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Anatol – eine Figur, wie sie nur im Wien der Jahrhundertwende Gestalt annehmen konnte: der leichtsinnige Melancholiker, der verführte Verführer, der Komödie spielende Liebhaber, von Stimmungen gelenkt, im Augenblick lebend, ein in Szenen des Lebens fragmentiertes Subjekt, episodisch wie der Zyklus kleiner Einakter, in denen der 26-jährige Arthur Schnitzler ihn erschuf.
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Seitenzahl: 27
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Arthur Schnitzler
Anatols Größenwahn
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Anatols Größenwahn
Personen.
[Stücktext]
Impressum neobooks
Anatol
Max
Baron Diebl
Musiker Flieder
Berta
Annette
Die Gartenseite eines freundlichen Gasthofes, dessen Front den größten Teil des Hintergrundes einnimmt. Eine breite Terrasse läuft der ganzen Front des Gasthofes entlang; zu derselben führen von der Szene, die einen Garten vorstellt, zwei Treppen hinauf. Im Hintergrund, soweit derselbe nicht durch das Haus gedeckt ist, eine anmutige Hügellandschaft, die eben in Dämmerung zu versinken beginnt. – Während die eine Seite des Hauses in die Kulisse gerückt ist, steht die andere frei – und an dieser Seite läuft eine Pappelallee, die direkt an dem Gitter des Gartens vorüberführt. Auf der Terrasse stehen, ebenso wie im Garten, einzelne Tische mit Stühlen, die alle leer sind. Anatol und Max sitzen an einem der Tische, die auf der Terrasse stehen, Zigaretten rauchend.
ANATOL. Erinnerst du dich noch, mein lieber Max, wie wir das letztemal da saßen?
MAX. Das ist schon lange her, glaub ich!
ANATOL. Ja ... Ich brauchte damals zufällig diese Dekoration ... mit ihrer Anspruchslosigkeit und Milde ... ich brauchte diese Landstraße mit den trivialen Pappeln ... diese Wiesen da drüben, mit ihrem lauen Grün ... die nahen Hügel, die im Abendrot verschwimmen ...
MAX. Und heute?
ANATOL. Heute lieb ich diesen Hintergrund um seiner selbst willen –
MAX. Deine letzte Liebe?
ANATOL. Nein ... nur eine neue Art von Liebe, die eben jetzt an die Reihe kommt, die Liebe für die Dinge als Dinge –
MAX. ?
ANATOL. Für die Natur als Natur ... für die Hügel als Hügel ... für die Zigarren als Zigarren ... für den persischen Diwan als Diwan ..., während ich ja bisher an den Dingen nur ihre Beziehungen zu den Menschen liebte.
MAX. Also mit uns Armen bist du fertig?
ANATOL. O nein! Meine Freunde – dich ganz insbesondere – lieb ich noch immer.
MAX. Glaub doch das nicht! Ich bin immer nur für die Stichwörter dagewesen.
ANATOL. Wenn es so war ... das ändert sich jetzt, mein Lieber. Ich fürchte, auch das ist ein Zeichen nahenden Alters. Ich interessiere mich in der letzten Zeit auffallend für die Meinungen anderer.
MAX. Ah!
ANATOL. Ich kann zuhören, ich werde aufmerksam ...
MAX. Hast du mich darum nach so langer Zeit wieder aufgesucht?
ANATOL. Ich hatte ein so tiefes Bedürfnis, wieder mit dir zu reden! Mir ist, als hätte ich dir ein Testament vorzuplaudern!
MAX. Ach geh ... was ist das für eine neue Pose! Sentimentalitäten!
ANATOL. Nein ... es ist so ernst ... das Ende, mein Lieber! Mein Herz setzt seinen letzten Willen auf!
MAX. Macht's dich melancholisch?
ANATOL. Nein, o nein. – Ich will nicht mehr geliebt werden – ich will nicht.
MAX. Na, du würdest dich drein zu ergeben wissen.
ANATOL. Nein – ich will nicht meine letzte Illusion verlieren!
MAX. Welche denn?
ANATOL. Daß die Jungen von uns nichts zu fürchten haben! Das ist eine von denen, die ich mir mühsam erhalten habe.
MAX. Du hast sie ja nie gehabt, diese Illusion! Glaube doch das nicht! Immer warst du ein Virtuose der Eifersucht!