Alexandre Dumas: Historische Romane, Abenteuergeschichten und Biografien - Alexandre Dumas - E-Book

Alexandre Dumas: Historische Romane, Abenteuergeschichten und Biografien E-Book

Dumas Alexandre

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Beschreibung

Der Band 'Alexandre Dumas: Historische Romane, Abenteuergeschichten und Biografien' präsentiert eine vielfältige Sammlung von Werken dieses berühmten französischen Autors. Dumas' literarischer Stil ist geprägt von lebhaften Beschreibungen, packender Handlung und komplexen Charakteren. In diesem Buch werden einige seiner bekanntesten Werke wie 'Die drei Musketiere' und 'Der Graf von Monte Christo' vorgestellt, die nicht nur als Klassiker der Weltliteratur gelten, sondern auch Einblicke in die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse seiner Zeit bieten. Dumas' Geschichten sind voller Abenteuer, Intrigen und Emotionen, die den Leser in eine andere Epoche entführen.

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Alexandre Dumas

Alexandre Dumas: Historische Romane, Abenteuergeschichten und Biografien

Die drei Musketiere + Der Graf von Monte Christo + Napoleon Bonaparte + Ange Pitou + Lady Hamilton + Bernhard + Cherubino und Celestini + Johanna d'Arc + Das Halsband der Königin...

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-0350-5

Inhaltsverzeichnis

Die drei Musketiere
Zwanzig Jahre nachher
Der Graf von Monte Christo
Das Halsband der Königin
Ange Pitou oder Die Erstürmung der Bastille
Der Frauenkrieg
Die Fünfundvierzig
Die Gräfin Charny
Napoleon Bonaparte
Lady Hamilton (Memoiren einer Favoritin)
Zehn Jahre später (oder der Graf von Bragelonne)
Bernhard
Blanca von Beaulieu
Cherubino und Celestini
Das Brautkleid
Ein Liebesabenteuer
Ein Maskenball
Gabriel Lambert - Der Galeerensklave
Jakob I. und Jakob II.
Johanna d'Arc
Joseph Balsamo
Kabriolett-Kutscher
Katharine Blum
Otto der Schütz
Pascal Bruno
Pauline
Black
Die beiden Dianen
Seeabenteuer und Schiffbrüche
Olympia von Clèves
Ingénue
Don Martin von Fraytas

Die drei Musketiere

Übersetzt von Georg Carl Lehmann
Inhaltsverzeichnis
Die drei Geschenke des Herrn d’Artagnan, des Vaters
Das Vorgemach des Herrn von Treville
Die Audienz
Die Schulter des Athos, das Wehrgehänge des Porthos und das Sacktuch des Arimas
Die Musketiere des Königs und die Garden des Herrn Kardinals
Seine Majestät der König Ludwig XIII
Die innere Wirtschaft der Musketiere
Eine Hofintrige
D’Artagnan zeigt sich uns deutlicher
Eine Mausefalle im siebzehnten Jahrhundert
Die Intrige verwickelt sich
George Billiers, Herzog von Buckingham
Herr Bonacieux
Der Mann von Meung
Leute aus dem Bürgerstand nnd Militärs
Wo der Herr Siegelbewahrer Séguier öfter die Glocke suchte, um zu läuten, wie er es sonst getan hat
Die Hauswirtschaft des Bonacieux
Der Liebhaber und der Gemahl
Feldzugsplan
Die Reise
Das Ballett der Merlaison
Das Rendezvous
Der Pavillon
Porthos
Der Brief von Aramis
Die Frau des Athos
Die Rückkehr
Die Jagd nach der Equipierung
Mylady
Ein Duell und ein ungalantes Abenteuer
Wo von der Equipierung des Aramis und Porthos gehandelt wird
Des Nachts sind alle Katzen grau
Ein Rachetraum
Das Geheimnis der Mylady
Wie Athos seine Equipierung fand, ohne sich dabei anzustrengen
Eine süße Erscheinung
Eine schreckliche Erscheinung
Die Belagerung von La Rochelle
Das Gasthaus »Zum roten Taubenschlag«
Von dem Nutzen der Ofenröhren
Eine Eheszene
Der Rat der Musketiere
Eine Familienangelegenheit
Fatalitäten
Gespräch zwischen einem Bruder und einer Schwester
Offizier
In der Gefangenschaft
Ein Stoff zu einer klassischen Tragödie
Die Flucht
Was sich am 23. August 1628 in Portsmouth ereignet hat
In Frankreich
Das Kloster der Karmeliterinnen zu Bethune
Zwei Spielarten von Teufeln
Ein Tropfen Wasser
Der Mann mit dem roten Mantel
Das Gericht
Die Hinrichtung
Eine Botschaft vom Kardinal

Die drei Geschenke des Herrn d’Artagnan, des Vaters

Inhaltsverzeichnis

Am ersten Montag des Monats April 1625 schien es, als ob der Flecken Meung derart im Aufstand begriffen sei, als wären die Hugenotten gekommen, um die Schrecknisse von Rochelles zu erneuern. Mehrere Bürger beeilten sich, als sie die Weiber durch die Straßen ziehen sahen und die Kinder an den Türschwellen kreischen hörten, die Panzer anzuschnallen und, indem sie ihre etwas unsichere Haltung durch eine Muskete oder eine Partisane unterstützten, sich nach der Herberge des »Freimüllers« zu wenden, vor der sich eine dichte, geräuschvolle und neugierige Schar hindrängte, die sich von Minute zu Minute vergrößerte.

Um diese Zeit gab es viele solche panische Schrecken und es verflossen oft nur wenige Tage, ohne daß nicht die eine oder die andere Stadt einen Vorfall dieser Art in ihren Archiven aufzuzeichnen hatte, es gab da Edelleute, die sich untereinander bekriegten; hier führte der König Krieg mit dem Kardinal, und da überzog der Spanier den König mit Krieg. Außer diesen geheimen oder öffentlichen, diesen stillen oder lauten Kriegen gab es Räuber, Bettler, Hugenotten, Wölfe und Lakaien, die sich mit aller Welt herumkriegten. Die Bürger bewaffneten sich jederzeit wider die Räuber, die Wölfe und Lakaien, oft wider die hohen Herren und Hugenotten und bisweilen auch wider den König – doch niemals wider den Kardinal und den Spanier. Aus dem geht nun hervor, daß die Bürger an dem besagten ersten Montag des Monats April 1625, als sie das Getöse vernahmen und weder den gelben und roten Standartenjunker noch die Livree des Herzogs von Richelieu sahen, eilig nach der Herberge des »Freimüllers« hinstürzten.

Als sie hier ankamen, konnte jeder die Ursache dieses Getöses sehen und erkennen. Ein junger Mann – zeichnen wir sein Bild mit einem Federzug – man stelle sich Don Quixote im achzehnten Jahre vor; Don Quixote ohne Brustschild, ohne Panzer und Schienen; Don Quixote in einem schafwollenen Wams, woran sich die blaue Farbe in eine unkenntliche Mischung von Weinhefe und Himmelsazur verwandelt hat. Das Gesicht war länglich und braun, der Backenknochen vorragend, im Zeichen der Verschmitztheit; die Kiefermuskeln ungemein stark ausgebildet, ein unfehlbares Zeichen, an dem man den Gascogner auch ohne Barett erkennt, und unser Mann trug eine Art Barett, das mit einer Feder geschmückt war; das Auge offen und verständig, die Nase gebogen und fein gezeichnet, zu groß für einen Jüngling, zu klein für einen ausgebildeten Mann, so daß ihn ein wenig geübtes Auge für den Sohn eines Pächters auf Reisen gehalten hätte, den langen Degen abgerechnet, der an einem ledernen Wehrgehänge hing und an die Waden des Eigners schlug, wenn er zu Fuß ging, und an das struppige Fell seines Kleppers, wenn er zu Pferde saß.

Denn unser junger Mann hatte einen Gaul, und dieser Gaul war ebenso bemerkenswert, als er bemerkt wurde. Es war ein Klepper von Bearn, zwölf bis vierzehn Jahre alt, von gelblicher Farbe, ohne Haar am Schweif, doch nicht ohne Beinfäule an den Füßen; er hielt im Gehen den Kopf tiefer als die Knie, machte den Gebrauch der Reitgerte unnütz, und legte täglich ganz hübsch seine acht Meilen zurück. Zum Unglück waren die Eigenschaften dieses Pferdes so gut unter dem seltsamen Fell und unter seinem strauchelnden Gang verborgen, daß zu einer Zeit, wo jedermann ein Kenner von Pferden war, das Erscheinen des besagten Kleppers in Meung, wo er vor etwa einer Viertelstunde durch das Tor Beaugency hereingetrabt war, ein Aufsehen erregte, dessen Ungunst sogar auf den Reiter zurückfiel. Als der Jüngling von seinem Vater das Pferd als Geschenk erhielt, bekam er noch eine kleine Rede als Draufgabe zu hören.

»Mein Sohn,« sprach der gascognische Edelmann, »dieses Pferd wurde vor beinahe dreizehn Jahren in dem Hause deines Vaters geboren, und ist seit dieser Zeit hier geblieben, weshalb dir dasselbe lieb sein soll. Verkaufe es nie; laß es ruhig und ehrenvoll an Alterschwäche absterben, und machst du mit ihm einen Feldzug, so halte es so, wie du einen alten Bedienten halten und pflegen würdest. Solltest du die Ehre haben, nach Hofe zu kommen, eine Ehre, zu der uns übrigens unser alter Adel berechtigt, so behaupte würdevoll unsern adeligen Namen, den unsere Ahnen seit mehr als 500 Jahren würdig getragen haben, sowohl für dich als auch für die Deinigen. Unter den Deinigen verstehe ich deine Verwandten und Freunde. Laß dir von niemandem etwas gefallen, als von dem Herrn Kardinal und dem König. Nur durch Mut, verstehe mich wohl, durch Mut allein macht heutzutage ein Edelmann seine Bahn. Wer eine Sekunde lang zittert, läßt vielleicht den Köder entschlüpfen, den ihm das Glück gerade in dieser Sekunde darbot. Du bist noch jung, und so hast du zwei Ursachen, um tapfer zu sein; fürs erste, weil du ein Gascogner, und fürs zweite, weil du mein Sohn bist. Ich habe nur noch ein Wort hinzuzufügen: es ist ein Beispiel, das ich dir vorstelle, aber nicht das meinige; denn ich war noch nie bei Hof und habe nur als Freiwilliger die Religionskriege mitgemacht; ich will von Herrn von Tréville sprechen, der einst mein Nachbar war und die Ehre genoß, noch als Kind mit unserm König Ludwig XIII. zu spielen, den uns Gott bewahre. Bisweilen arteten ihre Spiele in Schlachten aus, wobei der König nicht immer der Stärkere war. Die Schläge, die er da erhielt, flößten ihm für Herrn von Tréville viel Achtung und Freundschaft ein. Jetzt ist er, ungeachtet der Edikte, Befehle und Urteilssprüche, Kapitän der Musketiere; Oberhaupt einer Legion der Cäsaren, auf die der König große Stücke hält und die der Kardinal fürchtet, der sich selbst vor niemandem scheut, wie jeder weiß. Ferner bezieht Herr von Tréville jährlich zehntausend Taler, und so ist er ein wahrhaft großer Herr. Er hat so angefangen wie du; gehe zu ihm mit diesem Brief und richte dich nach ihm, damit du werdest, was er ist.«

Hierauf umgürtete Herr d’Artagnan, der Vater, seinem Sohne den eigenen Degen, küßte ihn auf beide Wangen und erteilte ihm den Segen.

Der junge Mann begab sich noch an demselben Tag auf die Reise, ausgestattet mit den drei väterlichen Geschenken, die, wie schon gesagt, aus fünfzehn Talern, aus dem Pferd und dem Brief an Herrn von Tréville bestanden; die Ratschläge waren bloß die Daraufgabe, wie es sich erachten läßt.

Als er vor der Tür des »Freimüllers« im Städtchen Meung vom Pferde stieg, ohne daß ein Wirt, ein Kellner oder Stallknecht kam, um ihm den Steigbügel zu halten, so erblickte er durch ein halbgeöffnetes Fenster im Erdgeschoß einen Edelmann von schönem Wuchs und edler Miene, obwohl mit etwas gerunzelter Stirn, während dieser mit zwei Personen sprach, die ihn aufmerksam anzuhören schienen. D’Artagnan war, wie gewöhnlich, ganz natürlich der Meinung, er sei der Gegenstand des Gesprächs und horchte. Diesmal hatte sich d’Artagnan nur halb getäuscht; es war nicht von ihm, sondern von seinem Pferde die Rede. Der Edelmann schien seinen Zuhörern alle Eigenschaften dieses Kleppers aufzuzählen; und da diese Zuhörer, wie gesagt, eine große Ehrfurcht vor ihrem Erzähler zu haben schienen, so erhoben sie ein lautes Gelächter. Wie nun schon ein halbes Lächeln hinreichte, um die Zornmütigkeit des jungen Mannes zu entflammen, so erklärt es sich, welche Wirkung solch eine lärmende Fröhlichkeit auf ihn hervorbrachte. Zuvörderst wollte sich aber d’Artagnan über die Physiognomie des Verwegenen, der ihn verhöhnte, Rechenschaft geben. Er richtete seinen Blick stolz auf den Fremden, und erkannte in ihm einen Mann von vierzig bis fünfundvierzig Jahren, mit schwarzen, durchdringenden Augen, blasser Gesichtsfarbe, stark hervorragender Nase und einem schwarzen, gutgeschnittenen Schnurrbart; er trug ein Wams und violettblaue Beinkleider mit Schnürnesteln von derselben Farbe, ohne eine andere Verzierung als die gewöhnlichen Schleifen, durch die das Hemd ging. Obgleich dieses Wams und die Beinkleider neu waren, so schienen sie doch stark zerkrümmt, als wären sie lange auf der Reise verpackt gewesen. D’Artagnan machte alle seine Bemerkungen mit der Raschheit des genauesten Beobachters, zweifelsohne von einem instinktartigen Gefühl angetrieben, das ihm sagte, daß dieser Unbekannte auf sein künftiges Leben einen großen Einfluß haben sollte.

Wie nun in dem Augenblick, als d’Artagnan sein Auge auf den Edelmann mit der violettblauen Hose richtete, dieser in bezug auf den bearnischen Klepper eine seiner gelehrtesten und gründlichsten Demonstrationen machte, so erhoben seine zwei Zuhörer ein lautschallendes Gelächter, und er selbst ließ, sichtlich wider seine Gewohnheit, ein blasses Lächeln, wenn man so sagen darf, über sein Gesicht hingleiten. Diesmal lag es außer allem Zweifel, d’Artagnan wurde wirklich verhöhnt. Er drückte somit, voll von dieser Überzeugung, sein Barett tief in die Augen, und indem er einige Hofmienen nachzuahmen bemüht war, die er bei vornehmen Herren auf ihrer Reise durch die Gascogne aufgehascht hatte, fuhr er mit der einen Hand nach seinem Degengriff und stemmte die andere an seine Hüfte. Zum Unglück verblendete ihn der Zorn immer mehr, je weiter er vorwärts schritt, und statt einer würdevollen und stolzen Rede, mit der er seine Herausforderung zu machen gesonnen war, fand er an seiner Zungenspitze nur mehr eine derbe Persönlichkeit, die er mit einer ungestümen Gebärde begleitete.

»He, mein Herr,« rief er, »mein Herr, der Ihr Euch hinter jenem Ballen versteckt; ja, Ihr! sagt mir doch ein bißchen, worüber Ihr lacht, und wir werden dann mitsammen lachen.«

Der Edelmann lenkte seine Augen langsam von dem Gaul auf den Ritter, als benötigte er eine gewisse Zeit, um zu begreifen, wie man doch so seltsame Worte an ihn richten könnte; und dann, als ihm kein Zweifel mehr übrig blieb, runzelte er leicht die Stirn und antwortete Herrn d’Artagnan, nach ziemlich langer Pause, mit einem Tone von Ironie und Kühnheit, der sich nicht beschreiben läßt: »Mit Euch rede ich nicht, mein Herr.«

»Aber ich rede mit Euch, mein Herr!« rief der junge Mann, erbittert über dieses Gemisch von Keckheit und guten Manieren, von Anstand und Verachtung. Der Unbekannte maß ihn noch einen Augenblick mit seinem leichten Lächeln, zog sich vom Fenster zurück und verließ langsamen Schrittes das Wirtshaus, näherte sich d’Artagnan bis auf zwei Schritte und hielt vor dem Pferd an. Seine ruhige Haltung und höhnische Miene erhöhte die Heiterkeit der Männer, mit denen er am Fenster gesprochen, die aber zurückgeblieben waren. Als ihn d’Artagnan herankommen sah, zog er seinen Degen einen Fuß weit aus der Scheide. »Dieses Pferd ist entschieden oder war vielmehr in seiner Jugend ein Goldfuchs,« sagte der Unbekannte, während er seine angefangenen Untersuchungen fortsetzte; dann wandte er sich an seine Zuhörer am Fenster, ohne daß er aus die Erbitterung d’Artagnans zu merken schien, der sich zwischen sie und ihn stellte. »Diese Farbe«, sprach er, »ist wohl in der Botanik sehr bekannt, doch bisher höchst selten unter den Pferden.«

»Wer es nicht wagen würde, über den Herrn zu lachen, der lacht über dessen Pferd!« rief der Nacheiferer Trévilles in Wut. »Ich lache nicht oft, mein Herr,« entgegnete der Unbekannte, »wie Ihr es selbst aus meinen Gesichtszügen entnehmen könnt, aber ich halte auf das Vorrecht, lachen zu können, wann es mir beliebt.«

»Und ich,« rief d’Artagnan, »ich will nicht, daß man über mich lacht, wenn es mir mißfällt.«

»Wirklich, mein Herr?« entgegnete der Unbekannte, ruhiger als zuvor, »nun, das ist doch ganz recht!« Dann drehte er sich auf seinen Fersen und schickte sich an, durch das große Tor in das Gasthaus zurückzukehren, unter dem d’Artagnan ein Pferd bemerkte, das ganz gesattelt war. Doch d’Artagnan hatte nicht den Charakter, auf solche Weise einen Mann von sich zu lassen, der so keck war, ihn zu verhöhnen. Er zog seinen Degen ganz aus der Scheide, folgte ihm nach und rief: »Wendet Euch, Herr Spötter, wendet Euch um, damit ich Euch nicht auf den Rücken zu klopfen brauche.«

»Mich klopfen? mich!« sprach der andere, indem er sich auf den Fersen herumdrehte und den jungen Mann mit ebensoviel Verwunderung als Verachtung anstarrte. »Geht, mein Lieber, Ihr seid ein Narr!« Dann sagte er mit leiser Stimme, gleichsam zu sich selber sprechend: »Das ist verdrießlich; welch ein Fund wäre das für Seine Majestät, die nach allen Richtungen wackere Leute aufsucht, um sie für die Musketiere anzuwerben!«

Kaum hatte er das gesprochen, so machte d’Artagnan mit der Degenspitze einen so wütenden Streich nach ihm, daß er, wäre er nicht rasch zurückgesprungen, wohl zum letztenmal gehöhnt hätte. Der Unbekannte sah nun ein, daß die Sache über allen Scherz hinausging, zog seinen Degen, verneigte sich vor seinem Gegner und nahm ernst seine Stellung. In diesem Moment aber fielen seine zwei Zuhörer samt dem Wirte mit Stöcken, Schaufeln und Zangen über d’Artagnan her. Das gab dem Angriff einen so raschen und vollständigen Vorschub, daß der Gegner des d’Artagnan, während sich dieser umwandte, um dem Hagel von Schlägen zu begegnen, seinen Degen mit seiner gewöhnlichen Gleichmütigkeit einsteckte und aus einer handelnden Person wieder ein Zuschauer des Kampfes wurde, aber dabei doch in den Bart murmelte: »Die Pest über die Gascogner! Setzt ihn wieder auf sein orangegelbes Pferd, und er möge sich sputen!«

»Nicht, eh’ ich dich durchbohrt habe. Feiger!« rief d’Artagnan, während er sich, so gut es anging und ohne einen Schritt zu weichen, gegen die Streiche seiner drei Feinde hielt.

»Das ist wieder eine Gascognade!« murmelte der Edelmann. »Auf Ehre, diese Gascogner sind unverbesserlich! Setzt doch den Tanz fort, weil er es durchaus wünscht. Wenn er müde ist, wird er schon rufen: jetzt ist es genug!« Allein der Unbekannte wußte es noch nicht, mit welchem Kämpen er es zu tun habe; d’Artagnan war nicht der Mann, der um Gnade bat. Somit dauerte der Kampf noch einige Sekunden fort, endlich aber ließ d’Artagnan erschöpft den Degen sinken, den ein Stockstreich in zwei Stücke zerschlug. Ein zweiter Streich, der nach seiner Stirn geführt wurde, schleuderte ihn fast zu gleicher Zeit ganz blutend und beinahe ohnmächtig zu Boden.

In diesem Moment eilte man von allen Seiten zu diesem Auftritt herbei; der Wirt, der einen Skandal befürchtete, trug den Verwundeten mit Hilfe seiner Burschen in die Küche, wo man ihm einigen Beistand leistete. Was den Edelmann betrifft, so kehrte er an seinen früheren Platz am Fenster zurück und blickte mit einer gewissen Ungeduld auf die wogende Menge, die ihm durch ihr Verweilen einen lebhaften Widerspruch machen zu wollen schien.

»Nun, wie geht es dem Tollen?« fragte er, indem er sich bei dem Geräusch der aufgehenden Tür umkehrte und zu dem Wirte wandte, der sich nach seinem Befinden erkundigte.

»Ist Ew. Exzellenz gesund und unversehrt?« fragte der Wirt.

»Ja, ganz wohl und unversehrt, mein lieber Gastwirt! Und ich frage Euch, wie steht es mit unserm jungen Manne?«

»Es geht ihm besser,« entgegnete der Wirt; »er ist ganz ohnmächtig geworden.«

»Wirklich?« rief der Edelmann. »Ehe er aber ohnmächtig wurde, raffte er alle seine Kräfte zusammen, um Sie zu rufen und herauszufordern.«

»Dieser Junge ist doch der Teufel in Person!« rief der Unbekannte.

»Ach nein, Ew. Exzellenz! es ist nicht der Teufel,« entgegnete der Wirt mit einer Miene der Verachtung; »denn während seiner Ohnmacht untersuchten wir ihn, und fanden in seinem Pack nur ein Hemd und in seiner Börse nur elf Taler, was ihn aber, bevor er ganz ohnmächtig wurde, nicht abhielt zu sagen: wäre das in Paris geschehen, so würden Sie es auf der Stelle bereuen, während Sie es hier erst später zu bereuen hätten.«

»Dann ist er«, versetzte der Unbekannte kalt, »irgendein verkleideter Prinz von Geblüt.«

»Ich sage Ihnen das, gnädiger Herr,« sprach der Wirt, »damit Sie sich vor ihm hüten können.«

»Hat er in seiner Zornwut niemand genannt?«

»Ja, er schlug an seine Tasche und rief: Wir werden sehen, was Herr von Tréville zu dem Schimpfe sagen wird, der seinem Schützling angetan wurde.«

»Herr von Tréville?« sagte der Unbekannte, aufmerksam werdend; »er schlug an seine Tasche und sprach den Namen Tréville aus? – Nun, mein lieber Wirt, während der junge Mann bewußtlos dahinlag, habt Ihr es gewiß nicht unterlassen, in seine Tasche zu blicken. Uno was hat sich darin gefunden?«

»Ein Brief an Herrn Tréville, Kapitän der Musketiere.«

»Wirklich?«

»Es ist, Exzellenz, wie ich Ihnen zu sagen die Ehre habe.«

Der Wirt, der eben keinen großen Scharfblick besaß, bemerkte den Ausdruck nicht, den seine Worte im Antlitz des Unbekannten bewirkten. Dieser verließ die Fensterbrüstung, an der er stets auf den Ellenbogen gestützt gesessen war, und runzelte die Stirn in tiefer Unruhe. »Teufel,« murmelte er zwischen den Zähnen, »hat mir denn Tréville diesen Gascogner zugeschickt? Er ist noch sehr jung. Aber ein Degenstich ist einmal Degenstich, wie alt auch derjenige sein mag, der ihn versetzt, und man mißtraut einem Kinde weniger als jedem andern; bisweilen reicht ein schwaches Hindernis hin, um einen großartigen Entwurf zu vereiteln.«

Der Unbekannte verfiel in eine Betrachtung, die mehrere Minuten dauerte. »Herr Wirt,« sprach er dann, »werdet Ihr mich nicht von diesem Wahnsinnigen befreien? Ich kann ihn mit gutem Gewissen nicht töten, und doch,« fügte er mit einem kalt drohenden Ausdruck hinzu, »doch ist er mir lästig. Wo liegt er?«

»Im Gemach meiner Frau, wo man ihn verbindet, im ersten Stockwerk.«

»Sind seine Bündel und Säcke bei ihm? Zog er sein Wams nicht aus?«

»Im Gegenteil, das alles befindet sich in der Küche. Weil er Ihnen aber lästig ist, dieser junge Narr –«

»Allerdings. Auch verursacht er in Eurem Gasthaus einen Skandal, womit er ehrbare Leute versuchen wird. Geht hinauf, macht mir meine Rechnung, meldet es meinem Lakai.«

»Was, gnädiger Herr, Sie wollen uns schon verlassen?«

»Ihr wißt es wohl, weil ich Euch den Auftrag gab, mein Pferd zu satteln. Hat man mir nicht gehorcht?«

»Ja, und wie es Ew. Exzellenz schon sehen konnte, so steht das Pferd am Haupttor zur Abreise gesattelt und gezäumt.«

»Es ist gut; tut jetzt, was ich sagte.«

»Ach,« seufzte der Wirt, »sollte er sich etwa vor dem Jungen fürchten?«

Aber ein gebietender Blick des Unbekannten erschütterte ihn. Er verneigte sich demutsvoll uud entfernte sich.

»Mylady darf von diesem Jungen nicht bemerkt werden,« fuhr der Unbekannte fort; »sie muß alsbald vorübergehen; sie hat sich ohnedies schon verspätet. Es ist offenbar besser, daß ich das Pferd besteige und ihr entgegenreite. – Wenn ich nur erfahren könnte, was in diesem Brief an Tréville enthalten ist.« Der Unbekannte fuhr fort zu murmeln und wandte sich der Küche zu. Mittlerweile war der Wirt, der nicht daran zweifelte, die Anwesenheit des jungen Mannes verscheuche den Unbekannten aus seinem Gasthause, zu seiner Frau hinaufgegangen, wo er d’Artagnan schon als Meister seiner Sinne antraf. Er machte es ihm nun ganz begreiflich, wie ihm die Stadtwache übel mitspielen könnte, weil er mit einem vornehmen Herrn Händel anfing; denn in der Meinung des Wirtes konnte der Unbekannte nur ein vornehmer Herr sein, wonach er dem Verwundeten zuredete, sich ungeachtet seiner Schwäche aufzurichten und seine Reise fortzusetzen.

Halb betäubt, ohne Wams und den Kopf mit Linnen umwunden, erhob sich d’Artagnan und schickte sich an, vom Wirt angetrieben, die Treppe hinabzusteigen; als er aber zur Küche kam, fiel sein erster Blick auf seinen Herausforderer, der ruhig neben einem Wagen plauderte, der mit zwei plumpen, normannischen Pferden bespannt war.

Er besprach sich mit einer Frau von zwanzig bis zweiundzwanzig Jahren. Sie steckte ihren Kopf durch das Fenster des Kutschenschlages. Wir haben schon angemerkt, mit welch rascher Spürkraft d’Artagnan eine Psysiognomie aufzufassen verstand; er sah also auf den ersten Blick, daß die Frau jung und schön war. Diese Schönheit fiel ihm nun um so mehr auf, als sie eine ganz fremde Erscheinung in den südlichen Ländern war, die d’Artagnan bisher kennengelernt hatte. Sie war blaß und blond, hatte lange, geringelte Haare, die bis auf die Schulter herabflossen, große, blaue und schmachtende Augen, und führte mit dem Unbekannten ein sehr lebhaftes Gespräch.

»Seine Eminenz befiehlt mir also –?« sagte die Dame. »Unverzüglich nach England zurückzukehren, und ihr sogleich Nachricht zu geben, wenn der Herzog London verlassen hat.«

»Und was meine andern Aufträge anbelangt?« fragte die schöne Reisende. »Sie befinden sich in dem Kästchen, das Sie erst öffnen dürfen, wenn Sie über den Kanal la Manche gefahren sind.«

»Ganz wohl! Und Sie, was tun denn Sie?«

»Ich kehre nach Paris zurück.«

»Ohne den ungebührlichen Jungen zu züchtigen?« versetzte die Dame.

Der Unbekannte wollte eben antworten, doch in dem Moment, wo er den Mund öffnete, sprang d’Artagnan, der alles angehört hatte, an die Türschwelle und rief: »Der ungebührliche Junge züchtigt andere, und ich hoffe, diesmal werde ihm derjenige, den er züchtigen soll, nicht wie das erstemal entschlüpfen.«

»Er wird nicht entschlüpfen?« fragte der Unbekannte, die Stirn runzelnd. »Nein, ich setze voraus, daß Ihr es vor einer Dame nicht wagen werdet.«

»Bedenken Sie,« rief Mylady, als sie sah, wie der Edelmann nach seinem Degen griff, »bedenken Sie, daß die mindeste Verzögerung alles verderben könnte.«

»Sie haben recht,« erwiderte der Edelmann, »reisen Sie also ab, und ich werde desgleichen tun.«

Er empfahl sich von der Dame mit einem Nicken des Kopfes und stieg zu Pferde, während der Kutscher mit der Peitsche lebhaft auf die Pferde einhieb. Somit entfernten sich die zwei Sprechenden im Galopp in entgegengesetzter Richtung des Weges.

»He doch. Eure Zeche!« schrie der Wirt, dessen Ergebenheit für den Reisenden sich in eine tiefe Verachtung verwandelte, als er sah, daß er fortging, ohne seine Rechnung zu berichtigen. »Bezahle ihn, Maulaffe!« rief der Reisende fortgaloppierend seinem Reitknecht zu, der auch dem Wirte zwei oder drei Silbermünzen vor die Füße warf und dann seinem Herrn nachsprengte. »Ha, Feiger! Ha, Nichtswürdiger! Ha, falscher Edelmann!« rief d’Artagnan und ging ebenfalls auf den Reitknecht los. Allein der Verwundete war noch allzu schwach, um eine solche Erschütterung zu ertragen. Er hatte kaum noch zehn Schritte getan, als ihm die Ohren klingelten, eine Blendung ihn ergriff und eine Blutwolke über seine Augen hinzog, worauf er mitten auf die Straße hinsank, während er noch immer ausrief: »Feiger! Feiger! Feiger!«

»Es ist auch in der Tat recht feige,« murmelte der Wirt, indem er zu d’Artagnan trat und sich durch diese Schmeichelei mit dem armen Jungen wieder auszusöhnen suchte, wie der Held in der Fabel mit seiner Nachtschnecke. »Ja, er ist recht feige,« murmelte d’Artagnan, »doch sie ist sehr hübsch.«

»Wer, sie?« fragte der Wirt. »Mylady,« stammelte d’Artagnan. Er fiel zum zweitenmal in Ohnmacht. »Es ist gleichviel,« sagte der Wirt, »ich verliere wohl zwei, doch bleibt mir dieser hier, den ich sicher einige Tage beherbergen werde. Es sind doch immerhin elf Taler zu gewinnen.«

Der Wirt rechnete auf elf Tage Krankheit und für jeden Tag einen Taler; allein er hatte die Rechnung ohne seinen Reisenden gemacht. D’Artagnan stand am folgenden Morgen schon um fünf Uhr auf, ging selbst hinab und begehrte unter andern Ingredienzien, deren Verzeichnis nicht bis zu uns gelangt ist, Wein, Öl, Rosmarin, sodann bereitete er sich mit dem Rezept seiner Mutter in der Hand einen Balsam, mit dem er seine zahlreichen Verwundungen salbte, legte sich selbst wieder die Verbände an und wollte keinen Arzt zur Hilfeleistung annehmen. Ohne Zweifel hatte es d’Artagnan der Wirksamkeit des Zigeunerbalsams und wohl auch der Abwesenheit jedes Doktors zu verdanken, daß er sich noch an diesem Tage auf den Beinen befand und am andern Tage fast gänzlich hergestellt war. Aber in dem Moment, wo er den Rosmarin, das Öl und den Wein bezahlen wollte, die einzige Auslage, die er sich bei seiner strengen Diät machte, indes das gelbe Pferd, wenigstens nach der Behauptung des Wirtes, dreimal soviel verzehrt hat, als man bei seiner Konstitution vernünftigerweise hatte glauben können – fand d’Artagnan in seiner Tasche nur noch die kleine Samtbörse, worin sich die elf Taler befanden; was aber den Brief an Herrn von Tréville betrifft, so war er verschwunden. Der junge Mann schickte sich mit großer Geduld an, diesen Brief zu suchen, wandte seine Taschen um, durchwühlte seinen Reisesack, schloß seine Börse wiederholt auf und zu; als er aber die Überzeugung gewann, der Brief sei nicht mehr auffindbar, wandelte ihn zum drittenmal die Zornwut an, wonach er aufs neue seine Zuflucht zum aromatischen Wein und Öl nehmen sollte; denn als man sah, wie dieser Brausekopf abermals entglühte und Drohungen ausstieß, er wolle alles im Hause zerschlagen, wenn sich sein Brief nicht vorfinde, so griff der Wirt nach einem Spieß, seine Frau nach einem Besenstiel und die Kellner nahmen dieselben Stöcke, die tags zuvor benutzt worden waren. »Meinen Empfehlungsbrief!« schrie d’Artagnan, »meinen Empfehlungsbrief! oder ich will euch alle wie Fettammer aufspießen.«

Zum Unglück hinderte den jungen Mann ein Umstand an der Ausführung seiner Drohung: sein Degen war, wie gesagt, beim ersten Kampf in zwei Stücke zerbrochen, worauf er ganz vergaß. Als nun d’Artagnan seine Klinge wirklich ziehen wollte, sah er sich ganz nett und einfach mit einem Degenstumpf von 8 bis 10 Zoll bewaffnet, den ihm der Wirt sorgfältig in die Scheide gesteckt hatte. Den Überrest der Klinge schaffte der Hauswirt geschickt auf die Seite, da er sich daraus eine Spicknadel machen wollte. Indes hätte diese Täuschung unseren jungen Feuerkopf wahrscheinlich nicht zurückgehalten, allein der Wirt bedachte, daß die Forderung ganz gerecht sei, die der Reisende an ihn machte. »Aber wirklich,« sprach er, seinen Kopf senkend, »wo ist doch dieser Brief?«

»Ja, ja, wo ist dieser Brief?« sagte d’Artagnan. »Ich sage Euch im voraus, dieser Brief ist an Herrn von Tréville gerichtet und er muß sich finden, widrigenfalls würde er schon machen, daß er gefunden werde.« Auf diese Drohung ward der Wirt völlig eingeschüchtert. Nach dem König und Kardinal war Herr von Tréville derjenige Mann, dessen Name von den Kriegern und selbst von den Bürgern am häufigsten genannt wurde. Es lebte zwar noch der Vater Josef, doch wurde sein Name stets nur leise ausgesprochen, so groß war der Schrecken, den die graue Eminenz einflößte, wie der Vertraute des Kardinals genannt wurde. Nachdem der Wirt seinen Spieß weit von sich geschleudert hatte, befahl er seiner Frau, mit ihrem Besenstiel desgleichen zu tun, und seinen Burschen, die Stöcke wegzulegen, und als er ihnen hierzu das Beispiel gegeben, fing er an, den verlorenen Brief zu suchen.

»Enthielt wohl dieser, Brief etwas Wichtiges?« fragte der Wirt, nachdem er eine Weile vergeblich gesucht hatte. »Beim Himmel, das will ich meinen!« rief der Gascogner, der mittels dieses Schreibens seine Lebensbahn zu gründen hoffte; »er hat mein Glück enthalten!«

»Geldanweisungen aus Spanien?« fragte der Wirt beunruhigt. »Anweisungen auf den Privatschatz Seiner Majestät,« entgegnete d’Artagnan, der darauf rechnete, er werde auf diese Empfehlung in den Dienst des Königs aufgenommen, weshalb er, ohne zu lügen, diese etwas kühne Antwort geben zu dürfen glaubte. »Teufel!« rief der Wirt ganz verzweifelt. »Doch, gleichviel,« sagte d’Artagnan mit nationaler Derbheit, »gleichviel, an dem Gelde liegt nichts; der Brief war alles. Lieber hätte ich tausend Pistolen verloren als ihn.« Er hätte ebensogut zwanzigtausend Pistolen sagen können, doch hielt ihn eine gewisse jugendliche Scham zurück. Ein Lichtschimmer zuckte plötzlich durch den Geist des Wirtes, der sich zum Teufel verwünschte, da er nichts fand. Er rief: »Dieser Brief ist ganz nnd gar nicht verloren.«

»Ha!« schrie d’Artagnan. »Nein, er wurde Ihnen entwendet.«

»Entwendet? Von wem?«

»Gestern von jenem Edelmann. Er ging in die Küche hinab, wo Ihr Wams lag, und blieb daselbst allein. Ich möchte darauf wetten, er hat ihn mitgenommen.«

»Glaubt Ihr das?« fragte d’Artagnan, wenig überzeugt, denn er wußte besser als irgend jemand die ganze persönliche Bedeutsamkeit dieses Briefes, und sah nicht ein, wie es einen andern danach gelüsten konnte. Kein Hausdiener, kein Gast hätte mit dem Besitze dieses Briefes einen Vorteil erlangt. »Ihr sagt also,« fragte d’Artagnan, »daß Ihr diesen verwegenen Edelmann in Verdacht habt?«

»Ich sage Ihnen,« erwiderte der Wirt, »ich bin davon vollkommen überzeugt; denn als ich ihm sagte, Eure Herrlichkeit wäre ein Schützling des Herrn von Tréville und Sie besäßen sogar einen Brief an diesen mächtigen Herrn, so schien er sehr beunruhigt und fragte mich, wo denn dieser Brief sei; dann ging er sogleich in die Küche hinab, da er wußte, daß Ihr Wams dort liege.«

»Er ist also mein Dieb?« versetzte d’Artagnan; »ich will darüber bei Herrn von Tréville Klage führen, und Herr von Tréville wird dasselbe bei dem König tun.« Sofort zog er majestätisch zwei Taler aus der Tasche, reichte sie dem Wirt, der ihn mit dem Hut in der Hand bis zur Tür begleitete, und stieg wieder auf sein gelbliches Pferd, das ihn ohne weiteren Unfall bis zum Tore Saint–Antoine in Paris trug, wo er es für drei Taler verkaufte, was recht gut bezahlt war, in Anbetracht, als es Herr d’Artagnan auf dem letzten Ritte stark hergenommen hatte. Auch hat es der Roßhändler, als er die besagten neun Livres ausbezahlte, Herrn d’Artagnan keineswegs verhehlt, er gebe diese übermäßige Summe nur wegen der eigentümlichen Farbe des Tieres. Somit ging d’Artagnan zu Fuß in das Innere der Stadt, trug seinen kleinen Pack unter dem Arm und kreuzte so lange umher, bis er ein Mietzimmer auffand, das seiner geringen Barschaft entsprach. Dieses Zimmer war eine Art Dachstube in der Gasse Fossoyeurs, nahe dem Palaste Luxembourg.

Das Vorgemach des Herrn von Treville

Inhaltsverzeichnis

Herr von Tréville war ein Freund des Königs, der bekanntlich das Andenken seines Vaters Heinrich IV. hoch in Ehren hielt. In jener unglückseligen Zeit war man eifrig bedacht, sich mit Männern zu umgeben, die von Trévilles Schlage waren. Ludwig XIII. ernannte Tréville zum Kapitän der Musketiere und diese sind durch ihre Ergebenheit oder vielmehr durch ihren Fanatismus für Ludwig XIII. das gewesen, was die Ordinaires für Heinrich III. und die schottische Garde für Ludwig XI. war.

Was den Kardinal betrifft, so stand er in dieser Hinsicht hinter dem König nicht zurück. Als er sah, daß sich der König Ludwig XIII. mit einer erwählten Mannschaft umgab, wollte er gleichfalls seine Garde haben. Somit hatte er seine Musketiere wie Ludwig XIII. und man sah, wie die zwei mächtigen Rivalen in allen Provinzen Frankreichs und selbst in auswärtigen Ländern berühmte Männer für ihre großen Schwertstreiche anwarben.

Der Hof des Hotels, das Tréville bewohnte, das in der Rue Vieux-Colombier lag, glich einem Feldlager, und zwar von sechs Uhr morgens im Sommer und von acht Uhr im Winter. Fünfzig bis sechzig Musketiere, die sich hier abzulösen schienen, gingen ohne Unterlaß, kriegsgerüstet und zu allem bereit, auf und nieder. Auf einer der großen Treppen, auf deren Raum unsere moderne Zivilisation ein ganzes Haus erbauen würde, wandelten die Bittsteller von Paris auf und nieder, die nach irgend einer Begünstigung strebten; ferner die Edelleute der Provinz, die sich anwerben lassen wollten und die mit allen Farben verbrämten Lakaien, die an Herrn von Tréville die Botschaften ihrer Gebieter überbrachten. Im Vorgemach saßen auf langen, kreisförmigen Bänken die Auserwählten. Das Getöse währte vom Morgen bis zum Abend, während Herr von Tréville in seinem Kabinett, das an dieses Vorzimmer stieß, Besuche empfing, Klagen anhörte, Aufträge gab, und sich, wie der König auf seinem Balkon im Louvre, nur an sein Fenster zu stellen brauchte, um Menschen und Waffen an sich vorüberziehen zu sehen. An dem Tage, als d’Artagnan hier eintrat, war die Versammlung zahlreich und glänzend, zumal für einen Ankömmling ans der Provinz; dieser Provinzbewohner war zwar ein Gascogner, und zu jener Zeit standen die Landsleute des d’Artagnan nicht im Rufe, als ob sie sich so leicht einschüchtern ließen. Gelangte man einmal durch die mächtige Tür, die mit langen Nägeln mit viereckigen Köpfen beschlagen war, so geriet man wirklich unter eine Schar von Kriegern, die im Hof ab und zu gingen, sich anriefen, unter sich zankten und scherzten. Um sich einen Weg durch diese kreisenden Wirbel zu bahnen, wäre es vonnöten gewesen, ein Offizier, ein großer Herr oder eine hübsche Dame zu sein. Unser junger Mann schritt also mitten durch dieses Gewühl und Gewirre mit klopfendem Herzen, während er den langen Stoßdegen an die schmächtigen Beine drückte, und eine Hand mit dem verlegenen, landmäßigen Halblächeln, das einen guten Anstand verraten soll, an den Rand seines Filzes legte. So oft er sich durch eine Gruppe gedrängt hatte, atmete er leichter; doch merkte er recht gut, daß man sich umdrehte, um ihm nachzublicken, und zum erstenmal in seinem Leben kam sich d’Artagnan lächerlich vor, nachdem er bis zu diesem Tag eine recht gute Meinung von sich gehabt hatte. Als er zu der Treppe kam, ging es noch schlimmer; hier waren auf den ersten Stufen vier Musketiere, die sich mit der folgenden Leibesübung ergötzten, indes zehn oder zwölf ihrer Kameraden auf dem Treppenabsatz warteten, bis die Reihe an sie kam.

Da d’Artagnan der Menge von Höflingen des Herrn von Tréville ganz fremd war und an diesem Orte zum erstenmal bemerkt wurde, so fragte man ihn, was er wünsche. Auf diese Frage nannte d’Artagnan ganz demütig seinen Namen, stützte sich auf den Titel eines Landsmannes und ersuchte den Kammerdiener, der jene Frage an ihn gestellt hatte, ihm bei Herrn von Tréville eine kurze Audienz zu verschaffen, und diese Bitte versprach man im Ton eines Beschützers zur rechten Zeit und am rechten Orte vorzubringen. D’Artagnan, der sich von seinem ersten Erstaunen ein bißchen erholt hatte, gewann jetzt Muße, ein wenig die Kleidertracht und die Physiognomien zu studieren. Der Mittelpunkt der lebhaftesten Gruppe war ein Musketier von hohem Wuchse mit stolzem Antlitz und einer Bizarrerie im Anzug, welche die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er trug in diesem Moment nicht den Uniformrock, sondern einen himmelblauen, schon etwas abgenutzten Leibrock, und auf seinem Anzug gewahrte man ein schönes Wehrgehänge mit goldenem Strickwerk, das wie ein Wasserspiegel im Sonnenlichte strahlte. Ein langer Mantel von karmoisinrotem Samt fiel anmutig über seine Schultern und zeigte vorn nur das funkelnde Wehrgehänge, woran ein riesenhafter Stoßdegen hing. Dieser Musketier kam in diesem Augenblick von der Wache herab und beklagte sich über Schnupfen, wobei er von Zeit zu Zeit mit Affektion hustete. Auch hatte er eben deshalb seinen Mantel genommen, wie er zu seiner Umgebung sagte, und während er mit hochaufgerichtetem Kopfe sprach und stolz seinen Schnurrbart strich, bewunderten alle, und vorzüglich d’Artagnan, das gestickte Wehrgehänge.

»Was wollt Ihr,« sagte der Musketier, »so ist es Mode; es ist eine Narrheit; ich weiß das wohl, allein es ist Mode! Übrigens muß man doch auch sein ehrlich erworbenes Geld zu etwas verwenden.«

»Ha, Porthos!« rief einer der Anwesenden, »mach uns ja nicht glauben, daß du dieses Wehrgehäng von der väterlichen Großmut ererbt hast; gewiß hat es dir die verschleierte Dame gegeben, mit der ich dich vorigen Sonntag am Tore Saint-Honoré begegnet bin?«

»Nein, auf Ehre nicht, bei meinem Edelmannswort, ich kaufte es selbst um meine eigenen Pfennige,« antwortete jener, dem man den Namen Porthos beigelegt hatte. »Ja,« antwortete ein anderer Musketier, »so wie ich diese neue Börse gekauft habe mit dem, was mir die Geliebte in die alte geschoben hat.«

»Wirklich,« sagte Porthos, »ich habe dafür zehn Pistolen bezahlt. Das Staunen verdoppelte sich, obgleich der Zweifel noch fortdauerte. »Nicht wahr, Aramis?« fragte Porthos und wandte sich gegen einen dritten Musketier. Dieser andere Musketier bildete vollkommenen Kontrast mit demjenigen, der ihn fragte und ihn mit dem Namen Aramis bezeichnete; es war ein junger Mann von etwa zweiundzwanzig bis dreiundzwanzig Jahren, mit einem naiven, niedlichen Gesicht, schwarzem und sanftem Auge und mit Wangen, so rosig und samtartig wie eine Pfirsich im Herbste; sein dünner Schnurrbart bildete eine ganz gerade Linie auf der Oberlippe; seine Hände schienen sich vor dem herabhängen zu fürchten, als könnten die Adern zu sehr anschwellen, und von Zeit zu Zeit kniff er sich die Ohren, um sie in einem zarten, durchsichtigen Inkarnat zu erhalten. Er pflegte wenig zu reden, viel zu grüßen und geräuschlos zu lachen, wobei er seine schönen Zähne zeigte, auf die er, wie auf seine ganze Person, eine große Sorgfalt zu verwenden schien. Er antwortete der Aufforderung seines Freundes mit einem bejahenden Nicken des Kopfes. Diese Bejahung schien in bezug auf das Wehrgehänge jeden Zweifel aufzuheben; man fuhr also in der Bewunderung fort, sprach darüber nichts mehr, und so lenkte sich die Unterredung, in rascher Gedankenwendung auf einen andern Gegenstand.

»Was haltet ihr von dem, was der Stallmeister von Chalais erzählt hat?« fragte ein anderer Musketier, ohne daß er seine Frage an eine bestimmte Person richtete, sondern sich an alle Umstehenden wandte. »Was erzählt er denn?« fragte Porthos in einem selbstgefälligen Tone. »Er erzählt, daß er in Brüssel Rochefort, den Vertrauten des Kardinals, in Kapuzinerkleidung angetroffen habe; der verdammte Rochefort spielte in dieser Vermummung Herrn von Laignes als einen leibhaftigen Schwachkopf.«

»Als einen Schwachkopf?« sagte Porthos. »Ist das gewiß?«

»Ich weiß es von Aramis,« entgegnete der Musketier. »Wirklich?«

»Hm, Ihr wißt es doch, Porthos,« sprach Aramis, »da ich es Euch erst gestern mitteilte; reden wir nichts mehr davon.«

»Reden wir nichts mehr davon, das ist Eure Meinung,« versezte Porthos. »Reden wir nichts mehr davon! Pst! wie schnell Ihr doch schließet. Der Kardinal läßt einen Edelmann auskundschaften und ihm seine Briefschaften durch einen Schelm wegnehmen; er läßt Chalais mittels feiner Späher und Kundschafter als angeblicher Verräter den Hals abschneiden. Niemand wußte um dieses Rätsel. Ihr habt es gestern zum allgemeinen Erstaunen erfahren, und während wir über diese Neuigkeit noch ganz verwundert sind, sagt Ihr heute: Reden wir nichts mehr davon!«

»Nun so reden wir davon, wenn Ihr es wünscht,« entgegnete Aramis mit Geduld. »Dieser Rochefort,« rief Porthos, »hätte einen Augenblick lang mit mir ein schlimmes Spiel, wenn ich der Stallmeister des armen Chalais wäre.«

»Und Ihr hättet dann ein schlimmes Spiel mit dem Herzog Rouge,« erwiderte Aramis. »Ha, der Herzog Rouge! Bravo! bravo! der Herzog Rouge!« rief Porthos und klatschte mit den Händen. »Der Herzog Rouge – das ist herrlich! Seid ruhig, mein Lieber, ich will dieses Witzwort weiter verbreiten. Hat doch dieser Aramis Scharfsinn! Wie schade, daß Ihr Eurem Berufe nicht folgen konntet, mein Freund, aus Euch wäre etwas Tüchtiges geworden.«

»O, dieser Aufschub ist nur momentan,« erwiderte Aramis, »ich werde das schon einmal werden! Ihr wisset doch, Porthos, daß ich noch immer fleißig Theologie studiere.«

»Er wird es tun, wie er sagt,« versetzte Porthos, »er wird es früher oder später tun.«

»Früher,« sagte Aramis. »Er wartet nur noch auf eines, um sich ganz und gar zu entscheiden und die Soutane wieder zu nehmen, die hinter feiner Uniform hängt,« sprach ein anderer Musketier. »Und auf was wartet er?« fragte wieder ein anderer. »Er wartet, bis die Königin der Krone Frankreichs einen Erben geschenkt hat.«

»Scherzen wir darüber nicht, meine Herren,« sagte Porthos, »die Königin ist, gottlob! noch in einem Alter, um der Krone einen Erben zu geben.«

»Man sagt, daß Herr von Buckingham in Frankreich sei,« sagte Aramis mit einem hämischen Lächeln, das dieser so einfach scheinenden Rede eine ziemlich ärgernisvolle Bedeutung gab. »Mein Freund Aramis,« fiel Porthos ein, »diesmal habt Ihr unrecht. Eure Wut nach Witzeleien reißt Euch stets über die Grenzen; wenn Euch Herr von Tréville hörte, so käme Euch eine solche Anspielung teuer zu stehen.«

»Gebt Ihr mir da eine Lektion, Porthos?« rief Aramis, während ein Blitz durch sein sanftes Auge zuckte. »Mein Lieber, seid Musketier oder Abbé; seid das eine oder das andere, aber nicht das eine und das andere,« erwiderte Porthos. »Es hat Euch doch Athos jüngst gesagt: Ihr esset von allen Haufen. O, ich bitte, grämt Euch nicht, es wäre unnütz; Ihr wißt recht gut, worüber Ihr, Athos, und ich übereingekommen sind. Ihr gehet zu Madame d’Aiguillon und machet ihr den Hof; Ihr geht zu Frau von Bois-Tracy, der Cousine der Frau von Chevreuse, und man erzählt sich, daß Ihr bei der Dame sehr in Gunst steht. Ach, mein Gott, sagt nichts von Eurem Glücke, man fragt Euch Euer Geheimnis nicht ab, man kennt ja Eure Verschwiegenheit. Da Ihr aber diese Tugend besitzt, so macht, zum Teufel, Gebrauch davon in bezug auf Ihre Majestät. Mit dem König und dem Kardinal beschäftige sich wer da will und wie er will, allein die Königin ist geheiligt, und wenn man von ihr spricht, so geschehe es in gutem Sinne.«

»Porthos! Ihr seid anmaßlich wie Narcissus,« entgegnete Aramis. »Ich sage Euch im voraus, und Ihr wisset bereits, daß ich die Moral hasse, außer sie kommt aus Athos’ Munde. Was Euch anbelangt, mein Lieber, so habt Ihr ein viel zu hübsches Wehrgehänge, um stark zu sein. Ich werde Abbé, wenn es mir genehm ist, bis dahin bin ich Musketier, in dieser Eigenschaft sage ich, was mir beliebt, und in diesem Moment beliebt es mir zu sagen, daß Ihr mich belästigt.«

»Aramis!«

»Porthos!«

»He, meine Herren! meine Herren!« rief man rings umher. »Herr von Tréville erwartet Herrn d’Artagnan,« unterbrach sie der Lakai und öffnete die Tür des Kabinetts.

Auf diese Anmeldung, während der die Tür offen blieb, schwieg jeder, und mitten in diesem allgemeinen Schweigen schritt der junge Gascogner durch das Vorgemach und trat bei dem Kapitän der Musketiere ein, indem er sich im Herzen Glück wünschte, daß er gerade zu rechter Zeit dem Ausgang dieses wunderlichen Streites entschlüpfte.

Die Audienz

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Herr von Tréville war in diesem Moment in sehr übler Stimmung, dennoch begrüßte er artig den jungen Mann, der sich vor ihm bis zur Erde neigte, und nahm lächelnd sein Kompliment auf, da ihn die bearnische Mundart zugleich an seine Jugend und an sein Vaterland erinnerte – eine zweifache Erinnerung, die den Menschen jeden Alters zum Lächeln bringt. Indem er sich aber fast ebenso schnell dem Vorzimmer näherte und d’Artagnan mit der Hand ein Zeichen gab, als wollte er ihn um die Erlaubnis bitten, die andern abzufertigen, ehe er mit ihm anfinge, so rief er dreimal mit immer wachsender Stimme, so daß er alle Mittelstufen vom gebieterischen bis zornmütigen Tonausdruck durchging: »Athos! Porthos! Aramis!«

Die zwei Musketiere, mit denen wir bereits Bekanntschaft gemacht und die den zwei letzten dieser drei Namen antworteten, verließen allsogleich die Gruppen, unter denen sie standen und näherten sich dem Kabinett, dessen Tür sich hinter ihnen schloß, wie sie über die Schwelle traten. Obwohl ihre Haltung nicht ganz ruhig war, so erregte sie doch durch ihre zugleich würdevolle und ehrfurchtsvolle Ungezwungenheit die Bewunderung d’Artagnans, der in diesen Männern Halbgötter und in ihrem Oberhaupt einen olympischen Zeus erblickte, der mit all seinen Blitzen bewaffnet war. Als die Musketiere eingetreten waren, als die Tür hinter ihnen zuging, als das murmelnde Getöse im Vorgemach, dem jenes Rufen zweifelsohne neue Nahrung gegeben, wieder anfing, und Herr von Tréville endlich drei-oder viermal schweigend mit gerunzelter Stirn das Kabinett der ganzen Länge nach durchmessen hatte, indem er stets an Porthos und Aramis vorüberschritt, die starr und stumm wie auf der Parade dastanden, hielt er auf einmal vor ihnen an, betrachtete sie von Kopf bis zu den Füßen mit erzürntem Blick und sagte: »Wißt ihr, was mir der König gesagt hat, und das erst gestern abends? Meine Herren, wißt ihr das?«

»Nein,« antworteten die zwei Musketiere nach einem Augenblick des Stillschweigens, »nein, gnädiger Herr, wir wissen es nicht.«

»Ich hoffe aber, Sie werden es uns gefälligst sagen,« fügte Aramis mit seinem höflichsten Ton und seiner anmutigsten Ehrfurcht hinzu. »Er hat mir gesagt, daß er künftig seine Musketiere unter der Leibwache des Kardinals rekrutieren wolle.«

»Unter der Leibwache des Kardinals, und warum das?« fragte Porthos lebhaft. »Weil er sah, daß sein saurer Wein nötig habe, durch eine Mischung guten Weines aufgefrischt zu werden.«

Die zwei Musketiere erröteten bis zum Weiß ihrer Augen. D’Artagnan wußte nicht, wo er sei, und hätte gern hundert Fuß unter der Erde sein mögen. »Ja, ja,« fuhr Herr von Tréville mit Ereiferung fort, »ja, und Seine Majestät hat recht, denn es ist auf meine Ehre wahr, daß die Musketiere eine traurige Figur bei Hofe spielen. Der Herr Kardinal erzählte gestern beim Spiele des Königs mit einer Miene des Mitleids, die mir sehr mißfallen hat, daß vorgestern diese verdammten Musketiere, diese ›eingefleischten Teufel‹, und er legte auf diese Worte einen ironischen Ton, der mir noch mehr mißfiel; ›diese Kopfabsäbler‹, fügte er hinzu und blickte mich mit tigerartigem Auge an, sich in der Gasse Féron in einer Schenke verspätet haben, und daß eine Runde seiner Wache, ich glaube, er wollte mir unter die Nase lachen, gezwungen war, diese Ruhestörer einzuziehen. Tod und Teufel! Ihr müßt doch davon wissen! Musketiere einziehen! Ihr waret dabei, leugnet es nicht, man hat euch erkannt, und der Kardinal hat euch namentlich angeführt. Es ist freilich meine Schuld, ja, meine Schuld ist’s, weil ich meine Leute auswähle. Nun, zum Teufel, Aramis, warum habt Ihr mich denn um den Kriegerrock gebeten, da Ihr Euch in der Soutane so gut ausgenommen hättet? Dann Ihr, Porthos! habt Ihr nur deshalb ein so schönes goldenes Wehrgehänge, um einen Degen von Stroh daran zu hängen? Und Athos, ich sehe Athos nicht, wo ist er?« – »Gnädiger Herr,« entgegnete Aramis traurig, »er ist krank, schwer krank.«

»Krank, schwer krank, sagt Ihr, und was fehlt ihm?«

»Man befürchtet bei ihm die Pocken, o Herr,« antwortete Porthos, der gleichfalls ein Wort einmengen wollte, »und das wäre sehr verdrießlich, denn es würde ganz sicher sein Gesicht verunstalten.«

»Pocken! – Das ist wieder eine glorwürdige Geschichte, die Ihr da erzählt, Porthos; in seinem Alter krank an den Pocken! Nein, aber gewiß verwundet, vielleicht getötet. Ha, wenn ich das wüßte! Donnerwetter! Ihr Herren Musketiere, ich dulde es nicht, daß man so in schlechten Orten herumstreift, auf der Straße Zank anfängt und überall gleich den Degen zieht. Kurz, ich will es nicht, daß man der Leibwache des Herrn Kardinals Stoff zum Lachen gibt, denn es sind wackere, ruhige und geschickte Leute, die nie in den Fall kommen, eingezogen zu werden, und die sich auch nicht würden verhaften lassen, dessen bin ich versichert. Sie stürben lieber auf dem Platz, als daß sie einen Schritt zurückwichen. Sich wehren, fliehen, davonschleichen, ha! das ist gut für die Musketiere des Königs!«

Porthos und Aramis knirschten vor Wut. Sie hätten gern Herrn von Tréville erwürgt, wäre es ihnen nicht bewußt gewesen, daß es seine große Liebe für sie war, die ihn so zu reden bewog. Sie stampften auf den Boden, bissen sich die Lippen blutig und zerquetschten fast das Stichblatt ihres Degens. Wie schon gesagt, hörte man außen: Athos, Porthos und Aramis rufen, und man erriet es an dem Tone der Stimme des Herrn von Tréville, daß er ganz in Zorn entbrannt war. Zehn vorwitzige Köpfe lehnten sich an die Tapeten und erblaßten vor Ärger, denn ihre fest an die Tür gepreßten Ohren verloren nicht eine Silbe von dem, was da gesprochen wurde, während ihr Mund den Anwesenden im Vorgemach alle die beleidigenden Worte des Kapitäns wiederholte. Im Augenblick war das ganze Hotel in Aufregung vor der Tür des Kabinetts bis hinab zum Straßentor. »Ha, die Musketiere des Königs lassen sich einfangen von den Garden des Herrn Kardinals!« fuhr Herr von Tréville fort, im Innern ebenso wütend wie seine Soldaten, doch stieß er seine Worte ab und bohrte eines nach dem andern wie ebenso viele Dolchstiche in die Brust seiner Zuhörer. »Ha, sechs Garden Seiner Eminenz verhaften sechs Musketiere des Königs! Tod und Hölle! mein Entschluß steht fest. Ich gehe augenblicklich nach dem Louvre, ich verlange meine Entlassung als Kapitän des Königs und bitte um eine Leutnantsstelle bei der Leibwache des Kardinals, und wenn er sie mir verweigert. Blitz und Wetter! so werde ich Abbé!«

Auf diese Worte kam es außen vom Gemurmel zum lauten Ausbruch; man hörte überall nichts als Flüche und Verwünschungen. Die Luft erschallte immer lauter von: Tod und Teufel! von Mordelement! und Donnerwetter! D’Artagnan sah sich nach einer Tapete um, hinter die er sich versteckte, und hatte große Lust, sich unter den Tisch zu kauern. »Ganz richtig, mein Kapitän,« sprach Porthos, »wir waren sechs gegen sechs, doch wurden wir verräterisch festgenommen, und ehe wir noch Zeit hatten, unsere Degen zu ziehen, sind zwei von uns tot niedergefallen und Athos war schwer verwundet und taugte auch nichts mehr. Sie kennen ja Athos, und, Kapitän, er versuchte, zweimal aufzustehen und stürzte zweimal zusammen. Wir haben uns aber nicht ergeben, nein, man hat uns gewaltsam fortgezerrt. Auf dem Wege machten wir uns davon. Was Athos betrifft, so hielt man ihn für tot, ließ ihn ruhig auf dem Kampfplatze liegen, und fand es nicht der Mühe wert, ihn fortzutragen. So ist die Geschichte. Was Teufel, Kapitän, man gewinnt nicht alle Schlachten. Der große Pompejus hat die von Pharsalus verloren, und Franz I., den ich als einen tüchtigen Krieger rühmen hörte, verlor doch die bei Pavia.«

»Und ich gebe mir die Ehre, zu versichern, daß ich einen mit seinem eigenen Degen durchbohrte,« sagte Aramis, »denn der meinige zerbrach bei dem ersten Streiche. Getötet oder erdolcht, mein Herr, wie es beliebt.«

»Das wußte ich nicht,« versetzte Herr von Tréville in einem etwas milderen Tone. »Der Herr Kardinal hat übertrieben, wie ich sehe.«

»Um Vergebung, mein Herr,« fuhr Aramis fort, der, als er den Kapitän beruhigter sah, eine Bitte vorzubringen wagte, »sagen Sie nicht, daß Athos verwundet sei; er geriete in Verzweiflung, wenn das zu den Ohren des Königs käme, und da die Verwundung sehr schwer ist, indem der Stich von der Schulter in die Brust eindrang, so stände zu befürchten –«

In diesem Moment erhob sich der Türvorhang und ein edler, schöner, doch schrecklich blasser Kopf kam zum Vorschein. »Athos!« riefen die zwei Musketiere. »Athos!« wiederholte Herr von Tréville. »Mein Herr,« sprach Athos, »Sie verlangten nach mir,« er sagte das mit einer zwar schwachen, doch ganz ruhigen Stimme und fuhr fort: »Sie verlangten nach mir, wie mir meine Kameraden meldeten, und ich beeile mich Ihrem Befehl nachzukommen. Hier bin ich, gnädiger Herr, was wünschen Sie?«

Bei diesen Worten trat der Musketier festen Schrittes in guter Haltung und gegürtet wie immer in das Kabinett. Herr von Tréville war über diesen Beweis von Mut gerührt und schritt ihm lebhaft entgegen. »Ich habe soeben diesen Herren gesagt,« sprach er, »daß ich es meinen Musketieren verbiete, ihr Leben ohne Not in die Schanze zu schlagen, denn wackere Leute sind dem König sehr wertvoll, und der König weiß es, daß seine Musketiere die wackersten Männer auf Gottes Erdboden sind. Eure Hand, Athos!«

Und ohne daß Herr von Tréville auf diesen Beweis von Zuneigung eine Antwort von dem neuen Ankömmling erwartete, faßte er seine Rechte und drückte sie mit Innigkeit, ohne dabei zu bemerken, daß Athos, wie groß auch seine Selbstbeherrschung war, eine Bewegung des Schmerzes nicht unterdrücken konnte und noch blässer wurde, was man für unmöglich gehalten hätte. Die Tür war halb offen geblieben, so viel Aufsehen erregte Athos’ Ankunft, dessen Verwundung, so geheim sie auch gehalten wurde, doch allen bekannt war. Ein Jubelschrei war das Echo der letzten Worte des Kapitäns, und einige Köpfe zeigten sich , von Entzücken hingerissen, an den Öffnungen der Tapeten. Herr von Tréville wollte zweifelsohne mit lebhaften Worten diesen Eingriff in die Gesetze der Schicklichkeit zurückweisen, aber da empfand er, daß sich Athos’ Hand in der seinigen krampfhaft zusammenzog, und bemerkte, daß derselbe, indem er ihn stier anblickte, nahe daran sei, ohnmächtig zu werden. In diesem Moment stürzte Athos, der all seine Kräfte zusammengerafft hatte und doch endlich überwältigt ward, wie tot zur Erde. »Einen Wundarzt!« rief Herr von Tréville. »Den meinigen, den des Königs, den besten! Einen Wundarzt, oder bei Gott! mein wackerer Athos ist verloren.«

Auf das Rufen des Herrn von Tréville stürzte alles in sein Kabinett, ohne daß er daran dachte, gegen irgend jemand seine Tür zu schließen, und alle drängten sich um den Verwundeten. Doch wäre diese Dringlichkeit nutzlos gewesen, hätte sich der verlangte Arzt nicht in dem Hotel selber gefunden; dieser arbeitete sich durch das Gewühl und näherte sich Athos, der noch immer ohnmächtig war, und da ihn das Getöse und Gedränge in seiner Tätigkeit störten, so verlangte er zuvörderst und umgänglich, daß man den Musketier in ein Nebenzimmer trage. Herr von Tréville öffnete allsogleich eine Tür und zeigte Porthos und Aramis, die ihren Gefährten auf die Arme nahmen, den Weg. Somit war das Kabinett des Herrn von Tréville, dieser so geachtete Ort, ein zweites Vorgemach geworden. Jedermann schwätzte, sprach, deklamierte, fluchte und verwünschte die Leibwachen des Kardinals. Ein Weilchen darauf kehrten Porthos und Aramis zurück, der Chirurg und Herr von Tréville blieben allein bei dem Verwundeten. Endlich kehrte auch Herr von Tréville zurück. Der Verwundete erlangte das Bewußtsein wieder, und der Wundarzt erklärte, der Zustand des Kranken dürfe seine Freunde ganz und gar nicht beängstigen, denn seine Schwäche sei nur eine Folge des Blutverlustes. Herr von Tréville winkte nun mit der Hand und alles zog sich zurück, d’Artagnan ausgenommen, der es ja nicht vergaß, daß er Audienz hatte und mit der Hartnäckigkeit eines Gascogners an derselben Stelle verblieb. Als alle fortgegangen waren und die Tür wieder geschlossen wurde, wandte sich Herr von Tréville um und sah sich allein mit dem jungen Manne.

»Um Vergebung,« sprach er lächelnd, »um Vergebung, mein lieber Landsmann! ich habe ganz auf Sie vergessen. Was wünschen Sie? Ein Kapitän ist ein Familienvater, der eine größere Verantwortlichkeit hat als ein gewöhnlicher Familienvater. Die Soldaten sind große Kinder; aber da ich darauf sehe, daß man die Befehle des Königs und zumal die des Kardinals vollziehe…« D’Artagnan konnte sich eines Lächelns nicht enthalten. Herr von Tréville urteilte aus diesem Lächeln, daß er es mit keinem Schwachkopf zu tun habe, und indem er gerade auf die Sache losging, änderte er das Gespräch und sagte: »Mein Herr! ich hatte Ihren Vater recht lieb. Was vermag ich für seinen Sohn zu tun? Reden Sie schnell, meine Zeit gehört nicht mir.«

»Mein Herr!« entgegnete d’Artagnan, »als ich Tarbes verließ und hierher reiste, war meine Absicht, Sie im Vertrauen auf diese Freundschaft, die Ihnen nicht aus dem Gedächtnis geschwunden ist, um die Uniform eines Musketiers zu bitten. Aber nach allem dem, was ich seit zwei Stunden gesehen, ist es mir einleuchtend, daß eine solche Gunst ungeheuer wäre, und mir bangt, ob ich sie verdienen könne.«

»Es ist allerdings eine Gunst, junger Mann!« erwiderte Herr von Tréville, »doch kann sie nicht so hoch über Ihnen stehen, wie Sie glauben, oder zu glauben Miene machen. Für diesen Fall hat indes eine Entscheidung Seiner Majestät Sorge getragen, und ich sage Ihnen mit Leidwesen, daß niemand unter die Musketiere aufgenommen wird ohne vorausgehende Probe von einigen Feldzügen, gewissen Auszeichnungen oder einem zweijährigen Dienst in einem andern Regiment, das weniger begünstigt ist als das unsrige.« D’Artagnan verneigte sich, ohne zu antworten. In ihm stieg das Verlangen nach der Musketieruniform, seit er bemerkte, daß man zu ihrer Erlangung so große Schwierigkeiten überwinden müsse. Tréville heftete auf seinen Landsmann einen so durchdringenden Blick, daß man glauben konnte, er wolle in den Grund seines Herzens schauen, und fuhr fort: »Aber aus Rücksicht für Ihren Vater, meinen alten Landsmann, wie ich schon sagte, will ich etwas für Sie tun. Unsere Söhne von Bearn sind gewöhnlich nicht reich, und ich zweifle, daß sich die Sache verändert hat, seit ich die Provinz verlassen habe. Nicht wahr, Sie haben zum Leben nicht viel Geld mitgebracht?« D’Artagnan erhob sich mit einer stolzen Miene, die sagen wollte, daß er von niemand ein Almosen verlange. »Das ist gut, junger Mann, das ist gut,« sagte Tréville; »ich kenne diese Miene, ich bin nach Paris gekommen mit vier Talern in der Tasche und hätte mich mit jedem geschlagen, der mir gesagt hätte, ich wäre nicht im stande, den Louvre zu kaufen.« D’Artagnan richtete sich noch mehr empor; nach dem Verkauf eines Pferdes betrat er seine Laufbahn mit vier Talern mehr, als Herr von Tréville die seinige begonnen hatte. »Es ist also vonnöten, wie ich gesagt habe, daß Sie die Summe, die Sie besitzen, aufbewahren, wie bedeutend sie auch sein möge. Sie haben auch vonnöten, sich in den Übungen zu vervollkommnen, die einem Edelmann gebühren. Ich will heute dem Direktor der königlichen Akademie schreiben, und man wird Sie morgen schon ohne Geldeinlage aufnehmen. Weisen Sie dieses kleine Geschenk nicht zurück. Unsere Edelleute von bester Abkunft und mit großem Reichtum bewerben sich öfter um diese Gunst und können sie doch nicht erlangen. Sie werden dort reiten, fechten und tanzen lernen; Sie werden sich dort gute Kenntnisse zu eigen machen, und von Zeit zu Zeit kommen Sie zu mir, um nur zu sagen, wie weit Sie vorgerückt sind, und ob ich weiter etwas für Sie tun könne.«

Obwohl d’Artagnan mit den Sitten des Hofes unbekannt war, so empfand er doch die Kälte dieses Empfanges und sagte: »Ach, mein Herr, ich sehe, wie sehr mir heute der Empfehlungsbrief fehlt, den mir mein Vater mitgegeben hat.«

»Ich verwundere mich in der Tat,« sagte Herr von Tréville, »daß Sie eine so weite Reise unternahmen ohne dieses notwendige Viatikum, unsere einzige Hilfsquelle.«

»Gott sei Dank, ich hatte es bei bei mir in bester Form,« entgegnete d’Artagnan, »doch es ist mir entwendet worden.« Darauf erzählte er den ganzen Vorfall in Meung, beschrieb den unbekannten Edelmann in allen Einzelheiten, und das alles mit einer Wärme und Wahrheit, daß Herr von Tréville entzückt war. »Das ist seltsam,« rief der letztere gedankenvoll; »Sie haben also ganz laut von mir gesprochen?«

»Ja, mein Herr, und damit zweifelsohne eine Unbesonnenheit begangen: jedoch ein Name wie der Ihrige mußte mir auf der Reise als Schild dienen. Sie können denken, daß ich mich öfter in diesen Schutz begab.« Damals war die Schmeichelei sehr im Schwunge, und Herr von Tréville liebte den Weihrauch wie ein König oder ein Kardinal. Er konnte also nicht umhin, selbstgefällig zu lächeln, doch verschwand dieses Lächeln sogleich wieder, und indem er selbst auf das Ereignis in Meung zurückkam, fuhr er fort: »Sagen Sie mir, hatte dieser Edelmann nicht eine leichte Narbe an der Wange?«

»Ja, wie sie das Streifen einer Kugel machen würde.«

»War er nicht ein Mann von schöner Gesichtsbildung?«

»Ja.«

»Von hohem Wuchse?«

»Ja.«

»Blaß im Gesicht und mit braunen Haaren?«

»Ja, ja, so ist es. Wie kommt es, mein Herr, daß Sie diesen Menschen kennen? Ha, wenn ich ihn wieder treffe, und ich werde ihn wieder antreffen, so schwöre ich’s, und wäre es in der Hölle…«

»Er erwartete eine Dame?« fragte Tréville weiter. »Er ist wenigstens abgereist, nachdem er einen Augenblick mit derjenigen, die er erwartet, gesprochen hatte.«

»Wissen Sie nichts von dem Inhalt ihres Gespräches?«

»Er händigte ihr ein Kästchen ein und sagte, dasselbe enthalte ihre Weisung, doch dürfte sie es erst in London aufschließen.«

»War diese Frau eine Engländerin?«

»Er nannte sie Mylady.«

»Er ist es,« murmelte Tréville, »er ist es; und ich dachte, daß er noch in Brüssel wäre.«

»O mein Herr, wenn Sie wissen, wer dieser Mann war,« rief d’Artagnan, »so sagen Sie mir, wer – und wo ist er? Dann entbinde ich Sie von allem, sogar von der Zusage, mich unter die Musketiere aufzunehmen, denn vor allem will ich mich rächen.«