Angekommen - Ruben Dellers - E-Book

Angekommen E-Book

Ruben Dellers

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Beschreibung

In meiner Wohnung gehen fremde Frauen ein und aus. Einmal erscheint ein Polizist. Er ermittelt in einem Betrugsfall. Ich kann ihm nicht helfen. Es stellt sich heraus, dass wir uns von früher kennen. Er war mein Lehrjunge. Wir kommen auf meine Jugendliebe zu sprechen. Er bietet sich an, die Dame zu suchen. Auf einmal taucht meine Enkelin auf und fährt mit mir barfuß Straßenbahn.

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Angekommen

Roman

Ruben Dellers

www.ruben.ch

Ruben Dellers, geboren 1958, sah als 10-jähriger eine Werbung für einen Fotoapparat für fünf Franken. Er kaufte ihn und entwarf damit Bild-Geschichten. Mit fünfzehn schrieb er sie auf, mit zwanzig verfilmte er sie. Dann wurde der Computer populär und er schrieb Programme und entfernte sich vom Literarischen. Doch 2014 entdeckte er im Internet den Berner Schriftstellerinnen- und Schriftstellerverein.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.dnb.de abrufbar.

© 2023 Ruben Dellers

Idee: 12.08.2021

Version vom 25.04.2023

Erstveröffentlichung: 1.05.2023

Umschlaggestaltung: Yaran Bürgi

Lektorat: Claudia Kühne

Korrektorat: Julia Palmer

Druck und Distribution im Auftrag:

tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany

ISBN Hardcover: 978-3-347-92166-5

ISBN E-Book: 978-3-347-92167-2

Nr. 280101

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Besuch

Frau Schmid

Freddyboy

Jass

Die Verschollene

Der Brief

Opi

Straßenbahn

Kafischmitte

Neue saßorte

Die Grauhaarige

Tagebuch

Beichte

Wässriger Kaffee

Klassentreffen

Soja

Verlassen

Fremdgegangen

Keine Luft

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Besuch

Heute hat mich eine fremde Frau besucht, die behauptet, sie wäre meine Tochter.

Ich möchte zum Morgenkaffee die Zeitung lesen und dazwischen in den Bleistiftgespinsten von Werner Lutz. Aber ich finde die Tüten für den Kaffeefilter nicht. Ich öffne das Küchenschubfach mit Margaretes Karten, die mit den getrockneten Herbstblättern. Ich öffne das Fach daneben. Schlurfe ins Schlafzimmer, manchmal stelle ich ja die Filtertüten neben das Bett. Denn nicht immer finde ich den Schreibblock, und ich muss Notizpapier bereithalten, falls mir beim Aufwachen eine Idee kommt.

Auf dem Nachttisch steht die Rose. Rose, ich liebe Rosen. Sie ist für Margarete, ich habe immer eine für Margarete.

Früher hat sie oft schon ein Blütenblatt verloren, bis Margarete endlich kam und ich ihr die Blume schenken konnte. Jetzt ist sie immer frisch, aber eigentlich erinnere ich mich nicht, eine neue gekauft zu haben. Merkwürdig.

Oder sind die Filter im Bad, auf dem Stuhl neben der Wanne? Auch beim Baden schreibe ich gern. Nein, nichts. Sowieso, ich habe Mühe allein in die Wanne zu steigen, die Putzhilfe muss mich unterstützen, das gefällt mir nicht besonders.

Also stelle ich mir ein Glas Wasser hin, setze mich an den Küchentisch und will die Zeitung nehmen. Wo ist sie? Draußen vor der Tür. Mein Nachbar holt sie mir jeden Morgen von unten, ich muss sie noch hereinholen. Das Buch liegt auf dem Küchentisch.

Ich habe die Zeitung aufgeschlagen und schiele auf die erste Überschrift, schon lege ich mit der anderen Hand das Buch darauf. Es ist so eine Gewohnheit von mir, zwischen den Zeitungsartikeln oder wenn ich auch nur eine Überschrift gelesen habe, erst mal ein, zwei Gedichte aus dem Buch zu lesen.

Es klingelt.

Wer kann das sein? Die Putzhilfe war doch gestern hier. Oder hat Margarete wieder einmal den Schlüssel vergessen?

Margarete putzt und scheuert den ganzen Tag, wenn sie einmal zu Hause ist. Ich weiß gar nicht, warum wir eine Putzhilfe benötigen.

Ich lege die Lesebrille neben die Zeitung und ziehe mir die andere für die Ferne an, die ich um den Hals hängen habe, schlurfe zur Wohnungstür und öffne sie.

»Hast du durch den Gucker geschaut?«, fragt die fremde Frau, statt sich vorzustellen.

»Ich muss nicht durch den Gucker schauen, ich will meine Besucher richtig sehen.«

»Und wenn ich ein Einbrecher wäre?« Sie drängt sich an mir vorbei, zieht mich von der Tür weg. »Und sie muss verriegelt werden. Auch das hast du vergessen.« Sie dreht den Riegelknopf.

»Wer sind Sie eigentlich, dass Sie einfach so in meine Wohnung spazieren?«

»Fang nicht wieder damit an.«

»Darf ich nicht wissen …?«

Sie marschiert in die Küche.

»Immerhin, hier ist mal aufgeräumt«, hallt es aus der Küche. »Warum trinkst du wieder lauwarmes Wasser?«

Ich schlurfe zu ihr. Ich bin nicht schnell, ein Beinproblem. Warum, ist mir entfallen, andere sagen, es ist das Alter. Aber ich kann selbstständig gehen. Auf der Straße brauche ich im Moment einen Stock. Wo steht der? Ich schaue mich um.

»Kommst du?«, ruft die Frau aus der Küche.

»Ja ja, ich komme. Ich suche meinen Stock.«

»Wofür brauchst du einen Stock?« Sie kommt in den Flur. »Da ist er.« Sie zeigt neben die Wohnungstür.

Es ist der hellbraune. Ich liebe den dunkelbraunen. Bei dem sieht man nicht gleich jeden Spritzer, wenn es regnet.

»Wo ist der dunkelbraune?«, frage ich.

»Was brauchst du den dunkelbraunen? Der ist auch schön.«

Schön, ja, wenn er nicht verschmutzt ist.

»Kommst du? Oder willst du unbedingt deinen anderen Stock suchen?«

War es vorgestern, dass die Putzhilfe mit den schwarzen Haaren und dem dicken Schal kam? Und wäre dann heute wieder ihr Tag? Sie kommt regelmäßig, zweimal die Woche, und verrichtet das Nötigste. Vielleicht ist sie verhindert und das Institut schickt mir eine neue. Ich schiele zu der Frau. Sie ist blond.

»Sind Sie die neue Putzhilfe? Neulich war Ihre Kollegin da und hat die Küche aufgeräumt, das reicht vollkommen.«

»Ich bin Agnes.«

Agnes? Ich kenne keine Agnes.

»Deine Tochter.«

Ich lange an meinen Kopf. Agnes! – Ich habe eine Tochter, ja, aber sie heißt Beate.

»Nicht Beate?«, frage ich.

»Nein, Beate wohnt in Wien. Sie kümmert sich überhaupt nicht um dich. Erkennst du mich wirklich nicht?«

Ich schüttle den Kopf.

»Aber dass du zwei Töchter hast, weißt du noch?«

Ich zucke mit den Achseln.

»Papa, also wirklich!«

»Bist du die zweite Tochter?«, frage ich.

»Wurde auch langsam Zeit.« Sie dreht sich zur Küche.

Dass das Institut Putzhilfen schickt, die sich als meine Töchter ausgeben, nur um nicht putzen zu müssen … Ich sollte das melden.

Wo liegt das Telefon? Ich habe ein Funktelefon, meine richtige Tochter, Beate, hat es installiert.

»Papa, wir suchen jetzt nicht den anderen Stock, du hast einen. Komm in die Küche, ich will mit dir reden.«

Sie steht immer noch im Flur.

»Ich suche das Telefon.«

»Das steht auf dem Ladegerät.« Sie zeigt auf das Tischchen neben der Tür.

Verrückt. Das Telefon steht eine Armlänge von mir entfernt und ich schaue überall drum herum, nur nicht auf das Tischchen. Ich nehme das Telefon in die Hand. Wo finde ich die Nummer des Putzinstitutes?

»Wen willst du anrufen? Ich bin da. Du kannst nachher telefonieren.«

Ich mache eine abwehrende Handbewegung. Manchmal hilft eine Handbewegung ohne hinzuschauen, hinten am Rücken, dann gibt die Putzhilfe Ruhe.

Sie geht in die Küche.

»Willst du auch einen Kaffee?«, ruft sie. »Ich brühe uns einen auf.«

Ich beschließe, mich nicht mehr mit ihr abzugeben. Wenn sie nicht putzen will, muss sie das mit ihrer Vorgesetzten ausmachen, aber zum Schwatzen habe ich sie nicht herbestellt.

Das Flurtischchen hat ein Schubfach. Darin liegt das Buch mit den Telefonnummern. Ich nehme es heraus. Wo ist meine Lesebrille?

Ich schlurfe zur Küche, das Buch in der einen, das Telefon in der anderen Hand. Soll sie auch etwas tun, wenn sie schon da ist.

»Haben Sie zufällig meine Brille gesehen?«, frage ich die Frau.

Sie füllt Wasser in den Teekocher. Macht sie einen Tee? Sie hat doch von Kaffee gesprochen. Sie schaut auf.

»Pa, du trägst sie.«

»Nicht diese, die Lesebrille.«

»Hier.«

Sie zeigt auf den Küchentisch. Ich greife danach, habe jetzt in einer Hand gleichzeitig das Telefon und die Brille. Ich schlurfe zum Tischchen zurück. Ich will das Buch darauflegen, um eine Hand freizubekommen. Da fällt mir Beates Tipp ein: ›Leg das Buch mit den Telefonnummern immer ins Schubfach, dann findest du es immer.‹

Das Schubfach ist offen. Ich lege das Buch hinein. Jetzt kann ich die umgebundene Brille ablegen und die aus der Hand aufsetzen. Beide haben eine Schnur, wie soll ich sie da unterscheiden?

»Pa, komm doch.«

Ständig ruft mich eine Frau, ›Herr Heim‹ oder: ›Nein‹ und jetzt die hier: ›Pa, komm doch‹. Anscheinend ist das die neue Strategie, mich Pa nennen, und dann glaubt sie, ich spure.

Die Frau kommt in den Flur.

»Was machst du? Soll ich dir helfen?«

»Ich habe mir die Lesebrille aufgesetzt.«

»Du musst jetzt nicht lesen, ich bin da.«

»Ich muss doch …« Ja, was muss ich?

»Willst du jemanden anrufen? Wen?« Sie zeigt auf das Telefon in meiner Hand.

»Das Institut.«

Sie kommt herangeeilt, reißt mir das Telefon aus der Hand. »Du meinst die Spitex?«

»Spitex?«

»Ja, die ambulante Pflege. Sag nicht, du willst die Klinik anrufen.«

»Nein, nein. Nur die Spitex.«

»Was willst du denen erzählen?« Die Frau tippt auf einen Knopf. Besteht die Nummer der Spitex nur aus einer einzelnen Ziffer?

»Dass gestern schon jemand vorbeigekommen ist, die mit dem dicken Schal.«

»Willst du dich beschweren?«

»Nein, warum? Sie hat die Küche aufgeräumt.«

»Stimmt. Und das hat sie gut gemacht. Was willst du dann melden?«

Ich zeige auf das Telefon, sie drückt die grüne Taste und hält es ans Ohr.

»Guten Tag, hier Affentranger, Albert Heims Tochter. Herr Heim will Ihnen etwas mitteilen.« Sie reicht mir das Telefon.

Alles geht so schnell. Plötzlich stehe ich mit dem Telefon in der Hand da, vor mir die fremde Frau.

»Die Spitex ist dran«, flüstert sie. »Sag, was du sagen willst.«

Ich halte das Telefon ans Ohr.

»Hallo?«

»Ja? Hier Schmid, Spitex Lützelflüh. Herr Heim, wo drückt der Schuh?«

Ich schaue auf meine Füße. Ich habe die Pantoffeln an, die mir Beate zu Weihnachten geschenkt hat.

»Also ich wollte melden …«, ich schaue das Telefon an, die Anzeige leuchtet grün, »… die Frau, die Sie mir heute geschickt haben, putzt nicht, sie will mit mir Kaffee trinken.«

»Das ist in Ordnung so«, sagt Frau Schmid. »Gestern war Frau Sarcic bei Ihnen. Hat sie alles zu Ihrer Zufriedenheit gemacht?«

»Ja, sie war nett und fleißig. Aber heute …« Ich schaue verstohlen zu der blonden Frau.

»Sie meinen Frau Affentranger? Das ist Ihre Tochter. Trinken Sie ruhig einen Kaffee mit ihr. Das tut Ihnen gut.«

»Meinen Sie?«

»Bestimmt. Und richten Sie Ihr noch mal einen schönen Gruß aus. Wir sind froh, dass sie Sie so oft besucht. Haben Sie noch einen Wunsch?«

»Nein. Es ist gut so.«

Sie verabschiedet sich.

»Und?«, fragt die fremde Frau.

»Frau Schmid sagt, ich soll mit Ihnen einen Kaffee trinken, das tut mir gut.«

Die fremde Frau streckt den Arm nach mir aus. Zusammen gehen wir in die Küche, ich an sie angelehnt.

Frau Schmid

Die Frau mit dem dicken Schal ist gekommen. Sie staubsaugt im Wohnzimmer, vorher hat sie im Schlafzimmer das Bett gemacht und den Schlafanzug aufs Kopfkissen gelegt. Ich bin ihr dankbar, will ihr ein Kompliment machen. »Einen schönen Schal haben Sie«, sage ich. Sie nickt.

»Tragen Sie ihn öfter?«

»Ich komme nicht, um mit Ihnen zu flirten, Herr Heim.«

Da hat sie es mir aber gegeben! Ich gehe ins Wohnzimmer, während sie die Küche aufräumt.

»Soll ich noch etwas mit Ihnen machen? Umziehen? Kleidung für morgen bereitlegen?« Die Frau steht auf der Schwelle.

Ich schüttle den Kopf.

»Haben Sie sich heute gewaschen?«

Ich drehe mich weg, mache meine abwehrende Handbewegung und höre die Wohnungstür ins Schloss fallen.

»Herr Heim.«

Die Frau mit dem dicken Schal ist anscheinend noch nicht gegangen. Sie überholt mich und setzt sich mir gegenüber aufs Sofa.

»Ich bin nicht Frau Schmid«, sagt sie.

»Das ist mir klar«, sage ich.

»Sie wissen, wer Frau Schmid ist?«

»Die Institutsleiterin.«