen vollends aus der Scheide und fuhr fort, seinen Streit zu verfolgen.
„Umgedreht, mein Herr Spötter, damit ich Euch nicht auf den Rücken schlage.“
„Mich schlagen, mich?“ sagte der Andere, sich auf den Fersen umdrehend, und schaute den jungen Mann mit ebenso großer Verwunderung als Verachtung an. „Geht, mein Lieber, Ihr seid ein Narr!“ Dann fuhr er mit leiser Stimme und als ob er mit sich selbst spräche, fort: „Das ist ärgerlich; welch ein Fund für Seine Majestät, welche überall nach Leuten sucht, um die Musketiere zu rekrutieren.“
Er hatte kaum vollendet, als d’Artagnan mit seiner Degenspitze einen so wütenden Stoß nach ihm führte, dass er, ohne einen sehr raschen Sprung rückwärts, wahrscheinlich zum letzten Mal gescherzt hätte. Der Unbekannte sah jetzt, dass die Sache über den Spaß hinausging; er zog seinen Degen, begrüßte seinen Gegner und nahm eine Fechterstellung ein. Aber in demselben Augenblick fielen seine zwei Zuhörer in Begleitung des Wirtes mit Stöcken, Schaufeln und Feuerzangen über d’Artagnan her. Dies gab dem Angriff eine so rasche und vollständige Diversion, dass d’Artagnans Gegner, während sich dieser umwandte, um einen Hagel von Schlägen abzuwehren, seinen Degen mit der größten Gelassenheit einsteckte und aus einem darstellenden Mitglied, das er beinahe geworden wäre, wieder Zuschauer des Kampfes wurde, – eine Rolle, deren er sich mit seiner gewöhnlichen Unempfindlichkeit entledigte. Nichtsdestoweniger murmelte er durch die Zähne:
„Die Pest über alle Gascogner! Setzt ihn wieder auf sein orangefarbiges Pferd, er mag zum Teufel gehen.“
„Nicht ohne Dich getötet zu haben, Feigling!“ rief d’Artagnan, während er sich so gut als möglich und ohne einen Schritt zurückzuweichen gegen seine drei Feinde, die ihn mit Schlägen überhäuften, zur Wehre setzte.
„Abermals eine Gaskonade“, murmelte der Edelmann. „Bei meiner Ehre, diese Gascogner sind unverbesserlich! Setzt also den Tanz fort, da er es durchaus haben will. Wenn er einmal müde ist, wird er schon sagen, es sei genug.“
Aber der Unbekannte wusste noch nicht, mit was für einem hartnäckigen Menschen er es zu tun hatte; d’Artagnan war nicht der Mann, der Gnade gefordert hätte. Der Kampf dauerte also noch einige Sekunden fort, doch endlich ließ d’Artagnan erschöpft seinen Degen fahren, den ein Schlag mit einer Heugabel entzwei brach. Ein anderer Schlag, welcher seine Stirne traf, schmetterte ihn beinahe zu derselben Zeit blutend und fast ohnmächtig nieder. In diesem Augenblick kamen von allen Seiten Leute auf den Schauplatz gelaufen, der Wirt fürchtete ein ärgerliches Aufsehen und trug den Verwundeten mit Hilfe einiger Kellner in die Küche, wo man ihm Pflege angedeihen ließ.
Der Edelmann aber hatte seinen früheren Platz am Fenster wieder eingenommen und betrachtete mit einer gewissen Ungeduld die umherstehende Menge, deren Verweilen ihm sehr ärgerlich zu sein schien.
„Nun! wie geht es dem Wütenden?“ sagte er, indem er sich bei dem durch das Öffnen der Türe verursachten Geräusch umkehrte und an den Wirt wandte, der sich nach dessen Befinden erkundigt hatte. – „Ew. Exzellenz ist gesund und wohlbehalten?“ fragte der Wirt. – „Ja, vollkommen wohl und gesund, mein lieber Wirt, und ich frage Euch, was aus unserem jungen Menschen geworden ist?“ – „Es geht besser mit ihm“, erwiderte der Wirt: „er ist in Ohnmacht gefallen.“ – „Wirklich?“ sprach der Edelmann.
„Doch ehe er in Ohnmacht fiel, raffte er alle seine Kräfte zusammen, rief nach Euch und forderte Euch heraus.“ – „Dieser Bursche ist also der leibhaftige Teufel!“ rief der Unbekannte. – „O nein, Ew. Exzellenz, es ist kein Teufel,“ entgegnete der Wirt mit einer verächtlichen Grimasse, „denn während seiner Ohnmacht haben wir ihn durchsucht und in seinem Päckchen nicht mehr als ein Hemd, in seiner Börse nicht mehr als zwölf Taler gefunden, was ihn jedoch nicht abhielt, kurz bevor er in Ohnmacht fiel, zu bemerken, wenn dergleichen in Paris geschehen wäre, so müsstet Ihr dies sogleich bereuen, während Ihr es hier erst später bereuen würdet.“ – „Dann ist er irgend ein verkleideter Prinz von Geblüt,“ sagte der Unbekannte kalt. – „Ich teile Euch dies mit, gnädiger Herr,“ versetzte der Wirt, „damit Ihr auf Eurer Hut sein möget.“ – „Und er hat Niemand in seinem Zorn genannt?“ – ›Allerdings, er schlug an seine Tasche und sagte: „Wir wollen sehen, was Herr von Treville zu der Beleidigung sagen wird, die seinem Schützling widerfahren ist.‹ – „Herr von Treville?“ sprach der Unbekannte mit steigender Aufmerksamkeit; „er schlug an seine Tasche, während er den Namen des Herrn von Treville aussprach? … Hört, mein lieber Wirt, indes Euer junger Mann in Ohnmacht lag, habt Ihr sicherlich nicht versäumt, ein wenig in diese Tasche zu schauen. Was fand sich darin?“ – „Ein Brief, mit der Adresse des Herrn von Treville, Kapitäns der Musketiere.“ – „Wirklich?“ – „Es ist, wie ich Ew. Exzellenz zu sagen die Ehre habe.“
Der Wirt, welcher eben nicht mit übergroßem Scharfsinn begabt war, gewahrte den Ausdruck nicht, den seine Worte auf dem Gesichte des Unbekannten hervorriefen. Dieser entfernte sich von dem Gesimse des Kreuzstocks, auf das er sich bis jetzt mit dem Ellbogen gestützt hatte, und faltete die Stirne, wie ein Mensch, den etwas beunruhigt.
„Teufel!“ murmelte er zwischen den Zähnen, „sollte mir Treville diesen Gascogner geschickt haben? Er ist noch sehr jung! Aber ein Degenstich bleibt ein Degenstich, welches Alter auch sein Spender haben mag, und man nimmt sich vor einem jungen Bürschchen weniger in Acht, als vor anderen Leuten; Zuweilen genügt ein schwaches Hindernis, um einem großen Plan in den Weg zu treten.“
Und der Unbekannte versank in ein Nachdenken, das einige Minuten währte.
„Hört einmal, Wirt, “ sagte er, „werdet Ihr mich nicht von diesem Wütenden befreien? Ich kann ihn mit gutem Gewissen nicht töten, und dennoch, “ fügte er mit einem kalt drohenden Ausdrucke bei, „ist er mir unbequem. Wo verweilt er?“ – „Im ersten Stock in der Stube meiner Frau, wo man ihn verbindet.“ – „Hat er Kleidungsstücke und seine Tasche bei sich? Er hat sein Wams nicht ausgezogen?“ – „Alles dies blieb im Gegenteil unten in der Küche. Aber wenn Euch dieser junge Laffe unbequem ist …?“
„Gewiss. Er veranlasst in Eurem Gasthaus ein Ärgernis, das ehrliche Leute nicht aushalten können. Geht hinauf, macht meine Rechnung und benachrichtigt meinen Lakaien.“ – „Wie! gnädiger Herr, Ihr verlasset uns schon?“ – „Ihr konntet es daraus sehen, dass ich Euch Befehl gegeben hatte, mein Pferd zu satteln. Hat man mir nicht Folge geleistet?“ – „Allerdings, und das Pferd steht völlig aufgezäumt unter dem großen Tor, wie Ew. Exzellenz selbst hat sehen können.“ – „Das ist gut. Tut, was ich Euch gesagt habe.“
„Oh weh!“ sprach der Wirt zu sich selbst; „sollte er vor dem kleinen Jungen bange haben?“
Aber ein gebieterischer Blick des Unbekannten machte seinen Gedanken rasch ein Ende. Er verbeugte sich demütig und ging ab.
„Mylady soll diesen Burschen nicht gewahr werden“, fuhr der Fremde fort; „sie muss bald kommen; sie bleibt schon allzu lange aus. Offenbar ist es besser, wenn ich zu Pferde steige und ihr entgegenreite … Könnte ich nur erfahren, was dieser Brief an Treville enthält!“ Und unter fortwährendem Murmeln wandte sich der Fremde nach der Küche.
Inzwischen war der Wirt, der nicht daran zweifelte, dass die Gegenwart des jungen Menschen den Unbekannten aus seiner Herberge treibe, zu seiner Frau hinaufgegangen und hatte d’Artagnan hier wieder gefunden. Er machte ihm begreiflich, die Polizei könnte ihm einen schlimmen Streich spielen, da er mit einem vornehmen Herrn Streit angefangen habe, denn nach der Meinung des Wirtes konnte der Unbekannte nur ein vornehmer Herr sein, und er veranlasste ihn, trotz seiner Schwäche aufzustehen und seinen Weg fortzusetzen. Halb betäubt, ohne Wams und den Kopf mit Leinwand umwickelt, stand d’Artagnan auf und ging, vom Wirte gedrängt, die Treppe hinab; aber als er in die Küche kam, war das erste, was er bemerkte, sein Gegner, der am Fußtritt einer schweren, mit zwei plumpen normannischen Pferden bespannten Karosse ruhig plauderte.
Die Frau, mit der er sprach, war eine Frau von zwanzig bis zweiundzwanzig Jahren, deren Kopf in den Kutschenschlag eingerahmt schien. Wir haben bereits erwähnt, mit welcher Raschheit d’Artagnan eine Physiognomie aufzufassen wusste; er sah also auf den ersten Blick, dass die Frau jung und hübsch war. Diese Schönheit fiel ihm umso mehr auf, als sie eine in den südlichen Gegenden, welche d’Artagnan bis jetzt bewohnt hatte, ganz fremde Erscheinung war. Es war eine Blondine mit langen, auf die Schultern herabfallenden Locken, großen, schmachtenden, blauen Augen, rosigen Lippen und Alabasterhänden; sie sprach sehr lebhaft mit dem Unbekannten.
„Also befiehlt mir Seine Eminenz…“ sagte die Dame. – „Sogleich nach England zurückzukehren und sie zu benachrichtigen, ob der Herzog London verlassen hat.“ – „Und was meine übrigen Instruktionen betrifft? …“ fragte die schöne Reisende. – „Sie sind in dieser Kapsel enthalten, welche Ihr erst jenseits des Kanals öffnen dürfet.“ – „Sehr wohl; und Ihr, was macht Ihr?“ – „Ich kehre nach Paris zurück.“
„Ohne das freche Bürschchen zu züchtigen?“ fragte die Dame.
Der Unbekannte war im Begriff zu antworten, aber in dem Augenblick, wo er den Mund öffnete, sprang d’Artagnan, der alles gehört hatte, auf die Türschwelle.
„Das freche Bürschchen züchtigt andere“, rief er, „und ich hoffe, dass derjenige, welchen er zu züchtigen hat, ihm diesmal nicht entkommen wird, wie das erste Mal.“
„Nicht entkommen wird?“ entgegnete der Unbekannte, die Stirne faltend.
„Nein, vor einer Dame, denke ich, werdet Ihr nicht zu fliehen wagen.“
„Bedenkt, “ rief Mylady, als sie sah, dass der Edelmann die Hand an den Degen legte, „bedenkt, dass die geringste Zögerung alles verderben kann.“
„Ihr habt Recht“, rief der Edelmann, „reist also Eurerseits, ich tue desgleichen.“
Und indem er der Dame mit dem Kopf zunickte, sprang er zu Pferde, während der Kutscher der Karosse sein Gespann kräftig mit der Peitsche antrieb. Die zwei Sprechenden entfernten sich also im Galopp, jedes in einer entgegengesetzten Richtung der Straße.
„Heda! Eure Rechnung, “ schrie der Wirt, dessen Ergebenheit für den Reisenden sich in tiefe Verachtung verwandelte, als er sah, dass er abging, ohne seine Zeche zu bezahlen.
„Bezahle, Schlingel“, rief der Reisende stets galoppierend seinem Bedienten zu, der dem Wirt ein Paar Geldstücke vor die Füße warf und dann eiligst seinem Herrn nachgaloppierte.
„Ha, Feigling, ha, Elender, ha, falscher Edelmann!“ rief d’Artagnan und lief dem Bedienten nach.
Aber der Verwundete war noch zu schwach, um eine solche Erschütterung auszuhalten. Kaum hatte er zehn Schritte gemacht, so klangen ihm die Ohren, er sah nichts mehr, eine Blutwolke zog über seine Augen hin und er stürzte unter dem beständigen Geschrei: „Feigling! Feigling! Feigling!“ auf die Straße nieder.
„Er ist in der Tat sehr feig!“ murmelte der Wirt, indem er sich d’Artagnan näherte und sich durch diese Schmeichelei mit dem armen Jungen zu versöhnen suchte, wie der Held in der Fabel mit seiner Schnecke.
„Ja, sehr feig, “ sagte d’Artagnan mit schwacher Stimme, „aber sie ist sehr schön.“
„Wer sie?“ fragte der Wirt.
„Mylady“, stammelte d’Artagnan und fiel zum zweiten Mal in Ohnmacht.
„Gleich viel“, sprach der Wirt, „es bleibt mir doch dieser da, den ich sicherlich einige Tage behalten werde. Da lassen sich immerhin elf Taler verdienen.“
Man weiß bereits, dass sich der Inhalt von d’Artagnans Börse gerade auf elf Taler belief.
Der Wirt hatte auf elf Tage Krankheit den Tag zu einem Taler gerechnet; aber er hatte die Rechnung ohne seinen Reisenden gemacht. Am anderen Morgen stand d’Artagnan schon um fünf Uhr auf, ging in die Küche hinab, verlangte außer einigen anderen Ingredienzien, deren Liste uns nicht zugekommen ist, Wein, Öl, Rosmarin, und bereitete sich, das Rezept seiner Mutter in der Hand, einen Balsam, mit dem er seine zahlreichen Wunden salbte; dann erneuerte er seine Kompressen selbst und wollte keine ärztliche Hilfeleistung gestatten. Der Wirksamkeit des Zigeunerbalsams und ohne Zweifel auch ein wenig der Abwesenheit jedes Arztes hatte es d’Artagnan zu danken, dass er schon an demselben Abend wieder auf den Beinen und am anderen Tag beinahe völlig geheilt war.
In dem Augenblick aber, als er den Rosmarin, das Öl und den Wein bezahlen wollte – die einzige Ausgabe des Herrn, der strenge Diät hielt, während das gelbe Ross, wenigstens nach der Aussage des Wirtes, dreimal so viel gefressen hatte, als sich vernünftigerweise bei seiner Gestalt voraussetzen ließ – fand d’Artagnan m seiner Tasche nur noch seine kleine Samtbörse, sowie die elf Taler, welche sie enthielt; jedoch der Brief an Herrn von Treville war verschwunden.
Der junge Mann suchte anfangs diesen Brief mit großer Geduld, drehte seine Taschen um und um, durchwühlte seine Manteltasche, öffnete und schloss seine Börse wieder und wieder, als er aber die Überzeugung gewonnen hatte, dass der Brief nicht mehr zu finden war, geriet er in einen dritten Anfall von Wut, der ihn leicht zu einem neuen Verbrauch von aromatischem Wein und Öl veranlassen konnte; denn als man sah, dass dieser junge Brausekopf sich erhitzte und drohte, er werde Alles im Hause kurz und klein schlagen, wenn man seinen Brief nicht finde, da ergriff der Wirt einen Spieß, seine Frau einen Besenstiel, und sein Aufwärter nahm von denselben Stöcken, welche zwei Tage vorher benützt worden waren.
„Meinen Empfehlungsbrief, “ schrie d’Artagnan, „meinen Empfehlungsbrief, oder ich spieße Euch alle wie Ortolane.“
Unglücklicherweise trat ein Umstand der Ausführung seiner Drohung in den Weg; sein Degen war erwähntermaßen beim ersten Kampf in zwei Stücke zerbrochen worden, was er völlig vergessen hatte. Als d’Artagnan wirklich vom Leder ziehen wollte, sah er sich ganz einfach mit einem Degenstumpfe von acht bis zehn Zoll bewaffnet, den der Wirt sorgfältig wieder in die Scheide gesteckt hatte. Den übrigen Teil der Klinge hatte der Herr der Herberge geschickt auf die Seite gebracht, um sich einen Bratspieß daraus zu machen.
Diese Enttäuschung dürfte wohl unsern jähzornigen jungen Mann nicht zurückgehalten haben, aber der Wirt bedachte, dass die Forderung, die sein Reisender an ihn stellte, eine völlig gerechte war.
„In der Tat“, sprach er und senkte dabei seinen Spieß, „wo ist der Brief?“
„Wo ist dieser Brief?“ rief d’Artagnan. „Ich sage Euch vor Allem, dass dieser Brief für Herrn von Treville bestimmt ist, und dass er sich wiederfinden muss; ist dies nicht der Fall, so wird Er schon machen, dass er gefunden wird!“
Diese Drohung schüchterte den Wirt vollends ein. Nach dem König und dem Herrn Kardinal war Herr von Treville derjenige Mann, dessen Namen vielleicht am öftesten von den Militären und sogar von den Bürgern wiederholt wurde. Wohl war noch der Pater Joseph vorhanden, aber sein Name wurde immer nur ganz leise ausgesprochen, so groß war der Schrecken, den die graue Eminenz einflößte, wie man den Vertrauten des Kardinals nannte.
Er warf also seinen Spieß weit von sich, befahl seiner Frau, dasselbe mit ihrem Besenstiel zu tun, und seinen Dienern, ihre Stöcke wegzulegen; dann ging er mit gutem Beispiel voran und begann nach dem verlorenen Brief zu suchen.
„Enthielt dieser Brief etwas Wertvolles?“ sagte der Wirt, nachdem er einen Augenblick fruchtlos gesucht hatte. – „Heiliger Gott, ich glaube es wohl!“ erwiderte der Gascogner, der mit Hilfe dieses Schreibens seinen Weg zu machen hoffte, „er enthielt mein Glück.“ – „Anweisungen auf Spanien?“ fragte der Wirt unruhig. – „Anweisungen auf den Privatschatz Seiner Majestät,“ erwiderte d’Artagnan, der darauf zählte, er werde durch diese Empfehlung in den Dienst des Königs aufgenommen werden, und deshalb ohne zu lügen diese etwas kecke Antwort geben zu können glaubte.
„Teufel!“ rief der Wirt ganz in Verzweiflung.
„Aber daran liegt nichts“, fuhr d’Artagnan mit ganz nationaler Dreistigkeit fort, „daran liegt nichts, das Geld kommt gar nicht in Betracht; der Brief war alles. Ich hätte lieber tausend Pistolen verloren, als diesen Brief.“
Er würde nicht mehr gewagt haben, wenn er zwanzig tausend gesagt hätte, aber eine gewisse jugendliche Schüchternheit hielt ihn zurück.
Ein Lichtstrahl durchdrang plötzlich den Geist des Wirtes, der von einem entsetzlichen Grauen befallen wurde, als er nichts fand.
„Dieser Brief ist durchaus nicht verloren“, rief er.
„Ah!“ seufzte d’Artagnan. – „Nein, er ist Euch gestohlen worden.“ – „Gestohlen! und von wem?“ – „Von dem Edelmann von gestern. Er ist in die Küche hinabgegangen, wo Euer Wams lag, und daselbst allein geblieben. Ich wollte wetten, dass er ihn gestohlen hat.“
„Ihr glaubt?“ erwiderte d’Artagnan nicht sehr überzeugt, denn er kannte den ganz persönlichen Belang dieses Briefes und sah nichts dabei, was einen anderen nach dem Besitz desselben hätte lüstern machen können. Keiner von den Dienern, keiner von den anwesenden Gasten würde etwas damit gewonnen haben, wenn er sich das Papier zugeeignet hätte.
„Ihr sagt also, “ versetzte d’Artagnan, „Ihr habt diesen frechen Edelmann im Verdacht?“
„Ich sage, dass ich vollkommen hiervon überzeugt bin“, fuhr der Wirt fort; „als ich ihm mitteilte, Ew. Herrlichkeit sei ein Schützling des Herrn von Treville, und Ihr hättet sogar einen Brief an diesen erlauchten Herrn, da schien er sehr unruhig zu werden und fragte mich, wo dieser Brief sei; dann ging er sogleich in die Küche hinab, weil er wusste, dass Euer Wams dort lag.“
„Dann ist er mein Dieb“, sagte d’Artagnan, „ich werde mich bei Herrn von Treville darüber beklagen, und Herr von Treville wird sich beim König beklagen.“ Sofort zog er majestätisch zwei Taler aus seiner Tasche, gab sie dem Wirt, der ihn mit dem Hut in der Hand bis vor die Türe begleitete, und bestieg wieder sein gelbes Ross, das ihn ohne weiteren Unfall bis zu der Porte Saint-Antoine in Paris trug, wo es der Eigentümer um drei Taler verkaufte, was sehr gut bezahlt war, da d’Artagnan es auf dem letzten Marsch bedeutend übertrieben hatte. Der Rosskamm, welchem d’Artagnan die Mähre gegen erwähnte neun Livre abtrat, verbarg auch dem jungen Mann keineswegs, dass er diese außerordentliche Summe nur wegen der originellen Farbe des Tieres bezahle.
d’Artagnan hielt also zu Fuß seinen Einzug in Paris, trug sein Päckchen unter dem Arm und marschierte so lange umher, bis er eine Stube zu mieten fand, die der Geringfügigkeit seiner Mittel entsprach. Diese Stube war eine Art von Mansarde und lag in der Rue de Fossoyeurs in der Nähe des Luxemburg.
Sobald d’Artagnan die Miete bezahlt hatte, nahm er Besitz von seiner Wohnung und brachte den übrigen Teil des Tages damit hin, dass er an sein Wams und an seine Strümpfe Posamenten annähte, die seine Mutter von einem beinahe neuen Wamse des Herrn d’Artagnan Vaters abgetrennt und ihm insgeheim zugesteckt hatte. Dann ging er auf den Quai de la Ferraille, um eine neue Klinge in seinen Degen machen zu lassen, hierauf nach dem Louvre und erkundigte sich bei dem ersten Musketier, dem er begegnete, nach dem Hotel des Herrn von Treville, welches in der Rue du Vieux-Colombier lag, das heißt, ganz in der Nähe der Wohnung, welche d’Artagnan gemietet hatte – ein Umstand, der ihm als ein glückliches Vorzeichen für den Erfolg seiner Reise erschien.
Zufrieden mit der Art und Weise, wie er sich in Meung benommen hatte, ohne Gewissensbisse wegen der Vergangenheit, voll Vertrauen aus die Gegenwart, voll Hoffnung für die Zukunft, legte er sich hierauf nieder und schlief den Schlaf des Gerechten.
Dieser noch ganz provinzmäßige Schlaf währte bis zur neunten Stunde des Morgens, wo er aufstand, um sich zu dem berühmten Herrn von Treville, der dritten Person des Reiches nach der väterlichen Schätzung, zu begeben.
Herr von Troisville, wie seine Familie in der Gascogne noch hieß, oder Herr von Treville, wie er sich selbst am Ende in Paris nannte, hatte wirklich gerade wie d’Artagnan angefangen, nämlich ohne einen Sou Geldeswert, aber mit jenem Grundstock von Kühnheit, Geist und Ausdauer, worin der ärmste gascognische Krautjunker mehr an Hoffnungen zum väterlichen Erbteil erhält, als der reichste Edelmann des Perigord oder Berry in Wirklichkeit empfängt. Sein kecker Mut und sein noch viel keckeres Glück in einer Zeit, wo die Schläge wie Hagel fielen, hatten ihn auf die Höhe der schwer erklimmbaren Leiter gehoben, die man Hofgunst nennt, und deren Stufen er vier und vier auf einmal erstiegen hatte.
Er war der Freund des Königs, der, wie Jedermann weiß, das Andenken seines Vaters Heinrich IV. sehr in Ehren hielt. Der Vater des Herrn von Treville hatte ihm in seinen Kriegen gegen die Ligue so treu gedient, dass er ihm in Ermangelung von barem Geld – eine Sache, die dem Bearner sein ganzes Leben lang abging, denn er bezahlte seine Schulden stets mit dem einzigen Ding, das er nicht zu entlehnen brauchte, mit Witz – dass ihm in Ermangelung von barem Geld, sagen wir, nach der Übergabe von Paris die Vollmacht verlieh, als Wappen eines goldenen Löwen im roten Felde mit dem Wahlspruch: fidelis et fortis zu führen; das war viel in Bezug auf Ehre, aber mittelmäßig in Bezug auf Vermögen. Als der berühmte Gefährte des großen Heinrich starb, hinterließ er also seinem Herrn Sohn als einziges Erbe nur seinen Degen und seinen Wahlspruch. Dieser doppelten Gabe und dem fleckenlosen Namen, von dem sie begleitet war, hatte Herr von Treville seine Aufnahme unter die Haustruppen des jungen Fürsten zu verdanken, wo er sich so gut seines Schwertes bediente, und seiner Devise so treu war, dass Ludwig XIII., einer der besten Degen seines Königreichs, zu sagen pflegte, wenn er einen Freund hätte, der sich schlagen wollte, so würde er ihm den Rat geben, zum Sekundanten zuerst ihn selbst und dann Herrn von Treville oder sogar vielleicht diesen vor ihm zu nehmen.
Ludwig XIII. hegte eine wahre Anhänglichkeit an Treville, eine königliche Anhänglichkeit, eine selbstsüchtige Anhänglichkeit allerdings, darum aber nicht minder eine Anhänglichkeit. In dieser unglücklichen Zeit strebte man mit aller Macht darnach, sich mit Männern von dem Schlage Trevilles zu umgeben. Viele konnten sich den Beinamen fortis geben, der die zweite Hälfte seiner Devise bildete, aber wenige Edelleute hatten Anspruch darauf, sich fidelis zu nennen, wie der erste Teil hieß. Treville gehörte zu den letzteren; er war eine von den seltenen Organisationen mit dem gehorchenden Verstande des Hundes, dem blinden Mut, dem raschen Auge, der schnellen Hand, ein Mann, dem das Auge nur gegeben schien, um zu sehen, ob der König mit Jemand unzufrieden war, und diesen Jemand, einen Besme, einen Maurevers, einen Poltrot von Meré, einen Vitry niederzuschlagen. Treville hatte bis jetzt nur die Gelegenheit gefehlt, aber er lauerte darauf, er hatte sich gelobt, sie beim Schopfe zu fassen, sobald sie in den Bereich seiner Hand käme. Ludwig XIII. machte Treville zum Kapitän seiner Musketiere, welche in Bezug auf Ergebenheit oder vielmehr auf Fanatismus für ihn dasselbe waren, was die schottische Leibwache für Ludwig XI. und die Ordinären für Heinrich III.
Der Kardinal seiner Seite blieb in dieser Beziehung nicht hinter dem König zurück. Als dieser zweite oder vielmehr erste König von Frankreich die furchtbare Eile wahrnahm, mit der sich Ludwig XIII. seine Umgebung schuf, wollte er ebenfalls seine Leibwache haben. Er hatte also seine Musketiere, wie Ludwig XIII. und man sah diesen mächtigen Nebenbuhler in allen Provinzen Frankreichs und sogar in auswärtigen Staaten die berühmtesten Kampfhähne ausheben. Ludwig XIII. und Richelieu stritten sich auch oft, wenn sie abends eine Partie Schach spielten, über die Verdienste ihrer Anhänger. Jeder lobte den Mut und die Haltung der seinigen, und während sie sich laut gegen Zweikämpfe und Händel aussprachen, stachelten sie dieselben ganz in der Stille gegen einander auf, und das Unterliegen oder der Sieg ihrer Leute bereitete ihnen wahren Kummer oder eine maßlose Freude. So erzählen wenigstens die Memoiren eines Mannes, der bei einigen dieser Niederlagen und bei vielen von diesen Siegen beteiligt war.
Treville hatte seinen Herrn bei der schwachen Seite gefasst, und dieser Geschicklichkeit verdankte er die lange und beständige Gunst eines Königs, der nicht den Ruf großer Treue in seinen Freundschaften hinterlassen hat. Mit einem verschmitzten Lächeln ließ er seine Musketiere vor dem Kardinal Armand Duplessis paradieren, wobei sich die Haare im Schnurrbart Sr. Eminenz vor Zorn sträubten. Treville verstand sich vortrefflich auf den Krieg dieser Zeit, wo man, wenn man nicht auf Kosten des Feindes leben konnte, auf Kosten seiner Landsleute lebte; seine Soldaten bildeten eine gegen Jedermann, nur gegen ihn nicht, unbotmäßige Legion lebendiger Teufel .
Hals und Brust entblößt, betrunken, verbreiteten sich die Musketiere des Königs, oder vielmehr des Herrn von Treville, in den Schenken, auf den Spaziergängen, bei den öffentlichen Spielen, schrien, strichen ihren Schnurrbart, ließen ihre Degen klirren, versetzten aus lauter Mutwillen den Leibwachen des Herrn Kardinals Rippenstöße und zogen unter tausenderlei Scherzen am hellen Tag auf offener Straße vom Leder; sie wurden zuweilen getötet, aber sie wussten gewiss, dass man sie in diesem Falle beweinte und rächte; zuweilen töteten sie, aber sie wussten ebenso gewiss, dass sie nicht im Gefängnis zu verschimmeln hatten, denn Herr von Treville war da, um sie zurückzufordern. Das Loblied des Herrn von Treville wurde auch in allen Tonarten von diesen Leuten gesungen, die den Satan nicht fürchteten, aber vor ihm zitterten, wie Schüler vor ihrem Lehrer, seinem geringsten Worte gehorchten und stets bereit waren, sich töten zu lassen, um einen Vorwurf abzuwaschen.
Herr von Treville hatte sich anfangs dieses mächtigen Hebels für den König und die Freunde des Königs – dann für sich selbst und für seine Freunde bedient. Übrigens findet man in keinem Memoirenwerk dieser Zeit, welche so viele Memoiren hinterlassen hat, dass dieser würdige Edelmann, selbst nicht einmal von seinen Feinden – und er hatte deren so viele unter den Leuten von der Feder, als unter denen vom Degen – nirgends, sagen wir, findet man, dass dieser würdige Edelmann angeklagt worden wäre, er habe sich für die Mitwirkung seiner Seïden bezahlen lassen. Bei einem seltenen Talent für Intrigen, das ihn auf dieselbe Stufe mit den stärksten Intriganten stellte, war er ein ehrlicher Mann geblieben. Noch mehr, trotz der großen Stoßdegen, welche lendenlahm machen, und der angestrengten Übungen, welche ermüden, war er einer der galantesten Boudoirläufer, einer der feinsten Jungfernknechte, einer der gewürfeltsten Schönredner seiner Zeit geworden; man sprach von Trevilles Liebesglück, wie man zwanzig Jahre früher von Bassompierre gesprochen hatte, und das wollte viel sagen. Der Kapitän war also bewundert, gefürchtet und geliebt, und dies bildet wohl den Höhepunkt menschlicher Glücksumstände.
Ludwig XIV. verschlang alle kleinen Gestirne seines Hofes in seiner weiten Ausstrahlung, aber sein Vater, eine Sonne pluribus impar, ließ jedem seiner Günstlinge seinen persönlichen Glanz, jedem seiner Höflinge seinen eigentümlichen Wert. Außer dem Lever des Königs und dem des Kardinals zählte man damals in Paris mehr als zweihundert einigermaßen besuchte Levers. Unter den zweihundert kleinen Levers war das von Treville eines von denjenigen, zu welchen man sich am meisten drängte.
Der Hof seines in der Rue du Vieux-Colombier gelegenen Hotels glich einem Lager, und dies von morgens sechs Uhr im Sommer und von acht Uhr im Winter. Fünfzig oder sechzig Musketiere, welche sich hier abzulösen schienen, um stets eine imposante Zahl darzustellen, gingen beständig in völliger Kriegsrüstung und zu jedem Tun bereit umher. Auf einer der großen Treppen, auf deren Raum unsere moderne Zivilisation ein ganzes Gebäude errichten würde, stiegen die Bittsteller von Paris aus und ab, die irgend eine Gunst zu erhaschen suchten; ferner die Edelleute aus der Provinz, deren höchster Wunsch war, ins Corps aufgenommen zu werden, und die in allen Farben verbrämten Lakaien, die an Herrn von Treville die Botschaften ihrer Gebieter überbrachten. In den Vorzimmern ruhten auf langen, kreisförmigen Bänken die Auserwählten, das heißt diejenigen, welche berufen waren. Das Gesumme dauerte vom Morgen bis zum Abend, während Herrn von Treville in seinem an dieses Vorzimmer stoßenden Kabinett Besuche empfing, Klagen anhörte, seine Befehle erteilte und, wie der König auf seinem Balkon im Louvre, sich nur an das Fenster zu stellen hatte, um Menschen und Waffen Revue passieren zu lassen.
Den Tag, an welchem d’Artagnan sich hier einfand, war die Versammlung äußerst imposant, besonders für einen Provinzbewohner, der eben erst aus seiner Heimat anlangte; dieser Provinzbewohner war allerdings Gascogner, und damals besonders standen d’Artagnans Landsleute nicht im Rufe, als ließen sie sich so leicht einschüchtern. In der Tat, sobald man einmal durch die starke, mit langen viereckigen Nägeln beschlagene Tür gelangt war, geriet man unmittelbar mitten in eine Truppe von Männern des Degens, die sich im Hofe herumtrieben, einander anriefen, mit einander stritten und spielten. Um sich durch diese brausenden Wogen eine Bahn zu brechen, hätte man ein Offizier, ein vornehmer Herr oder eine hübsche Frau sein müssen.
Mitten durch dieses Gedränge und diese Unordnung rückte unser junger Mann mit zitterndem Herzen, den langen Raufdegen an die magern Beine drückend und eine Hand an den Rand seines Filzes haltend, mit dem verlegenen provinzialen Halblächeln, das eine gute Haltung gebensoll, sachte vorwärts. Hatte er eine Gruppe hinter sich, so atmete er freier; aber er begriff wohl, dass man sich umwandte, um ihm nachzuschauen, und zum ersten Mal in seinem Leben kam sich d’Artagnan, der bis auf diesen Tag eine ziemlich gute Meinung von sich selbst gehabt hatte, lächerlich vor.
Als er zur Treppe gelangte, war die Sache noch schlimmer: er fand hier auf den ersten Stufen vier Musketiere, die sich mit folgender Übung belustigten, während zehn bis zwölf mit ihren Kameraden auf dem Ruheplatz der Treppe warteten, bis es an sie käme, an der Partie Teil zu nehmen. Einer von ihnen, der mit entblößtem Degen auf der obersten Stufe stand, verhinderte die anderen herauf zu steigen, oder er bemühte sich wenigstens, sie daran zu verhindern. Diese drei anderen fochten mit sehr behänden Degenstößen gegen ihn. D’Artagnan hielt Anfangs ihre Eisen für Fechtrappiere und glaubte, sie seien mit Knöpfen versehen; aber bald erkannte er an gewissen Schrammen, dass jede Waffe im Gegenteil gehörig zugespitzt und scharf geschliffen war. Und bei jeder von diesen Schrammen lachten nicht nur die Zuschauer, sondern auch die handelnden Personen, wie die Narren.
Derjenige, welcher in diesem Augenblick die oberste Stufe behauptete, hielt seine Gegner vortrefflich im Schach. Man bildete einen Kreis um sie. Es war Bedingung hierbei, dass bei jedem Stoße der Getroffene die Partie verlassen musste, und dadurch seine Audienzreihe zu Gunsten des Berührenden verlieren sollte. In fünf Minuten waren drei gestreift, der eine an der Handwurzel, der andere am Kinn, der dritte am Ohr, während der Verteidiger, der ihnen diese Schrammen beibrachte, unberührt blieb, eine Geschicklichkeit, die ihm eine dreimalige Audienzreihe zu seinen Gunsten eintrug. So schwer auch unser junger Reisender in Erstaunen zu setzen war, oder wenigstens sein wollte, so verblüffte ihn doch dieser Zeitvertreib gewaltig: er hatte in seiner Provinz, auf diesem Boden, wo sich die Köpfe doch so schnell erhitzen, etwas mehr als Präliminarien zu Zweikämpfen gesehen, und die Gaskonade der vier Spieler erschien ihm als die stärkste unter allen, von denen er bis jetzt selbst in der Gascogne gehört hatte. Er glaubte sich in das berühmte Land der Riesen versetzt, wohin Gulliver ging und wo er so gewaltig bange hatte; und er war noch nicht einmal am Ziele: es blieben noch der Ruheplatz und das Vorzimmer.
Auf dem Ruheplatz der Treppe schlug man sich nicht, man erzählte sich Geschichten von Frauen, und im Vorzimmer Hofgeschichten. Auf dem Ruheplatz errötete d’Artagnan, im Vorzimmer schauderte er. Seine rege, umherirrende Einbildungskraft, die ihn in der Gascogne für Kammermädchen und zuweilen sogar für junge Edeldamen furchtbar machte, hatte nie, selbst nicht einmal in den Augenblicken des Delirierens, die Hälfte dieser verliebten Abenteuer und den vierten Teil dieser Heldentaten geträumt, bei denen die bekanntesten Namen herhalten mussten und die Details ganz und gar nicht verschleiert wurden. Aber wenn auf dem Ruheplatz sein Sittlichkeitsgefühl verletzt wurde, so bereitete man im Vorzimmer seiner Achtung vor dem Kardinal ein wahres Ärgernis. Hier hörte d’Artagnan zu seinem größten Erstaunen ganz laut die Politik, welche Europa erzittern machte, und das Privatleben des Kardinals kritisieren, für dessen Verunglimpfung so viele hochgestellte und mächtige Herren gestraft worden waren; dieser große, von Herrn d’Artagnan Vater verehrte Mann wurde verspottet von den Musketieren des Herrn von Treville, welche sich über seine krummen Beine und seinen gewölbten Rücken lustig machten; Einige sangen Spottlieder auf Madame d’Aiguillon, seine Geliebte, und auf Frau Combalet, seine Nichte, während andere gegen die Pagen und die Leibwachen des Kardinal-Herzogs Pläne schmiedeten, lauter Dinge, welche d’Artagnan als monströse Unmöglichkeiten vorkamen.
Indessen kam zuweilen plötzlich und ganz unversehens der Name des Königs mitten unter diese kardinalistischen Scherze wie eine Art von Knebel, der für einen Augenblick allen Anwesenden den spöttischen Mund verstopfte; man schaute sachte um sich her und schien die Indiskretion der Scheidewand am Kabinett des Herrn von Treville zu fürchten. Aber bald brachte irgendeine Anspielung das Gespräch wieder auf Se. Eminenz, die Spöttereien wurden immer derber und keine seiner Handlungen blieb mit einer kräftigen Beleuchtung verschont.
„Gewiss sind dies Leute, welche insgesamt nach der Bastille gebracht und gehängt werden,“ dachte d’Artagnan mit Schrecken, „und ich ohne Zweifel mit ihnen, denn von dem Augenblick an, wo ich sie gehört und verstanden habe, wird man mich für ihren Mitschuldigen halten. Was würde mein Herr Vater sagen, der mir so dringend Achtung vor dem Kardinal eingeschärft hat, wenn er mich in Gesellschaft von solchen Lümmeln wüsste?“
D’Artagnan wagte es also, wie man sich leicht denken kann, nicht, an dem Gespräche Teil zu nehmen, er schaute nur mit beiden Augen, hörte nur mit beiden Ohren, er hielt seine fünf Sinne gierig gespannt, um nichts zu verlieren, und trotz seines Vertrauens auf die väterlichen Ermahnungen fühlte er sich, in Folge seiner Geschmacksrichtung und von seinen Instinkten hingerissen, mehr geneigt, die unerhörten Dinge, die sich in seiner Gegenwart ereigneten, zu loben als zu tadeln.
Da er indessen der Menge der Höflinge des Herrn von Treville völlig fremd war, und da man ihn zum ersten Male an diesem Ort bemerkte, so fragte man ihn, was er wünsche. Auf diese Frage nannte d’Artagnan demütig seinen Namen; er berief sich aus seinen Titel als Landsmann und ersuchte den Kammerdiener, der diese Frage an ihn gerichtet hatte, Herrn von Treville für ihn um eine kurze Audienz zu bitten, welche Bitte man in hohem Gönnertone zu geeigneter Zeit und geeigneten Orts vorzutragen versprach.
D’Artagnan erholte sich allmählich von seinem ersten Staunen und hatte nun Musse, die Trachten und Gesichter ein wenig zu studieren.
Der Mittelpunkt der belebtesten Gruppe war ein Musketier von großer Gestalt, hochmütigem Antlitz und höchst wunderlichem Aufzug, welcher die allgemeine Aufmerksamkeit auf ihn lenkte. Er trug in diesem Augenblick keine Uniform, wozu er auch in jener Zeit geringerer Freiheit, aber größerer Unabhängigkeit nicht durchaus verbunden war, sondern er hatte einen etwas abgetragenen Leibrock an, und auf diesem Kleide gewahrte man ein prachtvolles Wehrgehänge mit goldenen Stickereien, das funkelte, wie ein Wasserspiegel im vollen Sonnenschein. Ein langer, karmesinroter Mantel fiel anmutig über die Schultern und ließ vorn nur das glänzende Wehrgehänge sehen, woran ein riesiger Raufdegen befestigt war.
Dieser Musketier war soeben von der Wache abgekommen, beklagte sich über Schnupfen und hustete von Zeit zu Zeit mit einer gewissen Affektation. Deshalb hatte er den Mantel genommen, wie er zu seiner Umgebung sagte, und während er von oben herab sprach und verächtlich seinen Schnurrbart kräuselte, bewunderte man mit großer Begeisterung – d’Artagnan mehr, als jeder Andere – das gestickte Wehrgehänge.
„Was wollt Ihr, es kommt in die Mode“, sagte der Musketier; „es ist eine Torheit, ich weiß es wohl, aber es ist einmal Mode. Überdies muss man doch auch sein ererbtes Vermögen draufgehen lassen.“
„ Ah! Porthos! “ rief einer von den Umherstehenden, „suche uns nicht glauben zu machen, dieses Wehrgehänge sei Dir durch die väterliche Großmut zugefallen; die verschleierte Dame hat es Dir ohne Zweifel gegeben, mit der ich Dir an einem Sonntag in der Nähe der Porte Saint-Honoré begegnete.“
„Nein, auf Ehre und Edelmannsparole, ich habe es selbst und zwar um mein eigenes Geld gekauft“, antwortete derjenige, welchen man mit dem Namen Porthos bezeichnete.
„Ja, wie ich diese neue Börse mit Dem gekauft habe, was mir meine Geliebte in die alte gesteckt hat“, sprach ein anderer Musketier.
„Wahrhaftig, ich habe zehn Pistolen dafür bezahlt“, sagte Porthos.
Die Bewunderung verdoppelte sich, obgleich der Zweifel noch fortbestand.
„Nicht wahr, Aramis ?“ fragte Porthos, und wandte sich dabei gegen einen dritten Musketier um.
Dieser bildete einen vollständigen Kontrast mit dem Fragenden, der ihn mit dem Namen Aramis bezeichnet hatte. Er war ein junger Mann von kaum zwei- bis dreiundzwanzig Jahren, mit naivem, süßlichem Gesichte, schwarzem, sanftem Auge und mit Wangen, so rosig, wie ein Pfirsich im Herbste; sein feiner Schnurrbart zog eine völlig gerade Linie auf seiner Oberlippe; seine Hände schienen sich vor dem Herabhängen zu hüten, weil ihre Adern anschwellen könnten, und von Zeit zu Zeit kniff er sich in die Ohren, um sie in einem zarten, durchsichtigen Inkarnat zu erhalten. Er hatte die Gewohnheit, wenig zu sprechen, viel zu grüßen und geräuschlos zu lachen, wobei er seine schönen Zähne zeigte, auf die er, wie aus seine ganze Person, die größte Sorgfalt zu verwenden schien. Er beantwortete die Aufforderung seines Freundes mit einem bestätigenden Kopfnicken.
Diese Bestätigung schien allen Zweifeln in Beziehung auf das Wehrgehänge ein Ende zu machen; man bewunderte es fortwährend, aber man sagte nichts mehr davon, und das Gespräch ging in Folge einer der raschen Wendungen des Gedankens auf einen anderen Gegenstand über.
„Was denkt Ihr von dem, was der Stallmeister von Chalais erzählt?“ fragte ein anderer Musketier, ohne seine Worte unmittelbar an einen von der Gruppe zu richten, sondern im Gegenteil sich an alle Umstehenden wendend.
„Und was erzählt er?“ sagte Porthos in anmaßendem Tone.
„Er erzählt, er habe in Brüssel Rochefort, den Vertrauten des Kardinals, als Kapuziner verkleidet getroffen; der verfluchte Rochefort hatte in dieser Verkleidung Herrn von Laigues, gerade wie er ist, als einen wahren Einfaltspinsel gespielt.“
„Als einen wahren Einfaltspinsel“, fragte Porthos, „aber ist die Sache gewiss?“
„Ich habe es von Aramis gehört“, antwortete der Musketier.
„Wirklich?“
„Ei! Ihr wisst es wohl, Porthos, “ sagte Aramis, „ich habe es Euch selbst gestern erzählt; sprechen wir nicht mehr davon.“
„Nicht mehr davon sprechen, meint Ihr?“ erwiderte Porthos. „Nicht mehr davon sprechen? Zum Henker! Wie! der Kardinal lässt einen Edelmann ausspähen, er lässt ihm seine Korrespondenz durch einen Verräter, durch einen Dieb, durch einen Galgenstrick stehlen; lässt mit Hilfe dieser Späher und dieser Korrespondenz Chalais unter dem törichten Vorwand, er habe den König ermordet und Monsieur mit der Königin verheiraten wollen, den Hals abschneiden! Niemand wusste etwas von diesem Rätsel, Ihr erfuhrt es gestern zum allgemeinen Erstaunen, und während wir über diese Neuigkeit noch ganz verwundert sind, kommt Ihr heute und sagt: Sprechen wir nicht mehr davon!“
„Sprechen wir also davon, wenn Ihr es wünscht“, erwiderte Aramis geduldig.
„Wäre ich der Stallmeister des armen Chalais, “ rief Porthos, „so würde dieser Rochefort einen schlimmen Augenblick mit mir erleben.“
„Und ihr würdet einen schlimmen Augenblick mit dem Herzog Rot erleben“, versetzte Aramis.
„Ah! der Herzog Rot! bravo, bravo, der Herzog Rot!“ erwiderte Porthos, in die Hände klatschend. „Der Herzog Rot, das ist allerliebst. Ich werde den Witz verbreiten, seid nur ruhig. Welch ein gescheiter Kerl doch dieser Aramis ist! Es ist ein wahres Unglück, dass Ihr Euren Beruf nicht verfolgen konntet, mein Lieber; was für ein köstlicher Abbé wäre doch aus Euch geworden!“
„Ah! das ist nur für den Augenblick hinausgeschoben,“ entgegnete Aramis, „ich werde es später schon noch werden; Ihr wisst wohl, Porthos, dass ich zu diesem Behuf die Theologie zu studieren fortfahre.“
„Er tut, was er sagt“, rief Porthos, „er tut es früher oder später.“
„Früher“, sprach Aramis.
„Er wartet nur eines ab, um sich gänzlich hierfür zu entscheiden und die Sutane zu nehmen, welche hinter seiner Uniform hängt“, sagte ein anderer Musketier.
„Und was wartet er denn ab?“ fragte ein Dritter.
„Er wartet, bis die Königin der Krone Frankreich einen Erben geschenkt hat.“
„Scherzen wir nicht hierüber, meine Herren“, sprach Porthos; „sie ist, Gott sei Dank! noch in dem Alter, um der Krone einen Erben zu schenken.“
„Man sagt, Herr von Buckingham sei in Frankreich“, versetzte Aramis mit einem spöttischen Lächeln, das dieser scheinbar so einfachen Äußerung eine ziemlich skandalöse Bedeutung verlieh.
„Aramis, mein Freund,“ unterbrach ihn Porthos, „diesmal habt Ihr Unrecht; Eure Manie, Witze zu machen, lässt Euch beständig alle Grenzen überspringen; wenn Herr von Treville Euch hörte, so dürftet Ihr eine solche Sprache teuer zu bezahlen haben.“
„Wollt Ihr mir eine Lektion geben. Porthos!“ rief Aramis, und durch sein sanftes Auge zuckte ein Blitz.
„Mein Lieber, seid Musketier oder Abbé, seid das Eine oder das Andere, aber nicht das Eine und das Andere, “ erwiderte Porthos. „Hört, Athos hat Euch noch vor kurzem gesagt: Ihr esst an allen Raufen! Oh! erzürnt Euch nicht, es wäre vergeblich, Ihr wisst wohl, was zwischen Euch, Athos und mir abgemacht ist. Ihr geht zur Frau d’Aiguillon und macht ihr den Hof; Ihr geht zur Frau von Bois-Tracy, der Base der Frau von Chevreuse, und man sagt, Ihr stehet bedeutend in Gnade bei der Dame. Oh! mein Gott, Ihr braucht Euer Glück nicht einzugestehen; man fragt Euch nicht um Euer Geheimnis, denn man kennt Eure Diskretion. Aber da Ihr diese Tugend besitzt, so macht in des Teufels Namen in Beziehung auf Ihre Majestät davon Gebrauch. Beschäftige sich mit dem König und dem Kardinal wer will und wie jeder will; aber die Königin ist geheiligt, und wenn man von ihr spricht, so muss es in Gutem geschehen.“
„Porthos, Ihr seid anmaßend, wie ein Narziss, “ erwiderte Aramis. „Ihr wisst, dass ich die Moral hasse, außer wenn sie von Athos gepredigt wird. Was Euch betrifft, mein Lieber, Ihr habt ein viel zu prachtvolles Wehrgehänge, um in diesem Punkt stark zu sein. Ich werde Abbé, wann es mir beliebt; mittlerweile bin ich Musketier; in dieser Eigenschaft sage ich, was mir gefällt, und in diesem Augenblick gefällt es mir zu sagen, dass Ihr mich ungeduldig macht!“
„Aramis!“
„Porthos!“
„He, meine Herren! meine Herren!“ rief man um sie her.
„Herr von Treville erwartet Herrn d’Artagnan“, unterbrach der Bediente, die Tür des Kabinetts öffnend.
Bei dieser Ankündigung, während welcher die Türe offen blieb, schwieg Jeder, und unter diesem Stillschweigen durchschritt der junge Gascogner das Vorzimmer und trat bei dem Kapitän der Musketiere ein, nicht ohne sich von ganzem Herzen Glück zu wünschen, dass er gerade zu rechter Zeit dem Ende dieses seltsamen Streites entging.
Herr von Treville war in diesem Augenblick in einer abscheulichen Laune; nichtsdestoweniger grüßte er höflich den jungen Mann, der sich bis zur Erde vor ihm verbeugte, und nahm lächelnd sein Kompliment auf, dessen bearnesischer Ausdruck ihn zugleich an seine Jugend und an seine Heimat erinnerte – eine doppelte Erinnerung, welche den Menschen in jedem Alter zum Lächeln bewegt. Aber beinahe in demselben Augenblick trat er, d’Artagnan mit der Hand ein Zeichen machend, als wolle er ihn um Erlaubnis bitten, die anderen abzufertigen, ehe er mit ihm anfinge, trat er, sagen wir, an die Türe, und rief dreimal, jedes Mal die Stimme verstärkend, so dass er alle Intervall-Töne zwischen dem befehlenden und dem aufgereizten Accent durchlief:
„Athos! Porthos! Aramis!“
Die uns bereits bekannten zwei Musketiere antworteten auf die zwei letzten von diesen drei Namen, verließen sogleich die Gruppen, unter denen sie standen, und gingen auf das Kabinett zu, dessen Türe sich hinter ihnen schloss, sobald sie die Schwelle überschritten hatten. Ihre Haltung erregte, obgleich sie nicht ganz ruhig war, durch ihre zugleich würdevolle und ehrerbietige Ungezwungenheit die Bewunderung d’Artagnans, der in diesen Menschen Halbgötter und in ihrem Anführer einen mit all seinen Blitzen bewaffneten Jupiter erblickte.
Als die Musketiere eingetreten waren, als die Türe hinter ihnen geschlossen war, als das Gemurmel im Vorzimmer, dem der Aufruf ohne Zweifel neue Nahrung gab, wieder angefangen und Herr von Treville endlich dreimal sein Kabinett, schweigend und mit gefalteter Stirne immer an Porthos und Aramis vorübergehend, welche steif und stumm wie auf der Parade dastanden, der ganzen Länge nach durchschritten hatte, blieb er plötzlich vor ihnen stehen, maß sie von Kopf zu Fuß mit zornigen Blicken und rief:
„Wisst Ihr, was mir der König gesagt hat, und zwar erst gestern Abend, wisst Ihr es, meine Herren?“
„Nein“, antworteten die zwei Musketiere nach kurzem Stillschweigen; „nein, gnädiger Herr, wir wissen es nicht.“
„Aber ich hoffe, Ihr werdet uns die Ehre erweisen, es uns zu sagen“, fügte Aramis in seinem höflichen Tone und mit der anmutigsten Verbeugung bei.
„Er hat mir gesagt, er werde in Zukunft seine Musketiere unter der Leibwache des Herrn Kardinals rekrutieren.“