Andreas Vöst - Ludwig Thoma - E-Book

Andreas Vöst E-Book

Ludwig Thoma

0,0

Beschreibung

Ludwig Thomas Bauernroman erzählt die Geschichte des Andreas Vöst, der gegen den Willen des Dorfpfarrers zum Bürgermeister gewählt wird. Es entsteht ein erbitterter Kleinkrieg und zwischen Diffamierung und Provokation stirbt sogar ein Mensch ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 390

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Andreas Vöst

Ludwig Thoma

Inhalt:

Ludwig Thoma – Biografie und Bibliografie

Andreas Vöst

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebentes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel

Elftes Kapitel

Zwölftes Kapitel

Dreizehntes Kapitel

Vierzehntes Kapitel

Fünfzehntes Kapitel

Sechzehntes Kapitel

Siebzehntes Kapitel

Achtzehntes Kapitel

Neunzehntes Kapitel

Zwanzigstes Kapitel

Andreas Vöst, Ludwig Thoma

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849637590

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Ludwig Thoma – Biografie und Bibliografie

Geb. am 21. Januar 1867 in Oberammergau als fünftes Kind des Försters Max Thoma und dessen Ehefrau Katharina, gest. 26. August 1921 in Tegernsee. Mit 7 Jahren Umzug nach München-Forstenried und Tod des Vaters. Schon als Schüler war Thoma immer wehrhaft gegen die damalige Doppelmoral und besuchte bis zum Abitur 1886 insgesamt 5 Gymnasien. Es folgte ein Jura-Studium und eine Anstellung als Rechtspraktikant von 1890 bis 1893. Nach dem Tod der Mutter 1894 beginnt er in Dachau als Rechtsanwalt zu arbeiten und entdeckt alsbald seine literarische Ader. 1899 widmet sich Thoma mehr und mehr der Zeitschrift "Simplicissimus" und wird im folgenden Jahr dessen Chefredakteur. Es folgte seine produktivste Zeit, die 1906 in der Herausgeberschaft der Zeitschrift "März", zusammen mit Hermann Hesse, gipfelte. Im Ersten Weltkrieg dient Thoma als Sanitäter, erkrankt aber selbst an der Ruhr. Er stirbt 1921 an Magenkrebs in seinem Haus in Tegernsee.

Wichtige Werke:

1897: Agricola1899: Die Witwen1901: Die Medaille1901: Assessor Karlchen1902: Die Lokalbahn1904: Der heilige Hies, illustriert von Ignatius Taschner1905: Lausbubengeschichten1906: Andreas Vöst1907: Tante Frieda1907: Kleinstadtgeschichten1909: Moral1909: Briefwechsel eines bayrischen Landtagsabgeordneten1910: Erster Klasse1911: Der Wittiber1911: Lottchens Geburtstag1911: Ein Münchner im Himmel1912: Magdalena1912: Jozef Filsers Briefwexel1913: Die Sippe1913: Das Säuglingsheim1913: Nachbarsleute1916: Die kleinen Verwandten1916: Brautschau1916: Dichters Ehrentag1916: Das Kälbchen1916: Der umgewendete Dichter1916: Onkel Peppi1916: Heimkehr1916: Das Aquarium und anderes1917: Heilige Nacht1918: Altaich1919: Münchnerinnen1919: Erinnerungen1921: Der Jagerloisl1921: Der Ruepp1921: Kaspar Lorinser (Fragment)

Andreas Vöst

Erstes Kapitel

Es war ein schöner Herbsttag.

Die Sonne war gelb wie eine Butterblume und sah freundlich auf die abgeräumten Felder herunter, als betrachte sie behaglich die Arbeit, welche sie den Sommer über getan hatte.

Und die war nicht gering. Selten war eine Ernte besser geraten, und die Sonne hatte an vielen Tagen ihre Strahlen herunterschicken müssen, bis die schweren Ähren gereift waren. Und wieder hatte es Wochen gedauert, bis die Halme am Boden lagen und bis die hochbeladenen Wagen ihre Lasten in die Scheunen gebracht hatten.

Nun war es geschehen, und in allen Tennen schlugen die Dreschflegel den Takt; hier und dort trotteten geduldige Pferde an den Göpeln im Kreise herum, und im Hofe des Hierangl fauchte und pfiff eine Dampfmaschine. Überall war fleißiges Treiben, und wenn die Sonne mit einem freundlichen Stolze darüber lachte, so hatte sie recht, denn es war ihr Werk, und es war ihr Verdienst.

Die Dorfstraße von Erlbach lag still und verlassen; die Menschen hatten keine Zeit zum Spazierengehen, und die Hühner liefen als kluge Tiere um die Scheunen herum, wo sie manches Weizenkorn fanden.

Einige Gänse saßen am Weiher, streckten die Hälse und stießen laute Schreie aus; das taten sie, weil sich die Türe eines kleinen Hauses öffnete und zwei Männer heraustraten.

Der vordere trug einen Pickel auf der Schulter, der andere eine Schaufel, und sie gingen gegen die Kirche zu, in den Friedhof.

Die eiserne Gittertür kreischte und fiel klirrend ins Schloß. Nun konnte es jeder wissen, daß die beiden Totengräber waren, und daß an diesem schönen Tage, mitten in dem emsigen Leben, ein Mensch gestorben war.

Die zwei blieben nicht im Friedhof, sie stiegen über die niedrige Mauer und fingen neben derselben in einem verwahrlosten, kleinen Grasflecke zu graben an.

Das war ungeweihte Erde, in die man Selbstmörder und ungetaufte Kinder legt. Es hatte sich aber kein Erlbacher selbst entleibt, sondern das neugeborene Kind des Schullerbauern Andreas Vöst war unter den Händen der Hebamme gestorben.

Diese Person hatte nicht die Geistesgegenwart, sogleich die Nottaufe zu vollziehen; die Mutter war bewußtlos, und sonst war niemand anwesend, denn alle Hände waren zur Arbeit aufgeboten.

So geschah es, daß die kleine Vöst nicht in den Schoß der heiligen Kirche gelangte und als Heidin nach einem viertelstündigen Leben verstarb.

Ich weiß nicht, ob der liebe Gott den unchristlichen Zustand eines Kindleins so hart beurteilt wie seine Geistlichen, aber das eine ist gewiß, daß es nicht in geweihter Erde ruhen darf, worein nur Christen liegen; darunter manche sonderbare.

Also deswegen warf der Totengräber Kaspar Tristl mit seinem Sohne neben der Kirchhofmauer die Grube auf.

Er nahm den Hut ab; jedoch nicht aus Ehrfurcht, sondern weil es ihm warm wurde.

Er wischte sich mit dem Hemdärmel über die Stirn und sagte:

»Wenn er g'scheit g'wen woar, hätt er g'sagt, daß er eahm selm g'schwind d'Nottauf geben hat.« – Er meinte den Schuller.

»Ja no,« sagte der Sohn und schaufelte gleichmütig weiter.

Der Alte spuckte in die Hände und brummte:

»Eigentli is 's dumm.«

Dann arbeitete er wieder drauf los, und nach einer Weile war das Grab fertig. Es war klein und unansehnlich. Und da die Erde nicht sorgfältig daneben aufgeschichtet war, sondern mit Grasstücken untermengt herumlag, sah es recht jämmerlich aus.

Tristl dachte wohl, daß es für ein Heidenkind schön genug sei, und er stieg bedächtig über die Mauer zurück. Es war spät geworden; die kleinen Holzkreuze der Armen lagen im Schatten, aber auf die hohen Grabsteine schien die Abendsonne, und die goldenen Buchstaben glänzten schier heller als am Tage.

Die Reichen haben es überall besser.

Der Totengräber ging mit seinem Sohne durch den Friedhof.

Als er draußen war, sah er einen Mann mit raschen Schritten gegen den Pfarrhof zueilen.

»Aha!« sagte er, »der Schuller geht zum Pfarrer. Dös werd eahm weng helfen.«

Und er setzte hinzu: »Eigentli is 's dumm, daß a jeder Spitzbua drin liegen derf, und an unschuldig's Kind net.«

Der Pfarrhof von Erlbach ist ein schönes, stattliches Gebäude, zwei Stockwerke hoch, jedes mit sechs Fenstern nach der Straße hinaus. An der hellgetünchten Mauer rankt üppige Klematis hinauf und gibt dem Hause ein freundliches Aussehen.

Davor liegt ein Blumengarten; so bunt, wie es der Geschmack hierzulande liebt. Rote und gelbe Georginen, blasse Malven, dazu Astern in allen Farben sind in reichlicher Fülle da.

Die Beete sind mit Reseden eingefaßt, und am Zaune bemerkt man auch eine Blume mit braunem Sammetkleide. Man heißt sie die schwäbische Hoffahrt.

In der Mitte des Kiesweges, welcher zur Türe führt, ist ein Springbrunnen; daraus steigt ein Wasserstrahl in die Höhe, nicht dicker als eine Stricknadel, und fällt mit einem kaum vernehmlichen Plätschern nieder. Es ist ein Ort der Beschaulichkeit. Und darüber liegt eine Ruhe, welche dem heiligen Charakter des Hauses angemessen ist.

Der Pfarrer wandelt hier mit ruhigen Schritten, während er im Gebete versunken ist; und der Kooperator geht so leise herum, daß man das Schmatzen seiner Lippen hört, wenn er sein Brevier liest. Ein gottseliges Wesen ist in der Luft und dringt durch die Fenster und Schlüssellöcher. Unsichtbare Englein fliegen herum, durch keinen rauhen Lärm verscheucht.

Alle Türen klinken leise ein, und die fleischlichen Menschen schlürfen auf Pantoffeln durch den gewölbten Gang.

An allen Wänden ist Frömmigkeit, nichts als Frömmigkeit.

Hier hängt das Bild des Erlösers mit der Dornenkrone. Dicke, rotgemalte Blutstropfen stehen auf seiner Stirne und rinnen über den goldgestickten Krönungsmantel herab; dort ist Maria zu erblicken, die ihr Antlitz schmerzlich zum Himmel richtet. Aus ihren Augen fließen reichliche Tränen, und in ihre Brust sind spitzige Schwerter eingebohrt.

Darunter steht: »Heilige Maria, Mutter des Weltheilands. Meines Herzens sehnlichster Wunsch und Gebet ist, daß mein Volk selig werde. Amen.« Über einer anderen Tür ist ein großes Herz gemalt, und wieder fallen Blutstropfen hernieder über die helle Wand. In großen Buchstaben liest man geschrieben: »Süßes Herz Jesu, sei meine Liebe!«

Neben der Treppe ist ein kleiner Altar aufgebaut; davor leuchtet eine rote Ampel still und feierlich in dem Frieden dieses Hauses.

Aber heute wurde es mit einem Male laut. Jemand riß heftig an der Glocke, daß sie durch den Gang schrillte, und als die Köchin Maria Lechner beim Öffnen der Türe den Ruhestörer zurechtweisen wollte, stapfte er schon an ihr vorbei auf genagelten Stiefeln.

Die Schritte hallten an den Wänden wider, und bei dem ungewohnten Lärm zitterten die Heiligenbilder in ihren Rahmen, und die Englein flüchteten erschrocken durch das geöffnete Fenster.

Auch Fräulein Lechner war aus ihrem Gleichmaße gebracht; während sie sonst, wenn Besuch kam, die Hände sittsam zum Gebete faltete, stemmte sie diesmal die Arme in die Seiten und fragte mit fetter Stimme: »Was ist denn das für ein Lümmel?«

Es war Andreas Vöst, der Schullerbauer von Erlbach, und er stieß jetzt an alle Stufen an, daß die alte Stiege krachte und seufzte. Denn sie war an solche Tritte nicht gewöhnt.

Oben unterbrach der Kooperator sein Gebet und schaute entsetzt auf den Gang hinaus. »Gelobt sei Jesus Christus!« sagte er; der Schuller achtete nicht darauf und ging weiter bis zur vordersten Türe.

Er hatte kein Empfinden für die Heiligkeit dieses Hauses, er klopfte mit groben Knöcheln an und wartete kaum auf das »Herein«. Und drinnen stand er breitbeinig vor seinem Seelsorger und sah ihn mit Blicken an, die keine Demut verrieten.

Herr Georg Baustätter, Pfarrer in Erlbach und Kämmerer des Kapitels Berghofen, ging ihm entgegen und lächelte. Aber es lag Trauer in diesem Lächeln.

Und er sagte: »Ich weiß, warum Ihr kommt, Vöst.«

»Dös is net schwaar zum derraten,« erwiderte der Schullerbauer, »also is 's jetzt soweit, daß ma dös kloa Kind eigrabt, als wia r' an Hund?«

»Es ist die Vorschrift unserer heiligen Religion.«

»So, heilig is dös?«

»Werdet nicht heftig!« sagte der Pfarrer und sah auf seine gefalteten Hände nieder, »ich bin doch heute morgen bei Euch gewesen und habe Euch alles auseinandergesetzt.«

»Ja, aba i hab gmoant, es kunnt no anderst wer'n. Jetzt hat da Kaspar scho 's Loch aufgraben. Mei Knecht hat'n g'sehg'n.«

»Wir dürfen über die Gesetze unserer Kirche nicht murren; wir müssen bedenken, daß sie unsere Mutter ist und unser Bestes will ...«

»Und mi müaßten ins no bedanka ...«

»Unterbrecht mich nicht! Es geht Euch wie dem Sohne, der die Strenge der Mutter fühlt, aber nicht sieht, daß sie heilsam ist.«

»Also is jetzt da gar nix mehr z'macha?«

»Wir wollen hoffen, daß Gott dieses Kindlein in den Vorhof der Seligkeiten gelangen läßt; wir wollen darum beten, aber es steht nicht in unserer Macht, dasselbe in geweihter Erde zu begraben.«

»Aba sinscht grabt's an jeden ei, und bal oana köpft werd, nacha grabt's 'n aa 'r ei, und bal ...«

»Ihr versündigt Euch, aber ich will es verzeihen, weil Ihr schmerzlich bewegt seid.«

»I hab koan Schmerz durchaus gar net,« sagte der Schuller und zog seinen ledernen Geldbeutel aus der Tasche. »I hab durchaus koan Schmerz net.Was koscht's, bal 's Kind in Freithof a richtig's Grab kriagt?«

»Es sind Worte genug geredet, Vöst. Geht jetzt heim!«

Die Stimme des Pfarrers klang noch immer sanft, aber seine Augen waren zornig.

Der Schullerbauer achtete es nicht.

»Wos?« sagte er, »ös mögt's mei Geld aa net? Dös muaß des erscht Mal sei, daß a Bauernmensch sei Geld net o'bringt.«

»Geht heim, Vöst! Ich sage es zum letztenmal. Eure Gesinnung ist mir nicht unbekannt; ich weiß wohl, in welchem Hause die schlechtesten Reden geführt werden, und wo der Geist der Auflehnung waltet.«

Der geistliche Hirte war heftig geworden, und er hatte alle Sanftmut verloren. Er hielt seine Hände nicht mehr gefaltet, sondern streckte die Rechte gebieterisch gegen die Türe aus. Der Schuller blickte ihn an.

Nicht ängstlich und nicht zornig. Die Ruhe kam über ihn; gerade, als wäre er zufrieden damit, daß die geistliche Milde verschwunden war.

Und er redete ohne Aufregung.

»I geh' scho, Herr Pfarra. Sie hamm g'sagt, daß S' mi kenna. I kenn Eahna 'r aa, recht guat kenn i Eahna. Und i woaß aa, warum's g'rad bei mein Kind so hoakli is mit da Tauf.«

Er ging zur Türe und hatte schon die Klinke in der Hand. Da drehte er sich noch einmal um.

»Dös möcht' i no sag'n, Herr Pfarra. I bin net z'wegen meiner da herganga. Es is g'rad weg'n der Bäurin g'wen. Sinscht hätt'n S' mi wohl net g'sehg'n.«

Und nach diesen Worten ging er. Als er auf den Gang hinaustrat, stand der Kooperator wenige Schritte entfernt, und Fräulein Lechner huschte eilig in ein Zimmer.

Vöst merkte es nicht, weil ihm zuviel im Kopfe herumging. Und so entging ihm leider auch die Frömmigkeit des Herrn Kooperators, welcher eifrig in seinem Gebetbüchlein las und mit halblauter Stimme den Inhalt vor sich hin sagte.

»Beschämung meiner selbst ... Unglückseliges Gedächtnis! Wie viele boshafte Gedanken hast du zugelassen! Unglückseliger Wille! Wie viele unordentliche Begierden hast du ausgekocht! O Sünde! Wie lieblich scheinest du, da man dich begeht! Wie bitter und abscheulich bist du, nachdem du geschehen ... Ja ... ich schäme mich ...«

Den anderen Tag in aller Frühe wurde das Heidenkind begraben. Keine Glocke läutete, und kein Priester sprach ein Gebet.

Die Hebamme trug den kleinen Sarg; hinterdrein gingen der Schullerbauer, der alte Weiß und der Haberlschneider.

Sonst war niemand dabei.

Der Totengräber Kaspar legte den Sarg ohne viele Umstände in die Grube und warf Erde und Gras darauf.

»Koa Kreuz derf ma net hi'stecken?« fragte der Schuller.

»Na,« sagte der Kaspar, »dös geht gar it. Was moanst denn?«

»Nacha net. Jetzt is scho gleich. Geath's zua! Mi hamm da nix mehr z'toa.« Vöß drehte sich um und ging. Die anderen, folgten ihm.

In Erlbach redete man ohne große Aufregung über die Begebenheit. Die Weiber hatten Bedauernis mit der Schullerin, weil ihr das Kind so unversehens weggestorben war, und bloß ein paar recht Fromme wußten es zu tadeln.

Am ärgsten die Bäcker Ulrich Marie; aber die konnte sich nie genug tun mit der Frömmigkeit. Sie war bei der Bruderschaft vom blauen Skapulier und beim Verein der heiligen Kindheit, und machte jeden Montag den heldenmütigen Liebesakt für die armen Seelen. Da mußte ihr das Heidnische weh tun.

Die Männer in der Gemeinde dachten nicht viel darüber nach, wie es mit dem Kinde im Jenseits bestellt sei.

Ihnen lag das Weltliche im Sinn, und sie meinten, daß es zuwider sei für einen achtbaren Mann, wenn eines so ohne Sang und Klang und neben hinaus begraben wird. Mancher glaubte, der Pfarrer hätte es nicht mit jedem so streng gemacht.

Man wußte, daß er eine heimliche Feindschaft gegen den Schuller hatte. Die stammte von der Zeit her, wo der Pfarrer einen neuen Kirchturm bauen wollte. Er hatte den alten Linnersteffel und den Hanrieder überredet, daß sie etliche tausend Mark für den Bau ins Testament einsetzten. Aber es langte nicht, und da wollte er die Gemeinde überreden, daß sie Geld für den Bau hergebe. Selbiges Mal redete der Schuller dagegen; er sagte auch, dem Linnersteffel sein Sohn hätte das Geld wohl brauchen können, das der Alte auf dem Sterbbett herschenkte.

Der Pfarrer wurde rot über das ganze Gesicht und wieder schneeweiß. Er sagte, daß es schlecht aussehen müsse in dem Herzen eines Mannes, der den Priesterstand verunehre. Aber er wolle es verzeihen, wenn nur das gute Werk gelinge.

Das gelang jedoch nicht, denn durch den Einfluß des Schuller fiel der Antrag durch. Hernach probierte es der Pfarrer auf andere Weise. Er ließ keine Glocke mehr läuten, und schrieb an das Bezirksamt, daß er auf dem Verbot bestehen müsse, weil der alte Turm so baufällig wäre. Es gab eine lange Streiterei hin und her. Die Gemeinde blieb fest, und der Schuller führte das Wort. Er sagte, bei Lebzeiten des alten Pfarrers Held, der doch erst ein Jahr vorher gestorben sei, da habe nie etwas verlautet von der Baufälligkeit. Weil man aber einen neuen Turm wolle und die Mittel nicht gutwillig kriege, wäre der alte Turm auf einmal wacklig geworden.

Wenn es jedem recht traurig vorkomme, daß keine Glocke mehr auf Mittag und Abend läute, wäre die Gemeinde leichter bereit, das viele Geld herzugeben. So meinte der Herr Pfarrer, aber die Erlbacher meinten es anders. Nach langen Schreibereien entschied das Bezirksamt, daß der alte Turm keinen Schaden aufweise und das Läuten ertragen könne.

Der Pfarrer war geschlagen und mußte seine Angst überwinden. Er ließ sich den Zorn nicht ankennen, aber im geheimen hatte er sich seine Feinde gemerkt, und dem Schuller trug er es nach und freute sich, daß er Gelegenheit hatte, ihm eines auszuwischen.

Zweites Kapitel

Den Sonntag vor Michaelis fand wie alle Jahre in Webling der Ball der freiwilligen Feuerwehr statt.

Von Erlbach gingen viele hinüber; die jungen Leute schon bald nach dem Essen, die älteren nach dem Rosenkranz.

Der Weg zieht sich eine leichte Stunde über einen Hügel durch das Schneiderhölzl; man sieht schon von weitem den Weblinger Kirchturm und den Maibaum, der vor dem Wirtshause steht. Der Weg sah heute bunt aus.

Die Erlbacher Mädel gingen in Scharen zu vieren und mehr miteinander. Ihre Kopftücher leuchteten lustig über die Felder, und wenn sie beim hohen Kreuz am Waldsaum waren, kam der Wind in die Tücher und blähte sie auf. Die Zipfel flatterten wie Fahnen und verschwanden hinter der Höhe.

Die Burschen hielten sich auch zusammen und marschierten an den Mädeln vorbei. Sie führten laute Unterhaltung im Gehen; einer blies auf der Mundharmonika, und andere sangen:

»Dieses scheane Land,

Es üst mein Heimatland,

Dieses scheane Land ...«

»Jackl, heunt sauf'n ma r' ins grad gnua.«

»Da Peter isch Zechmoasta. Hast as Geld bei dir, des ma z'samm g'legt hamm?«

»I scho. Dös g'langt überall'n hi. Bal no an Wirt 's Bier net ausgeht.«

»Herrschaftseiten! Und Juhu! Jui!«

»Dieses scheane Land,

Es üst mei Heimatland.«

»Toni, spiel auf!«

Wenn sie an den Mädeln vorbeigingen, rückten sie ihre Hüte und schnackelten. Die Lustigsten sprangen in die Höhe, pfiffen und schrien.

Das Weibervolk drängte sich zusammen und lachte und stieß sich mit den Ellenbogen an.

»Hoscht an Kistler Hans g'sehg'n?«

»Ah, dös is oana! Und da Christl!«

»Jessas na!«

Und die Burschen freuten sich wieder, wenn sie den Eindruck sahen. So ging es über die Felder und durch den Wald.

Der Lärm wurde durch den Wind fortgetragen und steckte die Scharen an, die hinterdrein kamen.

Einer von den Letzten war der Xaver, der Sohn vom Hieranglbauern, ein junger Mensch, der sich mehr auf sein Geld einbildete, als gut war.

Wenn er bei einer Unterhaltung mittat, gab er sich ein Ansehen, als müßten sich die anderen geehrt wissen. Deswegen ging er auch heute abseits und hielt sich zurück, daß niemand glauben konnte, dem Hierangl Xaver wäre es um das Tanzen zu tun.

Holten ihn seine Kameraden ein, dann gab er ihnen den Gruß zurück, und wenn sie ihn aufforderten, mitzugehen, sagte er, daß er noch früh genug nach Webling komme. Den Mädeln rief er keine Scherzreden zu, und er gab sich keine Mühe, ihnen zu gefallen. Als die Ursula vom Schullerbauern mit zwei anderen vorbeiging, redete sie ihn an:

»Xaverl, geahscht it am Tanzboden?«

»Vielleicht kimm i; vielleicht net aa.«

Sie drehte den Kopf nach ihm um und lachte verlegen. Er gab ihr nicht an und blieb zurück.

Als er zum Feldkreuz kam, stand sie auf einmal neben ihm. Sie hatte im Walde gewartet und rückte jetzt verlegen an ihrem Kopftüchel.

»Daß d' gar nimmer kimmst, Xaverl? Seit guatding drei Wocha hoscht di nimma sehg'n lassen?«

»Unter der Arndt hon i koa Zeit auf dös.«

»Sinscht host d'a wohl Zeit g'numma.«

»Jetzt is halt net ganga.«

Sie ging schweigend ein paar Schritte neben ihm her.

Dann fragte sie: »Hoscht d'as dahoam scho g'sagt?«

»Ob i was g'sagt hab?«

»Frag' it a so! Hoscht nix g'sagt, daß i in der Hoffnung bin?«

»Dös geht do bei mir dahoam neamd was o! De wern sie nix bekümmern um dös.«

»Hoscht ma's du it g'hoaßen, daß d' mi heiratst?«

»Da is mir nix bekannt.«

»So redst du jetzt? A so tatst ma's du macha? Hoscht d' ma's it g'hoaßen? Hoscht it g'sagt, du brauchst durchaus koan Angst it z' hamm?« – »Geh du dein Weg und laß mir mei Ruah!«

»Jetzt tat'st di weglaugna, du ganz Schlechter! Aba du derfst di zahl'n grad gnua!«

»Des werd si aufweisen; da sand anderne aa no beteiligt.«

»Dös ko'st du net mit Wahrheit behaupten.«

»Jetzt geh mir aus'n Weg! I ho mit dir nix mehr z'reden.«

Die Ursula kam das Weinen an. Dicke Tränen liefen ihr über die Backen, und sie wischte sich mit den schwieligen Händen über das Gesicht, daß es um und um naß wurde.

Sie wollte reden, aber die Worte kamen nur ruckweise heraus. »Wie'st dös erstmal ... Wie'st ans Fenschta kemma bist ... do hoscht g'sagt, i brauch mi nix bekümmern, hoscht g'sagt, und's Heiraten is ma g'wiß ... und jetzt gangst mit solchene Lugen um, und bei da Hollastauden hiebei, da hoscht g'sagt, i brauch mi durchaus nix bekümmern, und jetzt brach'st d'as so für, als wenn anderne beteiligt g'wen war'n – –«

»Dös werd sie aufweisen,« sagte der Hierangl Xaver und ging weg.

Es war ihm nicht mitleidig zumute, und er sah sich nicht um nach der Ursula, die mit den Ärmeln ihre Tränen trocknete und nicht wußte, sollte sie stehen bleiben oder dem Xaver nachlaufen. Weil sie aber sah, daß er schnell dahinging, dachte sie, daß ihr alles Reden nichts helfen würde.

Sie richtete das Kopftüchel zurecht und öffnete ihren Handkorb. Auf der Innenseite des Deckels war ein Spiegel angebracht, und Ursula betrachtete ihr Bild darin.

Es sah nicht vorteilhaft aus. Über das sommersprossige Gesicht waren schwärzliche Streifen gezogen; sie kamen von den Tränen und den schmutzigen Fingern.

Auf zehn Schritte wäre es zu sehen gewesen, daß sie geflennt hatte; deswegen spuckte sie in ihr Taschentuch und verwischte die Spuren. Und dann ging sie langsam ihren Weg, auf den Tanzboden.

Der Weblinger Wirt hatte einen guten Tag. Saal und Stuben waren gefüllt, und im Nebenzimmer saßen alle Honoratioren, auf die er gerechnet hatte.

Die Herren Lehrer aus der Umgebung, der Förster von Pellheim, der Verwalter von Hohenzell und der Stationskommandant Hermann. Unter der Türe erschien ein junger Mann. Er grüßte freundlich und wurde von allen willkommen geheißen. »Bei mir ist noch Platz,« sagte der Lehrer Stegmüller von Erlbach. »Darf ich die Herrschaften miteinander bekannt machen? Herr Mang, Kandidat der Theologie – Fräulein entschuldigen, jetzt hab ich den Namen vergessen ...«

»Sporner,« sagte das hübsche Mädchen, welches neben ihm saß.

»Fräulein Sporner, die Nichte des Herrn Collega von Aufhausen. Den kennen Sie ja schon?«

»Gewiß habe ich schon die Ehre gehabt. Wenn die Herrschaften erlauben, dann bin ich so frei,« sagte der Kandidat der Theologie und setzte sich mit linkischer Bescheidenheit nieder.

Er hatte ein hübsches Gesicht und lustige braune Augen; seine Bewegungen verrieten Kraft und Geschmeidigkeit, aber er war nicht frei von der angelernten Würde, die man für den geistlichen Beruf braucht. Dazu kam noch einige Schüchternheit im Verkehr mit Damen, und Fräulein Sporner war ein schönes Mädchen, vor dem ein junger Studiosus wohl erröten konnte.

Darum war es nicht verwunderlich, daß Sylvester Mang sich einige Male durch die Locken fuhr und keinen rechten Platz für die Hände fand, und daß er nach längerem Besinnen sagte, es sei heute ein schöner Herbsttag.

»Wundervoll,« meinte Fräulein Sporner, »es ist überhaupt so hübsch hier.«

»Fräulein sind noch nicht länger da?« – »Nein.«

»Wir haben gerade von Ihnen geredet, Herr Mang,« sagte der Lehrer von Aufhausen. »Am nächsten Sonntag haben wir ein Hochamt, und da könnten wir einen guten Tenor brauchen.«

»Wenn Sie wünschen, stehe ich gerne zu Diensten.«

»Sie tun mir einen großen Gefallen damit.«

»Sie sind Sänger?« fragte das Fräulein.

»Ja, das heißt, ein wenig. Natürlich nicht geschult.«

»Der Herr Mang hat einen prachtvollen Tenor,« unterbrach ihn Stegmüller. »Ich sag' Ihnen, Fräulein, da können Sie in der Stadt lang suchen, bis Sie einen solchen Tenor finden.«

»Da freue ich mich auf den Sonntag.«

»Wenn Sie nur nicht zu stark enttäuscht werden, Fräulein. Ich habe gar keine Übung mehr.«

»Er ist überhaupt ein musikalisches Genie,« rühmte Stegmüller. »Ein Künstler auf der Violine. Ja, wenn ich das gekonnt hätte, säß ich nicht als Schullehrer in Erlbach! Eigentlich is 's schad, daß Sie Geistlicher werden.«

»Es ist ein idealer Beruf,« sagte Sylvester.

Und er sah bei diesen Worten nicht weniger altklug aus, wie andere junge Leute, welche etwas Großes behaupten.

Fräulein Sporner nickte ernst und verständnisvoll zu seinen Worten.

»Die Kunst, das wär mein Fall gewesen,« seufzte Stegmüller. »Frei sein, wie ein Vogel in der Luft und auf niemand Obacht geben. Und leben können, wo man will.«

»Treiben Sie auch Musik, Fräulein?« fragte er.

»Klavier habe ich gelernt, aber ich hab's nicht sehr weit gebracht.«

»Sie sollten einmal den Herrn Mang begleiten.«

»Da kann ich nicht genug.«

Sylvester freute sich, daß ein Gespräch im Gange war, in dem er seinen Mann zu stellen wußte. Er stellte höfliche Fragen und rühmte alle Werke, welche das Fräulein hervorhob.

Und als sie sagte, kein Lied gefalle ihr besser, als das »Am Meer« von Schubert, fiel Sylvester leise ein:

»Das Meer erglänzte weit hinaus ...«

»Auch das Gedicht ist herrlich,« lobte das Mädchen.

»Von Heine,« sagte er. »Ich hab es einmal bei einem Maifest gesungen, am Gymnasium. Der Rektor sagte aber, ich hätt' es nicht tun sollen.«

»Wenn es so schön ist!«

»Er meinte, weil Heine doch ein Gottesleugner war.«

Fräulein Sporner mußte wieder den Ernst des jungen Mannes bewundern.

An allen Tischen wurde die Unterhaltung lebhafter. Die Frauen hatten sich vieles zu erzählen; die eine hatte ihren Mann pflegen müssen, der andern war ein Kind krank geworden. Die Fleischpreise gingen in die Höhe, Schmalz und Eier wurden nicht billiger. Manche führten Klage über die Mühen ihres Eheherrn, und als vom Tanzsaal herunter schrille Musik und Stampfen vernehmlich wurden, sagte die Frau Stationskommandant: »Es wird doch hoffentlich nicht schon wieder eine Rauferei geben. Mein Mann weiß so nicht mehr wo aus, vor lauter Arbeit, und mit den jungen Gendarmen, die wir jetzt haben, ist ihm nicht viel geholfen. Gelt, Karl?«

»Jawoll,« sagte der Kommandant, welcher Karten spielte, »und warum gehen S' denn nicht mit Ihrem Grasober drauf?« fragte er, »ich hab doch Trumpf ang'spielt; wenn Sie draufgehen, haben wir ein' Stich mehr. Das hamm Sie nicht gut g'spielt, Herr Hilfslehrer.« 

»Jetzt kommt die Hofdam',« sagte der Förster von Pellheim, und warf die Schellenaß auf den Tisch. »Ham S' no a Schell'n? Macht siebenundsechzig; is schon g'wonnen.«

»Sie müssen doch mit dem Grasober draufgehen und Eichel nachbringen. Ich trumpf und bring noch den König heim. Was gibt's, Herr Wirt?«

»Es waar guat, wenn S' a bissel raufschaueten, Herr Kommandant. Mit de Hochazeller Burschen hat's des Recht' net.«

»Gleich komm ich,« sagte der Kommandant und schnallte das Seitengewehr um. »Vielleicht gehen Sie mit, Herr Verwalter, weil Sie die Burschen kennen?«

Sie hörten schon auf der Stiege schreiende Stimmen.

»Hoscht du net auf ins hertanzt?«

»Ös habt's überhaupts koa Recht! Mir ham zahlt!«

Im Tanzsaal drängten sich die Burschen zusammen; das Licht der Petroleumlampe glühte rötlich durch den Dunst, und der Kommandant konnte sich nicht gleich zurechtfinden. Mitten im Knäuel stand ein lang gewachsener Mensch, der auf den Hierangl Xaver einredete.

»Bischt du vo Hochazell? Hoscht du mitzahlt?«

»I tanz, bal i mag,« sagte Xaver.

»G'hörscht du zu die Hochazeller? Hoscht du vielleicht an anders Recht?«

»Du Hanswurscht, du Dappiger!« schrie ein anderer.

Der Lange packte den Hierangl beim Rockkragen, die Hintenstehenden drängten vor.

»Auslassen, sog i!« schrie Xaver und suchte nach der Messertasche.

»Nehmt's eahm 's Messa!«

Der Kommandant sprang dazwischen.

»Was gibt's da? Auseinander da! Lassen S' sofort los!«

»Daß er ma's Messa nei'rennt!« schrie der Lange.

»Nach'n Messa hat a g'langt!« wiederholten die Burschen.

»Das geben S' einmal sofort her, Hierangl!«

Xaver wehrte sich noch immer wütend gegen den Langen und wollte sich losreißen. Ein anderer packte seinen Arm, und der Kommandant zog ihm das Messer aus der Tasche.

»Im Griff feststehend,« sagte er; »das werden wir noch kriegen. Und jetzt stellen S' Ihnen ruhig hin, sonst verhaft ich Ihnen vom Platz weg! Was hat's denn geben?« fragte er den Langen.

»Mir Hochazella ham ins oan aufspiel'n lassen; da tanzet er mit, und glei waar er auf mi herg'rumpelt aa no und hätt mi ani g'stessen.«

»Nur nicht so schreien! Das können Sie ja ruhiger auch sagen!«

»Is ja wohr! Wia 'r i ihn g'stellt hab, hätt' er glei nach'n Messa g'langt!«

»Wie heißen Sie denn?«

»Joseph Heiß, Gütlerssohn von Hochazell.«

»Mi san allsamt Zeugen,« schrien die Hohenzeller Burschen.

»Ich brauch' nicht so viel,« sagte der Kommandant und schrieb den Heiß in sein Notizbuch.

»So, Hierangl, Sie verlassen jetzt sofort den Tanzboden und gehen ruhig heim!«

»I geh, bal i mag.«

»Nicht so frech! Gelt?«

Die Ursula drängte sich durch den Haufen.

»Geh zua, Xaverl, dös hat koan Wert it!«

»Laß ma do du mei Ruah!Mit dir will i gar nix z'toa hamm. Jetzt gehn i, aba i kimm scho wida r'amol z'samm mit die Hochazeller.«

»Is scho recht,« schrie der Lange, »und nimm da fei wieda a Messa mit; du ko'scht dir gar it gnua kaffa.«

Alle lachten und höhnten hinter Xaver her, den seine Kameraden fortzogen.

Die Musik spielte auf, die Mädel, welche sich auf Stühle und Bänke gestellt hatten, kamen herunter, und der Tanz ging weiter.

Die Ursula tat nicht mehr mit. Sie ging die Stiege hinunter ins Freie.

Beim Wirtsstadel standen die Erlbacher Burschen, und sie konnte im Mondlicht sehen, wie sich der Xaver von ihnen losmachen wollte.

Sie hörte eine keuchende Stimme herüber.

»Laßt's mi aus! I muaß no amal eini.«

»Dös gibt's gor it.Du gehscht jetzt hoam mit ins!«

»Oaner muaß no hi sei, von de Hochazeller!«

»Geh amol zua! Du derfst nimma z'ruck!«

Die Burschen hielten ihn fest, und er ging endlich mit ihnen.

Zuweilen blieb er stehen und schimpfte.

»'s Messa bal s' ma net g'numma hätt'n, nacha wurd i eahm was zoagt hamm. In aller Mitt' hätt' i 'n vonand g'schnitten.«

»Jetzt mach amal!«

Die Stimmen verloren sich in der Ferne.

Da machte sich die Ursula auf den Weg und ging hinterdrein.

Im Nebenzimmer erhob sich der Lehrer von Aufhausen und nahm seinen Hut vom Nagel.

»Wir haben einen Weg bis zum Feldkreuz,« sagte Stegmüller, »da gehen der Herr Mang und ich mit.«

Es war eine kühle Nacht. Der Herbstnebel zog über die Felder hin und sah sich im Mondlicht an wie ein silberner Schleier.

Vom Weblinger Holze herüber wehte ein frischer Wind.

Da zitterten die Blätter an den Bäumen, als käme sie ein Frösteln an, und die Schatten, welche sie über die helle Straße warfen, kamen in Bewegung.

»Es ist etwas Poetisches, so eine Mondnacht,« sagte Mang.

Er kämpfte mit einem harten Entschlusse. Er wollte etwas unternehmen, was er noch nie getan hatte; er traute sich's zu, und er verzagte wieder. Und dann gab er sich einen festen Ruck.

»Fräulein Sporner ... wenn Sie erlauben ... darf ich Ihnen meinen Arm anbieten?«

Er hatte einen Augenblick geglaubt, daß sie weglaufen und ihn beschämt stehen lassen, oder daß sie ihn streng zurechtweisen würde. Aber sie lief nicht weg, und sie tadelte ihn nicht. Sie sagte überhaupt nichts, sondern schob ihren runden Arm in den seinigen.

Und da merkte er, daß es auch poetisch ist, neben einem jungen Mädchen zu wandeln. Sie gingen schweigend miteinander. Er wollte ein Gespräch beginnen und besann sich lange. Aber es fiel ihm nichts ein; darum sagte er wieder: »Es ist prachtvoll, so eine Mondnacht.«

Und Fräulein Gertraud sagte: »Wunderbar; besonders im Herbst.«

Beim Feldkreuze trennten sich ihre Wege; die beiden Alten, welche vor ihnen gingen, blieben stehen; Mang gab den Arm des Mädchens frei und verbeugte sich mehrmals und schüttelte dem Fräulein Sporner immer wieder die Hand, wenn er vorher dem Onkel gute Nacht gesagt hatte.

»Also am Sonntag zum Hochamt,« mahnte der Lehrer von Aufhausen. »Gewiß; Sie können sich darauf verlassen.«

»Und pünktlich um acht Uhr. Gute Nacht, Herr Mang.«

»Recht gute Nacht, Herr Lehrer! Angenehme Ruhe, Fräulein Sporner!«

Er sah den beiden nach; da fiel ihm ein, daß sie ein schönes Lied gelobt hatte; und er vergaß alle Bedenken, welche der Rektor von Freising dagegen hatte. Mit wohlklingender Stimme setzte er ein:

»Das Meer erglänzte weit hinaus ...«

Als er schwieg, tönte von drüben eine freundliche Mädchenstimme: »Gute Nacht!«

Er holte mit raschen Schritten den alten Lehrer ein.

Herr Stegmüller überdachte seine Reden, die er im Wirtshaus gehalten hatte. Es kam ihm so vor, als wär er zu stark ins Schwärmen geraten; die kühle Nachtluft ernüchterte ihn.

Und er sagte: »Sie müssen nicht glauben, Herr Mang, daß ich vielleicht etwas habe gegen die Geistlichkeit. Ich redete bloß so von der Kunst, weil Sie einen schönen Tenor haben und überhaupt. Natürlich haben Sie ganz recht, mit Ihrem Beruf. Er ist schon wirklich ideal.«

»Ja, ja,« erwiderte Sylvester; »Herr Lehrer, wie lang bleibt eigentlich Fräulein Sporner in Aufhausen?«

Drittes Kapitel

Die nächsten Wochen brachten viel Arbeit. Nach der Trockenheit war ein guter Regen gekommen, und der Pflug faßte wieder an.

Auf allen Höhen sah man Menschen und Pferde sich langsam bewegen, und hinter ihnen fraßen sich dunkle Furchen in die Stoppelfelder ein.

Vom Dorfe hinauf bis zum Walde zogen sich gerade Linien; die lustigen Farben verschwanden, und die Gegend hatte ein ernstes Aussehen.

Der Schuller war fleißig hinter den Knechten her und hatte selber die Hand am Pfluge, den ganzen Tag.

Es traf ihn viel, weil sein Ältester als Soldat in Ingolstadt diente, und wenn er des Mittags heimkam, streckte er die Füße schwerfällig unter den Tisch. Und wenn er heimkam, war noch ein müder Mensch in der Stube; müde von einem langen Leben, in dem es kein Ausrasten gibt.

Das war die Mutter des Schullerbauern. Sie zählte noch nicht siebzig Jahre, und in der Stadt gibt es viele, die in dem Alter noch aufrecht gehen. Aber Bauernarbeit bricht vorzeitig die Kraft.

Die Alte saß auf der Ofenbank und schaute vor sich hin.

Die runzligen Hände faltete sie im Schoß und fand kaum die Kraft, zudringliche Fliegen abzuwehren.

»Was is 's denn mit da Muatta?« fragte der Schuller seine Frau.

»Sie is schlecht beinand; seit gestern kummt sie arg von da Kraft,« erwiderte die Bäuerin.

Die Alte nickte müde mit dem Kopfe und bewegte den zahnlosen Mund.

»Was hat sie g'sagt?« fragte der Bauer.

»I ho's it verstanna. Was hoscht g'sagt, Muatta?«

Die Schullerin schaute die alte Mutter prüfend an.

Ruhig wie ein Mensch, der über ein Sache ins reine kommen will.

»Was hoscht g'sagt, Muatta?« fragte sie noch einmal.

Die Alte begegnete ihrem Blick; in ihren glanzlosen Augen war nichts von Angst und Sorge zu lesen. Nur Müdigkeit.

»I treib's nimmer lang,« sagte sie.

»Sie moant, sie muaß sterb'n,« wiederholte die Schullerin mit lauter Stimme. Der Bauer schnitt bedachtsam den Brotlaib an und brockte kleine Stücke in seine Suppe.

»Sie is halt scho guat bei die Jahr,« sagte er, »wie alt bischt denn jetzt, Muatta?«

Die Alte gab keine Antwort; sie schaute wieder vor sich hin, und ihr Kopf sank herunter.

»An achtasechz'g Jahr' werd sie sei, und g'arbet hat sie viel,« sagte der Sohn.

»Ja, g'arbet hat sie viel, und acht Kinder hat sie bracht; des setzt oan zua. Sie g'fallt mi aba gar net; sollt'st dennerst an Pfarra hol'n, Bauer.«

»In Pfarrhof geh' i net. Dös muaßt's scho selm toa; oder schick umi!«

»Na geh'n i selm, bal i abg'spült hab.«

Die Alte bewegte wieder die Lippen.

»Wos hascht g'sagt, Muatta?«

Die Schullerin ging zur Ofenbank und horchte aufmerksam.

»Ja, ja, Muatta! Hoscht scho recht. Sie sagt, sie is froh, bal's gar is. A so hat's koan Wert nimma, sagt sie.«

Der Bauer legte den Löffel weg und ging in den Hof hinaus.

»Andrä!«

»Wos geit's?«

»I nimm jetzt de zwoa Braun', und du spannst an Ochsen ei!«

Der Knecht führte zwei stattliche Pferde aus dem Stall; der Schuller nahm das Leitseil und ging hinter ihnen her. Am unteren Ende des Dorfes holte er den Geitner ein.

»'ß Good, Schuller!«

»'ß Good!«

»Wo geahscht hi?«

»An Schmidlacker; Habern vorbaun.«

»Wo's d'an Klee g'habt hoscht?«

»Ja.«

»Jetzt geht's ja leicht mit'n bau'n, weil's nimma so trucka is.«

»Es tuat's.«

»Beim Kramer ham s' g'sagt, daß dei Muatta schlecht dro is?«

»Ja, sie hat's kloa beinand. Oan Tag oder zwoa, länger werd s' kaam mehr leb'n.«

»Wia's halt is. Die Junga könna sterb'n, und de Alt'n müassen sterb'n.«

»Da ko'scht nix macha.«

»Hoscht du nix g'hört, Schuller, wann de Bürgermoasterwahl is?«

»Na, koa Tag is no net g'setzt, wia 'r i woaß. Im November werd s' halt sei.«

»Dösmal werst as du, Schuller.«

»I reiß mi net drum. Mir werd's liaba an anderner.«

»Wer denn? Da Kloiber mag nimma.«

»Vielleicht sagt er grad a so.«

»Na, dös woaß i g'wiß.Da Kloiber steht z'ruck.«

»Nacha könnt's ja an Hierangl nehma.«

»I glaab it, daß 's der werd. Er hat it viel Leut' auf da Seiten; bloß de, wo eahm was schuldi san.«

»Aba da Pfarrer möcht'n.«

»Ja, weil er moant, daß er eahm helfat mit sein' Turm, und weil er überhaupts allaweil z'sammspinnt damit. Aba 'r auf'n Pfarrer passen mir it auf.«

»I sag' da's schnurgrad, Geitner, mi freut's gar it. Bal i Burgermoasta waar, gang da Verdruß nimmer aus. Garaus mit'n Pfarra. Er ko mi net schmecka, dös woaßt ja. Und z' Erlbach san gnua, de wo zu eahm halt'n; nacha gab's allawei Zwidrigkeiten. Nehmt's an Hierangl, dös is viel g'scheiter.«

»Mi hamm ja no Zeit, Schuller; aba dös derfst glaab'n; bal's mir nachgeht, werst as du. I bin auf deiner Seiten; dös derfst g'wiß glaab'n.«

»Is scho recht. 'ß Good!«

Der Schuller ging vom Weg ab zu seinem Acker; wie er die Gäule am Pflug vorspannte, sah er dem Geitner nach und sagte vor sich hin: »Hättst mi gern ausg'fragt, gel, Tropf schei'heiliga? Di kenn i guat. Wiah!«

Die Gäule zogen an; unter der blinkenden Pflugschar wellten sich die Schollen.

Daheim saß die alte Mutter noch immer unbeweglich in der Ofenecke und sah der Schwiegerin zu, welche die Stube aufräumte. Das ging flink mit rüstigen Armen.

So hatte die Alte auch einmal gearbeitet und geschaltet im Hause. Dann waren langweilige Tage gekommen, und sie hatte gespürt, wie unnütz ein Leben ohne Arbeit ist.

Hohes Alter ist kein Segen. »Du sollst dein Brot verdienen im Schweiße deines Angesichts.« Das ist für die Bauernleute geschrieben, denen die Hände schwer werden beim Rasten.

Und die Alte fürchtete sich nicht vor dem Sterben; das hatte sie sich oft gewunschen, nicht aus Verzweiflung oder aus Trübsinn, sondern weil es recht ist, zu gehen, wenn das Bleiben keinen Wert hat.

Der jüngste Bub der Schullerin kam lärmend herein.

Die Bäuerin wehrte ihm ab.

»Geh aussi, Xaverl, du hoscht do herin nix z'toa. Siegscht it, daß d' Großmuatta krank is?«

»Muaß sie sterb'n?«

»Ja, sie muaß bald sterb'n. Aba jetzt geh zua! Du gehst uns do im Weg um.«

Der Kleine sah mit neugierigen Augen nach der Alten hin, und als er die Stube verlassen hatte, stellte er sich draußen an das Fenster und preßte das Gesicht an die Scheiben.

Die Schullerin wollte in den Stall gehen; da kam der Kooperator über den Hof, und sie blieb unter der Türe stehen.

»Es ist eine kranke Person im Hause, welche des geistlichen Trostes bedarf?«

»Ja, Hochwürden, d' Muatta is schlecht beinand. Seit Mittag kimmt s' ganz von da Kraft.«

»Wo ist sie?«

»Bitt schön. Hochwürden, da herin.«

Der junge Herr trat in die Stube. Ein Blick auf die Alte zeigte ihm, daß hier nur mehr die Seele, nicht aber der Körper zu retten sei, und er ging berufsfreudig an sein Werk.

»Warum habt Ihr so lange gewartet?« fragte er die Schullerin. »Ich fürchte, sie versteht meine Worte nicht mehr.«

»Es is so schnell ganga, Hochwürden. Aba sie is no beim Vastand; sie hört no ganz guat, bloß müad is sie halt.«

»Dann laßt uns jetzt allein!«

Die Bäuerin ging hinaus, und der junge Mann setzte sich vor die Kranke hin. Er zog ein dickes Gebetbuch aus der Tasche und fragte mit lauter Stimme: »Hört Ihr meine Worte?«

Zwei müde Augen schauten ihn an; es lag darin mit dem Aufbieten der letzten Kraft der Ausdruck von Ehrerbietung, und die Alte versuchte mit zitternder Hand das Zeichen des Kreuzes zu machen. Ein minder frommer Mensch wäre gerührt worden durch diese schlichte Ergebung und hätte sich demütig gebeugt vor der Würde der sterbenden Greisin. Aber Herrn Sitzberger konnte nichts Irdisches überwältigen; er fühlte sich nicht klein in dieser Stunde, sondern es erhob ihn der Besitz der geistlichen Gewalt über diese Seele.

Und er sprach wieder so laut, daß ihn die Alte hören mußte: »Anastasia Vöst, Ihr seid nun an das Kreuz geheftet, und Ihr sehet der bitteren Todesstunde entgegen. Ihr müßt bedenken, daß der liebreichste Jesus für Euch ebenfalls Krankheiten getragen und Schmerzen auf sich geladen hat.

Bittet ihn, daß er Euch wahre Geduld verleihe, und opfert ihm alle Glieder Eures Leibes auf, daß er sie strafen möge nach seinem göttlichen Wohlgefallen!«

Die Alte verstand nicht alle Worte, aber sie fühlte dunkel, daß sie die Tröstungen der Religion bildeten, in welcher sie lange und gläubig gelebt hatte. Darum hob sie mühsam den Kopf und versuchte kurze Zeit, ihre Augen offenzuhalten.

Herr Sitzberger fuhr eifrig weiter.

»Ihr sollt nicht mehr an dieser Welt hängen und Euch das Scheiden von derselben schwer fallen lassen. Ihr sollt im Gegenteil von einem innigen Verlangen nach den Wohnungen des Himmels erfüllt sein. Ihr sollt sagen, daß Eure Seele dürstet und seufzt nach den Vorhöfen des Herrn. Wenn auch immerhin die Furcht vor dem Gerichte die Vorstellungskraft beängstigt und der Anblick Eurer Sünden Euren Geist in tödliche Traurigkeit versenkt.«

Die Kranke bewegte die Lippen, und der Kooperator fragte:

»Was wollet Ihr sagen?«

Sie sprach kaum vernehmbar vor sich hin:

»I hab allawei gern g'arbet. Es is mir it leicht an Arbet z'viel g'wen.«

Dabei hielt die Alte die mageren Hände vor sich hin, als wollte sie die Ehrenmale der Arbeit zeigen; und ein freundliches Lächeln ging über ihr verwelktes Gesicht. Ja, wäre der liebe Gott in der Stube gesessen, dann wären ihm vielleicht die Augen naß geworden, und er hätte gesagt: »Das sind zwei ehrliche Hände, Anastasia Vöst, die du aufweisen kannst, und sie erzählen von nützlicher Arbeit. Die haben Gutes gewirkt im Leben, und mehr braucht es nicht für den Himmel.«

So hätte der liebe Gott reden müssen, aber sein Stellvertreter meinte es anders. Er zeigte Ungeduld, oder größeren Eifer, und verstärkte die Stimme. »Ihr müßt Eure Gedanken gänzlich vom Irdischen abwenden, indem die sinnliche Welt Euch bald verschwunden sein wird. Und wenn Ihr in den Bedrängnissen des Todeskampfes erseufzet, müßt Ihr Gott bitten, daß er diese Seufzer als Wirkungen einer heiligen Ungeduld, zu ihm zu gelangen, aufnimmt. Versteht Ihr meine Worte?«

Anastasia Vöst verstand sie nicht, sie hielt noch immer ihre Hände vor sich ausgestreckt und schaute sie lächelnd an. Da stand Herr Sitzberger auf und zuckte die Achseln.

Er sagte zur Schullerin, welche still hereintrat: »Ihr hättet mich früher rufen sollen, so lange sie noch bei vollem Verstande war. Ich fürchte sehr, sie hat meine Worte nicht mehr erfaßt.«

»Sie fallt so schnell z'samm, daß 's gar it zum glauben is, Hochwürden. Vor an anderthalb Stunden is sie no viel frischer g'wen. Mir wer'n Zeit hamm, daß ma s' no ins Bett einitragen. Und wann i bitten durft, daß Sie 's versehg'n, Hochwürden.«

»Ich werde gleich zurückkommen, mit den heiligen Sakramenten,« sagte der Kooperator und ging schnell aus dem Hause.

Der Xaverl stand noch immer am Fenster, aber er sollte doch nicht sehen, wie es ist, wenn ein Mensch stirbt.

Denn die Schullerin und die Ursula trugen die Alte behutsam in ihr Austragszimmer und schlossen die Fensterläden. Darauf zündeten sie zu Häupten des Bettes zwei Kerzen an und begannen zu beten.

In der Dorfgasse wurde es lebhaft; es war Feierabend. Die Leute kamen heim vom Acker; da blieb ein Nachbar beim andern stehen und redete davon, was man diesen Tag geschafft hatte, und was man vom nächsten erwarte.

Beim Schmied wurde noch fleißig gehämmert; ein Gaul vom Bartlbauer brauchte neue Eisen, und der Weßbrunner ließ seinen Pflug schärfen. Einige Leute standen vor der Werkstätte und schauten zu; sie lobten das Pferd und sagten, der Bartlbauer hätte beim Kaufen eine glückliche Hand gehabt.

Da kam der Mesner um das Eck herum, hinterdrein der Kooperator mit dem Allerheiligsten. Alle zogen den Hut, und der Schmied hielt mit der Arbeit ein.

»Wer werd denn versehg'n?« fragte einer.

»An Schuller sei Muatta.«

»De alt Vöstin? Um de is schad,« sagte der Zwerger und schaute dem Kooperator nach.

Einige Weiber schlossen sich dem traurigen Zug an.

Als der Priester beim Schuller angekommen war, wandte er sich um und hob den Kelch mit der heiligen Wegzehrung in die Höhe.

Die Leute knieten nieder und bekreuzten sich andächtig. Und die Bäcker Ulrich Marie betete mit lauter Stimme das Vaterunser vor.

Viertes Kapitel

Lieber Josepf!