Alice im Wunderland - Lewis Carroll - E-Book + Hörbuch

Alice im Wunderland Hörbuch

Lewis Carroll

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Beschreibung

Überarbeitete und illustrierte deutsche Fassung Lewis Carrolls vielschichtige Kindergeschichte führt Alice auf den Schwingen des Schlafes ins Wunderland. Ein sprechendes weißes Kaninchen geleitet das Mädchen durch den dunklen, tiefen Schacht seines Baus in eine rätselhafte Welt nahe dem Erdmittelpunkt. Hier begegnet Alice wundersamen Wesen wie dem Hutmacher, der Haselmaus oder dem Kartenkönigspaar und erlebt Geschichten, die die Ordnung ihrer bisher gewohnten Kinderwelt in Frage stellen. Bis heute gehört das 1865 erschienene Werk Alice im Wunderland zu den Klassikern der Kinder- und Weltliteratur. Ein Buch, das jeder einmal gelesen haben sollte. Es ist gefüllt mit skurrilen Figuren, die schon früh ihren Weg in die populäre Kultur gefunden haben. Genießen Sie die wunderschönen bekannten Illustrationen von John Tenniel. Mit einem Nachwort und Ergänzungen zur Übersetzung. Null Papier Verlag

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Zeit:2 Std. 25 min

Sprecher:Uta Kroemer
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Lewis Carroll

Alice im Wunderland

Überarbeitete deutsche Fassung

Lewis Carroll

Alice im Wunderland

Überarbeitete deutsche Fassung

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]Übersetzung: Antonie ZimmermannIllustrationen: John Tenniel 16. Auflage, ISBN 978-3-954180-02-8

null-papier.de/neu

Inhaltsverzeichnis

Ers­tes Ka­pi­tel – Hin­un­ter in den Ka­nin­chen­bau

Zwei­tes Ka­pi­tel – Der Trä­nen­pfuhl

Drit­tes Ka­pi­tel – Cau­cus-Ren­nen und was dar­aus wird

Vier­tes Ka­pi­tel – Die Woh­nung des Ka­nin­chens

Fünf­tes Ka­pi­tel – Gu­ter Rat von ei­ner Rau­pe

Sechs­tes Ka­pi­tel – Fer­kel und Pfef­fer

Sie­ben­tes Ka­pi­tel – Die tol­le Tee­ge­sell­schaft

Ach­tes Ka­pi­tel – Das Cro­quet­feld der Kö­ni­gin

Neun­tes Ka­pi­tel – Die Ge­schich­te der falschen Schild­krö­te

Zehn­tes Ka­pi­tel – Das Hum­mer­bal­lett

Elf­tes Ka­pi­tel – Wer hat die Ku­chen ge­stoh­len?

Zwölf­tes Ka­pi­tel – Ali­ce ist die Klügs­te

An­mer­kun­gen

Dan­ke

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Ihr Jür­gen Schul­ze

Klas­si­ker bei Null Pa­pier

Ali­ce im Wun­der­land

Anna Ka­re­ni­na

Der Graf von Mon­te Chri­sto

Die Schat­zin­sel

Ivan­hoe

Oli­ver Twist oder Der Weg ei­nes Für­sor­ge­zög­lings

Ro­bin­son Cru­soe

Das Got­tes­le­hen

Meis­ter­no­vel­len

Eine Weih­nachts­ge­schich­te

und wei­te­re …

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Der Ver­fas­ser wünscht hier­mit sei­ne Aner­ken­nung ge­gen die Über­set­ze­rin aus­zu­spre­chen, die ei­ni­ge ein­ge­streu­te Par­odi­en eng­li­scher Kin­der­lie­der, wel­che der deut­schen Ju­gend un­ver­ständ­lich ge­we­sen wä­ren, durch der­glei­chen von be­kann­ten deut­schen Ge­dich­ten er­setzt hat. Eben­so sind für die oft un­über­setz­ba­ren eng­li­schen Wort­spie­le pas­sen­de deut­sche ein­ge­scho­ben wor­den, wel­che das Buch al­lein der Ge­wandt­heit der Über­set­ze­rin ver­dankt.

Der Ver­le­ger hat die Spra­che der ak­tu­el­len deut­schen Recht­schrei­bung an­ge­passt, um ein flüs­si­ge­res Le­sen zu er­mög­li­chen.

O schö­ner, gold­ner Nach­mit­tag, Wo Flut und Him­mel lacht! Von schwa­cher Kin­des­hand be­wegt, Die Ru­der plät­schern sacht – Das Steu­er hält ein Kin­de­s­arm Und len­ket uns­re Fahrt. So fuh­ren wir ge­mäch­lich hin Auf träu­me­ri­schen Wel­len – Doch ach! Die drei ver­ein­ten sich, Den mü­den Freund zu quä­len – Sie trie­ben ihn, sie dräng­ten ihn, Ein Mähr­chen zu er­zäh­len. Die ers­te gab’s Kom­man­do­wort; O schnell, o fan­ge an! Und mach’ es so, die Zwei­te bat, Dass man recht la­chen kann! Die Drit­te ließ ihm kei­ne Ruh Mit wie? Und wo? Und wann? Jetzt lau­schen sie vom Zau­ber­land Der wun­der­ba­ren Mähr’; Mit Tier und Vo­gel sind sie bald In freund­li­chem Ver­kehr, Und füh­len sich so hei­misch dort, Als ob es Wahr­heit wär’. – Und je­des Mal, wenn Fan­ta­sie Dem Freun­de ganz ver­siegt: – »Das Üb­ri­ge ein an­der Mal!« O nein, sie lei­den’s nicht. »Es ist ja schon ein an­der Mal!« – So ru­fen sie ver­gnügt. So ward vom schö­nen Wun­der­land Das Mär­chen aus­ge­dacht, So lang­sam Stück für Stück er­zählt, Be­plau­dert und be­lacht, Und froh, als es zu Ende war, Der Weg nach Haus ge­macht. Ali­ce! O nimm es freund­lich an! Leg’ es mit güt’­ger Hand Zum Strau­ße, den Erin­ne­rung Aus Kind­heits­träu­men band, Gleich wel­ken Blü­ten, mit­ge­bracht Aus lie­bem, fer­nen Land.

Erstes Kapitel

Hinunter in den Kaninchenbau

Ali­ce fing an sich zu lang­wei­len; sie saß schon lan­ge bei ih­rer Schwes­ter am Ufer und hat­te nichts zu tun. Das Buch, das ihre Schwes­ter las, ge­fiel ihr nicht; denn es wa­ren we­der Bil­der noch Ge­sprä­che dar­in. »Und was nüt­zen Bü­cher«, dach­te Ali­ce, »ohne Bil­der und Ge­sprä­che?«

Sie über­leg­te sich eben, (so gut es ging, denn sie war schläf­rig und dumm von der Hit­ze,) ob es der Mühe wert sei auf­zu­ste­hen und Gän­se­blüm­chen zu pflücken, um eine Ket­te da­mit zu ma­chen, als plötz­lich ein wei­ßes Ka­nin­chen mit ro­ten Au­gen dicht an ihr vor­bei­rann­te.

Dies war gra­de nicht sehr merk­wür­dig; Ali­ce fand es auch nicht sehr au­ßer­or­dent­lich, dass sie das Ka­nin­chen sa­gen hör­te: »O weh, o weh! Ich wer­de zu spät kom­men!« (Als sie es spä­ter wie­der über­leg­te, fiel ihr ein, dass sie sich dar­über hät­te wun­dern sol­len, doch zur­zeit kam es ihr al­les ganz na­tür­lich vor.) Aber als das Ka­nin­chen sei­ne Uhr aus der Wes­ten­ta­sche zog, nach der Zeit sah und ei­lig fort­lief, sprang Ali­ce auf; denn es war ihr doch noch nie vor­ge­kom­men, ein Ka­nin­chen mit ei­ner Wes­ten­ta­sche und eine Uhr dar­in zu se­hen. Vor Neu­gier­de bren­nend, rann­te sie ihm nach, über den Gras­p­latz, und kam noch zur rech­ten Zeit, um es in ein großes Loch un­ter der He­cke schlüp­fen zu se­hen.

Den nächs­ten Au­gen­blick war sie ihm nach in das Loch hin­ein­ge­sprun­gen, ohne zu be­den­ken, wie in al­ler Welt sie wie­der her­aus­kom­men könn­te.

Der Ein­gang zum Ka­nin­chen­bau lief erst ge­ra­de­aus, wie ein Tun­nel und ging dann plötz­lich ab­wärts; ehe Ali­ce noch den Ge­dan­ken fas­sen konn­te sich schnell fest­zu­hal­ten, fühl­te sie schon, dass sie fiel, wie es schi­en, in einen tie­fen, tie­fen Brun­nen.

Ent­we­der muss­te der Brun­nen sehr tief sein, oder sie fiel sehr lang­sam; denn sie hat­te Zeit ge­nug, sich beim Fal­len um­zu­se­hen und sich zu wun­dern, was nun wohl ge­sche­hen wür­de. Zu­erst ver­such­te sie hin­un­ter zu se­hen, um zu wis­sen wo­hin sie käme, aber es war zu dun­kel et­was zu er­ken­nen. Da be­sah sie die Wän­de des Brun­nens und be­merk­te, dass sie mit Kü­chen­schrän­ken und Bü­cher­bret­tern be­deckt wa­ren; hier und da er­blick­te sie Land­kar­ten und Bil­der, an Ha­ken auf­ge­hängt. Sie nahm im Vor­bei­fal­len von ei­nem der Bret­ter ein Töpf­chen mit der Auf­schrift: »Ein­ge­mach­te Ap­fel­si­nen«, aber zu ih­rem großen Ver­druss war es leer. Sie woll­te es nicht fal­len las­sen, aus Furcht je­mand un­ter sich zu tö­ten; und es ge­lang ihr, es in einen an­de­ren Schrank, an dem sie vor­bei­kam, zu schie­ben.

»Nun!« dach­te Ali­ce bei sich, »nach ei­nem sol­chen Fall wer­de ich mir nichts dar­aus ma­chen, wenn ich die Trep­pe hin­un­ter stol­pe­re. Wie mu­tig sie mich zu Haus fin­den wer­den! Ich wür­de nicht viel Re­dens ma­chen, wenn ich selbst von der Dach­spit­ze hin­un­ter fie­le!« (Was sehr wahr­schein­lich war.)

Hin­un­ter, hin­un­ter, hin­un­ter! Woll­te denn der Fall nie en­di­gen? »Wie vie­le Mei­len ich wohl jetzt ge­fal­len bin!« sag­te sie laut. »Ich muss un­ge­fähr am Mit­tel­punkt der Erde sein. Lass se­hen: das wä­ren acht­hun­dert und fünf­zig Mei­len, glau­be ich –« (denn ihr müsst wis­sen, Ali­ce hat­te der­glei­chen in der Schu­le ge­lernt, und ob­gleich dies kei­ne sehr gute Ge­le­gen­heit war, ihre Kennt­nis­se zu zei­gen, da nie­mand zum Zu­hö­ren da war, so übte sie es sich doch da­bei ein) – »ja, das ist un­ge­fähr die Ent­fer­nung; aber zu wel­chem Län­ge- und Brei­te­gra­de ich wohl ge­kom­men sein mag?« (Ali­ce hat­te nicht den ge­rings­ten Be­griff, was we­der Län­ge­grad noch Brei­te­grad war; doch klan­gen ihr die Wor­te groß­ar­tig und nett zu sa­gen.)

Bald fing sie wie­der an. »Ob ich wohl ganz durch die Erde fal­len wer­de! Wie ko­misch das sein wird, bei den Leu­ten her­aus zu kom­men, die auf dem Kop­fe ge­hen! Die An­ti­pa­thi­en, glau­be ich.« (Dies­mal war es ihr ganz lieb, dass nie­mand zu­hör­te, denn das Wort klang ihr gar nicht recht.) »Aber na­tür­lich wer­de ich sie fra­gen müs­sen, wie das Land heißt. Bit­te, lie­be Dame, ist dies Neu-See­land oder Aus­tra­li­en?« (Und sie ver­such­te da­bei zu kni­xen, – denkt doch, kni­xen, wenn man durch die Luft fällt! Könn­tet ihr das fer­tig krie­gen?) »Aber sie wer­den mich für ein un­wis­sen­des klei­nes Mäd­chen hal­ten, wenn ich fra­ge! Nein, es geht nicht an zu fra­gen; viel­leicht sehe ich es ir­gend­wo an­ge­schrie­ben.«

Hin­un­ter, hin­un­ter, hin­un­ter! Sie konn­te nichts wei­ter tun, also fing Ali­ce bald wie­der zu spre­chen an. »Di­nah wird mich ge­wiss heut Abend recht su­chen!« (Di­nah war die Kat­ze.) »Ich hof­fe, sie wer­den ih­ren Napf Milch zur Tee­stun­de nicht ver­ges­sen. Di­nah! Mies! Ich woll­te, du wä­rest hier un­ten bei mir. Mir ist nur ban­ge, es gibt kei­ne Mäu­se in der Luft; aber du könn­test einen Spat­zen fan­gen; die wird es hier in der Luft wohl ge­ben, glaubst du nicht? Und Kat­zen fres­sen doch Spat­zen?« Hier wur­de Ali­ce et­was schläf­rig und re­de­te halb im Traum fort. »Fres­sen Kat­zen gern Spat­zen? Fres­sen Kat­zen gern Spat­zen? Fres­sen Spat­zen gern Kat­zen?« Und da ihr nie­mand zu ant­wor­ten brauch­te, so kam es gar nicht dar­auf an, wie sie die Fra­ge stell­te. Sie fühl­te, dass sie ein­sch­lief und hat­te eben an­ge­fan­gen zu träu­men, sie gehe Hand in Hand mit Di­nah spa­zie­ren, und fra­ge sie ganz ernst­haft: »Nun, Di­nah, sage die Wahr­heit, hast du je einen Spat­zen ge­fres­sen?« da mit ei­nem Male, plump! Plump! Kam sie auf einen Hau­fen trock­nes Laub und Rei­sig zu lie­gen, – und der Fall war aus.

Ali­ce hat­te sich gar nicht weh ge­tan. Sie sprang so­gleich auf und sah in die Höhe; aber es war dun­kel über ihr. Vor ihr lag ein zwei­ter lan­ger Gang, und sie konn­te noch eben das wei­ße Ka­nin­chen dar­in ent­lang lau­fen se­hen. Es war kein Au­gen­blick zu ver­lie­ren: fort rann­te Ali­ce wie der Wind, und hör­te es ge­ra­de noch sa­gen, als es um eine Ecke bog: »O, Ohren und Schnurr­bart, wie spät es ist!« Sie war dicht hin­ter ihm, aber als sie um die Ecke bog, da war das Ka­nin­chen nicht mehr zu se­hen. Sie be­fand sich in ei­nem lan­gen, nied­ri­gen Kor­ri­dor, der durch eine Rei­he Lam­pen er­leuch­tet war, die von der De­cke her­ab­hin­gen.

Zu bei­den Sei­ten des Kor­ri­dors wa­ren Tü­ren; aber sie wa­ren alle ver­schlos­sen. Ali­ce ver­such­te jede Tür erst auf ei­ner Sei­te, dann auf der an­de­ren; end­lich ging sie trau­rig in der Mit­te ent­lang, über­le­gend, wie sie je her­aus kom­men könn­te.

Plötz­lich stand sie vor ei­nem klei­nen drei­bei­ni­gen Ti­sche, ganz von dickem Glas. Es war nichts dar­auf als ein win­zi­ges gol­de­nes Schlüs­sel­chen, und Ali­ce’s ers­ter Ge­dan­ke war, dies möch­te zu ei­ner der Tü­ren des Kor­ri­dors ge­hö­ren. Aber ach! Ent­we­der wa­ren die Sch­lös­ser zu groß, oder der Schlüs­sel war zu klein; kurz, er pass­te zu kei­ner ein­zi­gen. Je­doch, als sie das zwei­te Mal her­um ging, kam sie an einen nied­ri­gen Vor­hang, den sie vor­her nicht be­merkt hat­te, und da­hin­ter war eine Tür, un­ge­fähr fünf­zehn Zoll hoch. Sie steck­te das gol­de­ne Schlüs­sel­chen ins Schlüs­sel­loch, und zu ih­rer großen Freu­de pass­te es.

Ali­ce schloss die Tür auf und fand, dass sie zu ei­nem klei­nen Gan­ge führ­te, nicht viel grö­ßer als ein Mäu­se­loch. Sie knie­te nie­der und sah durch den Gang in den rei­zends­ten Gar­ten, den man sich den­ken kann. Wie wünsch­te sie, aus dem dun­keln Kor­ri­dor zu ge­lan­gen, und un­ter den bun­ten Blu­men­bee­ten und küh­len Spring­brun­nen um­her zu wan­dern; aber sie konn­te kaum den Kopf durch den Ein­gang ste­cken. »Und wenn auch mein Kopf hin­durch gin­ge«, dach­te die arme Ali­ce, »was wür­de es nüt­zen ohne die Schul­tern. O, ich möch­te mich zu­sam­men­schie­ben kön­nen wie ein Te­le­skop! Das geht ge­wiss, wenn ich nur wüss­te, wie man es an­fängt.« Denn es war kürz­lich so viel Merk­wür­di­ges mit ihr vor­ge­gan­gen, dass Ali­ce an­fing zu glau­ben, es sei fast nichts un­mög­lich.

Es schi­en ihr ganz un­nütz, län­ger bei der klei­nen Tür zu war­ten. Da­her ging sie zum Tisch zu­rück, halb und halb hof­fend, sie wür­de noch einen Schlüs­sel dar­auf fin­den, oder je­den­falls ein Buch mit An­wei­sun­gen, wie man sich als Te­le­skop zu­sam­men­schie­ben kön­ne. Dies­mal fand sie ein Fläsch­chen dar­auf. »Das ge­wiss vor­hin nicht hier stand«, sag­te Ali­ce; und um den Hals des Fläsch­chens war ein Zet­tel ge­bun­den, mit den Wor­ten »Trin­ke mich!« wun­der­schön in großen Buch­sta­ben drauf ge­druckt.

Es war bald ge­sagt, »Trin­ke mich«, aber die alt­klu­ge klei­ne Ali­ce woll­te sich da­mit nicht über­ei­len. »Nein, ich wer­de erst nach­se­hen«, sprach sie, »ob ein To­ten­kopf dar­auf ist oder nicht.« Denn sie hat­te meh­re hüb­sche Ge­schich­ten ge­le­sen von Kin­dern, die sich ver­brannt hat­ten oder sich von wil­den Tie­ren hat­ten fres­sen las­sen, und in an­de­re un­an­ge­neh­me La­gen ge­ra­ten wa­ren, nur weil sie nicht an die War­nun­gen dach­ten, die ihre Freun­de ih­nen ge­ge­ben hat­ten; zum Bei­spiel, dass ein rot­glü­hen­des Ei­sen brennt, wenn man es an­fasst; und dass wenn man sich mit ei­nem Mes­ser tief in den Fin­ger schnei­det, es ge­wöhn­lich blu­tet. Und sie hat­te nicht ver­ges­sen, dass wenn man viel aus ei­ner Fla­sche mit ei­nem To­ten­kopf dar­auf trinkt, es ei­nem un­fehl­bar schlecht be­kommt.

Die­se Fla­sche je­doch hat­te kei­nen To­ten­kopf. Da­her wag­te Ali­ce zu kos­ten; und da es ihr gut schmeck­te (es war ei­gent­lich wie ein Ge­misch von Kirsch­ku­chen, Sah­nensau­ce, Ana­nas, Pu­ten­bra­ten, Nau­te und Ar­men Rit­tern), so trank sie die Fla­sche aus.

»Was für ein ko­mi­sches Ge­fühl!« sag­te Ali­ce. »Ich gehe ge­wiss zu wie ein Te­le­skop.«

Und so war es in der Tat: jetzt war sie nur noch zehn Zoll hoch, und ihr Ge­sicht leuch­te­te bei dem Ge­dan­ken, dass sie nun die rech­te Höhe habe, um durch die klei­ne Tür in den schö­nen Gar­ten zu ge­hen. Doch erst war­te­te sie ei­ni­ge Mi­nu­ten, ob sie noch mehr ein­schrump­fen wer­de. Sie war ei­ni­ger­ma­ßen ängst­lich; »denn es könn­te da­mit auf­hö­ren«, sag­te Ali­ce zu sich selbst, »dass ich ganz aus­gin­ge, wie ein Licht. Mich wun­dert, wie ich dann aus­sä­he?« Und sie ver­such­te sich vor­zu­stel­len, wie die Flam­me von ei­nem Lich­te aus­sieht, wenn das Licht aus­ge­bla­sen ist; aber sie konn­te sich nicht er­in­nern, dies je ge­se­hen zu ha­ben.

Nach ei­ner Wei­le, als sie merk­te dass wei­ter nichts ge­sch­ah, be­schloss sie, gleich in den Gar­ten zu ge­hen. Aber, arme Ali­ce! Als sie an die Tür kam, hat­te sie das gol­de­ne Schlüs­sel­chen ver­ges­sen. Sie ging nach dem Ti­sche zu­rück, es zu ho­len, fand aber, dass sie es un­mög­lich er­rei­chen konn­te. Sie sah es ganz deut­lich durch das Glas, und sie gab sich alle Mühe an ei­nem der Tisch­fü­ße hin­auf zu klet­tern, aber er war zu glatt; und als sie sich ganz müde ge­ar­bei­tet hat­te, setz­te sich das arme, klei­ne Ding hin und wein­te.

»Still, was nützt es so zu wei­nen!« sag­te Ali­ce ganz böse zu sich selbst; »ich rate dir, den Au­gen­blick auf­zu­hö­ren!« Sie gab sich oft sehr gu­ten Rat (ob­gleich sie ihn sel­ten be­folg­te), und manch­mal schalt sie sich selbst so stren­ge, dass sie sich zum Wei­nen brach­te; und ein­mal, er­in­ner­te sie sich, hat­te sie ver­sucht sich eine Ohr­fei­ge zu ge­ben, weil sie im Cro­quet be­tro­gen hat­te, als sie ge­gen sich selbst spiel­te; denn die­ses ei­gen­tüm­li­che Kind stell­te sehr gern zwei Per­so­nen vor. »Aber jetzt hilft es zu nichts«, dach­te die arme Ali­ce, »zu tun als ob ich zwei ver­schie­de­ne Per­so­nen wäre. Ach! Es ist ja kaum ge­nug von mir üb­rig zu ei­ner an­stän­di­gen Per­son!«

Bald fiel ihr Auge auf eine klei­ne Glas­büch­se, die un­ter dem Ti­sche lag; sie öff­ne­te sie und fand einen sehr klei­nen Ku­chen dar­in, auf wel­chem die Wor­te »Iss mich!« schön in klei­nen Ro­si­nen ge­schrie­ben stan­den. »Gut, ich will ihn es­sen«, sag­te Ali­ce, »und wenn ich da­von grö­ßer wer­de, so kann ich den Schlüs­sel er­rei­chen; wenn ich aber klei­ner da­von wer­de, so kann ich un­ter der Tür durch­krie­chen. So, auf je­den Fall, ge­lan­ge ich in den Gar­ten, – es ist mir ei­ner­lei wie.«

Sie aß ein Biss­chen, und sag­te neu­gie­rig zu sich selbst: »Auf­wärts oder ab­wärts?« Da­bei hielt sie die Hand prü­fend auf ih­ren Kopf und war ganz er­staunt zu be­mer­ken, dass sie die­sel­be Grö­ße be­hielt. Frei­lich ge­schieht dies ge­wöhn­lich, wenn man Ku­chen isst; aber Ali­ce war schon so an wun­der­ba­re Din­ge ge­wöhnt, dass es ihr ganz lang­wei­lig schi­en, wenn das Le­ben so na­tür­lich fort­ging.

Sie mach­te sich also dar­an, und ver­zehr­te den Ku­chen völ­lig.

Zweites Kapitel

Der Tränenpfuhl

Ver­que­rer und ver­que­rer!« rief Ali­ce. (Sie war so über­rascht, dass sie im Au­gen­blick ihre ei­ge­ne Spra­che ganz ver­gaß.) »Jetzt wer­de ich aus­ein­an­der ge­scho­ben wie das längs­te Te­le­skop das es je gab! Lebt wohl, Füße!« (Denn als sie auf ihre Füße hin­ab­sah, konn­te sie sie kaum mehr zu Ge­sicht be­kom­men, so weit fort wa­ren sie schon.) »O mei­ne ar­men Füß­chen! Wer euch wohl nun Schu­he und St­rümp­fe an­zie­hen wird, mei­ne Bes­ten? Denn ich kann es un­mög­lich tun! Ich bin viel zu weit ab, um mich mit euch ab­zu­ge­ben! Ihr müsst se­hen, wie ihr fer­tig wer­det. Aber gut muss ich zu ih­nen sein«, dach­te Ali­ce, »sonst ge­hen sie viel­leicht nicht, wo­hin ich ge­hen möch­te. Lass mal se­hen: ich will ih­nen je­den Weih­nach­ten ein Paar neue Stie­fel schen­ken.«

Und sie dach­te sich aus, wie sie das an­fan­gen wür­de. »Sie müs­sen per Fracht ge­hen«, dach­te sie; »wie drol­lig es sein wird, sei­nen eig­nen Fü­ßen ein Ge­schenk zu schi­cken! Und wie ko­misch die Adres­se aus­se­hen wird! –

An Ali­ce’s rech­ten Fuß, Wohl­ge­bo­ren, Fuß­tep­pich, nicht weit vom Ka­min, mit Ali­ce’s Grü­ßen.

Oh, was für Un­sinn ich schwat­ze!«