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Dieses eBook: "Alle Galgenlieder (Bim, Bam, Bum + Das Große Lalula + Der Zwölf-Elf + Der Mondberg-Uhu + Der Rabe Ralf + Fisches Nachtgesang + Palma Kunkel + Der Gingganz + und viel mehr)" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Christian Morgenstern (1871-1914) war ein deutscher Dichter, Schriftsteller und Übersetzer. Besondere Bekanntheit erreichte seine komische Lyrik, die jedoch nur einen Teil seines Werkes ausmacht. Galgenlieder ist ein erstmals im März 1905 im Verlag Bruno Cassirer erschienener Gedichtband von Christian Morgenstern, der seit 1895 daran gearbeitet hatte. Unter dem Motto "Im ächten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen." - einem Nietzsche-Zitat - schrieb Morgenstern eine Reihe von formal und inhaltlich kindlich anmutenden, sprachspielerischen Gedichten, die auf große Begeisterung bei Hörern und Lesern stießen, von der Litereraturkritik aber lange Zeit aufgrund ihres kindlichen Gestus übergangen oder unterschätzt wurden. Bald schon entfernte sich Morgenstern in den Galgenliedern vom ursprünglichen Thema des Galgens und erweiterte diese um sprachspielerische, oft Dinge verlebendigende, grotesk anmutende Gedichte, die erstmals in der Sammlung Der Gingganz veröffentlicht wurden. Aus dem Buch: "Die Galgenpoesie ist ein Stück Weltanschauung. Es ist die skrupellose Freiheit des Ausgeschalteten, Entmaterialisierten, die sich in ihr ausspricht. Man weiß, was ein mulus ist: die beneidenswerte Zwischenstufe zwischen Schulbank und Universität. Nun wohl: ein Galgenbruder ist die beneidenswerte Zwischenstufe zwischen Mensch und Universum. Nichts weiter. Man sieht vom Galgenberg die Welt anders an, und man sieht andre Dinge als Andre."
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Seitenzahl: 114
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Dem Kinde im Manne: Die Beichte des Wurms + Das Mondschaf + Galgenberg + Lunovis + Der Tanz + Die beiden Esel + Galgenkinds Wiegenlied + Zukunftssorgen + Zeitgedichte + Palmström und mehr
Galgenlieder Palmström Palma Kunkel Gingganz
Dem Kinde im Manne
Im echten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen.
Nietzsche
zur 15. Auflage (1913)
Dem Kinde im Menschen
In jedem Menschen ist ein Kind verborgen, das heißt Bildnertrieb und will als liebstes Spiel- und Ernst-Zeug nicht das bis auf den letzten Rest nachgearbeitete Miniatur-Schiff, sondern die Walnußschale mit der Vogelfeder als Segelmast und dem Kieselstein als Kapitän. Das will auch in der Kunst mit-spielen, mit- schaffen dürfen und nicht so sehr bloß bewundernder Zuschauer sein. Denn dieses ›Kind im Menschen‹ ist der unsterbliche Schöpfer in ihm...
Es waren einmal acht lustige Könige; die lebten. Sie hießen aber so und so. Wer heißt überhaupt? Man nennt ihn. Eines Tages aber sprachen die lustigen Könige zueinander, wie Könige zueinander sprechen. »Die Welt ist ohne Salz; laßt uns nach Salz gehen!« sagte der zweite. »Und wenn es Pfeffer wäre«, meinte der sechste. »Wer weiß das Neue?« fragte der fünfte. »Ich!« rief der siebente. »Wie nennst du's?« fragte der erste. »Das Unterirdische,« erwiderte der siebente, »das Links, das Rechts, das Dazwischen, das Nächtliche, die Quadrate des Unsinnlichen über den drei Seiten des Sinnlichen.« »Und der Weg dazu?« fragte der achte. »Das einarmige Kreuz ohne Kopf mit der Basis über dem Winkel«, sagte der siebente. »Also der Galgen!« sagte der vierte. »Esto«, sprach der dritte. Und alle wiederholten: »Esto«, das heißt »Jawohl«. Und die acht lustigen Könige rafften ihre Gewänder und ließen sich von ihrem Narren hängen. Den Narren aber verschlang alsogleich der Geist der Vergessenheit. –
Betrachten wir den ›Galgenberg‹ als ein Lugaus der Phantasie ins Rings. Im Rings befindet sich noch viel Stummes.
Die Galgenpoesie ist ein Stück Weltanschauung. Es ist die skrupellose Freiheit des Ausgeschalteten, Entmaterialisierten, die sich in ihr ausspricht. Man weiß, was ein mulus ist: die beneidenswerte Zwischenstufe zwischen Schulbank und Universität. Nun wohl: ein Galgenbruder ist die beneidenswerte Zwischenstufe zwischen Mensch und Universum. Nichts weiter. Man sieht vom Galgenberg die Welt anders an, und man sieht andre Dinge als Andre.
Laß die Moleküle rasen, was sie auch zusammenknobeln! Laß das Tüfteln, laß das Hobeln,
Blödem Volke unverständlich treiben wir des Lebens Spiel. Gerade das, was unabwendlich, fruchtet unserm Spott als Ziel.
Magst es Kinder-Rache nennen an des Daseins tiefem Ernst; wirst das Leben besser kennen,
O schauerliche Lebenswirrn, wir hängen hier am roten Zwirn! Die Unke unkt, die Spinne spinnt, und schiefe Scheitel kämmt der Wind.
O Greule, Greule, wüste Greule! »Du bist verflucht!« so sagt die Eule. Der Sterne Licht am Mond zerbricht. Doch dich zerbrachs noch immer nicht.
O Greule, Greule, wüste Greule! Hört ihr den Huf der Silbergäule? Es schreit der Kauz: pardauz! pardauz!
Sophie, mein Henkersmädel, komm, küsse mir den Schädel! Zwar ist mein Mund ein schwarzer Schlund – doch du bist gut und edel!
Sophie, mein Henkersmädel, komm, streichle mir den Schädel! Zwar ist mein Haupt des Haars beraubt – doch du bist gut und edel!
Sophie, mein Henkersmädel, komm, schau mir in den Schädel! Die Augen zwar,
Pfeift der Sturm? Keift ein Wurm? Heulen Eulen hoch vom Turm?
Nein!
Es ist des Galgenstrickes dickes Ende, welches ächzte, gleich als ob im Galopp eine müdgehetzte Mähre
Die Rehlein beten zur Nacht, hab acht!
Halb neun!
Halb zehn!
Halb elf!
Halb zwölf!
Zwölf!
Die Rehlein beten zur Nacht, hab acht! Sie falten die kleinen Zehlein,
Kroklokwafzi? Se e e i! Seiokronto -- prafriplo: Bifzi, bafzi; hulale i quasti bast bo ... Lalu lalu lalu lalu la!
Hontraruru miromente zasku zes rü rü? Enpente, leiolente klekwapufzi lü? Lalu lalu lalu lalu la!
Simarar kos malzipempu silzuzankunkrei (;)! Marjomar dos: Quempu Lempu Siri Suri Sei []!
Der Zwölf-Elf hebt die linke Hand: Da schlägt es Mitternacht im Land.
Es lauscht der Teich mit offnem Mund. Ganz leise heult der Schluchtenhund.
Die Dommel reckt sich auf im Rohr. Der Moosfrosch lugt aus seinem Moor.
Der Schneck horcht auf in seinem Haus; desgleichen die Kartoffelmaus.
Das Irrlicht selbst macht Halt und Rast auf einem windgebrochnen Ast.
Sophie, die Maid, hat ein Gesicht: Das Mondschaf geht zum Hochgericht.
Die Galgenbrüder wehn im Wind. Im fernen Dorfe schreit ein Kind.
Zwei Maulwürf küssen sich zur Stund als Neuvermählte auf den Mund.
Hingegen tief im finstern Wald ein Nachtmahr seine Fäuste ballt:
Dieweil ein später Wanderstrumpf sich nicht verlief in Teich und Sumpf.
Der Rabe Ralf ruft schaurig: »Kra! Das End ist da! Das End ist da!«
Das Mondschaf steht auf weiter Flur. Es harrt und harrt der großen Schur. Das Mondschaf.
Das Mondschaf rupft sich einen Halm und geht dann heim auf seine Alm. Das Mondschaf.
Das Mondschaf spricht zu sich im Traum: »Ich bin des Weltalls dunkler Raum.« Das Mondschaf.
Lunovis in planitie stat Cultrumque magn' exspectitat. Lunovis.
Lunovis herba rapta it In montes, unde cucurrit. Lunovis.
Lunovis habet somnium: Se culmen rer' ess' omnium.
Das Mondschaf sagt sich selbst gut Nacht, d.h., es wurde überdacht von seinem eigenen Denker: Der übergibt dies alles sich mit einem kurzen Federstrich
Zwei Trichter wandeln durch die Nacht. Durch ihres Rumpfs verengten Schacht fließt weißes Mondlicht still und heiter auf ihren
Der Rabe Ralf will will hu hu dem niemand half still still du du half sich allein am Rabenstein will will still still hu hu
Die Nebelfrau will will hu hu nimmts nicht genau still still du du sie sagt nimm nimm 's ist nicht so schlimm
Es lenzet auch auf unserm Spahn, o selige Epoche! Ein Hälmlein will zum Lichte nahn aus einem Astwurmloche.
Es schaukelt bald im Winde hin und schaukelt bald drin her. Mir ist beinah, ich wäre wer,
Die Mond-Uhr wies auf halber ilf, da rief ich laut: Gott hilf, Gott hilf! Wie singt im nahen Röhricht die Unke gar so töricht!
U u, u u, u u, u u – So geht es immer und immerzu! Ich kann solch lautes Grübeln der Kröte nur verübeln.
So schweig doch still, verruchtes Maul! Sonst freß dich gleich der Silbergaul! Er frißt dich auf wie Hafer drum werde stiller, braver! ...
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Die Mond-Uhr wies dreiviertel ilf, verweht war mein: Gott hilf, Gott hilf! – Im nahen Röhricht aber erschien der Silbertraber.
Der Zwölf-Elf kam auf sein Problem und sprach: »Ich heiße unbequem. Als hieß ich etwa Drei-Vier statt Sieben – Gott verzeih mir!«
Und siehe da, der Zwölf-Elf nannt sich
Der Ochsenspatz
Die Kamelente
Der Regenlöwe
Die Turtelunke
Die Schoßeule
Der Walfischvogel
Die Quallenwanze
Der Gürtelstier
Der Pfauenochs
Der Werfuchs
Die Tagtigall
Der Sägeschwan
Der Süßwassermops
Der Weinpintscher
Das Sturmspiel
Der Eulenwurm
Der Giraffenigel
Das Rhinozepony
Die Gänseschmalzblume
Der Menschenbrotbaum.
Es horcht ein Hofhund hinterm Zaun – (›Achtung! Hunde!‹) Es horcht ein Hofhund hinterm Zaun zur mitternächtigen Stunde. Mit glühnden Augen steht der Hund an einem Möbelwagen...
Ein Vierviertelschwein und eine Auftakteule trafen sich im Schatten einer Säule, die im Geiste ihres Schöpfers stand. Und zum Spiel der Fiedelbogenpflanze reichten sich die zwei zum Tanze Fuß und Hand.
Und auf seinen dreien rosa Beinen hüpfte das Vierviertelschwein graziös, und die Auftakteul auf ihrem einen wiegte rhythmisch ihr Gekrös. Und der Schatten fiel, und der Pflanze Spiel klang verwirrend melodiös.
Doch des Schöpfers Hirn war nicht von Eisen, und die Säule schwand, wie sie gekommen war, und so mußte denn auch unser Paar wieder in sein Nichts zurücke reisen.
Ein Knie geht einsam durch die Welt. Es ist ein Knie, sonst nichts! Es ist kein Baum! Es ist kein Zelt! Es ist ein Knie, sonst nichts.
Im Kriege ward einmal ein Mann erschossen um und um. Das Knie allein blieb unverletzt – als wärs ein Heiligtum.
Seitdem gehts einsam durch die Welt. Es ist ein Knie, sonst nichts. Es ist kein Baum, es ist kein Zelt.
Ein Seufzer lief Schlittschuh auf nächtlichem Eis und träumte von Liebe und Freude. Es war an dem Stadtwall, und schneeweiß glänzten die Stadtwallgebäude.