Alphaherz (Alpha Band 4) - Sandra Henke - E-Book

Alphaherz (Alpha Band 4) E-Book

Sandra Henke

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Beschreibung

Als sich der junge Werwolf Rufus in die mysteriöse und unnahbare Lynx verliebt, scheint er von vornherein auf verlorenem Posten. Weil sie keine Wölfin, sondern eine Werkatze ist, und das Herz der jungen und freizügigen Streunerin ausschließlich für Alphas schlägt. Rufus steht aber in der Hierarchie noch sehr weit unten. Um Lynx zu erobern muss er über Nacht zum Mann heranwachsen und Stärke beweisen, die ihn an seine Grenzen und in Lebensgefahr bringt.

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Sandra Henke

Alpha 4 – Ein Kurzroman aus der Alphawelt

1. Auflage März 2013

Titelbild:Agnieszka Szuba

www.the-butterfly-within.com

©opyright2013 by Sandra Henke

Lektorat: Franziska Köhler

Satz: nimatypografik

ISBN:978-3-939239-79-6

Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder

eine andere Verwertung ist nur mit schriftlicher

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© Ricarda Ohligschläger / HerzgedankeFotografie

Sandra Henke lebt in der Nähe von Düsseldorf. Sie schreibt für mehrere große Verlagshäuser und gehört zu den beliebtesten Liebesroman- und Erotikautorinnen Deutschlands. Besonders mit ihren Spannungsromanen bei Heyne und der Alpha-Reihebei Ubooks hat sie sich eine große Stammleserschaft erschrieben.

Inhalt

Vorwort

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Einundzwanzig

Epilog

Lynx verwandelte sich erneut in ihr Luchsweibchen. Fauchend stürzte sie sich auf ihn und jagte ihn durch den Speicher.

Rufus schaffte es gerade mal, sich Fell wachsen zu lassen, da musste er auch schon wieder vor ihr fliehen. Weil seine Füße zu langsam zu Wolfstatzen wurden, humpelte er und kam kaum von der Stelle. Zudem versuchte er ungelenk, seine Socken im Laufen loszuwerden. Die Holzdielen unter ihm knarzten bei jeder seiner Bewegungen.

Als Lynx in seine Pobacke biss, jaulte er auf. Ohne zu zögern riss sie ihm die Shorts von den Hüften und zerfetzte sie mit ihren messerscharfen Krallen.

Plötzlich wurde die Tür zum Dachgeschoss aufgerissen.«Was ist denn hier los?»

Erschrocken setzte sich Rufus auf sein Gesäß. Zwischen seinen Beinen wurde aus der Katze wieder das Mädchen mit den Pinselohren. Ein zarter Flaum aus gelb-schwarz gepunktetem Fell bedeckte ihre Haut, doch es war nicht sonderlich dicht. Darunter kam ihre menschliche Haut zum Vorschein. Und mehr.

Nanouk stellte sich breitbeinig in den Eingang und stemmte die Hände in die Hüften. Mit gerunzelter Stirn betrachtete sie erst Rufus’ halb erigiertes Glied und dann die so gut wie nackte Lynx, die zwischen seinen Beinen hockte. Überrascht gab sie einen Laut von sich.

«Ich verstehe.»

Die Werwölfin drehte auf dem Fuß um. Die haselnussfarbene Lederkorsage schmiegte sich so eng an ihren athletischen Körper, dass sich Rufus fragte, wie sie darin noch atmen konnte. Sie hatte ihre langen brauen Haare zu einem Fischgrätenzopf geflochten. Rufus mochte Nanouk. Dessen ungeachtet hatte er sie noch nie so gerne von hinten gesehen wie in diesem peinlichen Moment.

Bevor sie jedoch die Treppe wieder hinabstieg, sagte sie schmunzelnd über die Schulter hinweg: «Man hört euch im ganzen Theater.»

Während Rufus noch verärgert darüber nachdachte, warum sie dann nicht wenigstens zugesperrt hatte, schien Lynx sich nicht daran zu stören und ­Nanouk längst vergessen zu haben. Denn sie neigte sich unvermittelt vor und schnupperte an seinem Schaft.

Katzentypisch rieb sie ihre Wange an seinem Penis, worauf dieser endgültig hart wurde. Stramm stand er von Rufus’ Lenden ab.

Eins

Mit stolz geschwellter Brust setzte sich Rufus hinter das Steuer des Geländewagens und beobachtete über die Schulter hinweg, wie die beiden Alphas auf den Rücksitz stiegen.

In den frühen Morgenstunden dieses lauen Junitages hatte er die beiden Männer zum Eklutna Lake gefahren. Eigentlich hatte Claw den Wagen gelenkt und Kyle, wie Rufus’ Geburtsname lautete, hatte ihn erst übernommen, nachdem sie verschwunden waren. Am See hatten sie ihre Kleidung ausgezogen, sich in ihre Tiere verwandeltet und waren Seite an Seite im Wald eingetaucht.

Viele Stunden lang waren sie durch den Chugach State Park gestreift. Nun, da es bereits dunkel war, holte der Junge sie am vereinbarten Treffpunkt in der Nähe des Far North Bicentennial Parks ab. Sie hatten eine Strecke zurückgelegt, die nur ein Alpha in dieser kurzen Zeit schaffen konnte. Rufus beneidete sie um ihre Stärke und Ausdauer. Sein Rotwolfmit seiner kleinen Statur konnte da nicht mithalten, trotz paranormalerKräfte. Aber Claw hätte ihn auch niemals mitgenommen.

Ganz der Leitwolf hatte er, nachdem er sich zurückverwandelt und angekleidet hatte, wieder das Steuer übernehmen wollen. Doch bevor er sich auf die Fahrerseite setzen konnte, berührte Luca ihn an der Schulter und deutete mit einem Nicken auf die Rückbank.

«Man wächst nur an neuen Aufgaben.»

Einige Sekunden lang wagte Rufus nicht zu atmen. Claws Miene verfinsterte sich, er musterte ihn mit einem durchdringenden Blick, der den Jungen immer wieder aufs Neue paralysierte. Zu Kyles Überraschung stieg der erste Wolf im Rudel hinten ein, Luca folgte ihm zufrieden schmunzelnd.

Aufgeregt, weil der Alphawolf sich in seine Hände begab und sich entgegen seines Charakters von ihm führen ließ, lenkte Rufus nun den Geländewagen nach Anchorage zurück. Am Anfang bekam er den Schaltknüppel kaum verstellt, als wäre dieser plötzlich eingerostet. In der Nähe des Leitwolfs fühlte er sich immer schwach, außerdem wusste er, dass Claw ihn beobachtete. Aber nachdem er eine Weile gefahren und kein Missgeschick passiert war, entspannte er sich und schaltete sogar das Radio ein.

Für Rufus glich die Freundschaft zwischen Claw und Luca einem kleinen Wunder. Bei Adamo und ihm war das etwas anderes. Sein junger Freund stand ebenso ganz unten in der Hierarchie der Vampire wie Kyle bei den Werwölfen. Das sollte zwar in Zukunft auf keinen Fall so bleiben, aber es schenkte ihnen eine gewisse Freiheit.

Claw und Luca jedoch trugen das Alpha-Gen in sich. Das war Segen und Fluch zugleich.

Noch vor wenigen Wochen, als der Werluchs zur Dark Defense gestoßen war, war er voller Misstrauen gewesen. Die grausamen Erlebnisse in der Werkatzen-Kolonie hatten tiefe Wunden in seine Seele gerissen. Doch Camille hatte ihn gelehrt, dass es sich lohnte, Risiken einzugehen. Sie hatte durch ihrer Liebe seine Verletzungen eine nach der anderen geschlossen, denn inzwischen war Luca der entspannteste Alpha von allen dreien. Was vielleicht auch daran lag, dass sein Rudel nur eine einzige Person einschloss – Camille.

Gerade noch rechtzeitig unterdrückte Rufus ein Seufzen. Er hoffte so sehr, eines Tages eine ebenso große Liebe zu erleben.

Zielsicher lenkte er das Auto in Richtung Nostalgia Playhouse.

Claw und Luca wollten den Abend mit Kristobal verbringen. Die drei verstanden sich, aber Rufus nahm Spannungen wahr. Ob der Vampir sich ausgeschlossen fühlte? Im Gegensatz zu Claw und Luca war der Wolf in ihm nur noch rudimentär vorhanden, und die beiden Gestaltwandler schienen immer dickere Buddys zu werden.

Dabei gingen sich in der Natur Luchse und Wölfe aus dem Weg. Doch Claw lud Luca immer wieder ein, ihm Anchorage und die Umgebung zu zeigen, obwohl die StadtseinRevier war. Was Rufus aber am meisten verdutzte, war, dass in ihren Brustkörben die Herzen zweier Alphas schlugen und trotzdem forderten sie sich nicht gegenseitig heraus, um in einem Kampf territoriale Ansprüche zu klären, oder auch einfach nur, um sich zu messen. Einige Mitglieder der Dark Defense gingen davon aus, dass die widernatürliche Freundschaft den Bund der Paranormalen stärkte. Andere dagegen blieben skeptisch. Doch die meisten wunderte­ das kaum noch, nachdem das Rudel bereits die Hierarchie auf den Kopf gestellt hatte, indem Tala als Omegawölfin an Claws Seite geduldet wurde­ und Nanouk sowohl die Alphawölfin im Rudel als auch Kristobals Gefährtin und somit ein Mitglied des Vampirclans war.

Die Dark Defense war eben anders. Kompliziert und schräg, aber auch modern. Sonst hätte Lupus im Theater bei der dunklen Gesellschaft schlafen müssen und Elise über kurz oder lang verloren, doch er durfte viel Zeit mit seiner Ehefrau verbringen.

Die Übernatürlichen brachen die Regeln, weil sie erkannt hatten, dass es sich schließlich um ihre eigenen Regeln handelte, denn sie waren die einzigen übernatürlichen Wesen in Alaska.

Aber das hatte das Rudel vor nicht einmal einem dreiviertel Jahr auch gedacht. Erst waren die Vampire gekommen, dann Luca. Anchorage schien die Paranormalen anzuziehen. Wenn es noch mehr würden, mussten sie den reinen Menschen irgendwann unweigerlich auffallen. Die drohende Entdeckung hing wie ein Damoklesschwert über ihnen.

Nachdem Rufus den Geländewagen vor dem Nostalgia Playhouse geparkt hatte, stieß er erleichtert die Luft aus.Keine Beule, kein Kratzer im Lack, Motor nicht abgewürgt, kein Hupkonzert, kein roter Kopf, ging er in Gedanken durch.Puh!

Jemand tätschelte seine Schulter und Kyle hoffte so sehr, dass Claw ihm endlich die Anerkennung zollte, nach der er sich so sehr sehnte, doch es war Luca, der ihm zuzwinkerte und dann seine Hand wegnahm. Claw stieg indes aus. Ein wenig enttäuscht folgte Rufus ihm hinter Luca.

Seit sein Vater ihn in den Boundary Ranges bei Juneau – dem Gebirgszug an der Grenze von Alaska zu British Columbia – ausgesetzt hatte, um seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau eins auszuwischen, kam Claw einer Vaterfigur am nächsten. Doch er ließ es Kyle immer noch spüren, dass er ohne sein Einverständnis von Lupus gebissen und in einen Werwolf verwandelt worden war. Jugendliche hatten ihn damals, als er bei Pflegeeltern wohnte, angegriffen und schwer verletzt, weil er sich in das falsche Mädchen verliebt hatte.

Kirsty – er würde ihren Namen nie vergessen. Sie war damals sein einziger Lichtblick gewesen. Manchmal, wenn er Albträume hatte, sah er, wie das Messer des Angreifers immer wieder in seinen Bauch stach. Er spürte die Schmerzen, das Entsetzen und das aus ihm weichende Leben. Lupus’ Biss dagegen hatte er kaum wahrgenommen.

Claw wollte keine Armee der lebenden Toten. Und Kyle hätte schon zwei Mal sterben sollen. Der Leitwolf hatte ihn inzwischen akzeptiert, auch weil sich Tala für Rufus eingesetzt hatte. Aber Kyle wollte mehr. Lob, vielleicht sogar ein Zeichen der Zuneigung. Er würde Claw gerne näherkommen, doch dazu musste er in der Hierarchie aufsteigen, was so gut wie unmöglich war für eine kleine Rasse wie einen Rotwolf. Allerdings war Lucas Pardelluchs auch klein und dennoch hatte er alles, was ein Alpha brauchte: eine starke natürliche Dominanz, Courage und Durchsetzungsvermögen.

Rufus kam zu dem Schluss, dass es nicht an seinem Tier lag, sondern an ihm, dem Menschen. Er hatte schon immer auf der Verliererseite gestanden.

Das Theater hieß sie mit schummrigem Licht willkommen. Es roch immer ein wenig muffig und Staub tanzte vor den Glühbirnen. Der ­dicke Teppich dämpfte die Schritte. Die Ölbilder an den Wänden zeigten­ Szenen aus Illusionsshows aus verschiedenen Jahrhunderten.

Eine Jungfrau in einer Holzkiste, die mit Schwertern durchbohrt war. Die Kiste stand auf einem Teppich, der so rot war, dass er aussah, als wäre er mit Blut durchtränkt.

Ein Magier, der den Körper eines weißen Kaninchens in der einen Hand und dessen Kopf in der anderen hielt. Angeblich fraß der Hase gerade Löwenzahn, aber seine Ohren hingen herab und seine Lider waren halb geschlossen, als hätte man ihm die Blätter lediglich in sein totes Maul gestopft.

Auf einem weiteren Bild schwebte ein Junge oder ein Kleinwüchsiger einige Zentimeter über seinen Schuhen, die auf dem Boden standen. Seine Beine endeten in Stümpfen und Rufus hoffte, dass der Maler lediglich keine Lust darauf gehabt hatte, die Füße detailgetreu darzustellen, und nicht, dass sie noch in den Tretern steckten.

Er bekam davon jedes Mal aufs Neue eine Gänsehaut, als strahlten die Bilder einen gruseligen Zauber aus, der auf alle, die das Playhouse betraten, überging, um sie auf die geheimnisvoll bis unheimliche Vorstellung vorzubereiten.

Caine beäugte die drei Besucher kritisch, während Caleb auf die Straße hinausspähte, prüfend in alle Richtungen schaute und die Tür rasch hinter den Besuchern schloss, als wären sie FBI-Agenten in einem Hollywood-Film. Es fehlten nur die Sonnenbrillen und die Headsets.

Schnaubend stapfte Claw an ihnen vorbei, während Luca grinsend den Kopf schüttelte. Die zwei menschlichen Wächter hielten die Hände hoch und Rufus klatschte sie einer nach der anderen ab, bevor er hinter den Alphas hereilte. Die Zwillinge, wie die beiden glatzköpfigen Fleischklopse auch genannt wurden, blieben am Eingang zurück.

Rufus folgte Claw und Luca durch den Gang, der zwischen den Umkleideräumen, dem Treppenhaus und dem Lager auf der linken Seite und dem Saal auf der rechten hindurch- und quer durch das Nostalgia Playhouse bis zum Hinterausgang führte.

Durch die schwarze Samttapete und den anthrazitfarbenen Teppich wirkte der lange Korridor erdrückend auf Kyle, wie eine dunkle längliche Schachtel, aus der es kein Entkommen gab. Doch statt sich zu fürchten, weckte das nur seine Neugier und er fragte sich, ob die Vampire das Theater verhext hatten oder ob das Nostalgia ein Teil der Magie, die bei den Vorführungen freigesetzt wurde, absorbiert und eine Art Eigenleben entwickelt hatte.

Vielleicht bildete er sich das aber auch alles nur ein, denn dieser Ort belebte seine Fantasie.

Vor Träumerei wäre er fast mit dem Werluchs zusammengeprallt. Abrupt blieb Luca stehen. Deutlich spürte Rufus, wie er sich anspannte. Er selbst roch ihn auch, den unbekannten Duft. Ein Gestaltwandler. Ein Eindringling. Ein Fremder. Felinae. Wie Luca selbst. Ein Luchs. Aber kein Kuder, sondern eine Katze.

«Verflucht noch mal!»

Luca schnappte nach Luft, stemmte die Hände in die Hüften und trat durch die offen stehende Tür, die in den Bühnenraum führte. Seine eben noch freundliche Miene verfinsterte sich. Ein Knurren drang aus der Tiefe seiner Kehle. Fell wuchs ihm auf den Wangen und den Ohren. Fangzähne lugten zwischen seinen Lippen hervor. Weiter verwandelte er sich jedoch nicht.

Seine Gereiztheit steckte Claw an. Dieser stellte sich neben ihn. Seine Augen waren bereits die seines Timberwolfes, der offensichtlich dicht unter der Oberfläche lauerte. Gereizt schloss und öffnete er seine Fäuste immer wieder. Wie Rufus wusste, mochte Claw keine Überraschungen, da sie ihn überrumpelten und der Alphawolf zu jeder Zeit die Kontrolle behalten musste.

Neugierig stahl sich auch Rufus heran, wobei er vorsichtig etwas Abstand zu den beiden erregten Alphas hielt.

Auf dem Podest übte offensichtlich ein Mädchen ihren Auftritt. Ein neues Mitglied des Ensembles, das bisher nur aus Illusionisten bestanden hatte. Er selbst führte hin und wieder gemeinsam mit Adamo Kartentricks auf. Doch das war Kinderkram im Gegensatz zu dem, was die junge Frau darbot.

Verführerisch verbog sie ihren Körper wie eine Schlange. Als besäße sie keine Wirbelsäule. Dabei war sie nackt.

Rufus errötete, weil ihm bewusst wurde, dass seine Fantasie ihm einen Streich gespielt hatte. Denn sie war gar nicht völlig entblößt, sondern trug einen fleischfarbenen Lycraanzug, der sich wie eine zweite Haut an ihre Apfelbrüste, ihren flachen Bauch und ihren Knackpo schmiegte.

Nun, da sich jede Faser in seinem Körper auf sie konzentrierte, nahm er ihren Duft intensiver wahr. Lynx rufus. Rotluchs. Kyles Körper reagierte so heftig auf die mysteriöse Werkatze, wie auf nichts zuvor. Sein Glied zuckte wie eine Wünschelrute über einer Wasserader. Schützend hielt er eine Hand vor seinen Schritt und tat mit der anderen so, als würde er sich an der Wange kratzen, nur um das Feuermal, das ihn seit Geburt entstellte, zu verbergen.

Lucas olivfarbene Haut färbte sich zornesrot. «Was machst du hier, Lynx?» Sein Grollen ließ den Raum förmlich erbeben, so dass sich ­Rufus’ Nackenhaare aufstellten.

Lynx.Innerlich seufzte der Junge ihren Namen.

Zwei

«Mich auf meinen Auftritt vorbereiten», sagte Lynx über die Schulter hinweg, bog ihren Oberkörper anmutig nach hinten und ging in eine Brücke, so dass sich der Stoff über ihren Busen spannte und das Zerren in Kyles Lenden zunahm.

Luca schob seine Schultern nach vorne und deutete einen Katzen­buckel an. «Warum bist du noch in der Stadt?»

«Du hast mich nicht weggeschickt.» Ihre langen goldblonden Haare ergossen sich über das Podest.

«Ich dachte, es wäre auch so klar, dass du besser das Weite suchst, nach dem, was du Camille angetan hast.»

Kraftvoller als Rufus es bei ihrer zierlichen Figur erwartet hatte, stieß sie sich mit den Füßen ab. Einige Sekunden lang blieb sie im Handstand. Dann wölbte sie ihren Rücken entgegen der natürlichen Richtung nach hinten, legte die Fußsohlen an ihre Wangen, ohne dass ihre Beine ein einziges Mal erzitterten, und riss Augen und Mund auf, als wäre sie erstaunt über seine Aussage.

Beim Anblick ihres Pos, der über ihrem Kopf schwebte, schluckte Rufus schwer.

Ganz langsam ließ sie die Füße hinunter, was bewies, wie kräftig ihre Arme waren, kam wieder zum Stehen und drehte sich zu ihnen herum. Sie war weder außer Puste von ihren Verrenkungen, noch schwitzte sie.

«Gar nichts habe ich.»

«Du warst auf dem Sprung, sie anzugreifen.» Aggressiv zeigte Luca ihr seine Zähne und legte seine Ohren an, wie kein normaler Mensch es hätte tun können. Sein Luchs stieg anscheinend immer weiter an die Oberfläche.

«Ich habe ihr lediglich einen Schrecken einjagen wollen.» Lynxs Stimmte war fest, sie schien nicht eingeschüchtert zu sein. Dennoch signalisierte sie Unterwürfigkeit, indem sie ihn von unten herauf ansah und ihre Hände vor dem Schoß zusammenfaltete. In dieser Pose wirkte sie so zerbrechlich wie ein Grashalm. «Hab sie nicht angerührt.»

«Weil ich es gerade noch verhindern konnte.» Luca fauchte. Er streifte seine braune Lederjacke ab und warf sie hitzig auf einen der Stühle. «Sie hatte eine Heidenangst.»

Rufus witterte die Vampire, obwohl er sie nirgendwo ausmachen konnte.

«Das tut mir leid», behauptete sie, doch Kyle nahm ihr das nicht ab, denn ihre Augen blitzten gefährlich. «Sie passt nicht zu dir.»

Luca ging dicht an das Podest heran, gefolgt von Claw, und baute sich in seiner ganzen Größe vor ihr auf. Seine Bizeps spannten sich sichtbar unter seinem grünen Hoodie an. «Sie ist meine Gefährtin!»

«Sie ist nur ein Mensch.» Empört rümpfte Lynx die Nase.

Wo die Liebe hinfällt, dachte Rufus und ging all die seltsamen Paarungen in der Dark Defense durch: die Alphas mit ihren Partnerinnen, Lupus und Elise, und der indianische Werwolfkrieger Canis und die Vampiramazone Mila, die sich gerne und heftig stritten, aber sich nach der Versöhnung umso lautstarker liebten. Es funktionierte.

Nur allzu gerne stellte er sich direkt hinter Luca. Es mochte den ­Anschein erwecken, dass er ihm den Rücken stärken wollte, doch in Wahrheit suchte er nur nach einem Grund, um Lynx näher zu kommen. Sie duftete verführerisch. Ihr Geruch lockte ihn an.

Eine Paarung von Werwolf und Werkatze gab es allerdings noch nicht. Vielleicht passten die Charaktere ihrer Tiere nicht zusammen. Möglicherweise würden sie sich jedoch ergänzen wie Yin und Yang. Aber endeten nicht die Gemeinsamkeiten schon dabei, dass sie beide Fell, Krallen und Reißzähne hatten? Waren ihre Wesen nicht zu gegensätzlich, wie bei einem Hund und einer Katze? Die Tatsache, dass sie beide Gestaltwandler waren, reichte ganz sicher nicht aus.

Rufus’ Körpertemperatur stieg an, als er das Mädchen von ihrem köstlichen roten Mund über ihre hervorstechenden Hüftknochen bis zu den rosa lackierten Zehennägeln musterte, sich jedes Detail einprägend. Er ertappte seine Zunge dabei, wie sie von innen über seine Zähne glitt. Lynx weckte Sehnsüchte in ihm, die er seit Kirsty nicht mehr gehabt hatte. Nein, das stimmte nicht ganz. Mit Kirsty hatte er nur zusammen sein, einfach nur Zeit mit ihr verbringen wollen. Bei Lynx reichte ihm das nicht.

Als hätte sie seine Gedanken erraten, schaute sie ihn an. Seine Wangen brannten, was sie mit einem frivolen Lächeln quittierte. Verlegen wich er ihrem Blick aus. Er kam sich vor wie ein kleiner dummer Junge und ärgerte sich darüber! Sein Rotwolf knurrte drohend, aber nur weil er den lächerlichen Versuch machte, seine Lust hinter Aggression zu verstecken.

Rasch presste Rufus die Lippen aufeinander, damit niemand es mitbekam. Doch sein Wolf wusste noch vor ihm, dass Lynx keine leichte Beute war. Ihre unterwürfige Haltung, das scheue Lächeln und ihre leise Stimme weckten Beschützerinstinkte, doch sie brauchte gar nicht beschützt zu werden, denn ihr Rotluchs schenkte ihr übernatürliche Kräfte und sie wusste ihre Schönheit einzusetzen. Das war Kyle klar und trotzdem verfehlte diese Masche ihre Wirkung nicht. Am liebsten hätte er sich zwischen sie und den Kuder gestellt, doch das wagte er nicht. Einem Alpha hatte er nichts entgegenzusetzen.

«Du hast mich von der Kolonie auf Viktoria Island bis nach Alaska verfolgt wie eine Stalkerin», Luca verzog sein Gesicht, «und Witashnah angefallen, die daraufhin ins Krankenhaus kam.»

Mit großen blauen Augen sah sie ihn so direkt an, wie Rufus es in dieser Situation niemals gewagt hätte. «Ich wollte dich verteidigen, weil ich glaubte, die Indianerin wäre hinter dir her und drohte, deine wahre Natur zu erkennen.»

«Du bist unberechenbar und gefährlich.» Luca schien immun gegen ihre Reize zu sein, wodurch Rufus wieder bewusst wurde, dass er schwach war. «Camille würde nicht wollen, dass du in Anchorage bleibst.»

«In der Dark Defence ist kein Platz für Eifersucht.» Wie aus dem Nichts hatte sich Kristobal plötzlich neben Claw materialisiert.

Während der Leitwolf nicht mit der Wimper zuckte, schrak Kyle sichtlich zusammen. Er hatte den Alphavampir weder kommen hören, noch vorzeitig gewittert. Wie machte Kristobal das nur immer wieder? Es war unheimlich und faszinierend zugleich.

Da Lynx leise kicherte, schaute Rufus wieder zu ihr, und bemerkte, dass sie ihn beobachtete. Sie lachte ihn wegen seiner Schreckhaftigkeit aus und das nicht einmal hinter vorgehaltener Hand. Sie scherte sich nicht darum, dass er das mitbekam.

Er ertappte sich bei dem Gedanken:Kleine hübsche Hexe! Dir werde ich deine Unverschämtheit schon noch austreiben.Aber allzu bald wurde ihm bewusst, dass sie nicht nur Teil seiner feuchten Träume, sondern real war und er gewiss kein Held, wie er es gerne wäre. In Wahrheit war er nur ein Junge mit einem hässlichen Kainsmal auf der rechten Wange, der sich in die Rolle des rangniedrigsten Wolfes fügte, weil die anderen Rudelmitglieder größer, stärker und Kampf erfahrener waren als er.

«Camille würde sich nicht mehr sicher fühlen, wenn sie wüsste, dass sich Lynx noch in Anchorage aufhält.» Obwohl Lucas Brustkorb noch immer erregt auf und ab wogte, bildeten sich Backenbart und Pinselohren zurück.

In seiner eleganten, selbstgefälligen Art schloss Kristobal die Knöpfe seiner violetten Samtjacke und prüfte den Sitz seines gestärkten, mit Goldfäden durchzogenen Hemdkragens, indem er mit den Fingerspitzen daran entlangfuhr. Vermutlich war er gerade dabei gewesen, sich für die Vorführung umzuziehen. Seine Gelassenheit erweckte den Anschein, als würde er die ganze Aufregung nicht verstehen, weil er sich seiner Meinung sehr sicher war.

«Wir müssen zusammenhalten, das ist die einzige Überlebensstrategie.»

«Wir?» Luca zog seine Brauen hoch. «Gehört Lynx etwa schon zur Dark Defense?»

«Ich meinte damit die paranormale Gesellschaft, die im Verborgenen und dennoch mitten unter den Menschen lebt.» Kristobals eindringlicher Blick hätte Rufus zusammenschrumpfen lassen.

Doch Luca rümpfte lediglich die Nase. «Jarek hattest du auch dazugezählt.»

«Er hat sich gegen mich aufgelehnt und die Konsequenzen zu tragen gehabt. Das gilt auch für Lynx, sollte sie meine Autorität in Frage stellen und unsere Regeln brechen. Aber», Kristobal zuckte mit den Achseln, «jeder hat eine zweite Chance verdient.»

«Eine Katze kann man nicht zähmen.»

«Sie fügt sich meinem Willen.»

«Neben ihren scharfen Krallen besitzt sie eine weitaus subtilere Waffe. Sie setzt sie ein, ohne dass du es merkst, und manipuliert dich heimlich.»

Dass Luca von Lynxs frivoler Ausstrahlung sprach, war selbst Rufus klar, der keine Ahnung von so etwas hatte. Sie war nicht nur schön, sondern wahrhaft bezaubernd mit ihren Augen, so groß, blau und leuchtend wie bei einer Manga-Figur, und der ungezwungenen Weise, wie sie ihre Reize zur Schau stellte.

Selbst die Art, wie Kristobal einen Jackenärmel nach dem anderen nach unten zog, hatte etwas Majestätisches. «Ich spiele nur mit Frauen, nicht mit Mädchen.»

Ein Grollen kam über Lynxs Lippen. Schmollend zupfte sie an ihrem Anzug herum, knapp über ihrem Venushügel.

«Sie hat dich bereits um den Finger gewickelt.» Verächtlich schnaubte­ Luca.

«Das Kunststück schafft nur eine einzige Frau auf der ganzen Welt und die würde mir eher ihre Wolfsfänge in die Rippen schlagen als zu schnurren, um mich dazu zu bringen, das zu tun, was sie will.» Kristobal zwinkerte.

«Gegen Nanouk sähe Lynx blass aus», gab Luca zu und nickte. «Aber Camille hat ein sanftes Wesen.»

Und ist durch ihre Fußprothese gehandicapt, fügte Rufus besorgt hinzu.

«Ich gebe dir ja recht. Lynx hat es faustdick hinter den Ohren, sie ist gerissen und manipulativ.» Freundschaftlich legte Kristobal Luca eine Hand auf die Schulter. «Aber ist es nicht klüger, das süße Biest im Auge zu behalten? Sie ist ein Wildfang, der gerne im Mittelpunkt steht. Auf Dauer wird das nicht gut gehen.»

Luca schüttelte den Kopf. «Eine Katze kann man nicht an die Leine legen.»

«Das habe ich gar nicht vor, sondern ich biete ihr eine Zuflucht.» In einer ausladenden Geste breitete der Alphavampir die Arme aus und gab damit zu verstehen, dass er das Nostalgia Playhouse meinte.

Das war also der Köder. Aber Rufus fragte sich, ob das wirklich der Grund war, weshalb Lynx in Anchorage blieb. Ihr selbstzufriedenes Lächeln ließ ihn daran zweifeln. Sie suhlte sich offenbar in der Aufmerksamkeit der Alphas. Obwohl er fand, dass sie den Werluchs etwas zu hungrig ansah, gab er dem Drang nach, sie zu verteidigen. Oder besser gesagt: Sein Mund öffnete sich, bevor er ihn daran hindern konnte.

«Wo soll sie denn auch hin?»

Plötzlich drehten sich alle zu ihm herum. Kyles Wangen waren heiß, aber er verbot sich, den Kopf zwischen den Schultern einzuziehen. Damit sein Verhalten nicht herausfordernd wirkte, schaute er keinem der drei Alphas direkt in die Augen.

«Zur Werkatzen-Kolonie kann sie nicht zurückkehren, weil sie dich, Luca, mit ihrem Leben verteidigt hat.»

«Das zahlte ich ihr zurück, als ich sie laufen ließ, nachdem sie in Camilles Haus eingebrochen war.»

«Das kann man wohl kaum gleichstellen», hörte Rufus sich sagen und schimpfte sich einen leichtsinnigen Idioten, doch nun hatte er es schon ausgesprochen.

Claw machte einen Schritt auf ihn zu. «Pass auf, was du sagst!»

Unter anderen Umständen hätte Kyle den Schwanz eingezogen und wäre abgehauen, doch er wollte unbedingt, dass Lynx blieb. Weil sie im selben Alter wie er sein musste, redete er sich ein, denn außer ­Adamo gab es keine jungen Mitglieder im Bündnis, und Freundschaften mit reinen Menschen waren schwierig. Doch in Wahrheit erregte­ sie ihn. Und alle anderen mussten es dank ihrer tierischen Sinne wahrnehmen.

«Ganz Unrecht hat er nicht.» Kristobal verschränkte die Arme vor dem Brustkorb und grinste ihn wissend an. Alle Vampire hatten ihre Werwölfe töten müssen, um ewig leben zu können. Aber Kristobals Tier war wie durch ein Wunder noch zu einem kleinen Teil in ihm vorhanden und ebenso seine wölfischen Sinne.

Nervös, wie Rufus war, musste er sich räuspern, um weitersprechen zu können, was ihm peinlich war. Er schaffte es einfach nicht, seine Unsicherheit zu überspielen. «Nach Hause, dorthin, wo sie als Mensch geboren wurde und aufwuchs, kann sie ebenfalls nicht, weil sie inzwischen eine Gestaltwandlerin ist.»

«Sie ist eine toughe Streunerin, sie kommt alleine klar», brummte Luca.

«Schon möglich. Aber keiner von uns mag es, einsam zu sein.» Die Wölfe, die ein starkes Gemeinschaftsgefühl besaßen, wussten sofort, was Kyle meinte, aber für die eigensinnigen Vampire fügte er erklärend hinzu: «Deshalb leben wir im Rudel oder in einem Clan.»

«Du vergisst, dass sie kein Wolf ist,canis rufus», warf Claw ein und zog seine Canvasjacke aus. Die Vampire schafften es kaum, ihre Körpertemperatur aufrecht zu erhalten und heizten deshalb das Theater auf wie einen Brutofen. «Luchse sind Einzelgänger.»

«Sind sie nicht, jedenfalls nicht hundertprozentig. Auch sie sehnen sich nach einem Partner, so wie Luca nach Camille.» Kyles Rotwolf flüchtete sich tief in sein Inneres, weil er augenblicklich mit dem Zorn von Luca oder Claw oder von beiden rechnete.

Stattdessen trat eine Nerven zerreißende Stille ein. Rufus’ Muskeln spannten sich so stark an, dass sie wehtaten. Er wagte kaum zu atmen. Leise winselte sein Rotwolf.

«Lynx war die Einzige, die mich gegen Ram, Ruud und die anderen blutrünstigen Werkater verteidigt hat, obwohl sie selbst dabei hätte draufgehen können.» Lucas Seufzen klang resignierend. Seine Kiefer malten. «Also gut, ja, es ist wohl tatsächlich besser, sie zu kontrollieren als frei herumlaufen zu lassen. Besser für uns.» Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: «Und für sie selbst.»

Überrascht blickte Rufus auf. Lucas Miene war finster, aber eher nachdenklich als angriffslustig. Glücklich über seine Entscheidung war er offensichtlich nicht.

Endlich sahen wieder alle zu Lynx, so dass Rufus, den zu viel Aufmerksamkeit nervös machte, erleichtert die Luft ausstieß. Im ersten Moment öffnete das Mädchen erstaunt den Mund, dann lächelte sie dankbar. Doch das Lächeln wurde zunehmend zu einem triumphierenden Grinsen. Mit einem Mal kam Rufus sich missbraucht vor, wie ein Instrument, das von fremder Hand gelenkt worden war. Sein Sieg schmeckte schal. Sein Wolf verwirrte ihn vollends, denn er kam aus seiner Deckung heraus und schmachtete Lynx an.

«Aber sie ist nur auf Probe, damit das klar ist!» Luca unterstrich seine Worte mit einem Fauchen, das sich diesmal nicht allein an den Teenager richtete. «Die nächsten Wochen werden wie ein Tanz auf einem Vulkan.»