Am Ende zählt nur die Liebe - Miranda Lee - E-Book

Am Ende zählt nur die Liebe E-Book

Miranda Lee

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Beschreibung

Seit sie die Vernunftehe mit Blake Preston geschlossen hat, vermisst Juliana Zärtlichkeit und Liebe. Ihr neuer Ehemann hält sie Tag für Tag emotional auf Abstand. Aber dann ändert sich etwas zwischen ihnen. Und plötzlich spürt Juliana eine ungekannte Anziehungskraft ...

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IMPRESSUM

Am Ende zählt nur die Liebe erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2003 by Miranda Lee Originaltitel: „Marriage In Jeopardy“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 1673 - 2005 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Dr. Susanne Hartmann

Umschlagsmotive: GlobalStock/GettyImages

Veröffentlicht im ePub Format in 09/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733727536

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Juliana ahnte, dass etwas nicht in Ordnung war, als Stewart sie im Büro anrief. Nicht, dass es ungewöhnlich war. Blakes Sekretär rief sie oft an, um weiterzugeben, was ihr Ehemann ihr mitteilen wollte. Es war sein Ton, der sie beunruhigte. Stewart klang fast … nervös.

„Mrs. Preston, hat sich Ihr Mann heute zufällig bei Ihnen gemeldet?“

„Nein, Stewart. Warum? Gibt es ein Problem?“

Er antwortete nicht sofort.

„Was ist los?“

Ihre besorgte Frage brachte ihn anscheinend dazu, in seine typische Rolle als Blakes unerschütterliche rechte Hand zurückzufallen. „Sie brauchen sich nicht aufzuregen, Mrs. Preston“, sagte er und klang wieder so aufreizend phlegmatisch wie sonst auch immer. „Es ist nur, dass ich eben in Sydney angerufen habe, und in der Zweigniederlassung haben sie ihn den ganzen Tag nicht zu sehen bekommen. Ich könnte noch hinzufügen, dass sich der Geschäftsführer sehr erleichtert anhörte.“

„Warum sollte Blake in Sydney sein? Wollte er nicht heute von Manila aus direkt nach Hause fliegen?“

„Sie meinen, Mr. Preston hat Ihnen nicht erzählt, dass er seine Pläne geändert hat?“

Juliana biss sich auf die Lippe, konnte jedoch das Entsetzen nicht unterdrücken. Dies war ein Aspekt ihrer Ehe, der sie seit einiger Zeit immer mehr quälte. Blake war ausgesprochen eigen, was seinen persönlichen Freiraum anbetraf. Er wollte niemandem Rechenschaft ablegen, besonders nicht seiner Frau. Juliana kannte den Grund dafür, aber deshalb war es nicht leichter zu ertragen. „Nein, Stewart, hat er nicht“, gab sie zu.

„Ich verstehe.“ Der Sekretär war unfähig, seine Verachtung zu verbergen.

Was siehst du? dachte Juliana, plötzlich verzweifelt. Eine Ehe ohne Liebe? Eine Frau, die für Geld und eine hohe gesellschaftliche Stellung jede Behandlung akzeptierte? Sie sehnte sich danach, zu erklären, dass ihre Beziehung zu Blake nicht so war. Okay, sie waren die Ehe beide eher mit dem Verstand als mit dem Herzen eingegangen. Das bedeutete nicht, dass sie sich nicht gern hatten. Jeder war für den anderen trotzdem der wichtigste Mensch im Leben geworden.

Sie machte den Eindruck, eine kühle, reservierte Ehefrau zu sein, weil Blake sie so haben wollte. Das konnte Stewart doch sicherlich erkennen. Schließlich war er selbst als Blakes Sekretär und Assistent eingestellt worden, weil er die Eigenschaften besaß, die Blake von allen verlangte, die ihm geschäftlich oder privat nahe standen. Er war unabhängig, selbstbewusst und beherrscht. Wie sie.

Nur dass sie im Moment nicht beherrscht war. Sie war äußerst verletzlich und besorgt.

„Bitte, Stewart, lassen Sie mich nicht im Ungewissen. Sagen Sie mir, was los ist.“

Wieder zögerte er. Offensichtlich hatte Blake ihm gründlich beigebracht, was die Frau des Chefs erfahren oder nicht erfahren sollte.

Juliana spürte, dass sie in Panik geriet. „Bitte!“, flehte sie. Du lieber Himmel, sie wusste nicht, was sie tun würde, wenn Blake etwas passiert war.

„Mr. Preston wird sehr böse auf mich sein“, erwiderte der Sekretär, „aber da mein Anruf Sie so beunruhigt hat, haben Sie wohl ein Recht darauf, Bescheid zu wissen. Ihr Mann hat mir gestern ein Fax geschickt. Er sei in Manila einen Tag früher fertig und habe beschlossen, auf dem Rückweg unangekündigt unsere Niederlassung Sydney zu besuchen. Er würde aber trotzdem um halb sechs in Melbourne ankommen.“

„Sie haben doch gesagt, er sei in der Niederlassung Sydney nicht aufgetaucht!“

„Was kein Grund ist, in Panik zu geraten, Mrs. Preston. Es ist typisch für Ihren Mann, dass er nicht einmal mich informiert, wenn er in letzter Minute seine Pläne ändert. Vielleicht ist er in Manila geblieben. Oder er ist zur Niederlassung Brisbane geflogen. Er wird sicher wie vorgesehen in Tullamarine landen. Der Boss ist doch sehr zuverlässig. Ich werde einfach zum Flughafen fahren, um ihn abzuholen. Und Sie fahren nach Hause und ziehen sich fürs Abendessen um. Ich habe für halb neun einen Tisch bei ‚Don Giovanni‘s‘ reservieren lassen.“

„Und was, wenn sein Flugzeug nicht ankommt?“, rief Juliana. Vielleicht war Blake in tödlicher Gefahr. Wie sollte sie in so einer Situation daran denken, sich fürs Abendessen anzuziehen?

„Er wird bestimmt pünktlich landen. Jetzt hören Sie auf, sich Sorgen zu machen. Und bitte … behalten wir diesen Vorfall doch für uns. Ihr Mann würde alles andere als erfreut sein, wenn er wüsste, dass ich Sie mit dem kleinen Missverständnis belästigt habe. Kann ich mich darauf verlassen, dass Sie es ihm gegenüber nicht erwähnen?“

Juliana seufzte. „Vermutlich, ja. Aber rufen Sie mich bitte zu Hause an, sobald Blakes Flugzeug landet, oder ich werde mich zu Tode ängstigen.“

„Das tue ich, Mrs. Preston“, erwiderte Stewart sehr viel freundlicher als sonst.

Sie legte den Hörer auf und war sich bewusst, dass sie sich erst besser fühlen würde, wenn Blake heil und gesund zu Hause war. Er war drei Wochen weg gewesen. Drei lange, einsame Wochen. Sie hatte sich so auf diesen Abend gefreut, auf das Essen und danach … Was, wenn etwas Schreckliches passiert war? Was, wenn sie Blake nie wiedersehen würde?

Ich werde rührselig, melodramatisch und albern, sagte sich Juliana. Und das nur, weil sie in letzter Zeit Zweifel wegen ihrer Ehe hatte. Stewart hatte recht. Blake machte so etwas ständig. Er würde auftauchen wie immer, gewandt, elegant und völlig gelassen. Sie hatte wirklich keinen Grund, sich zu sorgen, geschweige denn, in Panik zu geraten.

Trotzdem konnte sich Juliana an diesem Nachmittag nicht mehr konzentrieren. Sie verließ das Büro um halb fünf, weil sie unbedingt zu Hause sein wollte, wenn Stewart anrief. Die Villa der Prestons mit Blick auf die Ostseite der Port Phillip Bay war nur wenige Meilen von der Innenstadt entfernt. Da Juliana jedoch die Hauptverkehrszeit erwischte, die freitags besonders schlimm war, dauerte die Fahrt über eine Stunde. Und niemand würde ans Telefon gehen, weil es Mrs. Dawsons freier Abend war.

Juliana hörte es klingeln, als sie um kurz nach halb sechs von der Garage aus das Haus betrat. Sie rannte durch den Wäscheraum in die Küche zum nächsten Apparat, warf Mantel und Handtasche auf die Frühstückstheke und nahm den Hörer ab. „Ja?“

„Mrs. Preston?“

„Stewart! Dem Himmel sei Dank, dass Sie nicht aufgelegt haben. Ich bin gerade nach Hause gekommen. Blakes Jet ist also pünktlich gelandet?“ Juliana seufzte glücklich.

„Tja … hm …“

Sie erstarrte.

„Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass Mr. Prestons Flugzeug noch nicht angekommen ist und ich Schwierigkeiten habe, ihn ausfindig zu machen. Ich habe mich in Manila erkundigt, und anscheinend ist Mr. Preston gestern planmäßig mit Sydney als Ziel abgeflogen. Dort ist er jedoch weder gestern noch heute gelandet.“

Ihr wurde schwindlig, und sie setzte sich schnell auf einen Hocker, bevor sie umfiel. „Haben Sie Kontakt mit den verschiedenen Behörden aufgenommen?“

„Ja, natürlich. Es werden Nachforschungen angestellt. Bitte versuchen Sie, sich nicht aufzuregen, Mrs. Preston. Ich bin sicher, dass alles gut ausgeht.“

„Meinen Sie, ich sollte zum Flughafen kommen?“

„Ich glaube, das wäre nicht klug“, erwiderte der Sekretär energisch. „Bestimmt trifft Mr. Preston in Kürze ein, und Sie wissen, wie sehr er es hasst, wenn man viel Wirbel um ihn macht. Er hätte es zweifellos lieber, wenn Sie zu Hause auf ihn warten, so, wie Sie es immer tun.“

Das hörte sich wie ein Tadel an, und Juliana zuckte zusammen. Ihr Ehemann hatte immer darauf bestanden, dass sie ihn weder zum Flughafen brachte noch abholte. Deshalb hatte sie es auch nie getan. Das war auch ein Aspekt ihrer Ehe, der sie zu stören begann: Wie andere Leute ihre, Julianas, Ehe wahrnahmen. Aber dies war nicht der geeignete Moment, sich mit Äußerlichkeiten zu beschäftigen. „Versprechen Sie, mich anzurufen, sobald Sie mehr wissen“, sagte sie zittrig.

„Ich verspreche es, Mrs. Preston. Bis dann.“

Juliana legte den Hörer auf. O nein … Blake … Sie schlug die Hände vors Gesicht, entsetzt über die Bilder, die auf sie einstürmten. Blake, der unter verbogenem, zerfetztem Metall tot an einem Berghang lag. Blake, wie er in einem kalten Sarg aus Stahl auf den Meeresboden sank. Oder, am schlimmsten von allem … sein schöner Körper bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Flugzeuge gingen beim Absturz oft in Flammen auf.

Ihr Schrei der Verzweiflung schockierte sie selbst. Juliana setzte sich kerzengerade auf. Du lieber Himmel! dachte sie erschrocken.

Juliana saß im Wohnzimmer, dankbar, dass es Mrs. Dawsons freier Abend war und sie sich deren Skepsis bezüglich ihrer Sorge nicht anhören musste. Blakes Haushälterin hatte – ohne direkt unverschämt zu sein – völlig klar gemacht, dass sie mit der Ehefrau ihres Arbeitgebers nicht einverstanden war. Sie benahm sich sehr förmlich und nannte Juliana immer nur „Mrs. Preston“.

Seit Stewarts Anruf waren zwei Stunden vergangen. Sie kamen Juliana wie Jahre vor. Als das Telefon schließlich klingelte, zögerte sie vor lauter Angst einen Moment lang, bevor sie den Hörer mit klopfendem Herzen ans Ohr hob. „Ja?“

„Hier ist noch einmal Stewart Margin. Sie brauchen sich nicht länger zu sorgen, Mrs. Preston. Ihrem Mann geht es gut.“

Juliana wurde wieder schwindlig, diesmal vor Erleichterung. Blake war nicht bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen! Bald würde er das Haus betreten, attraktiv wie immer in einem seiner eleganten Anzüge. Er würde den Aktenkoffer aus Krokoleder abstellen, die Krawatte lockern, zum Barschrank gehen und sich einen Scotch einschenken. Dann würde er sie rufen. „Trink ein Glas mit, Juliana, und erzähl mir von deinem Tag. Meiner war die reine Hölle!“

O Blake … Was hätte sie getan, wenn ihm etwas passiert wäre? Wie hätte sie das überlebt? Was ihr vor zwei Stunden plötzlich bewusst geworden war, traf sie erneut mit grässlicher Wucht. Es war eine Erkenntnis, die ihr zukünftiges Glück bedrohen konnte. Juliana schluchzte auf.

„Mrs. Preston? Ist alles in Ordnung?“

Nein! dachte sie. Nichts würde jemals wieder in Ordnung sein. Irgendwann im Lauf der Zeit hatte sie sich in ihren Mann verliebt! Wenn er in diesem Moment hereinkäme, würde sie sich ihm weinend in die Arme werfen und sich völlig lächerlich machen.

Und wie würde Blake reagieren? Er würde sie entsetzt anblicken und sich kühl von so einer Zurschaustellung besitzergreifender Rührseligkeit distanzieren. Oh, wie er Frauen hasste, die klammerten, die ihn brauchten, die so liebten.

Um Himmels willen, was sollte sie nur tun?

Erkundige dich nach deinem Mann, schlug eine innere Stimme vor. Und zwar ruhig.

Juliana versuchte, ihre fünf Sinne zusammenzunehmen. Wenn sie es nicht schaffte, konnte sie Blake ebenso gut gleich an diesem Abend um die Scheidung bitten.

„Mir geht es gut“, versicherte sie. „Ist der Jet meines Mannes wirklich eingetroffen?“

„Nein. Ihr Mann kommt mit einem Linienflug und landet in … warten Sie mal … in ungefähr zehn Minuten.“

„Was ist mit seinem Learjet? Ist er kaputtgegangen?“

„Sozusagen. Anscheinend ist der Pilot gestern nach dem Start in Manila durch eine Wolke aus Vulkanasche geflogen. Sie hat die Motoren verstopft und die Bordelektronik gestört, und zwar so schlimm, dass der Pilot eine Notlandung machen musste.“

„Eine Notlandung? Aber wo? Warum sind wir nicht informiert worden?“

„Zum Glück kannte der Pilot einen Flugplatz der amerikanischen Luftwaffe auf einer Insel in der Nähe. Leider war er verlassen, und es hat einige Zeit gedauert, bis sie Kontakt mit den Behörden aufnehmen konnten. Man hat ihnen dann einen Hubschrauber geschickt, der sie zurück nach Manila gebracht hat. Ihr Mann hatte eine Nachricht an den Flughafen Tullamarine geschickt, sie ist jedoch während eines Personalwechsels verlegt worden. Trotzdem, Ende gut, alles gut. Der Chef ist heil und gesund.“

Zum zweiten Mal an diesem Tag hörte Juliana eine gewisse Gefühlsregung aus Stewart Margins Stimme heraus. Also war er auch besorgt gewesen und jetzt auch erleichtert. Juliana lächelte ironisch. Natürlich war er das. Ohne Blake als Chef würde „Preston‘s Toys and Games“, wahrscheinlich schnell wieder das fast bankrotte Unternehmen werden, das es gewesen war, bevor er es vor einigen Jahren übernommen hatte. Ohne Blake könnte Stewart Margin arbeitslos werden.

Ohne Blake …

Juliana schauderte. Wenn in ihrer eigenen Erleichterung nur nicht diese grässlichen Befürchtungen mitschwingen würden. Wenn diese Sache nur niemals passiert wäre! Dann wäre sie sich ihrer tiefen Gefühle vielleicht niemals bewusst geworden. Sie hätte in seliger Unwissenheit weiterleben können als die Ehefrau, die Blake wollte. Jetzt würde sie ständig Angst haben, dass sie sich verraten und ihn dadurch verlieren würde.

Aber war sie denn bisher glücklich gewesen? Was war mit all den quälenden Zweifeln, die sie in letzter Zeit hatte?

„Mrs. Preston? Ist wirklich alles in Ordnung mit Ihnen?“

Juliana atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „Ich bin immer noch ein bisschen angeschlagen“, gab sie zu. „Bis Blake hier ist, habe ich mich sicher erholt. Und, wie Sie gesagt haben, mein Mann hasst es, wenn Wirbel um ihn gemacht wird, deshalb sollte er besser nicht erfahren, wie besorgt ich gewesen bin...“

„Natürlich, Mrs. Preston. Ich denke nicht im Traum daran, es dem Chef zu erzählen.“

„Gut. Würden Sie mich bitte informieren, wenn sich noch weitere Verzögerungen ergeben?“

„Sicher.“

Als Juliana auflegte, wusste sie nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Sie war in Hochstimmung und gleichzeitig am Boden zerstört. In den vergangenen Stunden hatte sie viel durchgemacht. Und es war noch nicht vorbei. Ein bisschen benommen ging sie in die Küche und schaltete den elektrischen Wasserkocher ein, um sich eine Tasse Kaffee zu machen. Würde Blake trotzdem noch auswärts essen wollen? Wohl nicht. Er hatte bestimmt im Flugzeug gegessen. Eins wollte er jedoch vielleicht, nachdem er so lange weg gewesen war.

Ihr schauderte. Juliana wusste, dass es eine seltsame Reaktion für eine Frau war, die in den Armen ihres Mannes nichts als Lust gefunden hatte. Aber jetzt, da sie plötzlich entdeckt hatte, dass sie Blake liebte, wurde ihr bewusst, wie viel die intime Seite ihrer Ehe zu wünschen übrig ließ. Ihr Sexleben hatte etwas Klinisches an sich und entbehrte jeder Spontaneität oder echter Leidenschaft. Sie hatten getrennte Schlafzimmer, und der Sex wurde immer vorher abgemacht. Blake strich sich auf seinem Kalender im Arbeitszimmer sogar die Tage an, an denen sie … unpässlich sein würde. Da sie die Pille nahm, konnte Juliana ihm das im Voraus sagen. Jetzt wünschte sie, es wäre einer dieser Tage.

Natürlich verstand sie Blakes Abneigung gegen ein gemeinsames Schlafzimmer. So hielt er Distanz zu ihr und stellte sicher, dass sie nicht anfing, mehr zu fordern, als er zu geben bereit war. Verstehen bedeutete jedoch nicht, dass die Situation sie weniger belastete.

Juliana zuckte zusammen, als sie daran dachte, wie ihr Sexleben ablief. Wenn er mit ihr schlafen wollte, nickte Blake ihr zu, bevor er sich zurückzog. Er kam erst in ihr Zimmer, wenn sie geduscht hatte und schon im Bett lag. Und er blieb niemals die ganze Nacht bei ihr. Sobald er fertig war, kehrte er in sein eigenes Schlafzimmer zurück.

Es war nicht viel besser als gesetzmäßige Prostitution.

Nein, nein, dachte Juliana sofort. Das war Blake und ihrer Ehe gegenüber unfair. Sex war nur ein Aspekt der Beziehung. Sie waren in vieler Hinsicht Partner, nicht nur im Bett. Sie gingen überall zusammen hin und waren gute Freunde.

Wollte sie kaputtmachen, was sie hatten, nur weil sie so dumm gewesen war, sich zu verlieben? Sie wäre ja verrückt. Ihre Ehe mit Blake war besser als die anderer Leute. Im nächsten Jahr würden sie sich um ein Baby bemühen. Es wäre Wahnsinn, das alles wegzuwerfen, weil sie sich das eine wünschte, was sie nicht haben konnte.

Blake liebte sie nicht, aber er hatte sie gern. Er wurde niemals während des Tages von Leidenschaft für sie überwältigt, doch wenn er in ihr Bett kam, schlief er sehr schön mit ihr. Und das oft genug. Um Himmels willen, was verlangte sie denn vom Leben? Sie hatte alles, was sie immer gewollt hatte. Finanzielle Sicherheit, eine stabile Ehe, einen guten Job. Sie musste nur ihre Liebe unter Kontrolle halten und einfach weitermachen wie bisher.

Und dazu gehörte, keine Einwände dagegen zu erheben, wie Blake ihr Sexleben gestaltete.

Trotzdem hoffte sie, dass er an diesem Abend zu müde sein würde, um in ihr Bett zu kommen. Sie könnte es nicht ertragen, sich von ihm berühren zu lassen. Bestimmt würde sie etwas Dummes tun und sich verraten. Sie sehnte sich so danach, ihn einfach festzuhalten. Nur durfte man Blake nicht einfach so umarmen. Er berührte sie nur, wenn er mit ihr schlief. Ihre Hand zu nehmen oder ihr liebevoll den Arm um die Schultern zu legen war nicht sein Fall. So etwas lag Blake einfach nicht.

Juliana wusste, warum, und Verbitterung stieg in ihr auf. Seine Mutter hatte allerhand auf dem Gewissen.

Das Klingeln des Telefons durchschnitt die Stille im Haus. Juliana erstarrte. Sie war sicher, dass es Blake war, der anrief, bevor er den Flughafen verließ. Auch wenn er es überhaupt nicht mochte, wenn sie ihn anrief, rief er sie oft an. Das war eine weitere seiner Eigenheiten, die Juliana völlig verstand. Seine Mutter hatte seinen Vater mit ständigen Anrufen verrückt gemacht, besonders wenn er auf Geschäftsreise gewesen war. Und sie hatte nicht liebevoll mit ihm geplaudert. Eifersüchtig und besitzergreifend, hatte sie ihn gefragt, wo er gerade sei, was er gerade tue, wohin er wolle und wann er zurück sein werde. Zu Hause hatte sie ihn niemals aus den Augen gelassen, ihn immer angefasst, geküsst, an ihm herumgefummelt. Noreen Preston war eine neurotische, unsichere Frau gewesen, die ihren gut aussehenden Mann bis zum Wahnsinn geliebt und damit alle anderen zur Raserei getrieben hatte.

Nicht, dass Blake ihr das alles erzählt hatte. Juliana wusste es von ihrer Mutter, die fast zwanzig Jahre lang die im Haus wohnende Köchin der Prestons gewesen war. Das Arbeitsverhältnis war vor einem Jahr plötzlich zu Ende gegangen, als sie von einem Autofahrer getötet worden war, der nach dem Unfall geflüchtet war.

Juliana blinzelte die Tränen weg. Arme Mom. Aber sie wusste, dass ihre Mutter das Mitleid nicht gewollt hätte. Ihre Trauer auch nicht. Lucille Mason war eine offenherzige, gutmütige Frau gewesen, die das Leben mit einem naiven Optimismus angenommen hatte. Dieser naive Optimismus machte sie unglücklicherweise anfällig für gewisse Typen, von denen sie glaubte, sie würden sie lieben und brauchen. Diese Männer liebten und brauchten jedoch nur Lucilles schönen Körper im Bett. Nicht ein Einziger von ihnen bot jemals an, sie zu unterstützen oder zu heiraten, nicht einmal Julianas Vater, der spurlos verschwand, sobald er von der Schwangerschaft seiner jungen Freundin erfuhr.

Zumindest beging Lucille nicht den Fehler, einen dieser Männer bei sich wohnen zu lassen. Das blieb Juliana erspart. Wenn sie abends ins Bett gesteckt worden war, bekam sie jedoch mit, dass ihre Mutter Männer in ihr Schlafzimmer schmuggelte.

Das hörte eine Weile auf, als Lucille und ihre Tochter in die Wohnung über der Garage der Prestons zogen. Aber nicht für lange. Julianas Mutter hatte ihre heimlichen Treffen auf die Tageszeit verschoben. Juliana hatte oft Rasierwasser und Zigarrenrauch gerochen, wenn sie von der Schule nach Hause gekommen war.

Jetzt wurde Juliana von dem noch immer klingelnden Telefon auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Was, in aller Welt, machte sie denn hier? Es brachte nichts, in der ganzen schmutzigen Wäsche zu wühlen. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit konnte zwar vielleicht dazu beitragen zu begreifen, warum Menschen taten, was sie taten, aber sie half ihr nicht, mit der Gegenwart und Zukunft fertig zu werden. Sie konnte sich nur zusammenreißen, ans Telefon gehen und Blake zeigen, dass sich nichts zwischen ihnen geändert hatte.

Benimm dich, als würdest du am Arbeitsplatz einen geschäftlichen Anruf entgegennehmen, befahl sich Juliana und hob den Hörer ab. Schließlich war sie die Public-Relations-Chefin einer großen internationalen Kosmetikfirma und hatte reichlich Übung darin, unter Stress kühl und gelassen zu erscheinen.

„Juliana Preston“, meldete sie sich bewundernswert ruhig.

„Blake hier.“

„Du böser Mann, du hast mir solche Sorgen bereitet“, rief sie gespielt munter und klang ganz so, als wäre sie überhaupt nicht beunruhigt gewesen. Sein Lachen verstärkte ihre Überzeugung, dass es richtig war, so mit der Situation umzugehen. „Ich habe schon geglaubt, du hättest mich vorzeitig zur Witwe gemacht“, sprach sie fröhlich weiter.

„Geglaubt oder gehofft? Und meinst du nicht ‚zur lustigen Witwe‘? Ich besitze Millionen. Noch mehr nach den Geschäften, die ich gerade abgeschlossen habe.“

Juliana bekam eine Gänsehaut. Es war schlimm genug, dass Leute wie Stewart und Mrs. Dawson dachten, sie hätte Blake wegen seines Geldes geheiratet. Noch schlimmer war es, dass ihr Mann dieselbe Ansicht äußerte.

Vielleicht war es teilweise so gewesen. Jetzt war sein Geld jedoch unwichtig … Welche Ironie, dass Blake genau das hassen würde. Ihm gefiel die Abmachung, die sie getroffen hatten. Damals hatte Juliana geglaubt, das Gleiche zu wollen. Wenn sie ihm nur von ihrer neu entdeckten Liebe erzählen könnte.

Es war unmöglich. Er wollte nicht, dass sie ihn liebte. Wenn sie wünschte, Mrs. Blake Preston zu bleiben, würde sie ihre Liebe verbergen und weiter die Ehefrau sein müssen, die sie bis jetzt erfolgreich gewesen war. Sie vermutete jedoch, dass es ihr in Zukunft schwer fallen würde.

„Dann sind die Verhandlungen also gut gelaufen?“, fragte sie erstaunlich gelassen.

„Fantastisch!“, erwiderte Blake. „Ich mache gern Geschäfte mit den Asiaten. Sie sind eine echte Herausforderung.“

Juliana rang sich ein Lachen ab. „Und wie du Herausforderungen magst!“

„So?“

„Natürlich. Nur deshalb bist du in den Schoß des Familienunternehmens zurückgekehrt. Weil es damit abwärts ging. Dir hat der Gedanke gefallen, du könntest es wieder aufleben lassen.“

„Vielleicht hast du recht. Aber willst du mich nicht fragen, was mit meinem Flugzeug passiert ist?“

„Stewart hat mir eine ungefähre Vorstellung davon gegeben. Du kannst mir später mehr erzählen.“

„Solche Zurückhaltung. Manchmal glaube ich fast, du liebst mich nicht“, sagte Blake trocken.

Es zerriss ihr das Herz. „Wie kommst du denn darauf?“

Er lachte. „Darf ich hoffen, dass du nachher ein bisschen begeisterter über meine Rückkehr bist?“

Juliana versteifte sich. „Ich hätte gedacht, dass du dafür nach deinem kleinen Abenteuer zu müde bist.“

„Ich habe im Flugzeug geschlafen.“