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Wünschen Sie sich auch ab und zu, dem Alltag zu entfliehen und sich auf einer einsamen Insel wiederzufinden? Dieser Traum ging für Gabriella S. Pahud in Erfüllung - 10 Tage lebte sie allein auf einer Insel im Pazifik. Der auf Grundlage Ihres Inseltagebuchs entstandene Ratgeber ist nicht nur ein Abenteuerbericht, sondern gelebte Psychologie, die individuell im Alltag bei kleinen und großen Herausforderungen eingesetzt werden kann.
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Seitenzahl: 317
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Nachdruck 2013 © 2005 bei mvgVerlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH Nymphenburger Straße 86 D-80636 München Tel.: 089 651285-0 Fax: 089 652096
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Umschlaggestaltung: Coverdesign Uhlig, Bobingen Redaktion: Andrea Voß Satz: Redline GmbH, J. Echter Druck: Books on Demand GmbH, Norderstedt Printed in Germany
ISBN Print 978-3-86882-373-8 ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-059-3
Weitere Informationen zum Verlag finden Siewww.mvg-verlag.de Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unterwww.muenchner-verlagsgruppe.de
Dank
Vorwort: Die große Sehnsucht nach der einsamen Insel
Erster Inseltag – erste Erkenntnis: Die Energie folgt der Aufmerksamkeit – über Ziel und Fokus
Zweiter Inseltag – zweite Erkenntnis: Der Zugang zum eigenen Herzen, meiner Kraftquelle
Dritter Inseltag – dritte Erkenntnis: Unsere Sinne, unser Hauptwerkzeug
Vierter Inseltag – vierte Erkenntnis: Die Entscheidung liegt bei mir, und ich habe immer eine Wahl!
Fünfter Inseltag – fünfte Erkenntnis: Der sinnvolle Umgang mit der Zeit
Sechster Inseltag – sechste Erkenntnis: Die Welt entspricht deinen Gedanken
Siebter Inseltag – siebte Erkenntnis: Die sieben Geheimnisse der Liebe
Achter Inseltag – achte Erkenntnis: Loslassen bedeutet Freiheit
Neunter Inseltag – neunte Erkenntnis: Ich bin der Autor meines Lebens
Zehnter Inseltag – zehnte Erkenntnis: Freiheit durch das Frei-sein von jeglicher Erwartungshaltung
Nachwort: Die Insel in mir
Über die Autorin
Mein besonderer Dank geht an meine Kinder Sabrina, Sandro, Sämi, Sebastian und Simeon sowie an meinen Exmann Karl Schlegel, die meine Inselzeit erst ermöglichten.
Ich danke von ganzem Herzen Rosemarie Gabathuler und Claudia Hermann, die mich während meiner Abwesenheit zu Hause vertraten. Selbstverständlich gebührt auch der „Traumziel“-Redaktion des Schweizer Fernsehens DRS, insbesondere dem Produzent Toni Wachter und der Moderatorin Sandra Studer, ein spezieller Dank für ihr Vertrauen, das sie in mich setzten. Ein herzliches Dankeschön geht an den weltweit einzigen Inselhändler Farhad Vladi aus Hamburg. Ich danke auch Marc Wetli für die herrlichen Inselbilder und Hans Bäbler für die Entwicklung meiner „Destillieranlage“. Des weiteren danke ich Alice Gähwiler für ihre mentale und emotionale Unterstützung vor und nach meiner Inselzeit, meiner ehemaligen Schwiegermutter Ursula Schlegel für ihre unterstützende Arbeit im Hintergrund, meinen Eltern Doris und René Nägeli insbesondere für das Selbstvertauen, das sie mir gaben, Veronika Ziegler für das Gegenlesen meines Buches und ihre aufbauende, konstruktive Kritik sowie all meinen Klienten und Seminarteilnehmern, dass sie mich an ihren Schicksalen Anteil nehmen lassen; sie alle sind immer auch meine Lehrer. Außerdem danke ich herzlich meiner Freundin Ursula Frei für die gründliche Überarbeitung des Buches und dafür, dass sie mir immer wieder mit Rat und Tat zur Seite steht.
Meinem Mann René Pahud danke ich für seine Geduld während der Arbeit am Computer und dafür, dass er mich immer wieder ermunterte zu schreiben, dass er mich begleitet und vor allem für seine Liebe.
Zu guter Letzt danke ich Susanne Frank und Marion Appelt aus dem mvgVerlag für die gute Zusammenarbeit und das Verrauen, das sie in mein Buch setzen.
Die Sehnsucht nach der einsamen Insel ist wohl so alt wie das Bedürfnis der Menschen zu fliegen.
Was hat es mit diesem Wunsch wirklich auf sich?
Was hat mich damals so sehr auf diese einsame Insel gezogen? Natürlich bin ich von meinen Eltern mit ein bisschen viel Abenteuerlust ausgestattet worden. Das allein war es aber wohl kaum. Da brannte noch eine andere, eine tiefere Sehnsucht in mir.
Meiner Meinung nach geht es bei dieser Sehnsucht um das Bedürfnis nach Einheit, darum, ganz zu sich selber zu finden und ganz man selber zu sein. Ob es nun die Ruhe ist oder die Einsamkeit, die Suche nach Harmonie oder das Verlangen danach, in Einklang mit der Natur zu leben, der Wunsch nach dem inneren Frieden oder die Suche nach dem Urvertrauen – letzten Endes geht es immer um das Bedürfnis:
Gefühle, die irgendwo auf der Strecke geblieben sind, wieder zu entdecken; unterdrückte Gefühle auszuleben; das Urvertrauen wieder zu gewinnen; die Liebe zu unserer Welt, zu den Menschen und zu uns selber wieder zum Leben zu erwecken; Antworten auf Fragen zu finden; mit sich selber in Frieden und Einklang zu leben.Aber warum brauchen wir dazu eine einsame Insel?
Liegt es daran, dass die Menschen das Gefühl haben, dass all diese uns so wichtigen Bedürfnisse so unerreichbar sind wie besagte einsame Insel?
Platzieren wir sie absichtlich in so weiter Ferne, um ein Alibi zu haben, das es rechtfertigt, dass wir uns nicht weiter um diese Gefühle und Bedürfnisse kümmern (da ohnhin unerreichbar)?
Oder haben wir (da wir nie fündig wurden) längst aufgegeben, in der näheren und weiteren Umgebung zu suchen, wonach uns verlangt, und wir sind daher der Überzeugung, bestenfalls noch auf einer einsamen Insel oder irgendwo im Universum zu finden, was wir so sehr vermissen?
Erst nach meinem Inseltrip, beziehungsweise sogar erst in den Jahren danach, wurde mir bewusst, dass wir all diese Dinge wirklich nur in uns selber finden können. Je näher wir uns selber sind, desto weniger weit müssen wir reisen!
Das, was ich auf meiner Insel gesucht habe, fand ich letzten Endes nur in mir selber. Die Insel jedoch hat mir den Weg gewiesen, sie hat mir die Augen geöffnet und mein Bewusstsein erweitert.
Für all die Menschen, die nicht die Möglichkeit haben, auf die einsame Insel zu reisen …,
und auch für all die Menschen, in denen nicht so viel Abenteuerlust brodelt, dass sie sich unbedingt auf einer einsamen Insel aussetzen lassen müssen …,
für Sie alle habe ich mein Tagebuch veröffentlicht.
Das, was ich auf meiner Insel, oder korrekter gesagt, letzten Endes doch in mir selber gefunden habe, werden auch Sie in sich selber finden, sofern Sie es wirklich wollen. Wichtig dabei ist, den Mut zu haben, sich all Ihren Gefühlen zu stellen, sich mit sich selber auseinander zu setzen, sich Gedanken über Ihr Leben, über Ihre Bedürfnisse und Ihre Wünsche zu machen und sich selber treu zu bleiben!
Die Wahl, wie Sie Ihr Leben künftig gestalten, liegt bei Ihnen. Die Entscheidung, wann Sie den ersten Schritt in das Leben, das Ihren Vorstellungen entspricht, gehen, ebenfalls.
Ich wünsche Ihnen viel Mut, Kraft, Vertrauen und vor allem Liebe auf Ihrem Weg in eine freie Zukunft, auf Ihrem Weg zu Ihrer Insel, auf Ihrem Weg zu sich selber!
Meine zehn Erkenntnisschritte und die sieben Prinzipien der Hunaphilosophie:
Während meiner Inseltage waren auch die sieben Prinzipien der Hunaphilosophie der Schamanen aus Hawaii meine ständigen Begleiter. Zwei von ihnen gehören auch zu meinen zehn wichtigsten Erkenntnisschritten, und zwar weil sie innerhalb meines Inselabenteuers so wichtig für mich waren und ich mir ihrer ganzen Tragweite so richtig bewusst wurde. Alle anderen sind ebenfalls in mein Tagebuch mit eingebunden, weil sie für mich schon seit vielen Jahren von zentraler Bedeutung sind. Es sind für mich wichtige Lebensgrundlagen, die maßgeblich an meinem Lebenserfolg und meiner inneren Zufriedenheit beteiligt sind.
Auszüge aus meinem Inseltagebuch:
17. Juni 1995
Obwohl ich noch weit, sehr weit sogar, von meiner Insel, von meinem Abenteuer entfernt bin, bezeichne ich diesen Tag im Juni 1995 als meinen ersten Inseltag. Es ist der Tag, an dem ich zum ersten Mal gedanklich zu meiner kleinen Insel reise, der Tag, der mehr Veränderung in mein Leben bringt, als ich mir je hätte vorstellen können. An diesem besonderen Tag beginnt mein Abenteuer. Alles fängt mit einer spontanen Idee an, einem Gedanken, der sich in einen Wunsch verwandelt, einen Wunsch, der sich zuerst in meinem Kopf und bald schon in meinem Herzen festsetzt und mir dann zu verstehen gibt, dass er sich nicht so schnell wieder vertreiben lassen wird. Ich bin mir nicht sicher, ob es mehr Wunsch oder Traum ist, was meine Energie fesselt und sie in Richtung Insel treibt, ohne dass sie sich noch vom Weg abbringen oder ablenken lassen könnte.
Meine ganze Aufmerksamkeit beginnt sich auf dieses eine Ziel zu fokussieren, aber zurück zu dem Punkt, an dem alles seinen Anfang nahm.
Stellen Sie sich vor, plötzlich mit der Frage konfrontiert zu werden, ob Sie nicht Lust hätten, für eine bestimmte Zeit auf einer einsamen Insel zu leben. Ob Sie nun ein gestresster Manager sind, der ab und zu am liebsten seinen Schreibtisch verlassen, sämtliche Sitzungen absagen und der Geschäftswelt den Rücken zukehren würde, ein Angestellter, den man andauernd unter Druck setzt, oder eine Hausfrau und Mutter von fünf Kindern, die sich einfach wieder einmal nach Ruhe sehnt, spielt dabei wohl keine besondere Rolle. Es geht einzig und allein um die Tatsache, dass sich gelegentlich der Wunsch nach einer Auszeit in Ihnen regt, sich das Bedürfnis einschleicht, dem Alltag zu entfliehen, aufzutanken und mit neuer Motivation und neuem Enthusiasmus zurückzukehren.
Ich bin weder Angestellter noch Manager, ich bin die Hausfrau mit den fünf Kindern. Aber wie gesagt, das ist gar nicht so wichtig. Von Bedeutung ist einzig und allein das Bedürfnis, dem Alltag zu entfliehen.
Wenn Ihnen in einem solchen Moment jemand von einer einsamen Insel erzählt, wird in Ihnen, ob Sie nun wollen oder nicht, wahrscheinlich unweigerlich eine Sehnsucht wach, die Sie viel zu lange notgedrungen unterdrückt haben. So ähnlich ist es mir ergangen.
Der Tag, an dem ich zum ersten Mal etwas realistischer als nur in Träumen mit der einsamen Insel konfrontiert werde, beginnt wie viele andere. Um 5 Uhr will meinjüngster Sohn Simeon, damals elf Monate, sein Frühstück, das heißt, er möchte gestillt werden. Kurz nach sechs schlüpfen auch die Großen, eines nach dem anderen aus den Federn. Jedes bekommt sein Frühstück. Käri, mein damaliger Ehemann und Vater unserer Kinder, ist ebenfalls längst auf den Beinen, auch sein Arbeitstag beginnt früh. Er arbeitet als Betriebsleiter und Geschäftsführer in einem mittelgroßen Unternehmen. Besonders harmonisch beginnt der heutige Tag nicht. Käri sucht etwas und natürlich fühle ich mich dafür verantwortlich, dass er es nicht findet, eine Hausfrau ist immer für alles verantwortlich ...! Auf jeden Fall verlässt er das Haus missgestimmt, gehetzt und zu spät, während ich die Ovomaltine aufwische, die eines der Kinder verschüttet hat. Sandro muss vor der Schule noch einen Text lesen üben, dabei fällt Sabrina ein, dass sie vergessen hat, ein Diktat vorzubereiten. Mein Stimmungspegel beginnt zu sinken. Sabrina gibt meiner Kritik Kontra und lässt verlauten, dass sie ja ohnehin immer null Fehler im Diktat hätte (was tatsächlich stimmt), ich solle mich nicht so aufregen, und Sandro liest zu meiner Zufriedenheit. Also was soll’s! Als die Großen aus dem Haus sind, Sabrina und Sandro in der Schule, Sämi im Kindergarten, wartet die übliche Hausarbeit auf mich. Normalerweise macht mir meine Tätigkeit, sei es nun die Arbeit als Mutter und Hausfrau oder die Arbeit in meiner Praxis für Kinesiologie, wirklich Spaß. Wenn jedoch an ein und dem selben Morgen die Waschmaschine streikt, Sebastian ein Glas Honig fallen lässt, der Staubsaugerbeutel platzt und zu allem Überfluss noch eine unerwartete Rechnung ins Haus flattert, ist das alles ein bisschen viel. Der krönende Abschluss des Vormittags besteht darin, dass ich, zumindest für Sandro, das falsche Mittagessen gekocht habe (was kann ich dafür, dass er keine Kartoffeln und kein Gemüse mag?). Auf den Nachmittag jedoch kann ich mich freuen. Meine Freundin Rosa kommt mit ihrem kleinen Sohn zu Besuch. Heute Nachmittag werden wir die schönen Seiten des Hausfrauenlebens und unserer Selbstständigkeit (wir führen beide eine eigene Praxis) wirklich auskosten. Das herrliche Frühsommerwetter lädt uns zu einem ausgiebigen Spaziergang ein. Und eben dieser kleine Ausflug bringt etwas in Gang, das eine Eigendynamik entwickelt, die vieles in meinem Leben verändern wird. Spaziergänge mit kleinen Kindern haben es in sich. Wenn man sich selber nicht bewusst machen würde, dass der Weg das Ziel sein muss, würde man wohl verzweifeln. Bei jedem Zaunpfahl, jeder Blume, jedem Stein, wird ein kurzer Beobachtungshalt eingelegt. Während wir geduldig warten, bis Sebastian und Sämi ihre Entdeckerlust ausgelebt haben, vertiefen Rosa und ich uns immer mehr ins Gespräch, bis wir irgendwann auf den entscheidenden Punkt stoßen.
Ursprünglich war es gar nicht die einsame Insel, die als Wunsch in mir verborgen war. Höchstens vielleicht in meinen Träumen hätte diese Idee ihren Platz gefunden. Eingebunden in die täglichen Pflichten, die Freuden, die Sorgen, meinen Job, die Ansprüche der Kinder und all das, was eben zu meinem Leben gehörte, vermisste ich manchmal einen Aspekt, der mir früher immer sehr wichtig war. Die Natur! Ob Berge oder Wälder, Flüsse oder Seen, ob bei Sonnenschein oder Regen, bei Sturm oder Schnee, in der Natur konnte und kann ich immer wieder auftanken. Sie gibt mir Antworten auf meine Fragen, Zuversicht, wenn sich Verzweiflung in mein Leben schleicht, Mut, wenn ich keinen Ausweg sehe, Halt, wenn ich schwanke ..., aber sie erfüllt mich auch mit Dankbarkeit für mein wunderbares Leben, für all das Schöne, das mir auf meinen Wegen schon begegnet ist und für all die Wunder, die sie immer wieder für uns bereit hält. In der Natur finde ich Ruhe, sie gibt mir den nötigen Abstand, den ich von Zeit zu Zeit brauche, um mit der Hektik des Alltags gut zurechtzukommen.
Doch in letzter Zeit blieben meine Wünsche und Bedürfnisse nach Natur und nach Zeit für mich immer mehr auf der Strecke. Mein Verlangen nach diesem Ausgleich begann sich zu kumulieren: Einerseits bezüglich des Zeitfaktors, andererseits aber auch bezüglich der Orte. Weit weg von jeglichem Geschehen wollte ich sein, doch ein paar Stunden wären lediglich ein Tropfen auf einen heißen Stein gewesen. Die vielen Freuden, die ich mit meiner Familie erleben darf, das Glück, das mir durch meine Kinder zuteil wird, und mein Beruf als Kinesiologin und Familientherapeutin, der mich wirklich sehr erfüllt, geben mir in der Regel so viel, dass ich mich wirklich als glücklichen Menschen bezeichnen darf. Doch nun hatte ich ein Jahr hinter mir, das mich immer wieder an meine Grenzen geführt hatte. Begonnen hatte alles im Juli 1994. Damals kam Simeon, unser fünftes Kind, viel zu früh und mit einer Überlebenschance von gerade mal 5% auf die Welt. Für mich begann ein verzweifelter Kampf um sein junges Leben. Mehr als zwei Wochen lag er im Koma, ich wich kaum von seiner Seite, gab ihm die Behandlungen, die mir von meinem Beruf her möglich waren und vor allem all meine Liebe. Ich begleitete ihn von Anfang an auf seinem harten Weg. Vom Spital Grabs nach St. Gallen, und als man ihm dort auch nicht mehr weiterhelfen konnte, nach Zürich. Meine Tage begannen morgens um 4 Uhr und endeten nachts um 12. Selbst die Ärzte konnten feststellen, dass Simeons Zustand stabiler war, wenn ich mit meinen Händen im Brutkasten war und den winzigen Körper hielt oder streichelte. An eine Erholung bzw. ein Wochenbett war gar nicht zu denken. Diese Erfahrung hat mir bestätigt, dass Menschen zu Unglaublichem fähig sind, wenn sie lieben, Mütter wohl besonders. Während ich rund um die Uhr im Spital war, kümmerte Käri sich um die anderen vier Kinder zu Hause, wofür ich zwar sehr dankbar war, was aber gleichzeitig bedeutete, dass ich mich im Krankenhaus mit meinen Ängsten und Sorgen zeitweise sehr einsam und allein gelassen fühlte. Es war eine schwere und harte Zeit. Zum Glück waren da noch Claudia und Rosa, meine Freundinnen, die viele Stunden an meiner Seite verbrachten, mit mir weinten, hofften und beteten. Sie waren für mich auch der Kontakt zur Außenwelt und mit ihnen verbindet mich auch noch heute eine tiefe Dankbarkeit. Nach drei Wochen war Simeon über den Berg und ich verließ mit ihm das Spital. Die erste Zeit verbrachten wir auf unserer Alp, da die größeren Kinder noch Schulferien hatten. Es galt vieles nachzuholen, und es gab wohl kaum einen Ort, an dem ich mehr auf unsere Kinder eingehen konnte als auf unserem Maiensäss (ein anderes Wort für Alp; Anm. d. Red.). Natürlich brauchte unser Jüngster viel Aufmerksamkeit und viel Zeit. Aber er wurde mit so viel Liebe und auch Dankbarkeit in der Familie aufgenommen, dass es ihm an wirklich nichts mangelte.
Kaum waren die Ferien zu Ende, reiste ich mit Simeon nach Deutschland, um einen wichtigen Teil meiner Zweitausbildung abzuschließen. Simeon war ein nicht geplantes Kind, aber wie so oft im Leben sind es die unerwarteten, überraschenden Geschenke, die uns am meisten freuen. Mir war es wichtig, trotz Baby meinen Weg zu gehen, schließlich sollte sich Simeon nie verantwortlich dafür fühlen, wenn ich seinetwegen meine Ziele nicht erreichte. Abgesehen davon konnte ich ihn, da er ja noch sehr klein war und eigentlich nichts Weiteres als seine Mutter brauchte, problemlos überall hin mitnehmen. Die meiste Zeit schlief er ohnehin im Tragetuch bei mir. Die ganze Geschichte brachte für ihn auch zahlreiche Vorteile. Ich lernte während meiner Ausbildungszeit einige sehr gute Therapeuten kennen, Kursleiter, aber auch Teilnehmer, die Simeon viele wertvolle Behandlungen zukommen ließen. Er entwickelte sich viel besser, als die Ärzte, die ohnehin von einem medizinischen Wunder sprachen, mir prophezeit hatten. Dieses Kind bekam somit weitaus mehr als andere Babies mit ähnlichen Startschwierigkeiten, was seine Gesundheit und seine Entwicklung optimal förderte. Während des ersten Lebensjahres ließen wir nichts aus, was Simeon in irgendeiner Form nützen konnte. Aber das hatte natürlich seinen Preis und forderte mir einiges ab. Zudem wollte ich ja auch meine größeren Kinder nicht vernachlässigen, und meine Praxis fing gerade an zu florieren. Nun gut, es gab Leute, die meinten, ich sollte dort doch vorerst noch langsamer treten, aber gerade die Praxis brachte mir in jener Zeit viel Bestätigung, die für meine anderen Verpflichtungen sehr wertvoll war. Außerdem kriselte es schon damals in unserer Ehe immer wieder, und ich fühlte mich oft sehr allein mit meinen Aufgaben. Die Praxis brauchte ich auch zum Ausgleich. Wer weiß, vielleicht steckte auch unbewusst eine Art Flucht dahinter.
Mein damaliger Ehemann kletterte auf der Karriereleiter zügig nach oben. Wir hatten zu wenig Zeit für einander, und ich war nicht länger bereit, meine Wünsche immer zurückzustellen und als Hausmütterchen zu fungieren. Obwohl mir die Kinder alles bedeuteten und ich in meiner Mutterrolle wirklich Erfüllung fand, wollte ich nicht stehen bleiben. Ich musste auch an später denken, durfte mein Leben nicht nur auf meinen Kindern aufbauen. Mein erster Beruf, Kindergärtnerin, ermöglichte es mir, meine Zweitausbildung durch Krankheits- und Urlaubsvertretungen selber zu finanzieren, was mir damals sehr wichtig war. Kurz und gut: Ich durchlebte eine sehr turbulente Zeit und viele meiner Bedürfnisse blieben auf der Strecke. Man kann nun einmal nicht alles haben. Das Jahr mit Schwangerschaft und Geburt, Praxiseröffnung und Abschluss der Kinesiologieausbildung war für mich einfach ein bisschen viel. So begann die Sehnsucht nach Ruhe und Zeit für mich in mir zu wachsen. Irgendwann kam mir dann die Idee mit der Höhle. Das wäre doch fantastisch: Eine bestimmte Zeit in einer einsamen Höhle zu leben, irgendwo in den Bergen, ganz für mich allein!
Auf unserem Spaziergang erzähle ich nun also meiner Freundin Rosa von meinem utopischen Wunsch, von meinem Bedürfnis nach Ruhe, Zeit und Einsamkeit. Ihre Reaktion lässt mir den Atem stocken: „Ich wüsste da etwas viel Besseres als eine Höhle in den Bergen. Gestern sah ich im Fernsehen die Sendung ,Traumziel‘, und da suchen sie jemanden, der sich für eine bestimmte Zeit auf einer einsamen Insel absetzen lässt! Das wäre doch etwas für dich!“ Viel weiß Rosa nicht über die Sache, aber das Wenige lässt mich augenblicklich zu neuem Leben erwachen. Zusammen denken wir die Sache weiter und geben uns Antworten auf viele Fragen. So erklärt sich Rosa auch sofort bereit, zusammen mit ihrem fünf Monate alten Sohn für die Zeit meiner Abwesenheit nach Oberschan zu ziehen, um die Betreuung unserer Kinder zu übernehmen. Rosa sei Dank!
Für den Rest des Nachmittags versinke ich irgendwie in eine andere Welt, eine Inselwelt, eine Welt der Sehnsüchte, der Träume, der unerfüllten Wünsche.
Den Abend kann ich kaum erwarten, was wird wohl Käri zu meiner Abenteuerlust sagen? Eigentlich bin ich sicher, dass er mich in meinem Vorhaben unterstützt, ist doch auch er ein Abenteurer und Naturmensch. Wenn er mich nicht verstehen würde, wer dann? Und wirklich, ich habe mich nicht getäuscht. Von der ersten Sekunde an unterstützt und motiviert er mich. Für seine positive Reaktion damals bin ich ihm heute noch dankbar.
Gleich tags darauf nehme ich Kontakt mit dem Schweizer Fernsehen auf, um Näheres über dieses Unterfangen in Erfahrung zu bringen. Eine „Lady Robinson“ wird anlässlich des 300-Jahr-Jubiläums der Crusoe-Geschichte gesucht. Mindestalter 25, weiblich und Ende Oktober, Anfang November abkömmlich für zwei Wochen, so lauten die Bedingungen. Anfragen hätten sie schon viele, ich sollte mich halt einfach bewerben! Wie konnte ich so naiv sein und glauben, die Einzige zu sein, die es auf eine einsame Insel zieht! Ich war einfach so sehr überzeugt, dass ich dieses Abenteuer erleben wollte, dass ich keinen Gedanken an irgendwelche Mitbewerberinnen verschwendete. Und nun heißt es, da gäbe es schon viele Interessentinnen. Nun gilt es also, eine Bewerbung zu verfassen, die alle zu überzeugen vermag, dass ich die Richtige bin.
„Ich will gehen, ich werde gehen und ich werde alle davon überzeugen, dass ich für dieses Abenteuer wie geschaffen bin!“
Keine einzige Bewerbung in meinem bisherigen Leben habe ich mit so viel Begeisterung verfasst wie die Inselbewerbung. Bisher habe ich auch noch nie eine Absage erhalten. „Einmal muss es auch mich treffen, aber bitte nicht dieses Mal, ich brauche diese Inselzeit für mich!“ Mit diesen Gedanken schlafe ich am Abend ein, nachdem ich meine Bewerbung zur Post gebracht habe.
Und dann folgt dieses endlose Warten. Normalerweise haben meine Tage immer viel zu wenig Stunden, aber nun schleichen sie auf einmal endlos dahin.
Dann endlich hat das Warten wenigstens für den Moment ein Ende. Es ist Dienstagnachmittag, als der ersehnte Anruf kommt. Eine nette, freundliche Frau fragt mich am Telefon, ob ich noch Interesse an der Robinson-Geschichte hätte. Außer mir vor Freude jubele ich so laut, dass meine Kinder alle angerannt kommen, um nachzusehen, was passiert ist. Die erste Hürde habe ich also überwunden, eine weitere folgt. Fünf Kandidatinnen werden zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, und ich bin mit dabei! Während ich unmittelbar nach dem Anruf mit Simeon nach Chur zur Physiotherapie fahre, schleichen sich jedoch plötzlich erste Zweifel ein. Darf ich meine Kinder einfach für zwei Wochen zurücklassen, bin ich ein Egoist, wenn ich gehe, ist Simeon nicht noch viel zu klein für eine Trennung? Fragen über Fragen. Mein Wunsch zu gehen und die Argumente, die dafür sprechen, lassen meine Zweifel jedoch schnell wieder schwinden. Simeon hat sein erstes Lebensjahr überstanden, wurde für gesund erklärt und hat ja ein starkes Umfeld, das ihm den Halt und die Sicherheit geben kann, wenn ich nicht da bin. Die großen Vier verstehen mich und freuen sich mit mir, auch wenn sie noch nicht genauwissen, was sie erwartet, und Käris Unterstützung ist mir ebenfalls zugesagt. Also nehme ich die nächste Hürde in Angriff.
Per Eisenbahn und Bus fahre ich nach Zürich ins Fernsehstudio. Als Landei fühle ich mich schon ein bisschen fremd in dieser Welt. Schlimmer noch ist wohl, dass mir Fernsehen eigentlich gar nichts bedeutet. Zu jener Zeit besitzen wir nicht einmal ein Fernsehgerät! „Hoffentlich fragen sie mich nicht danach“ denke ich – und dann, ich habe ja keine Ahnung, um welche Fernsehsendung es sich überhaupt handelt. Vielleicht ist es eben doch nicht so schlau, keinen Fernseher zu besitzen. Gedanken über Gedanken stürzen auf mich ein. Irgendwo warte ich auf meinen Auftritt, der über meinen Inseltraum entscheiden soll. Und dann endlich werde ich in ein Sitzungszimmer geführt. Mehrere Personen sitzen an einem großen Tisch. Einige werden mir vorgestellt, nicht jedoch Sandra Studer, die die Sendung „Traumziel“ moderiert. „Sandra Studer müssen wir ihnen wohl kaum vorstellen, sie kennen sie ja bestimmt vom Fernsehen ...!“ Keine Ahnung habe ich, wie peinlich! Ich nehme jedoch einfach an, sie müsste wohl die Hübscheste im Raum sein, denn sonst wäre sie bestimmt nicht Fernsehmoderatorin – und ich habe Recht.
Am Tisch sitzen unter anderem auch Toni Wachter, der Fernsehproduzent, Herr Vladi, der große Inselhändler, und jemand von der Presse.
Nachdem ich mich bei Sandra Studer gut aus der Affäre gezogen habe, geht es los. Fragen über Fragen. Herrn Vladi zuliebe werde ich gebeten, Schriftdeutsch zu sprechen, was meinen Stresslevel für kurze Zeit ansteigenlässt. Ich ermahne mich jedoch, einfach ganz ich selber zu sein, denn es geht darum, die anderen zu überzeugen, dass ich die geeignete Person für dieses Abenteuer bin. Dass man mich kennen lernen möchte, ist ja wohl klar, also werfe ich alle Selbstzweifel über Bord und bin wirklich ganz ich selber. Spontan, überzeugend, sicher, voller Abenteuerlust.
Zu guter Letzt zeigt Herr Vladi mir die Überlebenstasche mit der Ausrüstung für das Inselleben. Auf die Frage, was ich mit 100 Fr. sonst noch kaufen würde, um überleben zu können, antworte ich, das Geld nicht zu brauchen, weil sich in der Tasche bereits alles Wichtige befände. Dann werde ich wieder entlassen. Als Dankeschön erhalte ich eine kleine Miniaturinsel aus geschliffenem Kristallglas, die heute noch auf meinem Arbeitstisch in der Praxis steht. Voll Zuversicht und noch ganz aus dem Häuschen verlasse ich die Stadt. In Träume versunken fahre ich mit der Bahn wieder heimwärts.
Meinem Ziel bin ich nun einen Schritt näher gerückt. Die Vorstellungen von meinem Inseltraum sind durch das Bewerbungsgespräch um einiges konkreter geworden. So wurde ich beispielsweise darüber informiert, dass es um eine Südseeinsel geht, die zum Atoll von Bora Bora gehört. Obwohl noch nicht mit Sicherheit feststeht, welche Insel es wirklich sein wird, beginne ich, alles, was ich über die Südsee finden kann, zu lesen. Bilder von Bora Bora, der Perle des Pazifiks, wie sie auch genannt wird, und den kleinen Inseln um sie herum ziehen mich augenblicklich in Bann. Wo liegt Bora Bora genau? In meinem Atlas finde ich lediglich einen kleinen Punkt, umgeben von zahlreichen anderen Tupfern auf einer riesengroßen blauen Fläche, dem Pazifik. In den Unterlagen des Schweizer Fernsehen DRS finde ich folgendenAbschnitt: „Was wie ein Werbetext klingt, ist das Resultat einer Umfrage. Keine andere Region der Erde bringt bis heute mehr Sehnsüchte und Träume hervor als die Inseln Polynesiens, die verstreut in einem Ozean liegen, der größer ist als alle Kontinente zusammen.“ Je mehr ich über dieses Inselparadies erfahre, desto lebendiger wird meine Sehnsucht. Und doch schleichen sich immer wieder auch Zweifel in meine Gedanken ein. So frage ich mich beispielsweise, ob es denn in einem solchen Paradies überhaupt noch unbewohnte Inseln gibt. Ich kann das beinahe nicht glauben, finde dann jedoch zahlreiche Berichte und vor allem auch Aufnahmen, die meine Zweifel aus dem Weg räumen. Bilder, bei denen jedes Wort zu viel ist. Beschreibungen wie „faszinierend“, „traumhaft“ oder „atemberaubend“ erscheinen mir beim Betrachten der Bilder eher untertrieben. Und in diese einmalige Welt würde dieses Abenteuer führen? Ich lese über die Herzlichkeit der Südseeinsulaner, über duftende Blumenmeere, fröhliche Musik, buntes Markttreiben, weiße einsame Strände, türkisfarbene Lagunen, tropische Früchte und faszinierende Unterwasserwelten. Ich lese über Paul Gauguin, dem es gelang, in seinen Bildern die Grazie und Schönheit der Frauen in der Südsee auf beeindruckende Weise festzuhalten. Und ich lese viel über Brauchtum und Traditionen, die trotz moderner Lebensformen immer noch einen hohen Stellenwert in Polynesien besitzen.
Meine Vorstellungen von diesem Abenteuer werden immer klarer und konkreter. Ich kann mich nun an einigem festhalten, und in mir erwachen nun auch eigene Bilder von meinem Inselleben, die meine Motivation zusätzlich ankurbeln. All meine Gedanken wandern immer wieder in dieses Inselparadies und auf die kleine einsame Insel, die dort auf jemanden wartet, auf mich!
Dem Gedanken, dass es nicht ich sein werde, die ausgewählt wird, schenke ich einfach keine Aufmerksamkeit. Meine ganze Energie, meine ganze Aufmerksamkeit, mein ganzer Fokus richtet sich auf dieses eine Ziel, eine einsame Insel in der Südsee. Und so wird das dritte der sieben Prinzipien der Hunaphilosophie der Schamanen aus Hawaii zu meiner ersten Erkenntnis.
Ziel und Fokus – die Energie folgt der Aufmerksamkeit
Energie folgt der Aufmerksamkeit lautet das dritte der sieben Prinzipien der Schamanen aus Hawaii. Wie wahr! Wenn ich meine ganze Energie auf die Angst, krank zu werden verschwende, werde ich krank. Richte ich meine Energie darauf, erfolgreich zu sein, wird sich der Erfolg einstellen. Fahre ich mit meinem Fahrrad auf einer holprigen Straße und entdecke weit vor mir ein großes Loch, so gibt es für mich zwei Möglichkeiten: Entweder ich richte meine ganze Energie darauf und denke die ganze Zeit: „Hoffentlich fahre ich nicht in dieses Loch!“, was mir dann wahrscheinlich doch passiert, oder ich konzentriere mich auf etwas anderes, und sei es nur auf den Raum zwischen Loch und Wegrand, und es gelingt mir, dieses Hindernis problemlos zu umfahren.
In der Grundschule mussten wir bei einem Lehrer im Turnunterricht oft die Kletterstangen hochklettern. Obwohl ich jeden Felsbrocken bestieg, der mir in die Quere kam, gelang mir diese Stangenkletterpartie einfach nie, bzw. ich kam immer nur bis zur Mitte. Auf dem Pausenplatz unseres Schulhauses waren ebenfalls solche Kletterstangen angebracht. Eines Nachmittags, ich war ganz allein, stellte ich mich unter die Kletterstangen, schaute hoch und sagte zu mir selber: „So, heute wirst du es schaffen, heute wirst du dich zum ersten Mal oben auf die Querstange setzen und deine Beine baumeln lassen!“ Nach einem tiefen Atemzug blickte ich noch einmal kurz zu meinem Ziel hoch, legte los und saß innerhalb kürzester Zeit auf der Stange.
Energie folgt wirklich der Aufmerksamkeit. Dieser Satz lässt sich jedoch auch umkehren. Aufmerksamkeit folgt der Energie. Wenn wir uns genau beobachten, stellen wir fest, dass wir unsere Aufmerksamkeit genau dorthin lenken, wo viel Energie ist. Zum Beispiel auf ein helles Licht, einen lauten Klang, auf große Wellen etc. Es gibt auch Menschen, die sehr viel Energie oder eine besonders gute Energie haben und dadurch andere Menschen anziehen.
Ich bin überzeugt, dass jeder Mensch die Fähigkeit besitzt, zu spüren, was ihm im Moment gut tun würde. Es wäre so wichtig, das dann auch tatsächlich zu beachten, auf die innere Stimme zu hören und eben wirklich den Blick in die richtige Richtung zu lenken. Denn genau dort findet der Mensch die Kraft und die Energie, die ihn weiterbringt. Das Erfolgsrezept für gutes Gelingen besteht jedoch nicht nur darin, auf seine innere Stimme zu hören und zu spüren, was man jetzt brauchen würde, sondern darin, dann auch wirklich entsprechend zu handeln, den Fokus in die Richtung zu wenden, aus der wir die Kraft und Energie wahrnehmen, und Schritte in die entsprechende Richtung zu tun.
Manchmal liegt ein Ziel, auf das wir unseren Fokus richten, noch in weiter Ferne. Einerseits ist es dann wichtig, es nicht aus den Augen zu lassen, andererseits gilt es, auch achtsam den Weg bis zu diesem Ziel zu gehen. Wir müssen das, was uns auf diesem Weg begegnet, ebenfalls beachten und als Chance, als Abenteuer, als Herausforderung oder einfach auch als Geschenk annehmen. Die wahre Kunst liegt darin, den Fokus in einem gesunden Wechselspiel einmal auf das ferne, große Ziel und dann wieder auf die kleinen nahen Teilziele zu richten.
Für einen Bergsteiger ist es wichtig, sich genau mit dem gesteckten Ziel auseinander zu setzen. Dazu gehört, dass er als Erstes sein Ziel bestimmen und kennen muss. In der Regel handelt es sich um einen Berggipfel. Danach geht es darum, den Weg dorthin genau zu planen: angefangen bei der Routenplanung, über die Ausrüstung, die Materialbesorgung, die Verpflegung, das Überprüfen der Verhältnisse und der Wetterbedingungen usw. Von zentraler Bedeutung ist auch die Tatsache, mit wem wir uns auf den Weg zu unserem Ziel begeben. Das wahre Leben lässt sich sehr gut mit einer großen Bergtour oder sogar einer Expedition vergleichen. All die Vorbereitungen, die wir für unser großes Ziel zu treffen haben, sind kleine Ziele. Wenn wir sie nicht erfüllen oder erreichen, werden wir auch unser wichtigstes Ziel nicht erreichen. Und für alles, was wir uns vornehmen, gibt es einen ersten Schritt, der getan werden muss, immer wieder! Manchmal täglich, manchmal stündlich, manchmal in jedem Augenblicke wieder von neuem. Schritt für Schritt in die richtige Richtung, die Aufmerksamkeit stets auf das Ziel gerichtet. Wenn sich der Bergsteiger dann auf den Weg macht, ist es ganz klar, dass er sein Ziel nicht aus den Augen lassen darf. Selbst wenn der Berggipfel im Nebel zeitweilig seinen Blicken entzogen ist, bleibt er doch durch Karte und Kompass mit ihm in Verbindung. Doch es wäre auch falsch, den Fokus nur auf den Berggipfel in weiter Ferne zu richten und Details in unmittelbarer Nähe außer Acht zu lassen. Es gilt, einen tosenden Bach zu überqueren, eine Felswand zu durchsteigen, Gletscherspalten zu überspringen, ein Biwak zu errichten, eine Mahlzeit zuzubereiten, einem Freund zu helfen, einen Verletzten, dem man begegnet, zu verarzten und vieles mehr. Auf dem Weg zu einem großen Ziel erwarten uns zahlreiche Teilziele, die von zentraler Bedeutung für das Erreichen eines Hauptzieles sind. Um erfolgreich zu sein, bedarf es also des richtigen Maßes an Aufmerksamkeit für nahe und ferne, kleine und große Ziele. Die Thematik weitet sich noch auf einen weiteren Aspekt aus: auf das Entdecken von unzähligen bezaubernden kleinen und großen Wundern, die uns auf dem Weg erwarten. Richtet der Bergsteiger seinen Blick nur zum Gipfel, entgeht ihm vieles: Nicht nur wichtige Dinge, aber Besonderheiten, zu denen nur die Natur fähig ist und die so viel bewirken könnten, wenn man sie nur beachten würde.
In karger Landschaft eine leuchtende Blume, die die Kraft besitzt, unter schwierigsten Bedingungen, ohne nahrhaften Boden, zwischen Fels und Stein einzig durch ihr Dasein, Menschen in Staunen zu versetzen. Steinböcke, die uns den Atem stocken lassen, wenn wir beobachten, wie sie am äußersten Rand einer Felswand miteinander kämpfen. Eisabbrüche, die uns mit ihrer Gewalt bewusst machen, wie klein wir Menschen doch sind. Die Abendsonne, die nicht nur die Schatten wachsen lässt, sondern gleichzeitig die Berggipfel in ein Licht taucht, das einen in eine Zauberwelt zu versetzen vermag. Sterne, die einer nach dem anderen am Himmel aufgehen, als wären sie aus dem Nichts geboren worden. Der Mond, der es schafft, mit seinem silbrig hellen Schein das Gefühl zu vermitteln, man sei dem Himmel ganz nah.All das würde der Bergsteiger verpassen, wenn er seine Aufmerksamkeit und somit seine Energie nur auf den Gipfel richten würde. Abgesehen davon, dass ein solcher Bergsteiger keinen Erfolg haben würde.
Wie Energie der Aufmerksamkeit folgt, lässt sich auch bei kleinen Kindern beobachten. Wenn sie ins Spiel vertieft sind, sind sie mit ihrer ganzen Aufmerksamkeit dabei und lassen sich in der Regel nicht so leicht ablenken, da sich ihre ganze Energie auf die entsprechende Sache konzentriert. Das Schöne und auch Beneidenswerte ist, dass Kinder so sehr in der Gegenwart leben und dies zum Glück auch dürfen, dass sie den gesamten Fokus auf eben nur ein Ziel richten. Ich wage zu behaupten, dass gerade dies einerseits ihr Erfolgsrezept, andererseits auch eine Grundvoraussetzung für das Lernen ist. Schließlich gilt es zu beachten, dass es in keinem Lebensabschnitt so viel zu lernen gibt wie in frühester Kindheit. So betrachtet ist es ganz in Ordnung, dass kleinen Kindern das Privileg zusteht, sich eben nur auf ein Ziel fokussieren zu müssen: das Ziel in der Gegenwart. Ihre ganze Aufmerksamkeit richtet sich auf das Jetzt, und dort sind sie mit ihrer ganzen Energie. Meine Aufmerksamkeit liegt bei meinem Inselabenteuer, folglich zieht es meine ganze Energie dorthin.
Es folgen wiederum Tage des Wartens. Meine täglichen Pflichten erledige ich zwar mit Leichtigkeit und Freude, meine Energie und meine Gedanken weilen jedoch bereits auf einer einsamen Südseeinsel. Ich sehe mich in allen möglichen und unmöglichen Situationen. Einmal beim Fischen, dann klettere ich auf eine Palme, um eine Kokosnuss zu holen, ein anderes Mal sitze ich am Lagerfeuer, schaukele in der Hängematte aus der Überlebenstasche oder bin auf Entdeckungstour. Mein ganzer Fokus richtet sich auf dieses Abenteuer, meine ganze Energie bahnt sich den Weg zu dieser Insel, die mich mehr und mehr mit einer Sehnsucht erfüllt, die die Kraft besitzt, meine letzten Zweifel aus dem Weg zu räumen. Positiv denken, dann klappt es, meinen die einen, sich nicht zu viele Hoffnungen machen, die anderen.
Für mich ist es weder das eine noch das andere. Seit eh und je bin ich der Überzeugung, dass es von entscheidender Bedeutung ist, sich klare Ziele zu setzten, sich diese auch wirklich bildlich vorzustellen und dann den ganzen Fokus in die richtige Richtung zu lenken. Wichtig ist dabei jedoch, auch die Ziele in unmittelbarer Nähe, wie anstehende Arbeiten, Tagesziele, Wochenziele oder gar Lebensziele, nie aus den Augen zu verlieren. Gerade die täglichen Pflichten oder auch die kleinen Vorhaben bedürfen unserer Aufmerksamkeit, denn sie geben uns den Halt, wenn wir ein großes Ziel, von dem wir glaubten, dass es für uns wichtig ist, nicht erreichen.
Im Vertrauen darauf, dass wir das, was für uns wirklich wichtig und gut ist, auch tatsächlich bekommen, lässt es sich auch viel leichter mit einer Situation umgehen, die uns auf den ersten Blick als Niederlage erscheint.
Nicht selten sind es die größten Enttäuschungen, die uns im Leben am weitesten bringen.
Manchmal ist man vielleicht versucht zu denken, dass man, wenn alles sowieso so kommt, wie es eben kommen muss, gleich nichts tun und abwarten kann. Meines Erachtens ist das jedoch viel zu gefährlich, denn die Einstellung, die man einer Sache gegenüber hat, ist oft entscheidend für deren Verlauf. Und selbst wenn unser Denken und Handeln keinen Einfluss darauf nehmen würde, ob etwas kommt oder nicht, so sind unser Denken und Handeln zumindest entscheidend dafür, wie wir mit einem Ergebnis umgehen werden. Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob wir eine Tatsache mit dem Gefühl, wenigstens alles getan zu haben, annehmen müssen, oder ob wir uns dann auch noch vorwerfen müssen, zu wenig Einsatz gezeigt zu haben.
Zurück zu meiner Zeit des Wartens. Der Versuch, eine gesunde Balance zu finden zwischen positiver Einstellung und dem entsprechenden Fokus einerseits und einer Portion Vertrauen, dass es so kommen wird, wie es kommen muss, andererseits, erleichtern mir das Warten auf den Entscheid sehr. Wenn es mir gelingt, dieses gesunde Maß zu finden, bleibt in mir erfahrungsgemäß einfach nur noch die Spannung auf die Antwort. So wie es kommen wird, so ist es richtig, und mir fällt in dieser Zeit oft eine Geschichte von Dan Millman ein:
Ein alter Mann und sein Sohn bestellten gemeinsam ihren kleinen Hof. Sie hatten nur ein Pferd, das den Pflug zog. Eines Tages lief das Pferd fort.
„Wie schrecklich“, sagten die Nachbarn, „welch ein Unglück.“
„Wer weiß“, erwiderte der alte Bauer, „ob Glück oder Unglück?“
Eine Woche später kehrte das Pferd aus den Bergen zurück und brachte fünf wilde Pferde mit in den Stall. „Wie wunderbar“, sagten die Nachbarn, „welch ein Glück.“
„Glück oder Unglück? Wer weiß“, sagte der Alte.
Am nächsten Morgen wollte der Sohn eines der wilden Pferde zähmen.
Er stürzte und brach sich ein Bein.
„Wie schrecklich. Welch ein Unglück!“
„Glück? Unglück?“
Die Soldaten kamen ins Dorf und holten alle jungen Männer in den Krieg. Den Sohn des Bauern konnten sie nicht brauchen darum blieb er als einziger verschont.
„Glück? Unglück?“
Aus: Dan Millman, Der Pfad des friedvollen Kriegers. Ansata Verlag, Interlaken 1994, S. 120
Diesmal ist es ein Donnerstag, der den ersehnten Anruf bringt. Toni Wachter persönlich ist am Apparat und fragte mich allen Ernstes, ob ich immer noch Lust auf dieses Inselabenteuer hätte! Sie hätten mich zur Lady Robinson erkoren. Obwohl ich einerseits so sicher war, dass ich es sein würde, die in die Südsee fliegt, weil ich es einfach so sehr wollte und brauche, bin ich überwältigt vor Glück und kann es kaum fassen. Und das Schöne ist, so viele freuen sich mit mir.
Die ganze Sache hat jedoch auch ihre Schattenseiten. Auch die Medien sind an meiner Geschichte interessiert. Erste Fototermine und Presseberichte lassen nicht lange auf sich warten. Schließlich wurde ich aus ca. 400 Bewerberinnen für dieses Abenteuer ausgewählt. Baldwürden also viele aus der Presse von meinem Vorhaben erfahren. Da ich alle Menschen, die mir nahe stehen, selber informieren möchte, setze ich einen Infobrief auf.