Arbeitslosigkeit im Diskurs - Der Fränkische Tag in der Analyse - Sebastian Wiesnet - E-Book

Arbeitslosigkeit im Diskurs - Der Fränkische Tag in der Analyse E-Book

Sebastian Wiesnet

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  • Herausgeber: GRIN Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2005
Beschreibung

Studienarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Soziologie - Arbeit, Ausbildung, Organisation, Note: 1,0, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Veranstaltung: PS "Kommunikation, Medien & Kultur", Sprache: Deutsch, Abstract: Der Diskurs um die Arbeitslosigkeit hält die Nation in seinem Bann. Nicht nur, weil sich die Situation am Arbeitsmarkt dramatisch zuspitzt1, sondern auch weil jeder Bundesbürger direkt oder indirekt von der Erwerbslosigkeit betroffen ist. Seien es die Arbeitslosen selbst, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, seien es die Steuerzahler, welche für die zusätzlichen Belastungen aufkommen müssen, seien es die Rentner, welche sich mit faktischen Kürzungen ihrer Bezüge abfinden müssen, seien es Schüler und Studenten, die Einschnitten ins Bildungssystem fürchten müssen, seien es die Gewerkschaften, welche aufgrund gesunkener Mitgliederzahlen Legitimitätseinbußen hinzunehmen haben, oder seien es die Bundes- und Länderregierung(en), welche aufgrund ihres „Versagens“ um ihre Wiederwahl bangen müssen. Jedweder Diskurs – so auch derjenige um die Arbeitslosigkeit – wird von Sprechern und Repräsentanten verschiedener sozialer Gruppen getragen und über die Medien vermittelt2. Im Rahmen des Proseminars „Kommunikation, Medien und Kultur – Printmedien und öffentliche Diskurse“ stellten sich daher primär zwei Fragen: 1. Welche Funktionen erfüllen die einzelnen Printmedien im Diskurs bzw. beschränken sich diese Medien ausschließlich auf ihre Vermittlerfunktion? Und 2. Welche Funktion kommt den auftretenden Akteuren zu? Ziel der folgenden Ausführungen ist es, Antworten auf diese beiden Fragen zu finden. Um die abschließenden Ergebnisse nachvollziehen und beurteilen zu können, ist es jedoch nötig, sich zunächst einen Überblick über den exakten Forschungsgegenstand sowie über das geplante Vorgehen zu verschaffen.

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Inhaltsverzeichnis
Die Arbeitslosigkeit im Diskurs.
1. Daten und Vorgehen.
2. Das Vorverständnis des Forschers.
3. Quantitative Analyse.
3.1 Wichtigkeit/Relevanz des Themas.
3.2 Umfang der Berichte.
3.3 Aufmachung.
3.4 Standardisierung der Berichterstattung.
3.5 Komplexität der Sprache.
3.6 Drucktechnische Besonderheiten.
3.7 Einsatz von Mitteln zur Vereinfachung der Informationsverarbeitung.
3.8 Zusammenfassung.
4. Qualitative Analyse.
4.1 Themenstruktur.
4.1.1 globale Themenstruktur.
4.1.2 Haupt- und Nebenthemen.
4.1.3 Thematische Veränderungen.
4.1.4 Zusammenfassung.
4.2 Analyse der Berichterstattung
4.2.1 Einzelanalyse der Berichte.
4.2.2 Kritik an der Einzelanalyse.
4.2.3 Zusammenfassung der Ergebnisse der Einzelanalyse.
4.3 Akteurszentrierte Analyse.
4.3.1 Auftretende Akteure.
4.3.2 Akteure im Wandel der Zeit.
4.3.3 Die Äußerungen der Akteure vor dem Hintergrund ihrer
Interessen, Wertestrukturen und Funktionen.
Kapitel
4.3.4 Zusammenfassung.
5. Fazit und abschließende Kritik.

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Die Arbeitslosigkeit im Diskurs

Der Diskurs um die Arbeitslosigkeit hält die Nation in seinem Bann. Nicht nur, weil sich die Situation am Arbeitsmarkt dramatisch zuspitzt1, sondern auch weil jeder Bundesbürger direkt oder indirekt von der Erwerbslosigkeit betroffen ist. Seien es die Arbeitslosen selbst, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, seien es die Steuerzahler, welche für die zusätzlichen Belastungen aufkommen müssen, seien es die Rentner, welche sich mit faktischen Kürzungen ihrer Bezüge abfinden müssen, seien es Schüler und Studenten, die Einschnitten ins Bildungssystem fürchten müssen, seien es die Gewerkschaften, welche aufgrund gesunkener Mitgliederzahlen Legitimitätseinbußen hinzunehmen haben, oder seien es die Bundes- und Länderregierung(en), welche aufgrund ihres „Versagens“ um ihre Wiederwahl bangen müssen.

Jedweder Diskurs - so auch derjenige um die Arbeitslosigkeit - wird von Sprechern und Repräsentanten verschiedener sozialer Gruppen getragen und über die Medien vermittelt2. Im Rahmen des Proseminars „Kommunikation, Medien und Kultur - Printmedien und öffentliche Diskurse“ stellten sich daher primär zwei Fragen:

1. Welche Funktionen erfüllen die einzelnen Printmedien im Diskurs bzw. beschränken sich diese Medien ausschließlich auf ihre Vermittlerfunktion? Und

2. Welche Funktion kommt den auftretenden Akteuren zu?

Ziel der folgenden Ausführungen ist es, Antworten auf diese beiden Fragen zu finden. Um die abschließenden Ergebnisse nachvollziehen und beurteilen zu können, ist es jedoch nötig, sich zunächst einen Überblick über den exakten Forschungsgegenstand sowie über das geplante Vorgehen zu verschaffen.

1. Daten und Vorgehen

Aufgabe der Teilnehmer des Proseminars „Kommunikation, Medien und Kultur - Printmedien und öffentliche Diskurse“ war es, den Diskurs um die Arbeitslosigkeit, wie er sich in diversen Zeitungen und Zeitschriften zwischen 1964 bis 2000 darstellte, zu rekonstruieren und zu analysieren. Durch den relativ langen Untersuchungszeitraum und die Vielfalt an unterschiedlichen Printmedien3ergaben sich dabei über die zentrale Problemstellung

1Die aktuelle Arbeitslosenquote beläuft sich laut SZ vom 07.04.2004 (Titel) derzeit auf 10,9 %.

2Keller (2001), S. 133

3Zu untersuchende Medien waren Nürnberger Nachrichten, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau, Spiegel, Die Zeit, Die Welt, Stuttgarter Nachrichten, Bild und Fränkischer Tag

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hinweg etliche Fragen: Wie wird das Thema in einer bestimmten Zeitung in den einzelnen Jahrgängen graphisch, optisch, inhaltlich dargestellt? Gibt es etwaige Veränderungen in der Berichterstattung im Laufe der Jahre? Worauf sind diese Veränderungen zurückzuführen, was sagen sie aus? Kann man eine Zeitung durch auffallende Besonderheiten von den anderen Printmedien abgrenzen? Welche Akteure tragen den Diskurs? Wie stellen die einzelnen Akteure das Thema dar? Inwiefern unterscheiden sich die Stellungnahmen der Akteure voneinander und warum? Gibt es Variationen bezüglich der Akteure im Laufe der Zeit? Worauf sind diese zurückzuführen und welche Bedeutung ist ihnen beizumessen? Und so weiter und so fort... .

Die nicht abreißende Flut an Fragen verlangte nach einer tiefergehenden quantitativen als auch qualitativen Analyse der einzelnen Texte. Da eine allumfassende Untersuchung sämtlicher zum Thema erschienenen Artikel (zwischen 1964 und 2000) im Rahmen eines Proseminars unmöglich war, konzentrierte man sich auf diejenigen Artikel, die im Abstand von vier Jahren jeweils zu Beginn des Monats April nach der Verkündigung der aktuellen Arbeitslosenzahlen abgedruckt wurden. Dabei wurde je zwei Kursteilnehmern ein Printmedium zur Analyse zugeteilt. Aufgrund der ungeraden Teilnehmerzahl des Kurses konnte der „Fränkische Tag“ (FT) allerdings nur von einer Person untersucht werden. Dieser Um-stand brachte nicht nur mangelnde zeitliche Ressourcen und damit Einschnitte in die Tiefe der Analyse mit sich (So musste beispielsweise auf einen Vergleich des Fränkischen Tags mit anderen Zeitungen ebenso verzichtet werden wie auf eine Ausweitung der Untersuchung auf aktuelle Artikel.), sondern auch das Problem der mangelnden Intersubjektivität der Interpretationsleistung. Sämtliche im Verlaufe dieser Arbeit dargestellten Ergebnisse entstammen ausschließlich den Überlegungen einer einzigen Person. Diese Ergebnisse wurden zwar größtenteils in jeder Sitzung mit den übrigen Kursteilnehmern besprochen, diskutiert und anschließend überarbeitet. Jedoch hätte es die Kapazitäten des Proseminars gesprengt, wenn sich die Diskussionen in ihrer vollen Notwendigkeit erschöpft hätten. Um die Validität der gewonnenen Daten dennoch sichern zu können, wird zunächst im Kapitel 2 ein Abriss über das Vorverständnis des Forschers bezüglich des Forschungsge-genstandes erfolgen. Im Verlaufe der weiteren Arbeit wird in jedem Abschnitt erläutert, mit welchen Methoden sich dem Untersuchungsgegenstand angenähert wurde. Zudem befinden sich im Anhang die wichtigsten Teilanalysen und -ergebnisse, und dem Literaturverzeichnis sind sämtliche verwendeten Zeitungsberichte zu entnehmen. Den Kern dieser Arbeit stellen die Kapitel 3 und 4 dar: Das Kapitel 3 befasst sich ausschließlich mit der quantitativen Analyse der Zeitungsartikel. Da es bei dieser Untersu-

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chung darauf ankommt, die vom Inhalt losgelösten Eigenschaften und eventuelle Besonderheiten - also die äußere Form (und deren Wandel) - der Berichterstattung des FT zu analysieren, soll sich die statistische Auswertung auf sämtliche im Literaturverzeichnis aufgeführten Artikel des „Fränkischen Tag“ erstrecken.

Den qualitativen Teil der Arbeit bildet das Kapitel 4, welches sich in drei Teilabschnitte untergliedert. Der erste Teilabschnitt beschäftigt sich mit der Analyse der Themenstruktur aller Artikel und der Bildung eines Kategorienschemas, um erste Aussagen über die Schwerpunkte der Berichterstattung des Fränkischen Tags zu gewinnen. Im zweiten Teilabschnitt findet sich eine tiefergehende Analyse der Berichterstattung. Hierbei werden repräsentative Artikel des FT anhand eines standardisierten Schemas („news schemata“) von Teun A. van Dijk4untersucht. Ziel dieses Vorgehens ist es, Gemeinsamkeiten aber auch Auffälligkeiten in den einzelnen Zeitungsartikeln aufzudecken, sowie die Funktionen der dargestellten Informationen zu eruieren, um Schlussfolgerungen bezüglich der Art und Weise der Berichterstattung des FT und somit bezüglich der Wirkungsweise dieser Zeitung ziehen zu können. Bei der akteursbezogenen Auswertung im dritten Teilabschnitt gilt es schließlich, die auftretenden Akteure und ihre Äußerungen zu beleuchten, um deren Funktion im Diskurs aufdecken zu können.

Wie bereits angesprochen, ist aufgrund der mangelnden personellen und zeitlichen Ressourcen eine solch umfassende qualitative Analyse nicht ohne Einschnitte möglich. Es wird daher in jedem Teilabschnitt erläutert, welche Artikel in die jeweilige Untersuchung einbezogen wurden und auf welche Artikel aus analytischen Gründen verzichtet werden musste.

2. Das Vorverständnis des Forschers

Als der erste zu analysierende Artikel im Jahr 1964 abgedruckt wurde, sollte meine Geburt noch gut 14 Jahre auf sich warten lassen. Es ist daher nur allzu verständlich, dass mein Wissen über die Berichterstattung der 60er, 70er und zu Beginn der 80er Jahre äußerst spärlich ausfällt. Nichts desto trotz bin ich mir der Tatsache bewusst, dass ich in einer Welt aufgewachsen bin, die sich einerseits zunehmend globalisiert und die sich andererseits auf-grund bahnbrechender technologischer Errungenschaften im Bereich des Telekommunikations- und Informationsbereichs zu einer Informationsgesellschaft wandelt.

4vgl. van Dijk (1988), S. 55

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Dies kann sich nicht ohne Auswirkungen auf die Berichterstattung vollzogen haben. Auf-grund der zunehmenden internationalen Vernetzung und den damit verbundenen äußeren Einwirkungen auf den Arbeitsmarkt (z.B. „Weltkonjunktur“, Kursschwankungen des Euro, Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer, Exportraten...) bin ich davon ausgegangen, dass sich eine Schwerpunktverlagerung bezüglich der Ursachen von Arbeitslosigkeit feststellen lassen müsste: Auf den Nationalstaat beschränkte Faktoren (Arbeitsmarktpolitik, nationale Nachfrage und Konjunktur, Demographie, ...) müssten im Laufe der Jahre zunehmend von o.g. äußeren Faktoren überlagert werden.

Die Informationsgesellschaft wiederum brachte einen ungeheuren Anstieg der Informationsflut mit sich. Obgleich ein Großteil dieser Informationsmenge redundant ist, stieg auch die Menge der „mitteilenswerten“ Informationen. In Verbindung mit dem Ziel der Gewinnmaximierung, nach dem sich jedes Unternehmen - also auch ein Zeitungsverlagrichten muss5, würde das bedeuten, dass sich in einem gleichbleibenden, wenn nicht sogar abnehmenden Zeitungsvolumen ein Mehr an Informationen finden müsste. Demzufolge müsste die Komplexität der einzelnen Berichte zu- und die Länge der Artikel abnehmen. Mehr noch: Um dem Leser die Verarbeitung der Information zu erleichtern, müsste sie vermehrt in komprimierter und übersichtlicher Form (beispielsweise in Graphiken, Statistiken und Tabellen oder durch eine Zusammenfassung der wichtigsten Fakten zu Beginn eines Berichtes („Lead“)) dargestellt werden.

Fernerhin bin ich in Anlehnung an den „Nachrichtenfaktoren“-Ansatz6davon ausgegangen, dass sich die Berichterstattung in dem Sinne dramatisieren würde, dass in erster Linie über neue, negative, überraschende und dramatische Ereignisse berichtet wird, bzw. sich eine Emotionalisierung oder Personalisierung der Arbeitslosigkeit vollzieht. Da die Arbeitslosenzahlen allerdings allmonatlich bekannt gegeben werden, insofern nicht sonderlich überraschend sind und zudem unumstößliche Tatsachen darstellen, ist die vorgestellte Dramatisierung in diesem Zusammenhang lediglich so zu verstehen, dass allein die Überschrift eines Artikels in irgendeiner Form positiv oder negativ von der im zugehörigen Bericht unterbreiteten Information abweicht, so dass die Aufmerksamkeit des Lesers - auch auf die Gefahr einer folgenden Erwartungsenttäuschung - geweckt wird. Mit einer solchen „Dramatisierung des Aufmachers“ ist meines Erachtens allerdings in erster Linie bei überregionalen Wochenzeitungen oder Boulevardblättern und weniger bei regionalen Tageszeitungen zu rechnen, welche keinem oder einem lediglich geringem Konkurrenzkampf ausgesetzt sind. Der Fränkische Tag stellt zudem faktisch ein Monopolblatt dar, dessen Abon-

5Vgl.Baur, 2001, S. 47f.

6vgl. Ruhrmann (1994), S. 238ff

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nenten - aufgrund fehlender Alternativzeitungen und wahrscheinlich auch aufgrund eines überwiegend regionalbezogenen Informationsbedürfnisses - einen Zeitungswechsel nicht in Erwägung ziehen dürften. Dies mag zwar die Argumentation bezüglich einer Dramatisierung der Berichterstattung entkräften, ein Trend zur Personalisierung wäre aber dennoch denkbar: Vor allem in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit sind absolute Zahlen zu abstrakt, als dass sie vom allgemeinen Leser wirklich verstanden und nachvollzogen werden könnten. Aus redaktioneller Sicht wäre es sinnvoll, wenn dem Leser die Arbeitslosigkeit anhand bewegender Einzelbeispiele nahegebracht werden würde. Hierdurch würde eine Identifikation des Lesers mit dem Geschriebenen ermöglicht, wodurch einerseits das „Produkt“ Zeitung für den Konsumenten weitaus interessanter erscheint und andererseits eine Beeinflussung bzw. Manipulation desselben denkbar wäre: Erst dann, wenn man sich selbst betroffen fühlt oder einer Gefahr ausgesetzt sieht, ist man auch empfänglich für Botschaften von solchen Akteuren, die eine scheinbar schützende bzw. verteidigende Position beziehen und zur Abwehr der Gefahr aufrufen.

Der Gedanke der Manipulation kann aber auch auf einer anderen Ebene gedacht werden: Medien leisten mittlerweile v.a. im politischen Bereich einen wichtigen „Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung und damit zur öffentlichen Kontrolle der politischen Entscheidungsinstanzen und Vollzugsorgane“7. Demzufolge lässt sich argumentieren, dass Medien im Allgemeinen versuchen, ihre Macht dahingehend auszunutzen, um die Bevölkerungsmeinung in eine bestimmte politische Richtung zu lenken. Aufgrund der Medienvielfalt, dem Recht auf freie Meinungsäußerung, dem Wunsch eines jeden politischen Akteurs8, in der Öffentlichkeit im rechten Lichte da zu stehen, und ob dessen Bewusstsein um die Macht der Medien, müssten politische Akteure wiederum versuchen, die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Bezogen auf die Berichterstattung der letzten 40 Jahre würde dies nicht nur eine Zunahme des Auftretens von politischen Akteuren und Vertretern von Interessenverbänden in den Medien (ergo im FT) bedeuten, sondern mitunter auch eine veränderte Qualität der geäußerten Standpunkte: es ist denkbar, dass nicht nur die Anzahl der Appelle und Aufforderungen in Richtung der Regierung angestiegen sein könnte, sondern auch, dass die Akteure untereinander in einem zunehmenden Maße versuchen, ihr Gegenüber bei der Bevölkerung in Misskredit zu bringen - vielleicht sogar unter Verletzung der Regeln der Höflichkeit. Ob

7Hunziker (1998), S. 25

8Unter den Begriff „politischer Akteur“ werden in diesem Zusammenhang nicht nur Politiker, sondern auch Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden subsumiert, da auch sie die Arbeitsmarktpolitik in ihrem Sinne zu beeinflussen versuchen.

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und inwiefern sich diese Vermutungen bestätigen, wird im Laufe dieser Arbeit zu zeigen sein.

3. Quantitative Analyse

Halten wir uns noch einmal die Ausgangsfragestellung bezüglich des FT vor Augen: Welche Funktionen erfüllt dieses Printmedium in besagtem Diskurs bzw. beschränkt es sich ausschließlich auf seine Vermittlerfunktion?

Zur Beantwortung dieser Frage scheint auf den ersten Blick keine quantitative Analyse vonnöten zu sein: Das wichtigste Anliegen des FT ist eindeutig die Vermittlerfunktion zwischen den Akteuren des Diskurses und dem einzelnen Leser. Abweichungen von dieser Vermittlerfunktion und dadurch eventuelle weitere Obliegenheiten der Zeitung sind vermeintlich nur durch eine inhaltliche, also qualitative Analyse zu erschließen. Jedoch soll sich nicht mit der bloßen Feststellung, der FT erfülle seine Vermittlerfunktion, abgefunden werden: Es kommt darauf an, wie diese Funktion erfüllt wird. Genauer gesagt: Wie wird die Information dargestellt? Der Begriff „darstellen“ zeigt schon, dass es hierbei nicht allein auf die qualitative Dimension der Berichterstattung ankommt, sondern auch auf deren „äußere Darbietung“. Allein durch die Platzierung eines Artikels kann man schon Aufschluss über die ihm zugemessene Wichtigkeit erlangen. Die Aufmachung kann einem Artikel zusätzliches Gewicht verleihen: Verfügt der Bericht außer einem Titel auch über eine Überschrift9, einen Untertitel oder einen Lead? Wurde er durch Bilder, Graphiken oder Statistiken, die allesamt als Blickfänger dienen, aufgewertet? Wie umfangreich ist der Beitrag? Werden die Informationen leicht verständlich oder komplex dargestellt? Wurden fremde Quellen verwendet? Gibt es sonstige drucktechnische Besonderheiten? Wie haben sich all diese Aspekte im Laufe der letzten vierzig Jahre verändert? Und vor allem: Welche Rückschlüsse lassen sich daraus auf den Fränkischen Tag ziehen? Die quantitative Untersuchung konzentriert sich auf die Erfassung derjenigen Merkmale, anhand derer man Aufschluss über die Wichtigkeit bzw. Relevanz des Themas, über den Umfang einzelner bzw. aller Artikel, über die Komplexität der Sprache, über die äußere Aufmachung der Berichte sowie über mögliche Tendenzen zu einer Standardisierung der Berichterstattung im Zeitverlauf erlangen kann. Der Übersicht 1 sind diejenigen Indikato-

9ZurNomenklatur: „Titel“ bezeichnet die eigentliche Überschrift („main headline“), während mit „Überschrift“ eine dem Titel drucktechnisch übergeordnete Ergänzung gemeint ist („superheadline“)

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ren zu entnehmen, die diesen Merkmalen zugeordnet wurden, und die einzelnen Indikatorausprägungen sind in den Tabellen 1 und 2 (im Anhang) ersichtlich.

Übersicht 1:Variablen und zugeordnete Indikatoren der quantitativen Analyse

3.1 Wichtigkeit/Relevanz des Themas

Bereits die Anzahl der veröffentlichten Artikel kann erste Hinweise auf die Wichtigkeit geben, die einem Thema zugesprochen wird. Richtet man seinen Fokus allein auf diesen Aspekt, so stellt man fest, dass in den Jahren 1964 bis 1984 und im Jahr 1992 ein oder zwei Reporte zur Darstellung der Materie genügten. In jüngerer Zeit summieren sich die Beiträge: 1988 und 1996 waren es deren drei und im Jahr 2000 sogar sechs. Dies kann nicht nur ein Hinweis auf eine gestiegene Relevanz des Themas sein, sondern auch ein Indiz für eine mögliche Pluralisierung der Meinungen, vorausgesetzt, dass ein Mehr an Artikeln auch ein Mehr an auftretenden Akteuren bedeutet (vgl. Kap. 4.3.2). Jedoch sind diese Vermutungen nicht ohne Vorsicht zu genießen: Zumindest bei der extrem hohen Anzahl der Artikel im Jahre 2000 könnte es sich um einen statistischen Ausreißer handeln - eine weitere Verfolgung des Umfangs der Berichterstattung in den Folgejahren könnte Aufschluss über dieses Problem geben.

10Dieser Quotient wurde anhand ausgewählter, typischer Textpassagen bestimmt. Je größer der Quotient ausfällt, desto höher ist die Komplexität des untersuchten Textes.

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Betrachten wir die Platzierung der Artikel anhand der Rubrik: Es lässt sich feststellen, dass in den meisten der analysierten Ausgaben des FT je ein Artikel auf der Titelseite abgedruckt wurde. Ausnahmen bilden lediglich die Untersuchungs“jahrgänge“111968, 72 und 76. Hierbei ist neben der Rubrik unter anderem auch die Seitenzahl zu beachten. Die beiden Artikel des Jahres 76 sind im Lokal- bzw. Wirtschaftsteil zu verorten. Dies ist insofern gerechtfertigt, da sich der Bericht im Lokalteil (auf der zweiten von vier Seiten des Lokalteils) ausschließlich mit der Arbeitsmarktsituation im Raum Bamberg beschäftigt, während der andere lediglich themenbezogene oder -ergänzende Meinungen verschiedener Wirtschaftsfachleute widerspiegelt.

Von Interesse sind jedoch die verbliebenen „Jahrgänge“: 1968 findet sich der Bericht über die Entwicklung der nationalen Arbeitslosenzahlen zwar unter der Rubrik Wirtschaft, allerdings erst auf derallerletztenSeite der Zeitung, während der Beitrag aus dem Jahr 1972 (im Wirtschaftsteil) auf Seite sechs von insgesamt 18 Seiten abgelichtet wurde. Angesichts der generellen Tendenz zu einer pessimistischen Berichterstattung in den 50er bis 80er Jahren12wäre diese Art der Platzierung von positiven Meldungen über geringe Arbeitslosigkeit (1968: 2,2 %; 1972: 1,2%) nicht verwunderlich. Jedoch stellt sich hierbei die Frage, warum dieses Phänomen nicht auch im Jahre 1964 auftritt, zumal zu diesem Zeitpunkt die Arbeitslosenquote sogar unter 2 % lag. Ebenso wird im Jahre 1976 die vermeintliche Tendenz zur „Problemdarstellung“13durchbrochen: Wenn bereits in einer Region des wirtschaftsstarken Bundeslandes Bayern die Arbeitslosigkeit bei 7,4 % liegt, dann müsste sie im bundesweiten Durchschnitt höher ausfallen und wäre als „Problem“ prädestiniert für die Titelseite - jedoch sucht man dort vergeblich nach einer solchen Meldung. Es ist also zu vermuten, dass die pessimistische Stimmung des Journalismus lediglich in den Jahren 1968 und 72 vom Fränkischen Tag Besitz ergreifen konnte. Anderen möglichen Erklärungen für eine „abgeschlagene Positionierung“ der Reporte in diesen Jahren (beispielsweise eine mangelnde Importanz der Arbeitslosigkeit im Vergleich zu anderen Ereignissen) kann leider nicht nachgegangen werden, da das vorhandene Datenmaterial ausschließlich aus Kopien der relevanten Artikeln besteht.

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass dem Thema Arbeitslosigkeit (mit Ausnahme der Jahrgänge 68 bis 76) allein durch die Platzierung auf der Titelseite eine hohe Relevanz

11Der Begriff „Jahrgang“ ist zwar semantisch nicht korrekt, soll aber aus Gründen der Simplizität im Weiteren verwendet werden.

12vgl. Thesenpapier von Steinadler & Buchner, S. 2

13Ebd.

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beigemessen wird, wobei die zunehmende Zahl der Artikel in jüngerer Zeit die Wichtigkeit des Themas zusätzlich zu unterstreichen scheint.

3.2 Umfang der Berichte

Auf den ersten Blick verspricht die (durchschnittliche) Anzahl der Spalten bzw. der Zeilen ein probates Mittel zu sein, um den Umfang einzelner bzw. aller Artikel eines Jahrgangs ermitteln zu können. Bedenkt man jedoch die Tatsache, dass die einzelnen Berichtlängen differieren und sich dadurch eine mitunter täglich variierende Konstellation von unterschiedlichen Formaten einzelner Artikel ergibt, die schließlich das Gesamtbild bestimmen und sich wiederum auf die Anzahl der Spalten und Zeilen der Berichte auswirken, so wird diese (voreilige) Schlussfolgerung relativiert. Beispielsweise wäre die Annahme, dass der Report 84/1 länger ist als 96/3, nur weil jener eine Spalte mehr aufzuweisen hat, sehr gewagt.14