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Flucht durch die Wildnis Kanada, Ende des 19. Jahrhunderts: Mühevoll hat Clarissa sich in der Blockhütte am Skeena River ein eigenes Heim aufgebaut. Doch das Schicksal stellt sie auf eine harte Probe: Ihr Mann Alex erkrankt schwer und Clarissa muss nun für ihn sowie ihr ungeborenes Kind sorgen. Und dann holt ihre eigene Vergangenheit sie erbarmungslos ein: Thomas Whittler, der mächtige Vater ihres Erzfeindes, will, dass Clarissa für seinen Sohn aussagt. Dieser hat ein Verbrechen begangen – und einzig Clarissa könnte ihn vor dem Gefängnis bewahren. Als sie sich weigert, lässt Whittler sie nach Vancouver entführen. Hochschwanger gelingt Clarissa die Flucht in die Wildnis. Aber wird sie jenseits des Yukon Rivers in Sicherheit sein? Diese große Nordamerika-Saga in sechs Bänden, die unabhängig lesbar sind, erschien vorab bereits als »Clarissa«-Reihe. Für alle Fans von »Yellowstone« und den Bestsellerromanen von Sarah Lark.
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Seitenzahl: 541
Veröffentlichungsjahr: 2024
Über dieses Buch:
Kanada, Ende des 19. Jahrhunderts: Mühevoll hat Clarissa sich in der Blockhütte am Skeena River ein eigenes Heim aufgebaut. Doch das Schicksal stellt sie auf eine harte Probe: Ihr Mann Alex erkrankt schwer und Clarissa muss nun für ihn sowie ihr ungeborenes Kind sorgen. Und dann holt ihre eigene Vergangenheit sie erbarmungslos ein: Thomas Whittler, der mächtige Vater ihres Erzfeindes, will, dass Clarissa für seinen Sohn aussagt. Dieser hat ein Verbrechen begangen – und einzig Clarissa könnte ihn vor dem Gefängnis bewahren. Als sie sich weigert, lässt Whittler sie nach Vancouver entführen. Hochschwanger gelingt Clarissa die Flucht in die Wildnis. Aber wird sie jenseits des Yukon Rivers in Sicherheit sein?
Über den Autor:
Christopher Ross gilt als Meister des romantischen Abenteuerromans. Es ist das Pseudonym des Autors Thomas Jeier, der in Frankfurt am Main aufwuchs, heute in München und »on the road« in den USA und Kanada lebt. Seit seiner Jugend zieht es ihn nach Nordamerika, immer auf der Suche nach interessanten Begegnungen und neuen Abenteuern, die er in seinen Romanen verarbeitet, mit den bevorzugten Schauplätzen Kanada und Alaska. Seine über 200 Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet.
Christopher Ross veröffentlichte bei dotbooks seine große Alaska-Saga mit den Romanen »Im Herzen die Wildnis«, »Wo der Himmel brennt«, »Die Nacht der Wölfe«, »Allein durch die Wildnis«, »Gefangen im ewigen Eis« und »Das Leuchten am Horizont«.
Die Website des Autors: www.jeier.de/
Der Autor auf Facebook: www.facebook.com/thomas.jeier
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eBook-Neuausgabe Januar 2025
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Copyright © der Neuausgabe 2025 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung von Bildmotiven von © Adobe Stock und © shutterstock
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (vh)
ISBN 978-3-98952-598-6
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Christopher Ross
Allein durch die Wildnis
Roman
dotbooks.
Wie gebannt starrte Clarissa auf die Tür, die den Wartebereich vom Flur und den Operationszimmern trennte. Seit zwei Stunden wartete sie in dem nüchtern eingerichteten Warteraum des zweistöckigen Blockhauses darauf, dass sich die Tür öffnete und man ihr die erhoffte Nachricht brachte: Sie können beruhigt sein, Ihr Mann hat die Operation gut überstanden.
Man hatte bei Alex eine Geschwulst am Kopf gefunden, außerhalb der Schädeldecke, aber so nah an lebenswichtigen Adern und Nerven, dass sich selbst ein anerkannter Arzt geweigert hatte, ihn zu operieren. Den scheinbar sicheren Tod vor Augen, war Alex in die Wildnis geflohen und hatte seinen Tod vorgetäuscht, um ihr die mühevolle Pflege und das beschwerliche Leben an der Seite eines Sterbenden zu ersparen. Nur ihre beharrliche Suche und unerschütterliche Liebe hatten ihn zurückgebracht.
Mit dem Hundeschlitten hatte sie ihn nach Seward gefahren, die aufstrebende Stadt an der Resurrection Bay, wo man im Sommer dieses Jahres mit dem Bau einer Eisenbahnlinie beginnen würde, die irgendwann in ferner Zukunft bis Fairbanks führen sollte. Auch wegen des rasanten Aufschwungs, den man sich von der Eisenbahn erwartete, war dort ein neues und modernes Krankenhaus errichtet worden, in dem Dr. Ralph M. Blanchard, ein junger und bereits sehr erfolgreicher Chirurg, praktizierte und seine Studien betrieb. Von außen machte das Seward Providence Hospital nicht viel her, man hätte das Blockhaus auch mit einem Roadhouse verwechseln können, doch Blanchard wurde von den Sisters of Providence unterstützt, einem Orden katholischer Nonnen, die ihm die neuesten Geräte und die modernste Ausrüstung beschafft hatten. Selbst die meisten Krankenhäuser in San Francisco oder New York waren nicht besser ausgestattet.
Neun Tage war Clarissa unterwegs gewesen, begleitet von den besten Wünschen der halben Stadt und ihrer Freundinnen, der fröhlichen Dolly, die unterhalb ihrer Blockhütte ein Roadhouse eröffnet hatte, und Betty-Sue, die für Doc Boone im Krankenhaus von Fairbanks arbeitete. Blanchard, der mit seinen Forschungen so große Anerkennung fand, dass man schon versucht hatte, ihn in eine Großstadt zu locken, war der einzige Arzt im amerikanischen Norden, der eine so schwierige Operation durchführen konnte. Er hatte sofort eingewilligt, als Clarissa ihm die geforderte Anzahlung des Honorars bezahlt hatte. Nur weil sie an Dollys Roadhouse beteiligt war und die Herberge gut lief, hatte man ihr den Kredit bewilligt.
Zum wiederholten Male stand Clarissa auf und lief nervös in dem kleinen Zimmer auf und ab. Sie war viel zu angespannt, um in dem neuen Harpers Weekly zu blättern, das neben einigen Broschüren auf dem Holztisch lag, und den Kalender mit den religiösen Motiven, dem einzigen Wandschmuck in dem ansonsten sehr kargen Raum, kannte sie bereits auswendig. Vorsichtig öffnete sie die Tür zum Flur. Zum wiederholten Male blickte sie in das düstere Halbdunkel, sah zwei leere Tragen an der linken Wand stehen und zuckte erschrocken zurück, als eine der seitlichen Türen aufsprang und eine Schwester im Licht der einzigen Lampe erschien und sie sofort entdeckte.
»Bleiben Sie bitte im Wartezimmer!«, rief die Schwester streng. Ihre Stimme hallte unheilvoll durch den verlassenen Flur. »Hier ist der Zutritt verboten! Wir geben Ihnen Bescheid, sobald die Operation vorüber ist.«
»Wie lange wird es denn noch dauern?«
»Das kann ich Ihnen leider nicht sagen«, erwiderte die Schwester schon etwas sanfter. »Eine solche Operation dauert manchmal Stunden, und selbst dann können Sie Ihren Mann noch nicht sprechen. Warum gehen Sie nicht in Ihre Pension zurück und schlafen ein wenig. Es ist schon spät.«
»Ich warte hier«, erwiderte Clarissa beinahe trotzig.
Sie schloss die Tür und kehrte auf ihren Platz zurück. Es gab keine Uhr in dem kleinen Wartezimmer und auch kein Fenster, durch das man den Mond und die Sterne beobachten konnte, aber sie vermutete, dass es bereits auf Mitternacht zuging. Sie würde dennoch bleiben. Solange sie nicht wusste, ob Alex die Operation überstanden hatte, würde sie ohnehin kein Auge zutun. Zuerst wollte sie die erlösenden Worte des Arztes hören.
Eine zweite Tür ging auf, und eine Schwester betrat mit einer älteren Dame das Wartezimmer. »Es wird nicht lange dauern, Ma’am«, sagte sie zu der ganz in schwarz gekleideten Lady. »Die Wunde ist nicht besonders tief. Ein paar Stiche, und Sie können Ihren Mann wieder mitnehmen.«
Die Dame bedankte sich und setzte sich Clarissa gegenüber auf einen Stuhl. Sie musterte Clarissa abschätzend, während sie nach der Zeitschrift griff, und verzog bei ihrem Anblick kaum merklich den Mund. Clarissa war nicht gerade wie eine Dame gekleidet, sie trug noch ihre Wollhose, den Anorak und die festen Stiefel, die für eine Fahrt mit dem Hundeschlitten am praktischsten waren, und hatte nur die Fellmütze in der Pension gelassen. Ihre honigblonden Haare waren mit einem schmalen Lederband im Nacken zusammengebunden. Anders als die jungen Frauen in Seward, die sich selten in der freien Natur aufhielten, während der eisigen Winter schon gar nicht, war ihr Gesicht von Wind und Wetter gebräunt, und statt nach Rosenwasser duftete sie nach ihren Huskys, ihren treuen Begleitern auf dem Weg nach Seward. Für ein heißes Bad war sie noch viel zu nervös.
Clarissa erwiderte den missbilligenden Blick der älteren Dame mit einem gezwungenen Lächeln und richtete den Blick wieder auf die Tür zum Gang mit den Operationszimmern. Die Minuten vergingen quälend, ohne dass etwas geschah. Nur das kaum hörbare Geräusch, wenn die ältere Dame eine Seite in der Zeitschrift umblätterte, war in der Stille zu hören.
Als sich die Tür endlich öffnete, kehrte eine Schwester mit dem Ehemann der älteren Dame zurück. Seine linke Hand steckte in einem festen Verband. »Na, sehen Sie? Das war doch gar nicht so schlimm«, sagte die Schwester mit einem freundlichen Lächeln. »Schonen Sie sich in den nächsten Tagen ein wenig, und belasten Sie vor allem die verletzte Hand nicht! Und kommen Sie in ein paar Tagen noch einmal zum Verband wechseln vorbei.« Sie verabschiedete sich von den beiden, wartete geduldig, bis sie den Warteraum verlassen hatten, und wandte sich an Clarissa: »Ich kann Ihnen leider noch nichts sagen, Ma’am. Wollen Sie nicht doch lieber in der Pension warten? Es dauert sicher noch ein, zwei Stunden.«
»Nein, danke. Ich warte hier.«
»Wie Sie wollen, Ma’am.«
Die Schwester verschwand, und Clarissa war wieder allein mit ihren Ängsten. Als Ehefrau eines Fallenstellers, die schon seit einigen Jahren in der Wildnis von Alaska lebte, war sie einiges gewöhnt. Sie war in den verschneiten Bergen mit ihrem Schlitten verunglückt und hatte nur überlebt, weil sie Bones, der geheimnisvolle Wolf, den sie einst verarztet hatte, in ein Indianerdorf geführt hatte. Sie hatte mehrere Blizzards überstanden. Sie hatte sich gegen Frank Whittler, den aufdringlichen Sohn eines millionenschweren Managers der Canadian Pacific, gewehrt und war von ihm verleumdet und quer durch Kanada und Alaska gejagt worden. So manches Mal war sie nur einen Schritt vom Tod entfernt gewesen. Erst vor zwei Wochen war Whittler dem Deputy U.S. Marshal ins Netz gegangen.
Sie erschauderte jetzt noch, wenn sie an Frank Whittler dachte. Zuerst war es nur sein verletzter Stolz gewesen, die bittere Erfahrung, dass sich eine junge Frau erdreistete, sich ihm zu widersetzen. Er hatte sie als gewalttätige Diebin in der Öffentlichkeit gebrandmarkt und sogar die Polizei auf sie gehetzt. Nachdem man ihn gefangen und überführt hatte, war er ausgebrochen, und seine Anstrengungen, sie zu vernichten, waren zur krankhaften Besessenheit geworden. Er hatte gestohlen und gemordet, war nach der Pleite seiner Familie zum dreisten Verbrecher geworden und würde wahrscheinlich bis ans Lebensende für seine Taten büßen müssen.
Irgendwann schlief sie über diesen Gedanken ein und schreckte erst hoch, als sich die Tür erneut öffnete und Dr. Ralph M. Blanchard den Warteraum betrat. Er hatte seine Kopfhaube abgenommen und wirkte erschöpft, lächelte aber zufrieden, als er Clarissa gegenübertrat. »Die Operation ist gut verlaufen«, sagte er tatsächlich, »Ihrem Mann geht es den Umständen entsprechend gut. Es wird noch eine Weile dauern, bis er aus seiner Narkose aufwacht, aber ich bin sicher, morgen früh können Sie kurz mit ihm sprechen. Wir werden ihn noch einige Zeit hierbehalten müssen, bis er aufstehen kann, das Gröbste hat er jedoch überstanden. Die Geschwulst ist weg.« Sein Blick wurde ernst. »Ich will Ihnen nichts vormachen, Ma’am. Natürlich kann ein solches Geschwür jederzeit zurückkehren, und auch, wenn nichts zurückbleibt, werden Sie es nicht einfach mit ihm haben. Seine Kopfschmerzen werden nicht ganz verschwinden, und er könnte auch aus nichtigen Anlässen die Nerven verlieren und gereizt reagieren, aber er wird nicht sterben. Ich hoffe, Sie sind eine geduldige Frau.«
»Sonst säße ich wohl kaum noch hier«, erwiderte Clarissa erleichtert und überglücklich. »Ich bin Ihnen zu tiefstem Dank verpflichtet, Doktor.«
»Ich freue mich für Sie, Ma’am.«
Natürlich hätte Clarissa ihren Mann gern gesehen, aber die Schwester, die hinter Dr. Blanchard den Warteraum betreten hatte, schüttelte nur den Kopf. »Er braucht jetzt vor allem Ruhe. Morgen früh, Ma’am.«
Beschwingt von der guten Nachricht, aber auch verstört von den Warnungen des Arztes und der Möglichkeit, dass Alex niemals ganz ohne Beschwerden sein würde, verließ Clarissa das Wartezimmer und stieg die Treppe zum Ausgang hinunter. Auf der Wanduhr neben der Rezeption war es kurz nach Mitternacht. Mit hochgeschlagenem Kragen trat sie in die Kälte hinaus. Es war Februar, und eisiger Wind fegte über die Hauptstraße der kleinen Stadt. Vom dunklen Himmel wirbelten Schneeflocken.
Auf den ersten Blick war Seward ein erbärmliches Nest. Nur die Markierungen an den Bäumen nördlich der Stadt wiesen darauf hin, welch rasante Entwicklung sie im Sommer nehmen würde. Schon vor einigen Monaten waren die Landvermesser der Alaska Central Railroad in Seward gewesen und hatten die Trasse für die neue Eisenbahn vermessen. Die Kutsche startete ebenfalls in Seward und würde noch so lange fahren, bis die Eisenbahnstrecke nach Fairbanks fertiggestellt war. Im Hafen wartete ein neuer Anlegesteg auf die Dampfschiffe aus Seattle und San Francisco. Ein Schwall von Menschen würde über Seward nach Alaska einwandern und weiter zu den Goldfeldern im Norden ziehen. Ein Gedanke, der Clarissa erschreckte und Alex und sie bereits darüber nachdenken ließ, noch weiter nach Norden zu ziehen, weg von der geschäftigen Metropole, die auch Fairbanks zu werden drohte. Alaska war riesengroß, und sie würden immer einen einsamen und unberührten Flecken in der Wildnis finden.
Die Pension lag dem Krankenhaus schräg gegenüber, ein hastig errichtetes Holzhaus mit einem Giebeldach, damit der Schnee besser abrutschen konnte. In seinem Schatten lagen ihre Huskys und hoben sofort die Köpfe, als sie ihre Witterung aufnahmen. Emmett, ihr Leithund, ein intelligenter Rüde mit langen Beinen, stimmte ein Jaulkonzert an, in das ihre anderen Hunde sofort einfielen, der erfahrene Smoky, der junge Benny, der verlässliche Rick, der freche Waco, die fröhliche Bonnie und der bullige Chilco. Sie begrüßte jeden Einzelnen mit einem freundschaftlichen Klaps, ihren Leithund zuerst, und teilte ihnen die gute Nachricht mit: »Stellt euch vor, die Operation ist gut gegangen! Alex wird wieder gesund!« Sie kraulte Emmett zwischen den Ohren, wie er es am liebsten hatte. »Na, hab ich euch zu viel versprochen? So schnell gibt ein Fallensteller nicht auf!«
Im Erdgeschoss brannte noch Licht. Der Besitzer, ein risikofreudiger Unternehmer aus Sitka, dem es in der ehemaligen Hauptstadt zu langweilig geworden war, saß mit einem Vertreter zusammen und sprach dem Whiskey zu, den sein Gast mitgebracht hatte. Seine Frau war schon zu Bett gegangen. »Ah, Mrs. Carmack!«, begrüßte er sie schon leicht beschwipst. »Ich hoffe, die Operation ist gut verlaufen. Wie geht es Ihrem Mann?«
»Danke der Nachfrage ... Er hat die Operation gut überstanden. Aber es wird wohl noch zwei Wochen dauern, bis wir nach Hause fahren können. Wir dürfen kein Risiko eingehen. Ich darf das Zimmer doch behalten?«
»Solange Sie wollen, Ma am. Ich gebe Ihnen auch Rabatt.«
»Sehr freundlich von Ihnen, Mister. Gute Nacht.«
Ihr Zimmer, eigentlich ein Verschlag, lag im ersten Stock. Sie wandte sich zur Treppe und war schon halb oben, als ein vertrauter Name durch die offene Tür nach oben drang. »Whittler wird schon dafür sorgen, dass der Bau zügig vorangeht. Bei der Canadian Pacific ging es schneller voran als damals bei der Union Pacific. Whittler versteht was von Eisenbahnen.«
Sie erstarrte mitten in der Bewegung, hielt sich mit einer Hand am Geländer fest und musste kurz die Augen schließen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Nachdem sie ein paarmal tief durchgeatmet hatte, fühlte sie sich besser. Thomas Whittler, denn nur von ihm konnte die Rede sein, war verantwortlich für die Planung und den Bau der Alaska Central Railroad!
Der Vater ihres Peinigers, der einstige Eisenbahnmillionär, der in einen Skandal verwickelt war, seinen einträglichen Posten bei der kanadischen Eisenbahn und angeblich sein ganzes Vermögen verloren hatte. Offenbar hatte er immer noch gute Verbindungen zu Politik und Wirtschaft, und sein Vermögen war groß genug, um einen bedeutsamen Managerposten bei einer neuen Eisenbahnlinie wie der Alaska Central Railroad zu bekommen.
»Und der Skandal, in den er verwickelt war?«, fragte der Wirt.
»Schnee von gestern«, antwortete der Vertreter, »diese Manager sind alle keine Heiligen. Manager und Politiker werden uns irgendwann ins Unglück stürzen ...« Er lachte. »... und dafür noch eine fette Abfindung kassieren. Aber ohne einen solchen Mann geht es nicht. Mit dem Schmusekurs, den manche unserer Leute fahren, kämen wir nicht weit. Thomas Whittler mag korrupt sein und über Leichen gehen, aber er ist ein fähiger Mann.«
»Ganz im Gegensatz zu seinem Sohn.« Clarissa hörte, wie der Wirt von seinem Whiskey trank. »In der Weekly Fairbanks News steht, dass er eine Bank ausgeraubt und mehrere Leute umgebracht haben soll. Seltsam, dabei hätte sein Vater doch genug Geld gehabt. Hat man ihn schon verurteilt?«
»Vorgestern«, erwiderte der Vertreter, stolz darauf, mit aktuellen Meldungen aufwarten zu können. »Hab ich auf dem Weg hierher in einem Roadhouse aufgeschnappt. Lebenslänglich und, soweit ich weiß, auch ohne die Möglichkeit, irgendwann begnadigt zu werden. Geschieht ihm recht. Er kann froh sein, dass sie ihn nicht zum Tode verurteilt haben.«
»Das hat er sicher seinem Dad zu verdanken.«
»Aber mehr konnte auch er nicht für ihn tun. Frank Whittler hat drei Menschen auf dem Gewissen, seine beiden Komplizen und einen Bankangestellten. Um seine Komplizen ist es nicht schade, aber der Bankangestellte war ein rechtschaffener Mann und hatte Frau und Kinder. Nicht mal der Präsident hätte ein besseres Urteil für ihn herausschlagen können.«
»Soll er nicht versucht haben, eine Frau zu vergewaltigen?«
Clarissa hielt den Atem an.
»Hab ich auch gehört«, räumte der Vertreter ein, »sind aber wohl nur Gerüchte. Obwohl ich mir denken könnte, dass er kein Kostverächter war.« Er lachte wieder. »Einige Squaws hat er sicher auf dem Gewissen.«
Clarissa hatte genug gehört und stieg die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf. Mit zitternden Fingern verschloss sie die Tür hinter sich. Die Worte des Vertreters hatten noch einmal die alten Wunden aufgerissen. Als wäre es gestern gewesen, sah sie das arrogante Grinsen des Millionärs vor sich, spürte sie seine Hände auf ihrem Körper und fühlte noch einmal die Wut in sich aufsteigen, die sie damals empfunden hatte, als sie ihn weggestoßen hatte und er gegen die Wand geprallt und gestürzt war. Noch nie zuvor hatte ihn eine Frau so gedemütigt, eine Untergebene, eine Angestellte, die doch eigentlich froh sein musste, wenn sich ein Gentleman wie er dazu herabließ, sich an ihr zu vergreifen. So hatte er wohl gedacht. Nur gut, dass sich der Richter nicht auf einen faulen Handel eingelassen hatte. Lebenslänglich ohne die Möglichkeit, irgendwann begnadigt zu werden, war die gerechte Strafe für Frank Whittler. Eigentlich noch zu milde für einen skrupellosen Verbrecher, der ihr das Leben zur Hölle gemacht hatte.
Sie zog sich aus, verschob die gründliche Wäsche auf den nächsten Morgen, wenn die Frau des Wirts ihr heißes Wasser bringen würde, und ging zu Bett. Durch das Fenster blickte sie auf das Krankenhaus gegenüber und versuchte, das Fenster von dem Zimmer auszumachen, in dem Alex lag. Brannte das Licht, oder lag er hinter einem der dunklen Fenster? Sie hatte keine Ahnung, und es war ihr auch egal. Sie war ihrem Mann in Gedanken verbunden. Selbst jetzt glaubte sie seinen warmen Atem an ihrem Hals zu spüren, sein Lächeln in der Dunkelheit zu sehen. Was für ein Segen, ihn wieder gesund zu wissen! Doc Boone und auch der Arzt in Koyuk hatten ihm nur noch wenige Monate gegeben, und die Überlebenschance bei der gefährlichen Operation hatte bei zehn Prozent gelegen. Allein einem glücklichen Zufall war es zu verdanken, dass ein so talentierter Arzt wie Dr. Ralph M. Blanchard sich seiner angenommen hatte. Denn bis Sitka oder Juneau hätte sie es im Winter wahrscheinlich nicht geschafft.
»Jetzt wird alles wieder gut, Alex«, flüsterte sie erleichtert. »Du wirst wieder gesund, und Frank Whittler sitzt lebenslänglich im Gefängnis.«
Nur der Gedanke an Thomas Whittler beunruhigte sie.
Am nächsten Morgen wurde Clarissa von ihren Huskys geweckt. Sie lagen unter ihrem Fenster im Schnee und hatten ein morgendliches Heulkonzert angestimmt, in das alle anderen Hunde der Stadt einfielen, sodass auch der größte Langschläfer aus dem Schlaf fuhr. Nur keine Panik, rief sie ihren Huskys in Gedanken zu, gleich gibt es was zu fressen!
Sie stützte sich auf den linken Unterarm und blickte aus dem Fenster. Noch war es stockdunkel. Im Februar ging die Sonne erst um neun Uhr auf, und nur die erleuchteten Fenster im Krankenhaus und die Lichter, die bereits in einigen Häusern brannten, durchbrachen die Nacht. Im trüben Schein rieselten Schneeflocken vom bedeckten Himmel. »Guten Morgen, Alex!«, rief sie leise in Richtung Krankenhaus. »Ich bin schon unterwegs.«
Doch es dauerte noch ungefähr eine halbe Stunde, bis die Wirtin an ihre Tür klopfte und mit gedämpfter Stimme rief: »Mrs. Carmack? Sind Sie wach? Im Badezimmer steht eine Wanne mit heißem Wasser für Sie.« Und nach einer kurzen Pause: »Freut mich, dass es Ihrem Mann besser geht.«
Clarissa bedankte sich, hüllte sich in den Morgenmantel, den ihr die Wirtin geliehen hatte, und ging ins Badezimmer am Ende des Flurs. Im heißen Wasser des Holzzubers, das nach Rosen duftete, schloss sie die Augen und entspannte sich. Die lange Fahrt und die Anspannung vor der Operation hatten an ihren Nerven gezehrt, und sie genoss diesen kurzen Augenblick der Ruhe. Mit der Duftseife, die auf einem Beistelltisch bereitlag, wusch sie sich ausgiebig und fühlte sich danach schon besser, obwohl sie in der letzten Nacht kaum geschlafen hatte. Nachdem sie sich abgetrocknet hatte, kehrte sie in ihr Zimmer zurück und zog sich an. Um nicht wieder alle Blicke auf sich zu ziehen, schlüpfte sie in ihren dunklen Rock und die weiße Bluse, beließ es aber bei den Stiefeln, da sie ihre normalen Schuhe in dem Schnee nur behindert hätten. Sie zog ihren Anorak an, stülpte die Pelzmütze über die noch nassen Haare und ging nach unten.
»Mrs. Carmack!«, rief die Wirtin erstaunt, als sie keine Anstalten machte, sich zum Frühstück an den großen Esstisch zu setzen. »Wollen Sie denn kein Frühstück? Ich habe sogar frische Eier bekommen.«
Clarissa ließ sich nicht aufhalten und war bereits an der Haustür. »Ich frühstücke später, Ma’am. Würden Sie mir eins aufheben? Ich muss mich um meine Huskys kümmern, und im Krankenhaus wartet mein Mann.«
»Natürlich ... wenn Sie wollen.« Sie gab reichlich Butter in eine große Eisenpfanne. »Aber ich kann für nichts garantieren. Mein Mann isst Eier für sein Leben gern und würde am liebsten das ganze Dutzend verspeisen.«
»Zur Not tun es auch Haferflocken, Ma’am.«
Clarissa verließ das Haus und holte den Eimer mit dem Hundefutter aus dem angrenzenden Schuppen. Ihre Huskys jaulten bereits unruhig, besonders Emmett, der nicht nur ihr Leithund, sondern auch der hungrigste Hund ihres Gespanns war. »Immer mit der Ruhe, Emmett! Du bekommst schon deine Extraportion.« Sie stellte ihm den Futtertrog hin, gab noch eine halbe Kelle von dem Lachseintopf dazu und kraulte ihn zärtlich zwischen den Ohren. »Na, freust du dich auch, dass Alex wieder gesund ist?«
Emmett war viel zu beschäftigt, um ihr zu antworten.
Nachdem die Hunde gefressen hatten, überquerte Clarissa die Straße und stieg zum Krankenhaus hinauf. Inzwischen wusste sie, dass es erst wenige Minuten nach sieben war, ein bisschen früh für einen Krankenbesuch, aber länger wollte sie auf keinen Fall warten. Aus der Schmiede drangen bereits Hammerschläge, als sie über den hölzernen Steg lief, den man über den Schnee gelegt hatte, und auch im Gemischtwarenladen brannte schon Licht. In die eisige Kälte hatte sich noch niemand hinausgewagt, obwohl der Wind lange nicht mehr so böig wie am vergangenen Abend war.
Im Krankenhaus verbreitete ein großer Ofen angenehme Wärme. Am Empfangstisch saß eine Ordensschwester der Sisters of Providence und blickte erstaunt auf, als sie die frühe Besucherin bemerkte, nickte aber freundlich, als Clarissa ihren Namen nannte, und holte die Nachtschwester aus dem Nachbarzimmer. Schwester Agnes war eine herzliche Frau um die fünfzig, eine Tante von Dr. Blanchard, wie sich später herausstellte, und empfing sie mit einem zuversichtlichen Lächeln. »Ich kann Sie beruhigen, Ma am, Ihrem Mann geht es schon viel besser. Ich fürchte jedoch, Sie sind zu früh dran. Er liegt noch im Überwachungsraum, und ich muss abwarten, was der Arzt sagt, bevor ich Sie zu ihm führen kann. Warum setzen Sie sich nicht ins Wartezimmer? Diesmal dauert es bestimmt nicht lange ...«
Doch auch jetzt wurde Clarissas Geduld auf eine harte Probe gestellt. Es dauerte über eine Stunde, bis Dr. Blanchard im Krankenhaus erschien, ihren Mann untersuchte und anschließend im Wartezimmer auftauchte. »Guten Morgen, Mrs. Carmack«, begrüßte er sie mit einem stolzen Lächeln. Die gelungene Operation war ein weiterer Meilenstein in seiner Karriere und würde ihn dem erhofften Ruhm wieder ein Stück näherbringen. »Tut mir leid, dass Sie so lange warten mussten, aber ich wollte mir Ihren Mann erst einmal ansehen, bevor ich Sie zu ihm lasse. Nach einer Operation besteht immer die Gefahr einer Infektion, und ich wollte kein Risiko eingehen. Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Natürlich müssen wir ihm Schmerzmittel geben, solange die Wunde nicht verheilt ist, deshalb möchte ich Sie auch bitten, Ihren Besuch auf wenige Minuten zu beschränken. Kommen Sie, Schwester Agnes wird Sie zu ihm bringen.«
Clarissa folgte der Schwester den Flur hinab. Sie war aufgeregt wie selten zuvor und fürchtete sich davor, ihren Mann von Schmerzen geplagt und hilflos in einem Krankenbett liegen zu sehen; ausgerechnet einen Fallensteller wie ihn, der bisher jeder Gefahr getrotzt hatte und nicht mal vor einem wilden Grizzly geflohen war. Für ihn war es sicher doppelt schwer, im Bett zu liegen und auf die Hilfe der Schwestern angewiesen zu sein.
»Das erste Wort, das ich nach dem Aufwachen von ihm gehört habe, war Ihr Name«, sagte Schwester Agnes, als sie die Tür öffnete. Sie lächelte aufmunternd. »Fünf Minuten! Denken Sie daran, er ist noch sehr schwach. Sie dürfen während der ersten paar Tage nicht zu viel von ihm verlangen.«
Clarissa betrat das Zimmer und blieb erschrocken stehen, als sie ihren Mann im Bett liegen sah. Mit dem Verband, der sich wie ein Turban um seinen Kopf wand, und in dem weißen Nachthemd wirkte er irgendwie kleiner und hilfloser. Er war der einzige Patient im Überwachungsraum, alle anderen Betten standen leer, ein glücklicher Umstand, der wahrscheinlich dem überhöhten Honorar für Dr. Blanchard geschuldet war.
Zu ihrer großen Erleichterung lächelte Alex, als sie an sein Bett trat und sich über ihn beugte. »Hey«, begrüßte er sie. Seine Stimme klang heiser und noch etwas brüchig. »Sieht so aus, als wäre mein Kopf noch dran. Dieser Wunderdoktor hat ganze Arbeit geleistet, was? Bei dem hohen Honorar hätte ich auch nichts anderes erwartet. Dafür hätten wir uns ein ganzes Hundegespann kaufen können ... und einen neuen Schlitten dazu.«
Sie ahnte, dass er nur aus Verlegenheit so viel redete, und verschloss ihm mit einem zärtlichen Kuss den Mund. Seine Lippen waren spröde, und er schmeckte nach der bitteren Medizin, aber noch nie hatte sich ein Kuss so gut angefühlt, und während all der Jahre, die sie schon zusammenlebten, war sie ihm noch nie so nahe gewesen. »Ich liebe dich«, flüsterte sie, »und ich hätte mir auch doppelt so viel Geld geliehen, wenn Blanchard es verlangt hätte. Ich bin froh, dass du ...« Sie kämpfte plötzlich mit den Tränen. »Ich bin froh, dass du wieder aufgewacht bist.«
»Und ich erst«, erwiderte er, und in seinen dunklen Augen war schon wieder das Funkeln zu erkennen, dass sie jedes Mal in seinen Bann zog. »Ich hatte plötzlich gar keine Lust mehr, mit den Engeln im Himmel zu singen. Schöner als du können die nicht sein, und was soll ich da oben ohne dich und unsere Hunde? Alaska ist schöner als das Paradies, wetten?«
Sie küsste ihn erneut und strich ihm vorsichtig über die linke Wange. Seine Bartstoppeln kratzten. »Blanchard sagt, dass du wieder vollkommen gesund wirst«, sagte sie und verschwieg ihm, wovor der Arzt sie gewarnt hatte. Die Nachricht, dass die Geschwulst jederzeit zurückkehren könnte und er vielleicht unter gelegentlichen Kopfschmerzen und starken Stimmungsschwanken leiden würde, hätte ihn nur beunruhigt und aus dem Gleichgewicht gebracht. Auch die Neuigkeiten über die Whittlers behielt sie vorerst für sich. Warum ihn unnötig mit Problemen belasten? »In ein paar Tagen werden sie dich entlassen«, sagte sie stattdessen, »da bin ich ganz sicher.«
»Wie geht es den Huskys?«, fragte er.
»Oh, die haben beinahe noch mehr Sehnsucht nach dir als ich. Sie liegen vor der Pension im Schnee und heulen vor sich hin. Das Fressen ist gut. Wird Zeit, dass ich eine Runde mit ihnen drehe, sonst werden sie mir noch zu fett und träge. Emmett hat mindestens ein Pfund zugenommen.«
»Tut mir leid, dass du meinetwegen das Rennen verpasst.«
»Das Alaska Frontier Race? Das kann ich auch nächstes Jahr noch gewinnen.« Sie küsste ihn. »Es sei denn, du willst das Rennen gewinnen.«
»Du gewinnst nächstes und ich übernächstes Jahr. Fair genug?«
»Fair genug«, bestätigte sie.
Es klopfte, und Schwester Agnes blickte zur Tür herein. »Tut mir leid, Ma am, aber für heute ist es genug. Ich hab Ihnen schon fünf Minuten dazugegeben. Ihr Mann braucht dringend Ruhe, wenn er gesund werden will. Kommen Sie morgen wieder ... Wenn’s geht, ein bisschen später als heute.«
»Sie sind ziemlich streng hier, was?«, fragte Clarissa.
»Und ob«, antwortete Alex. »Fehlt nur noch, dass Schwester Agnes mir eins auf die Finger gibt, wenn ich nicht gehorche.« Er drehte vorsichtig den Kopf. »Sie erinnern mich an meine Lehrerin, Schwester Agnes. Sie sind hübscher als sie, aber genauso streng.« Er griff nach Clarissas Hand und drückte sie schwach. »Bis morgen ... Morgen geht’s mir sicher besser.«
Clarissa küsste ihn und folgte der Schwester aus dem Zimmer, drehte sich in der Tür noch einmal um und winkte ihm liebevoll zu. »Ich werde den Hunden sagen, dass du bald wieder an Bord bist, okay? Ich glaube, die fressen nur aus Kummer so viel. Werde schnell gesund, Alex, hörst du?«
Alex versprach es, und Clarissa trat in den Flur und wartete mit Tränen in den Augen, bis Schwester Agnes die Tür geschlossen hatte. Mit gesenktem Kopf lief sie hinter der Schwester her, die ahnte, dass es besser war, in diesem Augenblick zu schweigen. Clarissas Erleichterung und Freude waren einer gewissen Besorgnis gewichen, wohl auch, weil Alex so hilflos in seinem Krankenbett gewirkt hatte, und sie sich beim Anblick des Verbands davor fürchtete, wie groß die Narbe sein würde. »Sagen Sie mir die Wahrheit, Schwester«, raffte sie sich im Vorraum auf. »Wird mein Mann wirklich wieder normal leben können? Ist die Wunde nicht zu ... zu groß?«
Die Schwester war solche Fragen gewöhnt und lächelte zuversichtlich. »Machen Sie sich keine Sorgen, Ma’am. Einen besseren Arzt als Dr. Blanchard hätten Sie nicht finden können. Ihr Mann wird wieder ganz gesund, keine Angst. Er war ja jetzt schon kaum zu bändigen. Und wegen der Wunde machen Sie sich mal keine Sorgen. Die Narbe ist kaum zu sehen.«
Während der folgenden Tage besuchte Clarissa ihren Mann jeden Morgen, und als es ihm etwas besser ging, auch am Nachmittag. Inzwischen hatte man ihn in ein normales Krankenzimmer verlegt, zusammen mit einem Goldsucher, der sich ein Bein gebrochen hatte und ununterbrochen fluchte, auch wenn Clarissa im Zimmer war. Sie kümmerten sich nicht um ihn, küssten sich ungeniert und schmiedeten Pläne für die Zeit, wenn sie nach Hause zurückkehrten. Alex freute sich darauf, wieder Fallen auslegen und im Sommer jagen zu können, und sie beschloss, so oft wie möglich in Dollys Roadhouse zu arbeiten, bis sie genug verdient hatte, um ihre Schulden zu bezahlen. »Und wenn uns diese Goldsucher zu sehr auf den Pelz rücken«, sagte sie mit einem schnippischen Blick zu dem Bettnachbarn, »gehen wir eben noch weiter nach Norden ... obwohl ich Dolly und Betty-Sue ungern allein lassen würde. Seitdem Betty-Sue in den Indianer verliebt ist, mache ich mir große Sorgen um sie. Wenn sich das in der Stadt herumspricht, und das dauert nicht mehr lange, wird ihr der Civil Service kündigen.«
Es war gerade mal eine Woche vergangen, als Clarissa wieder das Krankenzimmer betrat und gerade noch rechtzeitig kam, um Alex beim Aufstehen zu überraschen. Er saß verwirrt auf seinem Bett, stemmte sich stöhnend hoch, schaffte zwei Schritte und stürzte benommen zu Boden.
»Alex!«, rief sie entsetzt. »Um Gottes willen!«
»Ich hab ihn gewarnt!«, sagte der Goldsucher.
»Schwester! Kommen Sie! Schnell!«, rief Clarissa in den Flur. Noch während sie um Hilfe rief, kniete sie neben Alex nieder und bemerkte, dass sich der Verband über der Wunde rot färbte. »Alex! Was machst du nur?«
»Ich ... ich wollte ... dich über-überraschen« stammelte er.
Inzwischen kam Schwester Agnes ins Zimmer gestürzt, rief sofort nach Dr. Blanchard, als sie das Blut auf dem Verband sah, der wiederum zwei Pfleger herbeibeorderte, die Alex auf eine Trage legten und ins Behandlungszimmer schoben. »Kommen Sie!«, forderte er Schwester Agnes auf.
Clarissa blieb ratlos zurück und musste sich das unflätige Gemurmel des Goldsuchers anhören, bis sich die Tür wieder öffnete und Dr. Blanchard und Schwester Agnes zurückkehrten. »Halb so schlimm«, beruhigte sie der Arzt, »es ist nichts passiert. Ich konnte die Blutung sofort stillen. Vorsichtshalber habe ich ihn in den Überwachungsraum legen lassen, nur zur Sicherheit, damit wir ihn besser beobachten können. Am besten, Sie kommen erst morgen Mittag wieder.« Als er Clarissas ängstliche Miene bemerkte, fügte er hinzu: »Machen Sie sich keine Sorgen, Ma’am! Es ist nichts Ernstes. Er braucht jetzt nur Ruhe. Kommen Sie morgen, okay?«
Sie stand immer noch ein wenig unter Schock und nickte nur. Ihre Augen hatten sich mit Tränen gefüllt, aus Sorge um ihren Mann, aber auch aus Wut, weil sie nicht früher gekommen war und Alex daran gehindert hatte, aus dem Bett zu klettern. Mit festen Schritten verließ sie das Krankenhaus und kehrte zur Pension zurück. Sie ignorierte den fragenden Blick der Wirtsleute, die sie wahrscheinlich wie jeden Nachmittag mit einem heißen Tee empfangen wollten, stieg in ihr Zimmer hinauf und wechselte ihren Rock und die Bluse gegen Wollhose und Pullover und ging hinaus zu den Hunden. »Wie wär’s mit einem kleinen Ausflug?«, rief sie schon von Weitem. »Ich will mir den Wind um die Nase wehen lassen.«
So etwas brauchte man den Hunden nicht zweimal zu sagen. Sie sprangen sofort auf und warteten mit offensichtlicher Vorfreude darauf, dass sie ihnen die Geschirre anlegte, und jaulten aufgeregt, als sie ihren Schlitten auf die Kufen stellte und sie an die Führungsleine schloss. Lediglich Emmett spürte, dass etwas mit ihr nicht stimmte, weil sie wesentlich nervöser als sonst war und wohl nur in die Wildnis fahren wollte, um ihren Ärger und ihre Anspannung loszuwerden. Er würde sich mehr als sonst anstrengen müssen.
»Heya! Heya! Vorwärts, Emmett!«, feuerte Clarissa ihre Huskys an und lenkte den Schlitten auf die Hauptstraße. Unter den Augen der verdutzten Wirtsleute und des Schmieds, der mit einem Hammer in der Hand auf die Straße getreten war und ihr neugierig nachblickte, fuhr sie aus der Stadt hinaus. »Schneller, schneller!«, rief sie auch dann noch, als die Hunde im rasanten Tempo in die scharfe Kurve nördlich der Stadt gingen und sie fast von den Kufen stürzte. »Wollt ihr wohl laufen, ihr müden Gesellen!«
Emmett besaß einen gesunden Instinkt dafür, wie weit er gehen konnte, um Clarissa vor einem gefährlichen Sturz zu bewahren, und ging selbstständig mit dem Tempo herunter. Immer noch zügig, aber nicht mehr mit dieser halsbrecherischen Geschwindigkeit, die früher oder später zu einem Unfall geführt hätte, dirigierte er seine Artgenossen durch den Schnee. Der Trail über die Kenai-Halbinsel war erst vor wenigen Tagen von einem Pferdegespann geebnet worden, und zu beiden Seiten türmten sich hohe Schneewälle, aber mit zu viel Schwung würde Clarissa bei einem Unfall über die Böschung fliegen und im Unterholz landen oder gegen einen Baum prallen. Hier unten waren die Bäume wesentlich höher als in Fairbanks.
Über den nahen Bergen hatte sich der rötliche Schimmer der aufgehenden Sonne gelegt, und geheimnisvolles Zwielicht hing über den verschneiten Bäumen. Als dunkle Schatten hoben sie sich gegen den blassen Schnee ab. Der schwache Wind trieb die wenigen Flocken, die noch vom Himmel fielen, über den Trail, der einsam und verlassen vor ihr lag. Das Scharren der Kufen und das Knarren des Schlittens waren überdeutlich zu hören.
»Heya! Heya! Warum so langsam, Emmett? Weiter!« Clarissa wurde nicht müde, ihre Huskys anzufeuern, als könnte sie alle Sorgen und Ängste vergessen, wenn sie in der Wildnis untertauchte. Viel zu steif und verkrampft stand sie auf den Kufen, immer noch von Panik getrieben, und hätte in diesem Augenblick nicht ein Wolf geheult, wäre sie wahrscheinlich noch zweihundert Meilen nach Valdez gefahren.
»Whoaa!«, bremste sie die Huskys, die das Geheul ebenfalls gehört hatten und nervös stehen blieben. Sie hatten keine Angst vor ihren wilden Brüdern, empfanden aber so großen Respekt, dass sie ihnen lieber aus dem Weg gingen. Clarissa blieb auf den Kufen stehen und lauschte angestrengt. Noch einmal drang das Heulen durch den dichten Wald, so durchdringend und nahe, dass ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken lief.
»Bones!«, flüstert sie.
Das Heulen des Wolfs verfolgte Clarissa bis in den Schlaf. Kaum hatte sie die Augen geschlossen, war er wieder zu hören, dieser lang gezogene und unheimliche Laut, der bedrohlich durch die Nacht schallte und als vielfaches Echo über den Wäldern hängen blieb. Selbst der Wind kapitulierte vor dem geheimnisvollen Wolf und hielt für einen Moment den Atem an.
In der Stille, so tief und vollkommen, dass sie sogar ihren eigenen Atem hören konnte, waren die Schritte des Wolfs schon von Weitem zu hören. Wie ein Totemtier der Indianer trat er zwischen den Bäumen hervor, selbstsicher, kraftvoll und mit den leuchtenden Augen eines Wesens, das die Welt besser verstand als jeder Zweibeiner. Bones ... Knochen. Wegen seiner hageren Erscheinung hatte sie ihn so getauft. Bei ihrer ersten Begegnung, als er humpelnd auf die Lichtung gekommen war und sie seine Wunde verarztet hatte, war ihr sofort klar gewesen, einen besonderen Wolf vor sich zu haben. Doch niemals hätte sie sich träumen lassen, dass er zu ihrem Schutzgeist werden würde, einem Geisterwolf, der ihr Tausende von Meilen durch den halben Kontinent gefolgt war, ihr schon so manches Mal das Leben gerettet hatte und es sogar fertigbrachte, ein ganzes Rudel um sich zu scharen, wenn sie in Gefahr war. Nur verlassen konnte sie sich auf ihn nicht, denn wenn es ihm einfiel, blieb er sogar monatelang weg. Dann sah es so aus, als wollte er dem Schicksal nicht in die Quere kommen und neugierig dabei zusehen, wie sie allein mit einer Herausforderung fertig wurde.
Bones kam langsam näher und blieb in angemessener Entfernung stehen. Seine Augen leuchteten in der Dunkelheit, zwei gelbe Punkte, die sie manchmal zu durchbohren schienen. Er sprach nicht wie die Schutzgeister der Indianer oder die Wölfe in den Märchen, sondern zeigte ihr allein durch seine Bewegungen und Gesten, was er ihr mitteilen wollte. Diesmal wollte er sie warnen. Seine gelben Augen glichen schmalen Schlitzen, seine Ohren waren aufgestellt, und sein Schweif stand vom Körper ab, als hätte er einen mächtigen Grizzly entdeckt, der selbst ihm zum Verhängnis werden konnte. Er mahnte sie zur Vorsicht, warnte sie vor einer Gefahr, ohne ihr andeuten zu können, um was es ging. Sein leises Knurren ließ das Schlimmste vermuten.
»Nicht Alex«, flüsterte sie, »bitte nicht Alex! Er muss wieder ganz gesund werden ... Er muss! Lass es irgendwas anderes sein, ein Blizzard, ein Unfall, bei dem ich mir das Bein breche, finanzielle Schwierigkeiten ... Alles, nur nicht Alex! Er hat genug durchgemacht ... Ich liebe ihn.«
Bones zeigte mit keiner Regung, ob er sie verstanden hatte. Lautlos entfernte er sich von ihr und verschwand zwischen den Bäumen. Nicht einmal Spuren hinterließ er im Schnee. Als wäre er nie da gewesen.
Sie schreckte aus dem Schlaf und starrte verwirrt in die Dunkelheit. Verstört stellte sie fest, dass sie nicht im Wald auf ihrem Schlitten stand, sondern in ihrem Bett in der Pension lag. Es war beinahe so still wie in ihrem Traum, nur der Ofen bullerte leise vor sich hin. Sie stand auf und ging zum Fenster, aber auch dort war der Wolf nicht zu sehen. Die Hauptstraße lag einsam unter dem nächtlichen Himmel. Im Licht, das aus den Fenstern des Krankenhauses fiel, war nicht der geringste Schatten auszumachen.
Trotz der kalten Luft, die durch das einfache Fenster zu spüren war, blieb sie minutenlang stehen. »Bones«, flüsterte sie, »warst du wirklich hier?« Sie zweifelte manchmal selbst daran, ob es den Wolf wirklich gab oder ob er nur in ihrer Fantasie existierte, wie Alex manchmal behauptete. »Zwischen Träumen und der Wirklichkeit gibt es keinen Unterschied«, hatte ihr mal ein indianischer Medizinmann gesagt, »beide sind wahr. Deinem Schutzgeist kannst du überall begegnen, und er wird immer bei dir gewesen sein, auch wenn die meisten Weißen an solchen Begegnungen zweifeln. Du hast eine indianische Seele. Höre auf deinen Schutzgeist!«
Sie kehrte in ihr Bett zurück, fand aber in dieser Nacht kaum noch Schlaf. Zu sehr beschäftigte sie die Begegnung mit dem geheimnisvollen Wolf. Ihre Angst, seine Warnung könnte Alex gegolten haben, machte sie nervös und ließ sie sogar daran zweifeln, ob es eine gute Idee gewesen war, ihn zu Dr. Blanchard nach Seward zu bringen. Vielleicht war die Operation doch nicht so reibungslos verlaufen, wie er behauptet hatte, und es würde außer den Kopfschmerzen und Stimmungsschwankungen noch andere Nachwirkungen geben. Würde er wirklich wieder gesund werden?
Die nächsten Tage vertrieben ihre Zweifel. Schon bei ihrem Besuch nach dem Frühstück zeigte sich Alex so erholt und gut gelaunt, dass ein Rückfall beinahe ausgeschlossen schien. Dr. Blanchard strahlte übers ganze Gesicht, auch wegen der Anerkennung, die nicht lange auf sich warten lassen würde, und Schwester Agnes nahm sie in den Arm und sagte: »Ihr Mann erholt sich großartig, jetzt ist er endgültig über den Berg.« Und weil er die gute Laune im Krankenzimmer nur gestört hätte, war der fluchende Goldsucher ins Nachbarzimmer umgezogen und ärgerte dort die Patienten.
Jeder Tag brachte Alex einen Schritt voran, und weil er inzwischen auch einen starken Appetit entwickelt hatte, kehrte auch seine Kraft zurück. Als er sich das erste Mal aus dem Bett wagte, halfen ihm die Pfleger noch, aber bald schaffte er es allein, auch wenn ihm nach einer Weile etwas schwindlig wurde und er sich wieder hinlegen musste. Clarissa verbrachte jetzt fast den ganzen Tag bei ihm, kehrte nur zum Essen in die Pension zurück und wich ins Wartezimmer aus, wenn Dr. Blanchard ihren Mann untersuchte oder die Schwester den Verband wechselte. Die Wunde verheilte schnell, verriet ihr Schwester Agnes, die Fäden hatte Dr. Blanchard auch schon gezogen, und es war garantiert nichts von der Geschwulst zurückgeblieben. »Es geht aufwärts mit Ihrem Mann«, hörte sie.
Nach zwei Wochen gingen Clarissa und Alex schon im Zimmer und im Flur auf und ab, und einmal nahm Alex sie sogar in die Arme und küsste sie so fest und leidenschaftlich, dass sie beinahe das Gleichgewicht verlor. Stattdessen geriet er vor lauter Anstrengung ins Straucheln, und sie konnten von Glück sagen, dass zufällig ein Rollstuhl in der Nähe stand. Es dauerte mehrere Sekunden, bis Alex wieder zu sich kam und regelmäßig atmen konnte. Als Dr. Blanchard ausgerechnet in diesem Augenblick aus einem der Krankenzimmer kam und ihn im Rollstuhl sitzen sah, beruhigte er ihn: »Das ist doch völlig normal, wenn man so lange gelegen hat, da braucht der Kreislauf einige Zeit, um sich zu erholen. Einer unserer Pfleger wird Ihnen ein paar Übungen zeigen, die bringen Sie wieder in Form. Wichtig ist, es am Anfang nicht zu übertreiben. Auch wenn Sie sich inzwischen vollkommen gesund fühlen, kann es noch etwas dauern, bis Sie wieder so leben können wie früher.« Er bedachte Clarissa mit einem anerkennenden Blick. »Aber bei der Frau würde ich mir keine Sorgen machen.«
Der kleine Rückfall brachte weder Clarissa noch ihren Mann aus der Ruhe. Sie vertrauten dem Arzt und den freundlichen Schwestern und Pflegern und erkannten schon bald, wie recht Dr. Blanchard mit seiner Prognose gehabt hatte. Die täglichen Übungen stärkten Alex’ Muskeln, und als sie sich das nächste Mal in einer dunklen Ecke küssten, verlor er nicht das Gleichgewicht, sondern küsste sie gleich noch mal, bis sie keine Luft mehr bekamen und er tatsächlich ins Bett zurückkehren musste. Der Arzt hatte recht. Es würde einige Zeit dauern, bis er wieder voll belastbar war.
Den Tag seiner Entlassung verkündete Dr. Ralph M. Blanchard höchstpersönlich. Clarissa hatte gerade das Krankenzimmer betreten, als er hereinkam und ihnen die freudige Nachricht überbrachte. »Die Wunde ist noch besser verheilt, als ich gehofft hatte«, sagte er. »Sie können von Glück sagen, dass Sie eine hervorragende Konstitution besitzen. Ein schwächerer Mann hätte sicher länger hierbleiben müssen. Seien Sie dennoch vorsichtig, Mister Carmack. Gehen Sie die Dinge langsam an, und gönnen Sie sich etwas Ruhe, wenn Sie merken, dass Ihnen etwas zu viel wird.« Er reichte ihm einen kleinen Behälter mit Tabletten. »Nehmen Sie zwei von diesen Pillen, falls Sie Schmerzen haben. Zwei ... nicht mehr. Noch besser wäre es, wenn Sie regelmäßig Mittagsschlaf halten, aber das kann ich wohl von einem Mann, der in der Wildnis lebt, nicht erwarten.«
Alex steckte die Pillen ein und musste grinsen. »Wohl kaum. Das hat nicht mal meine Mutter geschafft. Ich bin lieber draußen an der frischen Luft. Dort erhole ich mich schneller als in irgendeinem Bett. Aber ich werde mich vorsehen, Doc, das verspreche ich. Vielen Dank für alles.« Er schüttelte ihm die Hand und wandte sich an Schwester Agnes. »Auch Ihnen Schwester, obwohl ich Ihnen diese Spritze niemals verzeihen werde.«
»Und vergessen Sie nicht, im Sommer zur Nachuntersuchung zu kommen. Sobald der Schnee schmilzt und die Kutschen wieder fahren. Ich weiß, die Fahrt dauert zwei Wochen, aber ich muss Sie im Sommer unbedingt noch einmal sehen, wenn wir auf Nummer sicher gehen wollen.«
»Wir werden hier sein, Doktor«, versprach Clarissa.
Vor dem Krankenhaus blieb Alex stehen und atmete tief durch. Die frische Luft belebte ihn. Die Sonne war bereits aufgegangen und überschüttete die nahen Berge mit goldenem Licht, als wollte sie an diesem Festtag besonders strahlend erscheinen, doch auch an diesem klaren Wintertag würde sie sich kaum über den Horizont wagen. Schon am Spätnachmittag würde sie wieder abtauchen und ihren Platz dem Mond und den Sternen überlassen. Ein Grund mehr, sobald wie möglich nach Norden aufzubrechen.
Die Huskys deuteten schon aus der Ferne an, wie sehr sie sich über Alex’ Rückkehr freuten. Sobald sie ihn witterten, setzte ein lautes Heulen ein, das auch die anderen Hunde in Seward ansteckte und die meisten Bürger neugierig an die Fenster treten ließ. Jeder wusste von der schwierigen Operation, die Dr. Blanchard an dem Fallensteller aus dem Norden vorgenommen hatte, und alle freuten sich mit ihm über den glücklichen Ausgang. Der Schmied trat sogar auf den Gehsteig und winkte ihm zu.
Emmett sprang sofort an Alex hoch und hätte ihn zu Boden gestoßen, wenn Clarissa ihn nicht rechtzeitig gestützt hätte. Lachend ließ er die begeisterte Begrüßung über sich ergehen. Jeden Hund umarmte und liebkoste er und verwöhnte ihn mit lieben Worten. »Mann, bin ich froh, euch wiederzusehen«, sagte er, »in dem verfluchten Krankenzimmer hab ich erst gemerkt, wie sehr ihr mir fehlt.« Er befreite sich mühsam von den aufgeregten Hunden und richtete sich auf. »Na, was meint ihr? Wollen wir wieder nach Hause fahren? Über den langen Trail nach Fairbanks?«
Eine überflüssige Frage, denn jeder Husky wollte laufen, und wenn es zum Ende der Welt ging. Es gab nichts Schöneres für einen solchen Hund, als sich bei Eiseskälte den Wind um die Nase wehen zu lassen. Die Wagenstraße, die in Valdez begann und über die Alaska Range nach Fairbanks führte, war jedoch ein besonderer Trail. Hunderte von Arbeitern hatten sie während des Klondike-Goldrausches im benachbarten Kanada der Natur abgerungen, um den Goldsuchern, die in Valdez an Land gegangen waren, einen leichteren Weg zu den Goldfeldern zu ermöglichen. Über dreihundert Meilen führte der Trail in die Wildnis, die einzige Landverbindung mit Fairbanks und dem Inneren von Alaska. Im Sommer verkehrte eine Kutsche zwischen den beiden Städten, im Winter ebnete man den Schnee, um den Hundeschlitten das Vorwärtskommen zu erleichtern.
Doch bevor sie die Huskys über den breiten Trail von Valdez nach Fairbanks laufen lassen konnten, stand ihnen die etwas beschwerlichere Fahrt durch die Wälder der Kenai-Halbinsel bevor. Ein schmaler Trail, der auf den Lichtungen vom Tiefschnee überschwemmt war und den Hunden und den Mushern einiges abverlangte. Auf dem Hinweg war Clarissa die meiste Zeit hinter dem Schlitten gelaufen und hatte den Huskys geholfen, ihn durch den tiefen Schnee zu ziehen. Alex war schon zu schwach und zu krank gewesen, um ihr zu helfen, und einmal sogar zusammengebrochen.
Auch diesmal übernahm Clarissa das Kommando. Nachdem sie sich von den Wirtsleuten verabschiedet, ihre Winterkleidung angezogen und ihr Gepäck verstaut hatte, half sie Alex auf die Ladefläche und stieg auf die Kufen. »Du brauchst mich nicht wie einen kleinen Jungen zu bemuttern«, zeigte er sich etwas eingeschnappt, »so schwach bin ich nun auch wieder nicht.« Er setzte sich jedoch und hüllte sich in die warmen Decken.
»Giddy-up!«, feuerte Clarissa die Hunde an, wie sie es von Alex gelernt hatte. Ein Wort, das er von einem texanischen Cowboy hatte, der seiner Liebsten nach Kanada gefolgt war. »Go! Go! Go! Zeigt Alex, dass ihr nichts verlernt habt! Giddy-up! Mach schon, Emmett! Wir haben eine lange Fahrt vor uns!«
Unter den anerkennenden Blicken der Wirtsleute, die mit ihnen nach draußen gekommen waren, fuhren sie aus der Stadt. Sie hatten so viel Schwung, dass der Schlitten über die halbe Straße schleuderte, bis Clarissa ihn unter Kontrolle bekam, und den Schmied, der ebenfalls nach draußen gekommen war, in eine dichte Schneewolke hüllte. Clarissa lachte nur und hob eine Hand, ein letzter Gruß an die freundlichen Bürger von Seward.
Im Wald, der nur wenige Meilen hinter der Stadt begann, fuhr Clarissa etwas langsamer, auch aus Angst, die unruhige Fahrt könnte Alex schaden. Seine schnippische Bemerkung hatte ihr klargemacht, wie schwierig es sein würde, während der nächsten Wochen stets die passenden Worte zu finden und das Richtige zu tun. Alex war ein rauer Mann, den so schnell nichts in die Knie zwang, tief im Herzen war er auch sensibel, und die Erkenntnis, dass er nicht mehr im Vollbesitz seiner Kräfte und auf die Hilfe seiner Frau angewiesen war, würde ihn vielleicht noch mehr reizen. Ihre Sorge war unbegründet, vorerst zumindest. Alex schlief schon nach wenigen Meilen ein und bekam gar nicht mit, wie sie auf der ersten Lichtung vom Schlitten sprang und sich mit einer Schulter gegen die Haltestange stemmen musste, um den Hunden durch den Tiefschnee zu helfen. Sie konnte von Glück sagen, dass kaum Wind ging und während der letzten Tage nur wenig Schnee gefallen war. Sehr viel flotter kam sie auf einem riesigen See voran, dessen Eis so fest gefroren war, dass sie Mühe hatte, den Schlitten nicht zu schnell werden zu lassen. Die Hunde hatten ihren Spaß und genossen es sichtlich, den kalten Gegenwind zu spüren.
Nach ungefähr vier Stunden, am Ufer eines zugefrorenen Baches, der im Unterholz des nahen Waldes verschwand, wachte Alex auf. Clarissa beobachtete, wie er aus dem Schlaf schreckte und verwirrt in die Runde blickte, sich mit beiden Händen am Schlitten festhielt, als er von einer ruckhaften Bewegung überrascht wurde. »Whoaa! Whoaa!«, bremste sie die Hunde und blieb am Waldrand stehen. Im Osten ging bereits die Sonne unter. Über den Bäumen und dem schmalen Trail lag ein roter Schimmer.
Sie verankerte den Schlitten und beugte sich zu Alex hinunter. »Alles okay?«, fragte sie besorgt. »Bin ich zu schnell gefahren? Ich wollte dich nicht aufwecken, Alex. Vielleicht sollten wir eine kurze Pause einlegen.«
»Du brauchst mich nicht zu bemuttern«, erwiderte er, immer noch verstimmt. »Ich bin nur etwas eingenickt, weiter nichts. Alles okay. Ich bin wieder gesund, Clarissa. Wäre ja auch gelacht nach dem langen Urlaub.«
»Die Operation war anstrengend, Alex. Ich will doch nur, dass du keinen Rückfall bekommst. Du hast den Arzt gehört, du sollst dich schonen!«
»Wie lange war ich eingenickt?«
»Ungefähr vier Stunden. Es wird schon dunkel.«
»So lange?« Er erschrak und schien geschockt, erholte sich aber schnell und lächelte schon wieder zuversichtlich, als er sagte: »Na, dann wird’s ja höchste Zeit, dass ich dich mal auf dem Schlitten ablöse.«
»Du willst den Schlitten steuern?« Sie blickte ihn überrascht an.
»Hast du vielleicht was dagegen?«
Sie wusste, dass sie auf jeden Fall das Falsche sagen würde. »Nein ... das heißt ... meinst du nicht, du solltest dich noch etwas schonen? Ich bin noch lange nicht müde, Alex. Du weißt doch, wie gern ich auf den Kufen stehe. Du könntest doch morgen fahren ... oder übermorgen? Ruh dich erst mal richtig aus. Du weißt doch, was Dr. Blanchard dir geraten hat.«
»Dr. Blanchard«, wiederholte Alex abfällig. »Der Doc hat auch gesagt, dass ich hervorragend in Form bin.« Er merkte wohl, dass sie sein scharfer Tonfall erschreckte, und fügte schnell hinzu: »Ich weiß, Clarissa, du willst nur das Beste für mich, aber ich fühle mich gut. Also lass mich fahren.«
Sie kapitulierte und schöpfte neuen Mut, als sie erkannte, wie sicher er vom Schlitten kletterte und auf die Kufen stieg. Mit gemischten Gefühlen wickelte sie sich in die Decken und setzte sich auf die Ladefläche. »Giddy-up! Go! Go!«, hörte sie Alex rufen. Die Hunde rannten los, und im selben Augenblick hörte sie einen verzweifelten Schrei. »Alex!«, erschrak sie.
»Whoaa! Whoaa!«, bremste sie die Hunde. Sie sprang vom Schlitten, bohrte den Anker in den Schnee und rannte zu Alex, der auf den Trail gestürzt war und von Glück sagen konnte, dass sein Kopf in einer tiefen Schneewehe lag. Er stöhnte unterdrückt, setzte sich auf und sank wieder in den Schnee.
»Alex!« Sie sank neben ihm auf die Knie, schob einen Arm unter seinen Hals und wischte ihm den Schnee vom Gesicht. »Alex! Bist du okay?«
Er stützte sich auf einen Ellbogen und blickte wütend nach vorn. In seinen Augen spiegelte sich das Zwielicht. »Was ist denn mit den Hunden los? Was hast du mit ihnen gemacht? Warum gehorchen die mir nicht mehr?« Er stemmte sich auf die Knie und blieb eine Weile schnaufend sitzen. »Kaum ist man ein paar Tage weg, fangen die Hunde an zu spinnen!«
»Aber ... Alex ... die Hunde können doch nichts dafür.«
»Ich vielleicht?« Er hatte sich einigermaßen erholt und schaffte es, sich aufzurichten, blieb schwankend stehen und schob ihren Arm zur Seite, als sie ihm helfen wollte. »Früher sind sie nie so plötzlich losgerannt. Die wollten mir eins auswischen ... mich zum Narren halten. Elendes Pack!«
So hatte sie Alex noch nie reden gehört. Er war kein Mann, der die Schuld am eigenen Versagen bei anderen suchte, schon gar nicht bei seinen Huskys, die er über alles liebte. Obwohl er in der Gegenwart anderer Fallensteller schon mal derb werden konnte und auch mal einen Whiskey zu viel trank, war er vor ihr niemals ausfällig geworden. Es gab sogar Männer, die ihn als »Gentleman« und »gezähmten Wilden« verspotteten.
Entsetzt beobachtete Clarissa, wie Alex davonlief und mit ungelenken Schritten zwischen den Bäumen verschwand. Sie war so verstört, dass sie einige Sekunden brauchte, um die Gefahr zu erkennen, und hinter ihm herlief. »Alex!«, rief sie verzweifelt. »Alex! Wo willst du denn hin?«
An den Hunden vorbei, die neugierig die Köpfe nach ihr drehten, folgte sie seinen Spuren durchs Unterholz. Mit den Unterarmen schützte sie sich gegen die tiefhängenden Zweige, die ihr bei jedem Schritt ins Gesicht schlugen. Eisiger Schnee rieselte von den Baumkronen auf sie herab. Im dichten Fichtenwald war es wesentlich dunkler als auf dem Trail, und da auch Alex’ Spuren kaum zu erkennen waren, hatte sie schon bald keine Ahnung mehr, wohin er in seiner plötzlichen Verwirrung gelaufen war.
»Alex!«, rief sie immer wieder. »Alex! Komm zurück!«
Nachdem sie sich ungefähr eine Viertelmeile durchs Unterholz gekämpft hatte, entdeckte sie ihn auf einer Lichtung. Er lag auf einen Arm gestützt im tiefen Schnee und blinzelte in das trübe Zwielicht, das den Schnee in einem seltsamen Violett erscheinen ließ. Die Bäume warfen lange Schatten, die wie Pfeile auf ihn wiesen. »Alex!«, rief sie dankbar.
Sie stapfte zu ihm und sank neben ihm auf die Knie. »Alex! Mein Gott, Alex!« Diesmal flüsterte sie, und als er sie in die Arme nahm, schlang sie die Arme um ihn und fing an zu weinen. »Alex!« Immer wieder flüsterte sie seinen Namen. Sie küsste ihn auf die Wange und den Nacken und strich ihm mit einer Hand über den Kopf.
Auch er hatte Tränen in den Augen, als sie sich von ihm löste. »Es tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Ich wollte doch nicht ... Ich wollte dich nicht anfahren. Und die Huskys ... Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist.«
»Du bist gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen worden, das ist los«, erwiderte sie sanft. Ein vorsichtiges Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Und du hast eine schwere Operation hinter dir, die steckt man nicht so einfach weg. Gib dir ein paar Tage, Alex, ruh dich ein bisschen aus, bevor du wieder auf den Schlitten steigst. Nicht mal ein ausgewachsener Grizzly wäre nach einer solchen Operation gleich wieder der Alte. Der würde sich erst mal in seine Höhle zurückziehen und eine Runde schlafen.«
»Du hast ja recht, Clarissa. Ich reiß mich zusammen, okay?«
Sie half ihm hoch und hielt ihn eine Weile fest, bis er sich von seiner Benommenheit erholt hatte. Hand in Hand stapften sie durch den Tiefschnee zum Wald zurück. Über ihnen kreiste ein einsamer Adler.
Beide waren so in Gedanken vertieft, dass sie weder den Adler sahen noch die schemenhafte Bewegung am Waldrand wahrnahmen, einen flüchtigen Schatten, der sich für den Bruchteil einer Sekunde gegen die verschneiten Bäume abhob. Erst das kehlige Kichern ließ sie aufhorchen.
Erschrocken blieben sie stehen. Ein Kichern war der letzte Laut, den man im Wald abseits des Trails zu hören erwartete. Oder hatten sie sich getäuscht? Ein Rabe, der sich über sie lustig machte? Ein anderes Tier? Der Wind, der sich in den Bäumen verfing und ihnen etwas vorgaukelte?
»Ist da jemand«, rief Alex laut.
Keine Antwort.
»Wenn du einer der Fallensteller bist, die mir bei unserem letzten Treffen ein Stinktier in die Decken geschmuggelt haben, solltest du dich besser zeigen, damit ich dir die längst fällige Abreibung verpassen kann.« An seinen körperlichen Zustand, der wohl kaum einen Faustkampf erlaubte, schien er nicht zu denken. »Oder bist du inzwischen so hässlich, dass du dich im Wald verstecken musst? Ist dir deine fünfte Frau auch schon abgehauen?«
Wieder keine Antwort.
»Wir haben uns sicher getäuscht«, sagte Clarissa. »Wahrscheinlich sehen wir beide schon Gespenster nach der ganzen Aufregung. Außer deinen Freunden wüsste ich auch keinen, der uns im Wald auflauert und kichert.«
»Dolly brächte das fertig.«
»Dolly kümmert sich um ihr Roadhouse.«
Sie gingen langsam weiter und erreichten den Wald. Zwischen den Bäumen warteten sie, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und blickten sich aufmerksam um. Wie erwartet, war niemand zu sehen. Lediglich einige Raben erhoben sich aus einem Gebüsch, als sie ins Unterholz vordrangen. Hatte ihr Gekrächze wie Kichern geklungen?
Eine Eulenfeder wirbelte durch die Dunkelheit und blieb an Clarissas Anorak hängen. Sie griff danach und blickte sie neugierig an. Für die Indianer war die Eule ein Todesbote, sie brachte großes Unglück. Nur durch tagelange Gesänge und Gebete hatte man eine Chance, das drohende Unglück abzuwehren. Sie hatte lange genug bei den Indianern gelebt, um ein bedrückendes Gefühl beim Anblick der Feder zu empfinden.
»Was hast du denn?«, fragte Alex besorgt.
Sie zeigte ihm die Eulenfeder. »Du weißt, was die Indianer sagen.«
»Natürlich weiß ich das.« Alex nahm die Feder und betrachtete sie. »Machst du dir etwa Sorgen wegen des Aberglaubens? Der gilt doch nur für Indianer, oder meinst du, sonst hätte ich die Operation überstanden? Die Eule kann uns nichts anhaben.« Er ließ die Feder ins Unterholz segeln.
»Vielleicht hast du recht«, sagte Clarissa.
»Ausnahmsweise mal.« Er grinste verschmitzt.
Alex schien wieder der Alte zu sein. Er wirkte wie ausgewechselt, war wieder der Mann, den sie lieben und schätzen gelernt hatte, und hatte sogar seinen Humor wiedergefunden. Nur seine Bewegungen waren noch etwas unsicher. Alle paar Schritte stützte er sich an einem Baumstamm ab, und einmal blieb er sogar länger stehen, bevor er langsam weiterging. Auch wenn er es nur widerwillig zugab, hatte er doch noch einigen Nachholbedarf.
Bei den Hunden beugte er sich zu Emmett hinunter. »Meine Schuld«, räumte er ein, »ich hab ganz vergessen, dass man sich festhalten muss, wenn man auf dem Trittbrett steht.« Er kraulte den Leithund zwischen den Ohren und flüsterte ihm etwas ins Ohr, das Clarissa nicht verstand. »Gib mir noch ein paar Tage, Emmett, bis ich den blöden Verband los bin.« Er ging zu den anderen Hunden und begrüßte jeden mit einem freundschaftlichen Klaps. »Ihr wisst doch ... Frauen sind sowieso die besten Musher.«