Alles, was Ingenieur:innen über Deutsch wissen müssen - Lydia Prexl - E-Book

Alles, was Ingenieur:innen über Deutsch wissen müssen E-Book

Lydia Prexl

0,0

  • Herausgeber: UTB
  • Kategorie: Fachliteratur
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Dem Ingenieur ist nichts zu schwör. Das wusste bereits Daniel Düsentrieb vor über 65 Jahren. Doch was bringt die ausgefeilteste Konstruktion, wenn man diese textlich nicht verständlich und prägnant präsentieren kann? Lydia Prexl verrät in ihrem Ratgeber für Ingenieure, auf was es bei guten Texten ankommt, wie Sie Ihre Texte verständlich formulieren und was einen guten Stil in Deutsch auszeichnet. Auch auf Schreibhürden und -blockaden geht die Autorin ein und gibt hilfreiche Tipps, wie Sie diese überwinden und wissenschaftlich schreiben. Zahlreiche Beispiele, Checklisten und Übungen illustrieren den Stoff.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 211

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Lydia Prexl

Alles, was Ingenieur:innen über Deutsch wissen müssen

UVK Verlag · München

Umschlagabbildung: © af_istocker · iStockphoto; Autorenfoto: © privat

 

Dr. Lydia Prexl ist Dozentin und PR-Managerin. 2019 wechselte sie zu einem Start-up und baute die Kommunikation dort von der Pike auf.

 

© UVK Verlag 2022— ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.

 

Internet: www.narr.deeMail: [email protected]

 

Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

utb-Nr. 5118

ISBN 978-3-8252-5118-5 (Print)

ISBN 978-3-8463-5118-5 (ePub)

Inhalt

VorwortBevor es losgeht – Was macht gute Texte eigentlich aus?1 Der Ingenieur als Märchenonkel? Warum Texte eine Geschichte brauchen1.1 Die Magnetbotschaft1.2 Wenn Pyramiden Kopfstand machen1.3 Ein Loblied auf das Imrad – Wie Einleitung und Schluss den Text umrahmen1.4 Alle Macht dem Publikum oder warum der rote Faden so wichtig ist1.5 Alles klar oder was? Die goldene Regel des Schreibens1.6 Fastfood für Texte – Was Hamburger und Absätze gemeinsam haben2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? Texte verständlich formulieren2.1 Zwischen Fachsprache und Kauderwelsch – Ein Plädoyer für mehr Verständlichkeit2.2 Die Phänomenalysierung der Sprache2.3 Gut geschachtelt ist halb verloren2.4 Entrümpelte Sprache – Wie Sie Ihren Text von unnötigem Ballast befreien2.5 Nominalstil für Fortgeschrittene – Warum konkret, wenn es auch abstrakt geht?2.6 Hilfsverberitis – Warum zurückhaltend gedacht nicht unbedingt gekonnt ist2.7 Männlich, weiblich, unsäglich – Ein Geschlecht auf Abwegen2.8 Die Sache mit dem Ung2.9 Wider das Passiv – Es lebe das Aktiv!2.10 Richtige Ottograffi oder was?2.11 Von Großschreibung und anderen Schwierigkeiten2.12 Ein Apostroph auf Rei’sen2.13 Man, es, wir? – Die Frage nach dem Wörtchen „ich“2.14 Über, unter, meta-was? Den Text sprachlich kommentieren2.15 Eine Ode an das Komma2.16 Bin ich zu alt – oder ist das einfach kein Deutsch?2.17 Denglisch – ein Win-win für alle?2.18 Ein Erfolg, zwei Erfolge, viele Erfolgens2.19 Auf der Spur des Allereinzigsten – oder warum Hyperlative unsinnig sind2.20 Mal ehrlich: Heißt es Mal oder mal?3 Ein guter Stil und nun? Auch das Drumherum will gelernt sein3.1 Fremde Federn taugen nicht – Vom Plagiat zum korrekten Verweis3.2 Von Quellen ohne Wasser3.3 Von wissenschaftlichen und anderen Quellen3.4 Die Kraft der Bilder3.5 Von Zahlen, Daten und Fakten – Oder warum weniger Präzision manchmal mehr ist3.6 Tipps für einen schlechten Vortrag3.7 Wo geht es in die Zeitung?3.8 Wenn Männer Hunde beißen oder Pressearbeit für Ingenieur:innen4 Was, wenn’s mal nicht klappt? Von Schreibhürden und anderen Schwierigkeiten4.1 Schreibschmerz – Die Rahmenbedingungen kennen4.2 Die hohe Kunst der Textrückmeldung4.3 Auch Texte kennen Vorfahrtsregeln4.4 Keine Chance für ZeitdiebeDas Eisenhower-PrinzipDie 25.000-Dollar-MethodeDie ALPEN-Methode4.5 Heute schon einen Frosch gefrühstückt?4.6 Tomaten für mehr Disziplin4.7 Zwischen Eichhörnchen und Abenteurer: Die verschiedenen Schreibtypen4.8 Was tun, wenn es stockt? Der Umgang mit SchreibschwierigkeitenAnstelle eines Nachworts: Üben, üben, üben – und Ruhe bewahrenLösungenAnhangCheckliste I: Die wichtigsten Stilregeln im ÜberblickCheckliste II: Die wichtigsten KommaregelnCheckliste III: Den eigenen Text überarbeitenCheckliste IV: Rückmeldung auf fremde Texte gebenCheckliste V: Richtig zitierenStichwortverzeichnis

Vorwort

„Dem Ingenieur ist nichts zu schwör.“ – Das wusste schon Daniel Düsentrieb vor über 65 Jahren. Doch was Ingenieur:innen im Beruf zu ausgefeilten technischen Konstruktionen und Prozessen bewegt, schlägt sich in Texten manchmal als unverständliches Kauderwelsch nieder. Dort ist dann die Rede von „Tauchmotorenpumpen-Instandhaltungskosten“ und „Leichtbetonstein-Direktschalldämmungsmaßnahmen“, von „Highlights und Best-Practices im Upcycling“, von der „Durchführung der Überprüfung der Wirkung der Sanierungstechnologien“ oder vom „Multi-Flow-Prinzip zur Reduzierung der Luftverwirbelungen in Verbindung mit einem eingelassenen Softeinlass zur Pulsationsreduktion“.

Kommt Ihnen bekannt vor? Wenn Sie sich an solchen Formulierungen nicht stören, dann sollten Sie das Buch aus der Hand legen. Vielleicht gehören Sie aber zu jenen Ingenieur:innen, die es gerne besser machen möchten und nur nicht wissen, wie? Genau an diese Leser:innen richtet sich dieses Buch. Denn gute und verständliche Texte zu verfassen ist zwar anspruchsvoll, aber kein Hexenwerk. Sie können es lernen – auch ohne ein Sprachgenie zu sein.

Doch was haben Ingenieurwissenschaften überhaupt mit Schreiben zu tun? Sehr viel, denn die schönsten Konstruktionen bringen nichts, wenn die Kundin oder Geldgeber Sie nicht versteht. Auch Ingenieur:innen müssen mehr können als rechnen, planen, konstruieren und analysieren. Sie müssen ihre Ergebnisse anderen Menschen präsentieren und sie davon überzeugen. Der Ingenier:innen leben also – wie nahezu alle akademischen Berufe – von der Kommunikation, und diese Kommunikation ist häufig schriftlich. Sie schließt Analysen und Berichte ebenso ein wie Stellungnahmen, Powerpoint-Präsentationen und Forschungsbeiträge oder die tägliche Flut von E-Mails.

Vielleicht vorab: Ich bin keine Ingenieurin. Ich habe keine Ahnung, wie man ein Hochhaus gründet, einen Damm baut oder einen Elektromotor oder eine Hochdruckpumpe konstruiert. Ich verstehe nichts von Formeln und Zahlen – vermutlich habe ich mich deshalb dafür entschieden, Literaturwissenschaft zu studieren. Aber ich weiß, wie Texte funktionieren. Und wie man seine Botschaften so verpackt, dass es die Zielgruppe versteht und im besten Fall gerne liest oder hört. Dieses Wissen möchte ich weitergeben.

So entstand die Idee zu diesem Buch aus meiner Tätigkeit in einer Ingenieurberatung. Als Pressereferentin verwendete ich einen großen Teil meiner Arbeitszeit darauf, Textentwürfe der Fachexpert:innen in ein verständliches Deutsch zu übersetzen. Auch bei meiner Tätigkeit bei einem großen Industriedienstleister und gegenwärtig in einem Startup bin ich umgeben von tollen Geschichten und Ideen, die unverständlich und umständlich zu Papier gebracht werden. Der Hang zu komplizierten Sätzen zieht sich scheinbar durch viele Branchen und ist keinesfalls auf Ingenieur:innen beschränkt. BWLer:innen werfen mit Marketingjargon und hochtrabenden Kennzahlen (KPIs) um sich; Tekkies leiden unter Denglisch, und im Startup werfen die Gründer:innen mit Superlativen und „Bullshit-PR“ um sich, weil das „eben so üblich ist“.

Der vorliegende Ratgeber will helfen. Dabei ist nichts von alldem in Stein gemeißelt. Stattdessen beruhen die nachfolgenden Kapitel ausschließlich auf meiner Erfahrung und jenem Wissen, dass ich mir in vielen Gesprächen und Recherchen angeeignet habe. Nicht alles, was folgt, wird für Sie persönlich oder Ihr Schreibprojekt relevant sein. Manchmal kann es sogar erforderlich sein, dass Sie sich von den Empfehlungen und Tipps distanzieren und einen anderen Weg einschlagen. Denken Sie beim Lesen dieses Buches daher immer daran, dass Sie der Autor oder die Autorin Ihrer Texte sind. Sie kennen die konkreten Anforderungen oder Konventionen Ihrer Fachdisziplin und Sie wissen am besten, welche Strategie für Sie persönlich funktioniert und welche nicht.

Um gleich aus dem Nähkästchen zu plaudern und es anschaulich zu machen: In früheren Büchern von mir war ich eine überzeugte Anhängerin des generischen Maskulinums. Meine Argumentation: Immer die weibliche Form mitnennen ist lang und umständlich und erschwert das Textverständnis; Abkürzungen mit Binnen-I oder Schrägstrich empfinde ich ebenfalls als unleserlich. In diesen Büchern findet sich daher immer ein Passus, in dem ich darauf hinweise, dass weibliche Leser, Autoren, Wissenschaftler selbstverständlich mit eingeschlossen sind (mehr dazu auch in Kapitel 2.7).

Mittlerweile glaube ich, dass es nicht reicht, Frauen nur mitzumeinen. Gleichzeitig werden Sie bei aufmerksamer Lektüre feststellen, dass ich nicht immer beide Geschlechter nenne. Wenn ich von der Lesersicht schreibe, müsste ich auch die Leserinnensicht nennen. Gleiches gilt für Worte wie Autorschaft, Leserschaft, Leserorientierung und dergleichen zusammengesetzte Nomen mehr. Ich habe also selbst noch keine Lösung gefunden, die einerseits beiden Geschlechtern und andererseits meinem subjektiven Empfinden für Sprachästhetik gerecht wird.

Sprache formt die Wirklichkeit, und so sehe ich es heute als meine Pflicht, mich mit dem Thema einer gendersensiblen und vorurteilsfreien, klischeearmen Sprache auseinanderzusetzen. Das Ergebnis sind gewisse Inkonsistenzen – mal spreche ich nur vom männlichen, mal vom weiblichen Geschlecht, mal von beiden. Und bei Wortzusammensetzungen– ich will es ganz offen zugeben – erschien mir die maskuline Form als die verständlichere.

Verstehen Sie dieses Buch daher bitte nicht als Regelwerk – der Duden ist hier ein sehr viel besserer Lehrer als ich es je sein könnte. Mein Ziel ist es, Sie dazu anzuregen, über Ihre mündliche und schriftliche Ausdrucksweise nachzudenken. Ja, Sie werden ihn finden, den erhobenen, mahnenden Zeigefinger, aber zugleich soll es Ihnen Spaß machen, die Texte zu lesen. Ich will nicht an das Schreckensbild eines qualvollen, längst überstanden geglaubten Deutschunterrichts anknüpfen, sondern bei Ihnen vor allem die Lust am Schreiben wieder wecken.

Ich wünsche Ihnen eine unterhaltsame Lektüre und frohes Schreiben!

Schriesheim, August 2021

Lydia Prexl

Das sollten Sie vorab über dieses Buch wissen

Das Buch gliedert sich in vier Teile. Der erste Teil widmet sich der Frage, was gute Texte eigentlich auszeichnet. Das ist insbesondere eine präzise Botschaft und daraus abgeleitet eine klare Struktur. Der zweite Teil befasst sich konkret mit der Sprache. Stil ist etwas sehr Subjektives – das haben Sie sicher schon bei eigenen Text erfahren: Der eine mag es detailliert und variantenreich, der andere kurz und knapp. Und doch gibt es gewisse Prinzipien, die sich für informative Texte bewährt haben. Was Sie dagegen in Ihrer Freizeit poetisch ersinnen, ist von diesem Prinzipien unbenommen. Der dritte Teil widmet sich konkreten Textsorten und dem „Drumherum“ – etwa Fragen zum Abstract, zum Zitieren oder zu Pressemeldungen. Der vierte Teil schließlich setzt sich mit der Frage auseinander, was Sie tun können, wenn es mit dem Schreiben nicht klappt – wie Sie also Schreibhürden überwinden können. Wo es mir sinnvoll erschien, habe ich Übungen eingebaut – eine emögliche Lösung finden Sie am Ende des Buches.

Sie können das Buch von vorne bis hinten „durcharbeiten“ – dann benötigen Sie etwa drei Stunden Lesezeit. Sie können die einzelnen Kapitel jedoch auch unabhängig voneinander kreuz und quer lesen – je nach Lust und Laune. In diesem Fall lässt sich das Buch auch als eine Art „Nachschlagewerk“ auffassen. Am Ende des Buches finden Sie einige Checklisten, um das Gelesene zu vertiefen.

 

Hinweis! Gendern

In diesem Buch wird die weibliche Form in der Regel mit einem Doppelpunkt abgetrennt oder beide Geschlechter genannt. Bei zusammengesetzten Substantiven wird nur die männliche Form genutzt.

Bevor es losgeht – Was macht gute Texte eigentlich aus?

Was macht einen guten TextguterText aus? Wenn ich Workshops zum Schreiben halte, ist das immer meine erste Frage. Die zweite Frage lautet: Welche Fähigkeiten braucht es, um einen guten Text zu schreiben? Beide Fragen zeigen auf der Hand, sich nur wenige Menschen haben sich schon einmal damit befasst. Weshalb auch?

Und doch wissen wir eigentlich alle, was zu einem guten Text dazu gehört und was nicht. Eine klare Struktur beispielsweise und eine präzise Sprache. Schachtelsätze, Fremdwörter, Anglizismen und komplizierte Genitivkonstruktionen machen einen Text dagegen eher sperrig. Es ist erstaunlich, wie viele Dinge den Seminarteilnehmer:innen einfallen, wenn sie erst einmal beginnen, sich mit der Frage zu befassen. Nicht weniger erstaunlich ist, dass selbst heterogene Gruppen immer wieder zu den gleichen Antworten kommen. Studierende unterschiedlichster Fachdisziplinen, Ingenieur:innen, BWLer, Beamtinnen im öffentlichen Dienst, Mitarbeiter:innen der Universitätsbibliotheken, Menschen aus sozialen Einrichtungen – sie alle haben ein instinktives Gespür dafür, was einen guten Text ausmacht. Es scheint also ein universales Prinzip guter Texte zu geben, das wir uns nur nicht bewusst machen.

Die Übung zeigt auch, dass wir ebenfalls wissen, was es braucht, um einen guten Text zu schreiben. Zumindest in der Theorie. Ausdauer gehört dazu und Disziplin, Kreativität, Motivation und Zeitmanagement, Fachkenntnisse und Stilkompetenz, rhetorisches Geschick, Wortgewandtheit, und vieles mehr. Das ist der Grund, weshalb Schreiben nicht immer leicht ist: Wir müssen viele Fähigkeiten gleichzeitig beherrschen und können nicht erst einen Punkt abarbeiten, bevor wir uns dem nächsten widmen.

Die wichtigsten zwei Eigenschaften, die einen guten Text ausmachen, sind dennoch sehr einfach:

Man braucht eine BotschaftBotschaft und …

man muss diese Botschaft klar kommunizieren.

Das erste setzt voraus, dass man etwas zu sagen hat. Wer nichts zu sagen hat, sollte auch nichts schreiben. So einfach ist das. Inhaltsleere Texte gibt es leider schon in Hülle und Fülle. Das zweite setzt ein wenig Übung und Fleiß voraus. Doch gutes Schreiben ist ein Handwerk – es lässt sich lernen.

Der erste Teil des Buches widmet sich der Frage nach einem guten Text auf der Makroebene, also auf Ebene der Inhalte und der Struktur. Im zweiten Teil geht es dann um die Mikroebene, also die Ebene des Satzbaus und der Wortwahl.

1Der Ingenieur als Märchenonkel? Warum Texte eine Geschichte brauchen

Menschen lieben Geschichten – ob spannend, gruselig, romantisch oder rätselhaft. Davon können auch sachliche Texte profitieren.

Längst ist der Begriff des StorytellingStorytelling zu einem geflügelten Wort im Marketing und in der Pressearbeit geworden. Nicht Zahlen und Fakten, sondern Geschichten sollen Kund:innen zum Kauf von Produkten animieren oder das Image eines Unternehmens verbessern. Doch was ist dran am Geschichtenerzählen und inwiefern lässt sich die Idee auf Fachtexte anwenden? 

Seit jeher erzählen sich Menschen Geschichten – ganz freiwillig, an allen Orten und in allen Gesellschaften. Das Geschichtenerzählen ist so alt wie die Menschheit selbst und tief in uns verwurzelt. Aus diesem Grund bezeichnete der schottisch-amerikanische Philosoph Alasdair MacIntyre den Menschen als storytelling animal, denn die Fähigkeit, Geschichten zu erfinden und zu teilen ist eine Besonderheit, die uns von allen anderen Tieren abhebt.

Schön, werden Sie denken, doch was hat das mit sachlichen Gutachten, nüchternen Berichten oder präzisen Fachartikeln zu tun?

Nun, Kommunikation im Berufsleben hat vor allem die Funktion, die Geschäftspartner:innen, Kund:innen, Kolleg:innen oder Mitarbeiter:innen zu überzeugen: von der eigenen Kompetenz, von der Qualität der Leistungen, vom Unternehmen oder Ähnlichem. Laut Robert McKee, US-amerikanischer Dozent für kreatives Schreiben und Drehbücher, gibt es zwei Wege, um Menschen zu überzeugen: rational durch Zahlen und Fakten, oder emotional durch eine Geschichte.

Der erste Weg ist Ihnen bestens vertraut: Indem Sie sich auf Fakten und Ihr Fachwissen berufen, etablieren Sie sich als Experte oder Expertin. Das ist auch gut so, schließlich wollen Sie ja als kompetent wahrgenommen werden, seien Sie nun in Ihrer Rolle als Gutachter:in, Dienstleister:in, Vorgesetzte:r , Mitarbeiter:in oder Teammitglied angesprochen. Fachwissen und Zahlen und Fakten müssen also sein, keine Frage. 

Doch müssen sie immer und an erster Stelle stehen? Ich will hier eine Lanze brechen für den zweiten Weg: Überzeugen durch Geschichtenerzählen. Geschichten berühren uns. Sie unterhalten uns. Sie machen uns neugierig. Eine gute Geschichte bringt uns dazu, uns die Nacht um die Ohren zu schlagen, weil wir wissen wollen, wer der Mörder ist oder ob die Liebenden zu einem Happy End finden. Einer guten Geschichte sind wir quasi hilflos ausgeliefert.

Warum das so ist, darüber gibt es mittlerweile dicke Abhandlungen und Theorien. Fest steht: Wir können gar nicht anders als mitfiebern und mitfühlen. Das hat mehrere Gründe. Geschichten sind zum Beispiel einfacher zu verstehen und zu merken als trockene Fakten. Sie sprechen auch unsere Gefühle und damit unser emotionales Gedächtnis an. Und sie stellen eine Nähe zwischen der Botschaft hinter der Geschichte und den Leser:innen her – die Aufmerksamkeit ist also höher. 

Machen Sie sich diese Vorliebe beim nächsten Vortrag oder dem nächsten Text zu Nutze und erzählen Sie Ihrem Publikum eine Geschichte. 

Spätestens jetzt werden einige von Ihnen vermutlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sich fragen, ob ich jetzt völlig übergeschnappt bin?!

Gewiss – nicht immer ist es möglich oder sinnvoll, sämtliche Inhalte in einer Geschichte zu verpacken. Das gilt etwa für Gutachten, Protokolle oder Angebotsunterlagen. Diese Texte unterliegen klaren Gepflogenheiten und teilweise expliziten Normen hinsichtlich Sprachstil und Struktur. Ich meine auch nicht, dass Sie einen Krimi oder Detektivroman schreiben sollen.

Und dennoch bleibe ich dabei: Präsentationen und Texte sollten erzählend sein, und zwar dahingehend, als sie die Zuhörer:innen bzw. Leser an die Hand nehmen und stringent durch den Vortrag oder den Text leiten. Sie können vielleicht nicht das Was – also den Inhalt der Geschichte – bestimmen, aber das Wie – also die Struktur – beeinflussen. Und dieses Wie sollte aussagekräftig und schlüssig sein.

Wissen!PAIN-GAIN-MAGICPAIN-GAIN-MAGIC  

Die Geschichte, die Sie dabei erzählen, lässt sich oft (nicht immer) auf das Muster PAIN – GAIN – MAGIC herunterbrechen. Am Anfang steht also ein Problem, dass bislang noch nicht, zu wenig oder mit anderen Methoden und Daten bearbeitet wurde. Sie gehen strukturiert und methodisch überlegt an die Lösung des Problems heran und nutzen andere Annahmen, Modelle, Berechnungen, Konzepte, Herangehensweisen oder was auch immer, um das beobachtete Phänomen oder den Sachverhalt zu erklären oder zu konkretisieren. Und – tataaa! – am Ende, wer hätte es vermutet, gibt es hoffentlich ein glückliches Ende oder aber zumindest die Aussicht auf ein solches, wenn Ihr Adressat Ihnen Glauben schenkt und Sie beauftragt oder mit Ihnen zusammenarbeitet, oder, oder, oder. Das ist zugegeben stark vereinfacht, aber letztendlich funktionieren fast alle Geschichten so: Junge trifft Mädchen, die beiden verlieben sich, es gibt eine Komplikation, eine Hürde oder eine Verstrickung, die ausgeräumt werden muss und dann… Sie wissen schon. Oder die heile Welt wird von einer bösen Macht heimgesucht und muss das Böse besiegen.

Jedenfalls bleibe ich dabei: Narrative Elementenarrative Elemente schaden nicht. Im Gegenteil. Hier ein kleines Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie müssen einen allgemein verständlichen Text darüber schreiben, wie wichtig ein gezielter Hochwasserschutz für Unternehmen ist. Sie können natürlich mit Fakten einsteigen: Jedes Jahr gibt es soundsoviele Hochwasserereignisse, die soundsoviel Schaden anrichten und soundsoviele Menschenleben kosten. Das mag dramatisch sein, aber emotional greifbar?

Sie können aber auch szenisch einsteigen. Journalist:innen sprechen hier von einem angefeaturten Bericht. Das FeatureFeature bezeichnet eine Darstellungsform, die anhand konkreter erzählerischer Beispiele ein Thema mittels Fakten behandelt. Sachverhalte werden durch kleine Geschichten, Szenen und Zitate in Bilder übersetzt, die dem Alltagswissen der Rezipient:innen entsprechen. Ihr könntet also auch so beginnen:

„Mit dem Jahrhunderthochwasser der Ahr im Jahr 2021 verlor Elena Woznik ihr Zuhause. Ihre Hoffnung verlor sie nicht. Stattdessen arbeitet sie emsig am Wiederaufbau des nahezu vollständig zerstörten Dorfes…“

Oder à la BILD-Zeitung: „Bis in den ersten Stock stand das Wasser. Als die Fluten wichen, blieb der Schlamm zurück. Elena Woznik ist 43 Jahre alt. Im Sommer 2021 war ihr Leben ein Scherbenhaufen. Und zwar wortwörtlich: Denn damals, beim Jahrhunderthochwasser der Ahr, verlor sie ihr Zuhause.“

Ist zwar dramatisch, aber emotional. Und es geht ja auch ein paar Nummern kleiner. In diesem Sinne: frohes Geschichtenerzählen.

1.1Die MagnetbotschaftMagnetbotschaft

Ein guter Text lebt von einer klaren Botschaft. Sie hilft Ihnen, Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen.

Damit ein Text gut wird, brauchen Sie eine klare Botschaft. Diese Botschaft ist für Ihren Text wie ein Magnet: Sie ordnet Ihre Gedanken und trennt Wesentliches von Unwesentlichem, so wie ein Magnet dafür sorgt, dass sich Eisenspäne in konzentrischen Kreisen um ein Zentrum anordnen, während sich Holzspäne oder andere nicht-magnetische Materialien einfach wegpusten lassen.

Um diese Magnetenbotschaft herauszuarbeiten, hilft es, wenn Sie eine klare Fragestellung formulieren. Eine Frage, die mit einem Fragezeichen endet. Schreiben Sie sich diese Fragestellung auf und pinnen Sie sie in die Nähe Ihres Arbeitsplatzes oder Ihres Computers. Ich betone das an dieser Stelle so stark, weil jede Frage eine Antwort verlangt. Auf diese zentrale Antwort schreiben Sie hin – es ist Ihre Magnetenbotschaft.

Wie Sie dabei beim Schreiben vorgehen, ist Ihnen überlassen: Manche produzieren sehr schnell sehr viel Text; andere gehen mit einem genauen Plan an die Rohfassung heran. Ich durfte einen Studenten kennenlernen, der die Arbeit „rückwärts“ schrieb und immer mit den Schlussfolgerungen loslegte. Unabhängig von Ihrem jeweiligen Schreibtyp geht es an dieser Stelle vor allem darum, Ihre Gedanken aufs Papier zu bringen. Es muss nicht perfekt sein – überarbeiten können Sie später.

Damit Ihr Text jedoch nicht ausufert und Sie den Fokus nicht verlieren, kann es hilfreich sein, wenn Sie sich immer wieder auf Ihre Magnetenbotschaften besinnen. Was wollen Sie in diesem Kapitel oder in diesem Abschnitt sagen? Was ist die zentrale Aussage Ihres Absatzes? Vielleicht müssen Sie mit einem Absatz nochmal neu ansetzen oder zwei oder drei Varianten schreiben, ehe Sie Ihre Idee gut in Worte packen können.

Der US-amerikanische Makro- und Finanzökonom John Howland Cochrane spricht in diesem Zusammenhang auch davon, dass Sie den wesentlichen Beitrag Ihrer Arbeit („the one central and novel contribution of your paper“) herausarbeiten sollen. Möglicherweise fällt es Ihnen in der Phase der Überarbeitung leichter, die KernbotschaftenKernbotschaft zu präzisieren. Vielleicht können Sie die Kernbotschaften aber auch als Impulse nutzen, um fokussierter zu schreiben.

Im Grunde lässt sich ein guter Text auf diese zwei Forderungen reduzieren. Machen Sie den Leser:innen klar, warum sie ihre Zeit dafür investieren sollte, das jeweilige Kapitel zu lesen. Bedenken Sie, dass Sie aus der überlegenen Expertenrolle schreiben und das Publikum an die Hand nehmen müssen. Warum steht das Kapitel an dieser Stelle im Text und wie hängt es mit den vorherigen und den nachfolgenden Kapiteln zusammen? Wenn Sie einzelne Sätze, Textabschnitte und Kapitel aufeinander beziehen, ist dies ein guter Indikator für einen stimmigen roten Faden – und damit für eine gute Geschichte.

1.2Wenn Pyramiden Kopfstand machen

Wer Zeitung liest, ist mit dem Prinzip vertraut: Das Wichtigste kommt zuerst. Die umgekehrte Pyramide hilft jedem, der Informationen schnell vermitteln will.

48 Minuten – so viel Zeit verbringen die Deutschen im Schnitt damit, Tageszeitungen, Zeitschriften und Bücher zu lesen. Studien zeigen, dass Printmedien immer weniger gelesen werden – gleichzeitig steigt jedoch unsere tägliche Lesezeit. Wir lesen also mehr, aber auf anderen Kanälen: im Smartphone, auf dem Tablet, dem E-Reader oder am Bildschirm.

Für einen Schreiber oder eine Schreiberin heißt das: Um das Interesse seiner Zielgruppe zu wecken, bleiben ihm meist nur wenige Sätze – manchmal sogar nur wenige Zeichen.

Wer eine Tageszeitung liest, überfliegt meist nur die Überschriften und manchmal die ersten Sätze einer Meldung. Und nur wenn die interessant sind, liest er weiter. In der Fachsprache wird diese Lesetechnik als SkimmingSkimming bezeichnet. Acht Minuten verbringen die Bundesbürger durchschnittlich mit einer Tageszeitung – da bleibt für mehr als ein sehr oberflächliches Drüberlesen keine Zeit.

Wissen! Umgekehrte Pyramide

Journalist:innen schreiben Meldungen und Berichte daher immer nach dem Prinzip der umgekehrten Pyramide. Dieses Prinzip besagt, dass Informationen nach abnehmender Wichtigkeit geordnet werden. Der erste Satz einer Meldung (der sogenannte LeadLead) beantwortet also die wichtigsten W-FragenW-Fragen (Wer hat was wann wo wie und warum getan und woher stammt die Information, d.h. aus welcher Quelle?) Und die Überschrift wiederum kondensiert noch einmal die wichtigsten Fakten des ersten Satzes (meistens Wer? und Was?) Nach diesem Einstieg folgen nähere Einzelheiten, am Schluss stehen meist Hintergründe, Ursachen, Wirkungen oder eine Einordnung in den Gesamtkontext.

Der Grund der umgekehrten Pyramide reicht weit in die Vergangenheit zurück: Als die Druckformen für Zeitungen noch mit einzelnen Bleilettern gesetzt wurden, brauchte der Setzer eine Möglichkeit, Texte flexibel zu kürzen. Bei der umgekehrten Pyramide konnte er Sätze so lange vom Ende her streichen, bis der Text auf die Druckseite passte.

Mittlerweile hat sich das Prinzip bei allen informationsbasierten Nachrichtenformaten durchgesetzt, auch im Radio, im Fernsehen und bei Online-Texten. Das Wichtigste kommt zuerst. Und zwar sowohl bezogen auf die einzelne Meldung als auch auf das große Ganze, also etwa die gesamte Zeitung oder die ganze Nachrichtensendung.

Und warum schreibe ich das alles? Tja, weil sich diese umgekehrte Pyramide auch wunderbar auf viele andere Texte anwenden lässt. Man denke nur an die täglichen E-Mails. Wie schön wäre es doch, wenn die Betreffzeile jeder E-Mail aussagekräftig und passend zum Rest der E-Mail wäre! Ich weiß, ich mache das auch nicht immer, aber stellen Sie es sich doch einmal vor… Oder wenn jedem zwei- bis dreiseitigen Dokument eine Mini-Zusammenfassung der wichtigsten Kernaussagen vorangestellt wäre? Oder wenn jeder Text sinnvoll mit Zwischenüberschriften versehen wäre? Oder Präsentationen, in denen der Referent oder die Referentin mit den Schlussfolgerungen beginnt und erst danach aufdröselt, wie er oder sie dorthin gekommen ist.

Kurz und gut: Fangen Sie doch mal mit dem Ergebnis an! Ihre Kund:innen, Kolleg:innen, Vorgesetzte oder Partner:innen werden es Ihnen danken! Schließlich haben Sie selbst ja auch keine Lust, sich durch Berge an Papier zu quälen, um dann in einem Nebensatz auf der vorletzten Seite das Ergebnis einer Studie oder Untersuchung zu finden. Gerade bei längeren Texten hilft ein AbstractAbstract oder eine KurzbeschreibungKurzbeschreibung (Executive SummarySummary) den Leser:innen dabei, das Wichtigste schnell zu erfassen.

Wie die Spitzfindigen unter Ihnen sicher schon bemerkt haben, gilt das Prinzip der umgekehrten Pyramide für meinen eigenen Text nur bedingt. Das liegt daran, dass es sich bei diesem Text nicht um eine NachrichtNachricht, sondern eher um eine GlosseGlosse handelt – es geht also immer auch um meine persönliche Meinung. Zu diesen subjektiven, meinungsbetonten Textformen zählen auch PorträtsPortrait, KommentareKommentar und ReportagenReportage – also jene journalistischen Formate, die auch unterhalten wollen.

Übung! Meldung schreiben