Analyse des Scheiterns oder das Prinzip der Selbsterschaffung - Christian Müller - E-Book

Analyse des Scheiterns oder das Prinzip der Selbsterschaffung E-Book

Christian Müller

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Beschreibung

Für den Menschen ohne Scheuklappen gibt es nach Camus kein schöneres Schauspiel als die Intelligenz im Kampf mit einer ihr überlegenden Wirklichkeit. So lässt sich zwar die Quantenmechanik mathematisch bändigen, doch widersetzt sie sich vehement allen Versuchen, sie in ein für den Menschen zugängliches Licht zu rücken. "Schrödingers Katze" und "Messproblem" sind dabei Schlagwörter, welche nicht nur in wissenschaftlichen Zirkeln kreisen, sondern längst das Allgemeininteresse geweckt haben. Kernpunkt aller Streitigkeiten bleibt dabei gerade der Realitätsbegriff. Mit ihm gewinnt oder verliert jede Philosophie. Die organistische Philosophie ist dabei der Versuch, die Welt in eine einheitliche Struktur und Methodologie, auf Basis des Äquivalenzbegriffes von Energie und Information, einzugliedern.

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Inhaltsverzeichnis

Impressum 4

Vorwort zur überarbeitenden Ausgabe 5

Vorwort 7

Einleitung 10

1 Spengler – Sturm und Drang 20

2 Bergson – Das Leben als Gegensatz zum mechanischen Weltbild 25

3 Maturana – Der Baum der Erkenntnis 33

3.1 Das Halten in der Rekurrenz des Sprachhandelns 33

3.2 Wissenschaft und Wirklichkeit 38

3.3 Einheit, Teil und Organisation 42

4 Heidegger – Das Sein des Da 47

4.1 Der hermeneutische Zirkel des Seins 47

4.2 Die Charakterisierung des Daseins 51

4.2.1 Wer ist es? 51

4.2.2 Die Unabgeschlossenheit des Daseins 52

4.2.3 Die Geworfenheit des Daseins 53

4.2.4 Das erschließende Verstehen 54

4.3 Die Leitfäden der Wissenschaft 58

5 Whitehead – Prozess und Wirklichkeit 61

5.1 Das wirkliche Einzelwesen 61

5.2 Das ontologische Prinzip 64

5.3 Das subjektive Ziel der Erfüllung 65

5.4 Die Konkretisierung 69

5.5 Die Theorie der Wahrnehmung 74

5.5.1 Das Empfinden 74

5.5.2 Physische, begriffliche und umgewandelte Empfindungen 75

5.6 Ordnung und Ordnungsschemata 83

5.6.1 Der Nexus 83

5.6.2 Das Leben als Katalysator von Ordnung 88

5.6.3 Das extensive Kontinuum 90

5.7 Kausale Empfindungen, vergegenwärtigende Unmittelbarkeit und symbolischer Bezug 93

5.7.1 Aussagen 99

5.7.2 Das Urteil und die emotionale Form 102

6 Spencer Brown – Die Form der Paradoxie 105

7 Eine kurze Bestandsaufnahme als Wissenschaftskritik 112

7.1 Realität und Weltbild 112

7.2 Die Paradoxien der Naturwissenschaft 120

7.2.1 Das ontologische Paradox 120

7.2.2 Das epistemische Paradox 123

7.2.3 Das methodologische Paradox 126

8 Die epistemisch-ontologischen Voraussetzungen und Fehlschlüsse der Quantenphysik 131

8.1 Das Weltbild der Organistik 131

8.2 Ist Wirklichkeit relativ? 138

8.3 Rund um das Messproblem 142

8.3.1 Theorie – das Skalpell des Wissenschaftlers 142

8.3.2 Der Messprozess 144

8.3.3 Gibt es eine bevorzugte Basis? 151

8.3.4 Zustandsreduktion, Dekohärenz und Bohmmechnik 153

8.4 Realität revisited 163

8.5 Das Dasein als Beobachter 174

8.6 Moderne, Klassik und Organistik Hand in Hand 179

9 Zeit und Wissen 183

9.1 Thermodynamik 183

9.2 Der Informationsbegriff 192

10 Das achte Millenniumproblem 195

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2022 novum publishing

2. Auflage

ISBN Printausgabe: 978-3-99048-760-0

ISBN e-book: 978-3-99048-761-7

Lektorat: Alexandra Eryigit-Klos

Umschlagfoto: Agsandrew, Sumkinn | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Vorwort zur überarbeitenden Ausgabe

Jeder neue Gedanke oder Gedankengebäude entwickelt sich erst. Es ist Vollzug und Prozess und erscheint nie voll und ganz und geschlossen vor den Augen. Erst mit einigem Abstand werden eventuelle Zweideutigkeiten, Inkonsequenzen oder neue mögliche Lösungsansätze sichtbar.

Zudem war uns zum damaligen Zeitpunkt die Philosophie von Spencer Brown nicht bekannt. Aufgrund der Nähe zu den Philosophien von Weizsäcker, Whitehead und Maturana wollten wir ihn daher nicht unerwähnt lassen, sondern ebenfalls als Autorität und Bürge für das Konzept der organistischen Philosophie aufrufen. Wir verweisen dabei in diesem Zusammenhang auf die äußerst lesenswerte Einleitung zu Spencer Browns Philosophie von Felix Lau, aus der die nachfolgenden Überlegungen im Wesentlichen Übernommen wurden.

Und natürlich sind wir uns auch an dem Mangel an Formelwerk in diesem Essay bewusst. Doch primär geht es zunächst um Interpretationsfragen oder deutlicher: Dem Abschluss derKopenhagener Deutung.

Gleichwohl wir uns von der physikalischen Intuition leiten lassen, nähren wir uns in diesem Exkurs mehr von der philosophisch-erkenntnistheoretischen Seite, da uns die mathematische wie es scheint, immer weiter fort von den grade so dringend benötigen Antworten treibt, ja mehr noch, das Fragen gänzlich eingestellt hat. So hoffen wir dass die neuerliche Überarbeitung wiederum zur Verbesserung beigetragen hat und auch andere Philosophen, Naturwissenschaftler oder einfach Interessierte zu inspirieren oder gar zu überzeugen – sie also für die organistische Philosophie zu gewinnen vermag.

Symphonie des Lebens,

Währest nur ein Lachen lang,

Kaum das Kummer und Sorg im Tränenmeer ertrank.

Bangend Not, Stund’ um Stunde band,

Schon im Himmel sanft ertönt,

Engelsgleicher Schwangesang.

Entlang des Werdens und Verderbens Pfad,

Des sterblich größten Geschenks

Sein größter Schrecken ward.

Die Zeit drängt und duldet nicht,

Des Schicksals fein geknüpfte Stricke

Unerbittlich sie zerbricht.

Doch zu entreißen bin nun bereit,

Mich dem Sog der kreisend’ Zeit

Und zu brechen, gleich sie zerbrach.

Vorwort

Fragen spiegeln im Voraus immer die ganze Not ihrer Zeit wider. Doch nicht nur zu fragen wie, sondern auch warum, bleibt ein kurioser, wundervoller und gleichsam typisch menschlicher Charakterzug. Es liegt in der Natur des Menschen sich seiner Existenz Rechtfertigung und Gewissheit zu verschaffen. Doch ob das Leben jemals verstanden, der Natur ein immanenter Sinn oder Zweck innewohnt, „… die Welt verstehen heißt sie auf Menschliches zurückzuführen, ihr einen menschlichen Siegel aufzudrücken“, so Camus.

Im lebendigen Zielen auf seine eigene Selbstbegründung symbolisiert der Geist dabei nicht nur die Emanzipation des Verstehens über das Empfinden, sondern auch einen dauernden Ort autonom, kreativer Emphase.

Wir finden uns und unsere Bezüge zur Welt als dem verstehenden Sein überantwortete Wesen, gerade in jenen Worten gemessenen reflexiven Bezügen und Begrifflichkeiten, die das Leben als Ablagerung des kreativen Strebens der Natur selbst einfängt.

Der Begriff der Aufgabe ist nach Gasset Wesensbestandteil des Menschseins. Wir stehen somit selbst in der Verantwortung, denn jene erschöpft sich eben nicht nur damit zu sehen oder zuhören, sondern vielmehr darin das Mögliche auszuschöpfen; nicht Erlösung, sondern das endlose Überwinden und Erheben ist Vermächtnis und Pflicht: Der Erlös des geborgten oder wie es nochmals Camus formulierte: „… der Mensch ist nicht ganz schuldig, da er die Geschichte nicht begann, aber auch nicht ganz unschuldig, da er sie fortsetzte“. Doch so liegt unabdingbar das Vermächtnis einer jeden Periode nun gerade darin, das Mögliche durch den seiner Zeit und Phase erfüllten Körper und damit vollzogenen Standpunkten zu ergreifen, ohne sich jedoch dabei den Blick von der Tradition her verdunkeln zu lassen.

Doch auch jene Sinnesfreuden und Stunden der Erkenntnis in welchen wir jenes Mehr zu erfühlen glaubten, bedeuten letztlich nichts, ohne sie zu teilen. Mit dem Verfassen dieser Schrift sehen wir unserseits uns nun der erdrückenden Last entledigt, all jene kostbaren Tage und Stunden durchschritten und aufgebraucht zu haben. Mag nun auch, kaum das die Feder über das Pergament gestrichen, all jene Gedanken gezeichnet, die Klauen der Zeit bereits wieder nach ihnen greifen; doch welch Wahl bleibt uns, als dem Narrentreiben mit guter Miene zu zollen, was der Vernunft zuwiderläuft.

Bizarr die Nacht sich endlos weitet,

Sehnsucht die zum Lichte drängt.

In schwarzer Mystik prophetisch keimt,

Verheißung welche alles zu geben

Und nichts zu fordern scheint.

Und hin zu jenen fernen Welten

Der Mensch sich sehnt,

Denn nur dort, wo er nicht sein kann,

Er sich glücklich wähnt.

Doch zu winzig um empor zureichen,

Zu groß auch um zu gleichen.

Entrückter Geist, der brenn’d Seel’ entsandt,

Mit Weisheit zu erfüllen,

Voll Ungeduld und Tatendrange

Das Verborgen’ und Stille zu enthüllen.

Doch nie gelingt’s, der unstillbar Dürste zu befrieden

Und aller Zweifel gänzlich zu besiegen.

Denn nicht kann gefasst,

Was nicht umhüllt.

Nicht entkleidet, was den Stoffe meidet.

Nicht kann genommen,

Was nur gegeben und nicht entzogen,

Was ewig zu währen, noch betrogen.

Nicht kann zerbrochen,

Was so behutsam gereift

Und doch lässt sich nicht unterjochen

Der Sturm des Lebens,

Der aller Seel’und Herzen streift.

Einleitung

Jede Zeit schreibt ihre eigenen Tragödien, besitzt ihre Höhe – und Wendepunkte. Und so folgte dann auch bald die Ernüchterung; denn dessen was nur noch ein letzter notwendiger Schritt hätte sein sollen, zu einer Zeit, als man sich den Sternen schon so nah zu fühlen glaubte; lehrte uns zu bescheiden, von unseren Vorurteilen und Hoffnungen Abschied zu nehmen. Der Wunsch auf einer letztlich elementaren Ebene objektive und unveränderliche Einheiten vorzufinden, aus denen sich das Weltgerüst nach noch zu bestimmenden Gesetzen zusammensetzt, erfüllte sich nicht. Doch es eröffnete sich ein Tor zu einer gänzlich neuen Welt, die es zu erschließen und darzustellen galt. Und die Arbeit war schnell getan, doch niemand wusste sie so recht einzuordnen. Ein erster und letztlich nie recht abgeschlossener Versuch mündete in der sogenannten Kopenhagener Deutung. Eine Art Kochbuch, welches zwar selbst keine Antworten, dafür aber doch einige nützliche Anleitungen für den sachgemäßen und rechten Gebrauch gab, um wenigstens den gröbsten Widersprüchen und Ungereimtheiten aus dem Weg zu gehen. Der Knackpunkt bleibt dabei jedoch gerade der Heilige Gral der Wissenschaft: DerRealitätsbegriff. Jener lässt sich in seiner naiven Fassung nicht mehr widerspruchslos in das moderne Weltbild integrieren.

Daten und Fakten waren das Symbol der letzten großen Epoche. Unsere Zeit ist das Alter der Prozess-, System- und Informationstheorien. Doch geben uns diese willkürlichen Elemente der Natur andererseits auch zu bedenken, dass wir uns immer in einer speziellen Phase der Naturgeschichte befinden. Dieser Exkurs will jedoch gerade das metaphysische Denken von diesen speziellen Epochen und den damit implizit vollzogenen Halte- und Standpunkten losgelöst wissen und zielt direkt darauf, die Natur als autopoietischer Prozess und sich selbst erhaltendes System zu verstehen.

„Ein Prinzip dunkelgründig als ob es nicht sei und doch ist es zwanglos aus sich selbst wirkend, gestaltenlos und doch voll zauberischer Kraft. Alle Dinge ernährt es und doch wissen diese nichts davon. Dies ist des Ursprungs Wurzel“. Wer es kennt, kennt nach Chuangtse Natur.

Nun lässt sich nach Spengler zwar aus dem Charakter einer Gegenbewegung leicht ersehen was sie bekämpft, hingegen aber immer ebenso schwer erkennen, was sie eigentlich erreichen will. Dieses Büchlein schöpft seine Kraft und Inspiration vornehmlich aus den ihr zugrunde liegenden Quelltexten der organistischen Philosophien, derer letztlich alle nur ein und denselben Gedanken in sich tragen: Die Weltgeschichte als Bild einer ewigen schöpferischen Gestaltung und Umgestaltung, eines wunderbaren Werdens und Vergehens organischer Formen und metaphysischen Entmechanisierung.

Von nun an stehen also nicht mehr Eigenschaft oder Maß, sondern System und Beziehung im Mittelpunkt des Interesses; eine Mechanik der Umbildungen, welche fortan die Operationen selbst mit einbezieht. Ein wechselseitig sich bedingendes und auf einander bauendes Beziehungsgeflecht mit Zug zur unendlichen Mannigfaltigkeit. Ein Standpunkt der sich seiner Möglichkeiten und Grenzen vollends bewusst und nicht vom zufälligen Standort des Betrachters, als interessierendes Glied einer bestimmten Kultur abhängt, die ihn verführt den Stoff aus einer beschränkten Perspektive zu lesen, ihm eine willkürlich an der Oberfläche anheftende Form, ausgehend von den zufällig gegenwärtigen gültigen Idealen zu geben.

Enthält die Moderne die klassische Physik als Grenzfall, so beruht hingegen die eigentliche versinnbildlichende Geistestätigkeit des Wissenschaftlers gerade auf dem entgegengesetzten Fall, in welcher die Klassik die Moderne als Grenzfall einschließt. Aber wie auch dem Geist Gewalt antun? Eine Paradigmenangleichung ist mit keinem Grenzübergang, Retuschieren und Modifizieren mehr zu erreichen.

Der Realitätsbegriff, dessen worauf sich die Wissenschaft in erster Instanz beruft und in höchster Abstraktion zu umgreifen versucht, bleibt die beobachterunabhängige Beschreibung einer Wirklichkeit; einer Realität wie sie Einstein geliebt, Bohr abgelehnt hätte. Das erklärte Ziel – der Titel dieses Büchleins deutet es an, bleibt hingegen grade die Befreiung vom diesem Erkenntnisideal der klassischen Physik und die Darstellung einer ontologisch-epistemischen Alternative, mit Hinblick auf das Paradigma der Moderne.

War der Realitätsbegriff naiver Auffassung noch der große Motor und Triebkraft, so stellt er mittlerweile doch ein ebenso großes Hindernis dar, welches es ebenso hartnäckig zu bekämpfen gilt. Es war der offensichtlichste, notwendigste und dennoch der Kardinalsfehler aller Erkenntnis – und Wissenschaftstheorien. Doch der Naturwissenschaftler tut was er tun muss; aller Fortschritt respektive alles Scheitern vollzieht sich nur an und durch greifbare Tatsachen. Die Tat kann sich nicht im Irrationalen oder an einem Ideal vollziehen. Somit bleibt der Wissenschaftler unausgesprochen Realist, wenigstens doch Pragmatist.

Der Philosoph – bleibt er konsequent, muss sich hingegen vollends auf das Subjekt als Apriori aller Erfahrung stützen und mit ebenso entschiedener Vehemenz alles darüber hinaus vernachlässigen. Hier liegt bereits eine jener Hürden einer gemeinsamen Naturbeschreibung verborgen. Wir brauchen eine metaphysische Erklärung, welche sich wieder mit der modernen Naturtheorie zur Deckung bringen lässt. Es braucht darüber hinaus ein Naturbild, dass nicht auf äußere Gründe und Beweger angewiesen ist, denn Welt als ein solches Totalitär kann definitionsgemäß keine äußeren, sondern nur innere Ursachen, Bewandtnisse und Wahrheiten haben.

Nun ist der Prozess der Selbsterschaffung dabei kein Kunstgriff, welcher die Anfangsgründe nur nach innen transformiert und so die Problematik, immer weiter nach hinten verschiebenden Verlagerungen umgeht; sondern er zielt vielmehr auf die Freilegung der ontologischen Struktur dieses Prozesses. Eine unmittelbare Konsequenz und eine der Kernthesen der organistischen Philosophie bleibt dabei gerade die Annahme, dass sich alle Probleme der Erkenntnistheorien nur als Rückgriff auf die Ontologie – und umgekehrt, verstehen und lösen lassen. Sie stellen keine getrennten Probleme sondern verschiedene Aspekte ein und derselben Medaille dar.

In Whiteheads Sprache wird der Begriff der fließenden Energie im Zugephysisch-begrifflicherUmwandlungen diesem Sachverhalt Rechnung tragen. Das Prinzip der Selbsterschaffung scheint uns fremd und unwirklich und doch begegnet es uns nahezu auf allen elementaren Ebenen, angefangen von den inneren Zusammenhängen zwischen der Materie und den ihr inhärenten Gesetzmäßigkeiten, bis hin zur Selbstreplikation des Lebens. Im Allgemeinen betrachten wir diese gewöhnlich alsHenne-Ei-Probleme, deren Verständnis erst mit dem Begriff derGleichursprünglichkeitHeideggers ermöglicht wird. Das Sein ist korrelativ mit dem Werden korreliert und damit zur zweiten Hauptthese und Präambel der der organischen Philosophie:Der Weg ist das Ziel!

In der Organistik besitzt einzig der Prozess unmittelbare Wirklichkeit. Epistemologisch ist somit nicht eine Unvollkommenheit des Erkenntnisvermögens schuld, sondern vielmehr die auf dieser Struktur beruhenden immanenten System – und Prozessgrenzen. Subjekt und Objekt lassen sich erkenntnistheoretisch nicht mehr nach der einen oder anderen Seite hin gewichten. Erkenntnis fußt in der Organik gerade auf der Verwobenheit der Dinge. Wirklichkeit bleibt somit auch immer auch ein perspektivischer Standpunkt und sein bestimmendes Element dieAbgrenzung.

Es liegt in der Natur der Sache als Selbsterschaffungsprozess, dass dessen konstitutive Vollzugsformen aus einer zumeist komple­mentären Mitte heraus entwickeln, welche somit jedwede Möglichkeit von Allaussagen oder Letztbegründungen unterbinden, mehr noch, die Potenzialität welcher dieser Struktur immanent ist, uns so zu einem endlos sich fortsetzenden Abenteuer führt.

Potenzialität ist die Freiheit sich den entsprechenden Forde­rungen und Erfordernissen seiner Zeit anzupassen. Zu evolvieren. Fortwährend wird dieserBrennstoffzur Entfaltung von Ordnung und Wissen verbraucht. Die organistische Philosophie will und kann kein Analogon zum naiven Realitätskonzept bereitstellen, denn gemäß ihrer Präambel richtet sie sich gerade am vollziehenden Prozess selbst aus. Doch im Gegensatz zu den traditionellen Philosophien erklärt sie auch nichts weg, sondern legt wie es Weyl forderte „… unverblümt den Finger in die Wunde, anstatt diese geschickt zu umschiffen“.

„Ein metaphysisches Denken hat ohne letzte Gründe auszukommen, es muss sich selbst an den Abgrund bringen“, bekräftigt Heidegger. Dies leistet zweifelsfrei die organistische Philosophie, was man ihr vorab jedoch nicht unbedingt zu ihren Gunsten hin wertet. Wir fordern aber auch keinen Bonus oder Vorschusslorbeeren, denn einzig einen aufgeschlossenen Geist, der fähig und willens sich über die Gewohnheit der täglichen begegnenden Welt, welche sich tief in das Knochenmark der Anschauung gegraben hat zu erheben. Die organistische Lehre, wonach reale Einheiten mehr sind als nur zusammengefasste Disjunktionen der enthaltenden Elemente, ist die Binsenweisheit der Kunst der Moderne. Ihre Motive sind die Gestalten und Formen, ein von Potenzialitäten sich nährendes Geflecht. In sich verwebende Strukturen, dessen Essenzen sich zu ganzheitlich geschlossenen Gebilden erheben, derer das Mögliche zum Wirklichen drängen.

Sicher braucht es im Auge des Betrachters eine Zeit lang um das abstrakte in seiner bestechenden Brillanz zu erfassen, die Antipoden und Symmetriebrüche aus denen es erwächst aufzulösen. Doch schimmern erst einmal die Formen an der Oberfläche, ziehen sie ihre Bahnen und ergreifen Besitz, werden zum Dogma, aus dem auch das wissenschaftliche Paradigma erwächst. Naturwissenschaft und Philosophie verschmelzen so zu einem Ganzen, aber teilbare Aspekte einer einheitlichen Weltschau. Doch auch eine solche Philosophie wird nicht an einem einzigen Tage geschaffen, sondern durch gemeinsame, fortgesetzte und einander sich ergänzende, berichtigende und verbessernde Bemühungen vieler, in dessen Zenit sich vielleicht die technisch formale Niederschrift finden wird.

So wies Nietzsche bereits darauf hin „… dass kein Fluss durch sich selber groß und reich ward, sondern weil er viele Nebenflüsse aufnahm und fortführte“. Als eine dieser Strömungen und ständige Quelle der Inspiration, wie auch Nachschlagewerk, von der hier bisweilen vielleicht mehr Gebrauch gemacht wurde, als dies ursprünglich geplant war und Sitte ist, sei hier stellvertretend für alle eventuell nicht namentlich erwähnten Beiträge, Gedanken, Zitate oder Autoren, derer mit einer Vielzahl kleiner, dennoch wichtiger Beiträge und so hoffentlich zum Gelingen dieser Schrift beitrugen, das wissenschaftliche ForumWikipediagenannt.

In jedem Falle ist und bleibt dieses Werk weder die Stimme eines einzelnen Autors, noch bloßes Sammelsurium einiger Jahrhunderte abendländischer Kultur, als vielmehr Fragment oder Skizze einer sich weiterentwickelnden Schrift- und Gedankenmasse, die der Mitarbeit weiterer bedarf. Es ist die Suche in der Vielfalt und Fülle der Erscheinungen, einfache und allgemeine Prinzipien anzugeben. Das Verlangen das Gefüge der Welt in einer umfassenden Struktur und Methodologie einzugliedern; auch wenn es für Camus „… nichts gibt, was das vergängliche Spiel der Erscheinungen zu transzendieren vermag, folglich das Scheitern am Ende des Geistes steht“.

Verbunden mit diesem Abenteuer stellt sich gleichfalls die Frage nach einer geeigneten Form der Darstellung. Feuerbach sah „… in jedem Werk ein Brief an die Menschheit…“ und „… um einen guten Liebesbrief zu schreiben – so der von seinen Leidenschaften geknechtete Rousseau – muss man anfangen ohne zu wissen was man sagen will und enden ohne zu wissen was man gesagt hat“. Einigen wir uns daher in der Mitte und versuchen den Funken welcher einer schier unstillbaren Leidenschaft seit jüngsten Jahren entsprungen, hier am Leben zu erhalten und im Gegenzug, ihn in eine für den Leser und des Werkes dienliche Form zu zwängen.

So sahen wir uns daher gezwungen einen Kompromiss dergestalt einzugehen; zum einen unter der Wahrung grade des Ziels dieses Buches, eben den Leser für die organistische Philosophie zu gewinnen und gleichsam die Interessen des Lesers selbst, im Hinblick auf Lesefluss und Verständnis zu wahren, welches jedoch ein pausenlos fortgeführtes Quotieren, Verweisen und Zitieren – wiederum den Belangen der einzelnen Autoren Rechnung tragend, diesem Ziele wohl entgegenstehen würde und nicht zuletzt eine unwirkliche Zerstücklung ihrer Werke und Gedankengänge zur Folge hätte, sodass wir uns letztlich der Pflicht und Schuldigkeit ausgesetzt sahen, auf einen einheitlichen Gesamtaufguss von Gleichklang und Synthese zu zielen, welcher weitestgehend für den Erhalt der inneren Ästhetik, jener bereits in der Geschichte verewigten Werke bürgt, deren wir uns als Quelle wie Werkzeug; frei jener großen Worte und Gedanken hier zu bedienen gedenken. In Schopenhauer noch einmal Bestätigung findend: „Schönheit ist ein Empfehlungsbrief, welcher es vermag die Herzen im Voraus zu gewinnen“.

Doch ein einziges Buch kann nicht alle Gebiete erschöpfend behandeln und will es auch nicht, sondern nur insoweit es für seinen engeren Rahmen und für sein Eigeninteresse von Gewicht ist. Es bleibt daher immer eine Gratwanderung von allgemeiner ästhetischer Überzeugungskraft und fachlich akribischer Spezifikation, wie etwa der zwischen Bergson und Whitehead. Bergson mit seiner ästhetisch, bildhaften Sprache, die sanft an der Oberfläche ohne jedweden Widerstand entlang gleitet und somit der Intuition Tür und Tor öffnet. Ihm gegenüber steht Whitehead, der wohl als der eigentliche Begründer der organistischen Philosophie angesehen werden darf. Whitehead – Genie und mathematischer Akribiker, dessen Lebenswerk jedoch nicht ohne eine gewisse Ironie ist. Kaum vor der Vollendung stehend, brachte ein junger bis dahin weithin unbekannter Mathematiker sein und Russels epochales Werk zum Einsturz. Whitehead flüchtet in die Philosophie. Doch sollte es weniger eine Flucht, denn Befreiung werden. In bereits reifem Alter beginnt er mit dem Ausbau seiner eigenen Philosophie. Ob er sich selbst darüber klar war, wie weit sie doch gerade dem entgegensteht, was ihn zur eigentlichen Aufnahme der Arbeit an derPrinzipia Mathematicamotivierte?

Irgendwo dazwischen finden wir Spengler – Mathematiker sicher – doch vielmehr auch ein literarischer Wagner, dessen metaphysischer Sturm durch unsere Einführung weht. Heidegger der wie Whitehead die Zeichen der Zeit erkannt und richtig gedeutet hat und mehr noch, in sicher oft gewöhnungsbedürftigen Neologismen, uns das unausdrückbare fast kafkaesk vor Augen führt. All jene Autoren stehen – bekennend oder nicht, wiederum in der Tradition der europäisch abstrakten Philosophien.

Die Hauptgefahr für die Philosophie liegt nach Whitehead in der Enge der Auswahl des Anschauungsmaterials, was wiederum auf Berührungsängste einzelner Gruppen, Denkschulen oder gar Epochen beruht. Hier kommen sieben Autoren mit verschiedenen Temperamenten, Denkschulen und teils unterschiedlichen Epochen und Intentionen zu Wort, die um einen Sprecher erweitert werden, dessen subjektive, doch nicht zuletzt dogmatische Stimme eisern gewillt ist, diese Abhandlung in die gewünschte Richtung zu treiben, daher all jene Philosophien und Werke eben nur insoweit versklavt, wie es gerade dem Werk, welches unter dem Banner der organistischen Philosophie weht, von Bedeutung und Eigeninteresse ist. Daher mögen sich im Zuge dieser Synthese und Auslegung gelegentlich ungehörige Kürzungen, Angleichungen und streitbare Interpretationen auffinden lassen, dennoch sind wir der festen Überzeugung, dass all jene Autoren und Denker, Philosophen und Naturwissenschaftler, diesen organistisch konzipierten Gesamtaufguss so unterzeichnet und gut geheißen hätten.

Wenn das Leben aus der Vielzahl jener schmerzhaften Lektionen, die es die Freundlichkeit hatte uns zu erteilen eins lehrte, dann eben die Erkenntnis des goldenen Mittelweges. Glaubte sich Kant noch als ein solcher Vermittler, so brachen letztlich doch erst Heidegger und Whitehead mit den traditionellen Subjekt-Objekt Philosophien. Doch gleich wo oder wie man gewillt ist anzusetzen, bleibt das Leben in seiner Unmittelbarkeit, Bedeutung und Gewissheit die einzig uns verfügbare und wahrnehmbare Stimme und verkörpert grade in seiner typisch immanenten Rück- und Selbstbezüglichkeit, einen ersten Hinweis auf das Prinzip der Natur und damit des Seins selbst, das imLebeneben selbst schon je zu Worte gekommen ist.

Folglich wurde es für all jene Autoren selbst zum Ausgangspunkt und zentralen Thema ihrer Philosophien. Es kennzeichnet den Beginn und Endpunkt allen Strebens und nicht zuletzt wissenschaftlichen Handelns; gleichwohl es nur die Spitze, das Konzentrat einer universellen Bewegung symbolisiert, welches die organistische Philosophie systemisch zu umgrenzen und prozessual zu beschreiben versucht. Doch wenn wir uns somit eingestehen, dass der Aspekt des Lebens selbst nicht mehr vernachlässigbar sondern stets mit einzubeziehen ist, dann impliziert dies bereits schon den Bruch mit den traditionellen Philosophien und Weltbildern.

Bewusstsein ist das Empfinden seines Selbst. Auch wenn der Körper noch ganz Natur, so drängt der Mensch doch immer mehr in dieses organische Prinzip, in sein eigenes Wachstum und Werden hinein. Doch somit dürfen wir nicht naiver Weise glauben, das dabei nur ein einziger Blick, nur eine Periode oder Theorie, nur eine Logik genügt, um die Welt in all ihren Facetten, Variationen, Zusammenhängen, Gestalten und Formen; ihren Zusammenhalt und organischen Bezügen, Relationen und Ordnungen, ihrer Potenzialität und freien Variablen zu erfassen und darzustellen.

Natur ist ein Pfad voller Irrtümer, Widersprüchlichkeiten und gegenläufigen Bestrebungen. Sie besitzt dabei kein eigentliches raumzeitliches, doch sehr wohl ein ontologisch-epistemologisches Zentrum.Das Zwischen!

Auch wenn nun jede neue Philosophie kraft ihres Schwunges und gefestigten Selbstbewusstseins zur Überwindung drängt, so liegt es doch auch im Wesen der Natur und insbesondere des organistischen Prinzips selbst, fortwährend an den eigenen Grenzen zu rütteln. Vielleicht ist Philosophie zu einem guten Teil einfach auch nur eine notwendige Freiheit, eine tief immanente reflexive Haltung im Zuge der Selbsterhaltung neue Wege, Mittel und Methoden verfügbar zu machen, um die eigenen Grenzen zu überwinden.

Diese Schrift ist daher nicht als eine streng wissenschaftliche Abhandlung verfasst, sondern soll vielmehr dazu verführen, ein wenig zu sinnieren, abzuschweifen und zu hinterfragen. Nichtsdestoweniger kann aus dem hier zum Methode und Prinzip erklärten, Kraft geschöpft, Sinn und Wert abgeleitet werden und Aufbruch zu neuen, aufregenden Ufern erfolgen.

Es gibt somit ein gemeinsames Band, welches in seiner unerreichbaren Gänze zur Einheit fließt; mag es auch nicht geschlossen darstellbar oder gar irrational erscheinen, das Ideal damit auch immer an der Tat und Wirklichkeit zerbrechen, gleichsam es doch auch kein Rechtsanspruch auf Harmonie und Gleichklang gibt. Denn die Wesenszüge sind niemals gänzlich verwirklicht, sondern immer nur auf demWegdorthin und nach der Organistik ist jener wiederum gerade das Ziel.

1 Spengler – Sturm und Drang

Im Lichte des Tages verleugnen die nahen Dinge den fernen Raum, in den Nächten siegt der Weltraum über die Materie. Wenn das nüchterne Tageslicht dem sinnlichen Rot der Abendsonne weicht, fühlen wir uns aller stofflichen Last entledigt, von den Bürden des Sorgens und Besorgens befreit; die gezäumte Seele wieder in die Freiheit entlassen. Nun misst der Atem des Lebens nicht mehr in Sekunden oder Metern, sondern durchschreitet in Jahrmillionen von Lichtjahren in einem Zuge. Es verkehrt sich das Bild; nicht sein natürliches Habitat wirkt zwanghaft auf ihn ein, sondern der Geist nimmt fragend und wundernd, wieder liebend an.

Jener Moment der Gegenwärtigkeit reiht die großen Epochen formlos aneinander, richtet verheißungsvoll den Blick in die Ferne. Der über die Horizonte schweifende Geist bindet das Ferne, die Zukunft im Hier und Jetzt. Das Morgen empfindet er als Aufgabe und Ziel. Im losgelösten Erfühlen erstarkt das im Moment geballte Leben und gibt die leidenschaftliche Richtung vor; weckt ein Gefühl von übermütiger Größe und unbedingtem Willen sich an diese ferne Mystik, an dieses geheimnisvolle Rätsel zu wagen. Von nun an umspült er die Welt mit einem sehnsüchtigen Verlangen, einen nie zu stillenden Hunger nach Weiten und Tiefen, dieses Unendliche für den Menschen fassbar zu machen. Es ist nicht leicht sich dieser Kraft zu widersetzen und noch schwerer sich innerhalb vertretbarer Grenzen zu bescheiden. Jenes Gefühl des Erwachens konvergiert nicht in ein Formelgeflecht, sondern treibt hinaus, den Hunger, die Gier nach Leben und Vervollkommnung zu stillen; manifestiert sich als Sehnsucht nach Schönheit, Größe und Unsterblichkeit, findet als universelle Liebe in Form von Erkenntnis, Dichtung oder Kunst Hoffnung und Erfüllung. So bedrängt ein schauriges Gefühl von tiefer Empfindsamkeit und mit bedeutungsvoller Identität erhebt sich aus der Trunkenheit der Sinne nun der aufstrebende Geist. Ich und Weltgefühl beginnen zu wirken.

Im Zuge dieses Autonomiebestrebens steht nun Natur als Objekt und Aufgabe vorstellig. Jede Kultur ist nur Steigerung dieser Empfindsamkeit. Ein Dasein das mit tiefstem Bewusstsein geführt wird, das sich selbst zusieht, eine Kultur der Memoiren und Ausblicke. Alle Ethik dieser Kultur will dem Leben die denkbar aktivste Form geben. Damit steht aber auch der Gegensatz von Innen – zur Außenwelt; eine aus der körperlichen Beschränktheit sich nährende Weltangst, gegen die Kräfte des Chaos nach außen und des Unbewussten nach innen.

Aus dem Kontrast des mit der Erde verbundenen traumhaften Daseins, dass der unnahbar schwarzen Weite des unendlichen Raumes entgegensteht, erhebt sich nun die ihrer Einsamkeit im All bewussten Seele zur Zentralsonne, von der sie die Welt perspektivisch abmisst und etwas sucht, was lange vor ihr anhob und lange nach ihr endet. Etwas was sie begreift und teilnimmt: Den Konsens am Allgemeinen. Diese zu stillende Sehnsucht ist aber vor allem auch die Angst vor der grausamen Mitgift, die das Leben selbst mit sich führt und unnachgiebig einfordert. Schon in der Gegenwart fühlt man das Vergehen, in der Zukunft das Ungewisse. Der gewaltsame und vernichtende Ernst über diese Einsicht drängt mit Notwendigkeit zu Illusion und Trost; eine im unbewussten Dasein liegende triebhafte Abwehr. Die tragische Moral einer Kultur begreift die Schwere des Seins, zieht daraus jedoch ein Gefühl des Stolzes – Spengler spricht von einer „berauschenden Schönheit im Ertragen“.

Die Überwindung jener Angst ist die des Bannens, Fassens und Gestaltens, die symbolische und symbolhafte Grenzsetzung, in welcher nicht der Mensch sich den Mächten der Finsternis nährt, sondern vielmehr er sich dieser Welt als greif- und begreifbare, als ein mathematisches Universum bemächtigt. Das ist seine und nur seine Welt, nicht die Weltan-sich. Doch dieser Eroberungs – und Verwirklichungsdrang sprengt bald die engen Grenzen der Sinn- und Sinneswelt. Er will weiter, will verschmelzen mit dem was nicht herausgelöst erfahren und gedacht werden kann. Die Welt steht somit der bekannten Paradoxie gegenüber, dass sie zumindest in den höheren Wirklichkeiten nach neuen verlangt und doch zugleich heimgesucht wird von der Angst, vor dem Verlust der Vergangenheit mit ihren Vertrautheiten und Geliebten.

Doch wehe dem Verlangen nach Ausdruck steht ein Hindernis vor. So drängt der Geist mit seiner ganzen Vehemenz und Systematik hin zu neuen Ufern, treibt seine Schiffe ins Exil hinaus auf die offene See, peitscht auf der Suche nach Mythen und Zukunft durch aller Schleusen, als wären jene Myriaden von Kämpfen nivelliert. Heimatlos, irrend errichtet er Notbehelfe, adoptiert, unterjocht und verdammt; dürstend den bittersüßen Nektar der Wahrheit bis auf den Grund der Schale zu leeren, bis die Flut neuerlich hinein bricht und das Wesen berstet.

Das Maß der Natur ist die Maßlosigkeit. So scheint es auf der Suche nach Sinn und Wahrheit keinen Fixpunkt, keinen festen Anker der tief genug wurzelt, keinen sicheren Hafen zu geben, den wir jederzeit anlaufen könnten. Alles scheint sich in Widersprüchen und Zirkeln aufzulösen. Gleich welche Strömungen oder Tendenzen tangieren, sie greifen allesamt nach dem Unmöglichen, nach dem was weder der Zeit noch der Möglichkeit nach umgestoßen zu werden vermag.

Wenn Philosophie somit um Unmögliches ersucht, so erfährt diese Unternehmung einzig im Zweck Berechtigung. „Gründe stammen aus Überzeugungen und nicht Überzeugungen aus Gründen“, so Kierkegaard und „… die Quelle dieser Überzeugung ist das Ideal“ und die Quelle des Ideals wiederum bleibt nach Schlegel „… der heiße Durst nach Ewigkeit“. Die Wissenschaft sucht in ihr ihre Prinzipien, das Wahre Recht, die Hoffnung Halt, das Vergängliche Zuflucht, das Flehen Antwort und der Dogmatiker letztlich Bestätigung.

Doch liegt die eigentlich fruchtbare Kunst bereits schon imFragenselbst. So verführen gerade die großen, in Stein gemeißelten ewigen und letzten Fragen zum unbedingten Glauben an das Mögliche: An das Wissen. Ein aufsteigendes Denken erschöpft dieseUrfragenmit steigender Gewalt des geistigen Ausdruckes in immer neue Antworten, die ihr Körper als Verwirklichung dieser Kultur und inneren Möglichkeiten erfüllt.

Kritisches Wissen beruht dabei auf dem Glauben der Überzeugtheit des Verstehens von heute über das Gestern. Kann Kritik uns also – so Spengler „… von dem Albdruck der großen Fragen erlösen oder nur ihre Unlösbarkeit feststellen? Am Anfang glauben wir Ersteres, je mehr wir wissen letzteres“. Dessen was gestern noch Gewissheit, ist heute bereinigt. Dies sind keine schöpferischen Zweifel die zum Ziele führen, sondern die Leugnung der Möglichkeit einer geschlossenen und widerspruchslosen Darstellung einer Naturwissenschaft überhaupt.