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"Aber wir verstehen nicht. Oder glauben, nicht zu verstehen. Oder wir verstehen, können aber nicht sagen, was eigentlich." "Kafka erscheint uns rätselhaft, dabei schreibt er doch eigentlich in einer schlichten Prosa, seine Schilderungen sind präzise, seine Personen reden in einfachen Worten und es wird weder um das, was sie tun, noch um das, das sie reden, noch um das, was ihnen zustößt, ein großes Gewese gemacht. Aber wir verstehen nicht. Oder glauben, nicht zu verstehen. Oder wir verstehen, können aber nicht sagen, was eigentlich. Wir glauben immer etwas anderes, Drittes ausmachen zu müssen, das mit dem, was dort passiert, eigentlich bezeichnet wird, wir versuchen, das Rätsel zu lösen. Aber das ist vielleicht ein Fehler. Vielleicht sollte man Kafka anders lesen, nämlich ohne Reserve und ohne interpretatorische Ambitionen. So wie wir mittlerweile in der Malerei dreibeinige Pferde oder blaue Bäume hinnehmen können und auch atonale Musik und Wuppertaler Tanztheater: Wie es gerade kommt. "Amerika" wäre dafür ein guter Einstieg, denn man kann das Buch auch fröhlich als Abenteuerroman lesen, in dem zwar sprachlich immer mal wieder die Perspektiven verrutschen, der eine Satz dem anderen widerspricht, Überdeutlichkeit mehr zur Vernebelung als zur Aufklärung beiträgt, aber was soll's, die Geschichte ist gut und man will wissen wie es weitergeht, und es geht immer weiter, weil Karl Roßmann ein wackerer Held ist, der alles Mögliche tut, bloß nicht lockerlassen. Aber das ist natürlich noch nicht einmal die halbe Miete. Es bleibt die Rätselhaftigkeit, die geheimnisvolle Macht der Bilder, die unseren Erfahrungen zugleich ent- und widerspricht, die Magie einer Sprache, die sich von einem ruhigen Dahin fließen jederzeit und unvermittelt auftürmen kann zu den stürmischen Wellen äußerster Erregung, nur um gleich wieder abzuflauen und uns plaudernd einzulullen. Und alles ist ein bisschen schief, so wie im Kubismus, man sieht wie dort alles von allen Seiten zugleich und ist verwirrt, weil der Verstand rechtgibt, aber die Erfahrung widerspricht. Und so sind wir immer wieder versucht, innezuhalten und gründlich zu überlegen, was denn da eigentlich los sei. Wenn man das Hörbuch hört, gibt es zu diesem Zweck die Pausentaste. Oder man lässt es einfach laufen. Beides scheint mir der richtige Weg zu sein." Sven Regener über Franz Kafka
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Zeit:7 Std. 55 min