Arthur Schopenhauer: Ausgewählte Beiträge zur Geschichte der Philosophie - Arthur Schopenhauer - E-Book

Arthur Schopenhauer: Ausgewählte Beiträge zur Geschichte der Philosophie E-Book

Arthur Schopenhauer

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Beschreibung

Arthur Schopenhauers Buch 'Ausgewählte Beiträge zur Geschichte der Philosophie' bietet eine einzigartige Zusammenstellung seiner Gedanken und Analysen verschiedener Philosophen. Der literarische Stil des Buches präsentiert komplexe philosophische Konzepte auf verständliche Weise und ermöglicht es dem Leser, tief in die Geschichte der Philosophie einzutauchen. Schopenhauer zeigt in diesem Werk seine scharfe Denkfähigkeit und sein tiefes Verständnis der philosophischen Traditionen, was es zu einem unverzichtbaren Werkzeug für Studierende und Philosophie-Enthusiasten macht. Das Buch hebt sich durch seine kritische Analyse und originelle Interpretationen von anderen Werken ab und bietet eine fesselnde Lektüre, die den Leser zum Nachdenken anregt. Arthur Schopenhauer, ein bedeutender deutscher Philosoph des 19. Jahrhunderts, ist bekannt für seinen Pessimismus und seine einflussreichen Werke zur Metaphysik und Ethik. Sein tiefes Interesse an der Geschichte der Philosophie motivierte ihn, diese ausgewählten Beiträge zusammenzustellen, um einen umfassenden Überblick über wichtige Denker und ihre Ideen zu bieten. Schopenhauers philosophische Schriften sind für ihre Schärfe und Originalität bekannt, und dieses Buch ist keine Ausnahme. 'Arthur Schopenhauer: Ausgewählte Beiträge zur Geschichte der Philosophie' ist ein Muss für alle, die an Philosophie interessiert sind und einen Einblick in die Entwicklungen der philosophischen Gedankenwelt erhalten möchten. Es ist eine reichhaltige Sammlung von Schopenhauers Analysen und Interpretationen verschiedener Philosophen, die sowohl Fachleute als auch Laien gleichermaßen inspirieren und fordern werden.

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Arthur Schopenhauer

Arthur Schopenhauer: Ausgewählte Beiträge zur Geschichte der Philosophie

Vorsokratische Philosophie + Sokrates + Platon + Aristoteles + Stoiker + Neuplatoniker + Gnostiker + Skotus Erigena + Die Scholastik + Bako von Verulam + Erläuterungen zur Kantischen Philosophie...

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-0864-7

Inhaltsverzeichnis

1. Ueber dieselbe
2. Vorsokratische Philosophie
3. Sokrates
4. Platon
5. Aristoteles
6. Stoiker
7. Neuplatoniker
8. Gnostiker
9. Skotus Erigena
10. Die Scholastik
11. Bako von Verulam
12. Die Philosophie der Neueren
13. Noch einige Erläuterungen zur Kantischen Philosophie
14. Einige Bemerkungen über meine eigene Philosophie

§. 1. Ueber dieselbe.

Inhaltsverzeichnis

Statt der selbsteigenen Werke der Philosophen allerlei Darlegungen ihrer Lehren, oder überhaupt Geschichte der Philosophie zu lesen, ist wie wenn man sich sein Essen von einem Andern kauen lassen wollte. Würde man wohl Weltgeschichte lesen, wenn es Jedem freistände, die ihn interessirenden Begebenheiten der Vorzeit mit eigenen Augen zu schauen? Hinsichtlich der Geschichte der Philosophie nun aber ist ihm eine solche Autopsie ihres Gegenstandes wirklich zugänglich, nämlich in den selbsteigenen Schriften der Philosophen, woselbst er dann immerhin, der Kürze halber, sich auf wohlgewählte Hauptkapitel beschränken mag; um so mehr, als sie alle von Wiederholungen strotzen, die man sich ersparen kann. Auf diese Weise also wird er das Wesentliche ihrer Lehren authentisch und unverfälscht kennen lernen, während er aus den, jetzt jährlich zu halben Dutzenden erscheinenden Geschichten der Philosophie bloß empfängt, was davon in den Kopf eines Philosophieprofessors gegangen ist und zwar so, wie es sich daselbst ausnimmt; wobei es sich von selbst versteht, daß die Gedanken eines großen Geistes bedeutend einschrumpfen müssen, um im drei-pfund-Gehirn so eines Parasiten der Philosophie Platz zu finden, aus welchem sie nun wieder, in den jedesmaligen Jargon des Tages gekleidet, hervorkommen sollen, begleitet von seiner altklugen Beurtheilung. — Ueberdies läßt sich berechnen, daß so ein geldverdienender Geschichtsschreiber der Philosophie kaum den zehnten Theil der Schriften, darüber er Bericht erstattet, auch nur gelesen haben kann: ihr wirkliches Studium erfordert ein ganzes, langes und arbeitsames Leben, wie es ehemals, in den alten, fleißigen Zeiten, der wackere Brucker daran gesetzt hat. Was hingegen können wohl solche Leutchen, die, abgehalten durch beständige Vorlesungen, Amtsgeschäfte, Ferienreisen und Zerstreuungen, meistens schon in den frühern Jahren mit Geschichten der Philosophie auftreten, Gründliches erforscht haben? Dazu aber wollen sie auch noch pragmatisch seyn, die Nothwendigkeit des Entstehens und der Folge der Systeme ergründet haben und darthun, und nun gar noch jene ernsten, ächten Philosophen der Vorzeit beurtheilen, zurechtweisen und meistern. Wie kann es anders kommen, als daß sie die älteren, und Einer den Andern, ausschreiben, dann aber, um Dies zu verbergen, die Sachen mehr und mehr verderben, indem sie ihnen die moderne Tournüre des laufenden Quinquenniums zu geben bestrebt sind, wie sie denn auch nach dem Geiste desselben solche beurtheilen. — Sehr zweckmäßig dagegen würde eine von redlichen und einsichtigen Gelehrten gemeinschaftlich und gewissenhaft gemachte Sammlung der wichtigen Stellen und wesentlichen Kapitel sämmtlicher Hauptphilosophen seyn, in chronologisch-pragmatischer Ordnung zusammengestellt, ungefähr in der Art, wie zuerst Gedicke, und später Ritter und Preller es mit der Philosophie des Alterthums gemacht haben; jedoch viel ausführlicher: also eine mit Sorgfalt und Sachkenntniß verfertigte große und allgemeine Chrestomathie.

Die Fragmente, welche nun ich hier gebe, sind wenigstens nicht traditionell, d. h. abgeschrieben; vielmehr sind es Gedanken, veranlaßt durch das eigene Studium der Originalwerke.

§. 2. Vorsokratische Philosophie.

Inhaltsverzeichnis

Die Eleatischen Philosophen sind wohl die ersten, welche des Gegensatzes inne geworden sind, zwischen dem Angeschauten und dem Gedachten, φαινομενα und νοουμενα. Das Letztere allein war ihnen das wahrhaft Seiende, das οντως ον. — Von diesem behaupten sie sodann, daß es Eines, unveränderlich und unbeweglich sei; nicht aber eben so von den φαινομενοις, d. i. dem Angeschauten, Erscheinenden, empirisch Gegebenen, als von welchem so etwas zu behaupten geradezu lächerlich gewesen wäre; daher denn einst der so mißverstandene Satz, auf die bekannte Art, vom Diogenes widerlegt wurde. Sie unterschieden also eigentlich schon zwischen Erscheinung, φαινομενον, und Ding an sich, οντωςον. Letzteres konnte nicht sinnlich angeschaut, sondern nur denkend erfaßt werden, war demnach νοουμενον. (Arist. metaph. I, 5, p. 986 et Scholia edit. Berol. p. p. 429, 430, et 509.) In den Scholien zum Aristoteles (p. 460, 536, 544 et 798) wird des Parmenides Schrift τα κατα δοξαν erwähnt: das wäre also die Lehre von der Erscheinung, die Physik, gewesen: ihr wird ohne Zweifel ein anderes Werk, τα κατ΄ αληθειαν, die Lehre vom Ding an sich, also die Metaphysik, entsprochen haben. Von Melissos sagt ein Scholion des Philoponos geradezu: εντοις προς αληθειαν έν ειναι λεγων το ον, εν τοις προςδοξαν δυο (müßte heißen πολλα) φησιν ειναι. — Der Gegensatz der Eleaten, und wahrscheinlich auch durch sie hervorgerufen, ist Herakleitos, sofern er unaufhörliche Bewegung aller Dinge lehrte, wie sie die absolute Unbeweglichkeit: er blieb demnach beim φαινομενον stehn. (Arist. de coelo, III, 1, p. 298. edit. Berol.) Dadurch nun wieder rief er, als seinen Gegensatz, die Ideenlehre Platons hervor; wie dies aus der Darstellung des Aristoteles (Metaph. p. 1078) sich ergiebt.

Es ist bemerkenswerth, daß wir die leicht zu zählenden Haupt-Lehrsätze der vorsokratischen Philosophen, welche sich erhalten haben, in den Schriften der Alten unzählige Mal wiederholt finden; darüber hinaus jedoch sehr wenig: so z. B. die Lehren des Anaxagoras vom νους und den όμοιομεδιαι, — die des Empedokles von φιλια και νεικος und den vier Elementen, — die des Demokritos und Leulippos von den Atomen und den ειδωλοις, — die des Herakleitos vom beständigen Fluß der Dinge, — die der Eleaten, wie oben auseinandergesetzt, — die der Pythagoreer von den Zahlen, der Metempsychose u. s. f. Indessen kann es wohl seyn, daß dieses die Summa alles ihres Philosophirens gewesen; denn wir finden auch in den Werken der Neueren, z. B. des Kartesius, Spinoza, Leibnitz und selbst Kants die wenigen Fundamentalsätze ihrer Philosophien zahllose Male wiederholt; so daß diese Philosophen sämmtlich den Waidspruch des Empedokles, der auch schon ein Liebhaber des Repetitionszeichens gewesen seyn mag, δις καιτρις το καλον (S. Sturz, Empedocl. Agrigent. p. 504), adoptirt zu haben scheinen.

Die erwähnten beiden Dogmen des Anaxagoras stehn übrigens in genauer Verbindung. — Nämlich παντα εν πασιν ist seine symbolische Bezeichnung des Homoiomeriendogma’s. In der chaotischen Urmasse staken demnach, ganz fertig vorhanden, die partes similares (im physiologischen Sinne) aller Dinge. Um sie auszuscheiden und zu specifisch verschiedenen Dingen (partes dissimilares) zusammenzusetzen, zu ordnen und zu formen, bedurfte es eines νους, der, durch Auslesen der Bestandtheile, die Konfusion in Ordnung brächte; da ja das Chaos die vollständigste Mischung aller Substanzen enthielt (Scholia in Aristot. p. 337). Jedoch hatte der νους diese erste Scheidung nicht vollkommen zu Stande gebracht; daher in jedem Dinge noch immer die Bestandtheile aller übrigen, wenn gleich in geringerem Maaße, anzutreffen waren: παλιν γαρ παν εν παντι μεμικται (ibid.). —

Empedokles hingegen hatte, statt zahlloser Homoiomerien, nur vier Elemente, — aus welchen nunmehr die Dinge als Produkte, nicht, wie beim Anaxagoras, als Edukte hervorgehn sollten. Die verneinende und scheidende, also ordnende Rolle des νους aber spielen bei ihm φιλια και νεικος, Liebe und Haß. Das ist Beides gar sehr viel gescheuter. Nicht den Intellekt (νους) nämlich, sondern dem Willen (φιλια και νεικος) überträgt er die Anordnung der Dinge, und die verschiedenartigen Substanzen sind nicht, wie beim Anaxagoras, bloße Edukte; sondern wirkliche Produkte. Ließ Anaxagoras sie durch einen sondernden Verstand, so läßt sie hingegen Empedokles durch blinden Trieb, d. i. erkenntnißlosen Willen, zu Stande gebracht werden.

Ueberhaupt ist Empedokles ein ganzer Mann, und seinem φιλια και νεικος liegt ein tiefes und wahres appercu zum Grunde. Schon in der unorganischen Natur sehen wir die Stoffe, nach den Gesetzen der Wahlverwandtschaft, einander suchen oder fliehen, sich verbinden und trennen. Die aber, welche sich chemisch zu verbinden die stärkste Neigung zeigen, welche jedoch nur im Zustande der Flüssigkeit befriedigt werden kann, treten in den entschiedensten elektrischen Gegensatz, wenn sie im festen Zustande in Berührung mit einander kommen: sie gehn jetzt in entgegengesetzte Polaritäten feindlich auseinander, um sich sodann wieder zu suchen und zu umarmen. Und was ist denn überhaupt der in der ganzen Natur unter den verschiedensten Formen durchgängig auftretende polare Gegensatz Anderes, als eine stets erneuerte Entzweiung, auf welche die inbrünstig begehrte Versöhnung folgt? So ist denn wirklich φιλια και νεικος überall vorhanden und nur nach Maaßgabe der Umstände wird jedesmal das Eine, oder das Andere hervortreten. Demgemäß können auch wir selbst mit jedem Menschen, der uns nahe kommt, augenblicklich befreundet, oder verfeindet seyn: die Anlage zu Beidem ist da und wartet auf die Umstände. Bloß die Klugheit heißt uns, auf dem Indifferenzpunkt der Gleichgültigkeit verharren; wiewohl er zugleich der Gefrierpunkt ist. Eben so ist auch der fremde Hund, dem wir uns nähern, augenblicklich bereit, das freundliche, oder das feindliche Register zu ziehn und springt leicht vom Bellen und Knurren zum Wedeln über; wie auch umgekehrt. Was dieser durchgängigen Phänomene des φιλια και νεικος zum Grunde liegt ist allerdings zuletzt der große Urgegensatz zwischen der Einheit aller Wesen, nach ihrem Seyn an sich, und ihrer gänzlichen Verschiedenheit in der Erscheinung, als welche das principium individuationis zur Form hat. Imgleichen hat Empedokles die schon ihm bekannte Atomenlehre als falsch erkannt und dagegen unendliche Theilbarkeit der Körper gelehrt, wie uns Lukretius berichtet Lib. I, v. 747 fg.

Vor Allem aber ist, unter den Lehren des Empedokles, sein entschiedener Pessimismus beachtenswerth. Er hat das Elend unseres Daseyns vollkommen erkannt und die Welt ist ihm, so gut wie den wahren Christen, ein Jammerthal, — Ατης λειμων. Schon er vergleicht sie, wie später Platon, mit einer finstern Höhle, in der wir eingesperrt wären. In unserm irdischen Daseyn sieht er einen Zustand der Verbannung und des Elends, und der Leib ist der Kerker der Seele. Diese Seelen haben einst sich in einem unendlich glücklichen Zustande befunden und sind durch eigene Schuld und Sünde in das gegenwärtige Verderben gerathen, in welches sie, durch sündigen Wandel, sich immer mehr verstricken und in den Kreislauf der Metempsychose gerathen, hingegen durch Tugend und Sittenreinheit, zu welcher auch die Enthaltung von thierischer Nahrung gehört, und durch Abwendung von den irdischen Genüssen und Wünschen wieder in den ehemaligen Zustand zurückgelangen können. — Also die selbe Urweisheit, die den Grundgedanken des Brahmanismus und Buddhaismus, ja, auch des wahren Christenthums (darunter nicht der optimistische, jüdisch-protestantische Rationalismus zu verstehen ist) ausmacht, hat auch dieser uralte Grieche sich zum Bewußtseyn gebracht; wodurch der consensus gentium darüber sich vervollständigt. Daß Empedokles, den die Alten durchgängig als einen Pythagoreer bezeichnen, diese Ansicht vom Pythagoras überkommen habe, ist wahrscheinlich; zumal, da im Grunde auch Platon sie theilt, der ebenfalls noch unter dem Einflusse des Pythagoras steht. Zur Lehre von der Metempsychose, die mit dieser Weltansicht zusammenhängt, bekennt Empedokles sich auf das Entschiedenste. — Die Stellen der Alten, welche, nebst seinen eigenen Versen, von jener Weltauffassung des Empedokles Zeugniß ablegen, findet man mit großem Fleiße zusammengestellt in Sturzii Empedocles Agrigentinus, S. S. 448—458. —

Die Ansicht, daß der Leib ein Kerker, das Leben ein Zustand des Leidens und der Läuterung sei, aus welchem der Tod uns erlöst, wenn wir der Seelenwanderung quitt werden, theilen Aegypter, Pythagoreer, Empedokles, mit Hindu und Buddhaisten. Mit Ausnahme der Metempsychose ist sie auch im Christenthum enthalten. Jene Ansicht der Alten bezeugen Diodorus Sikulus und Cicero. (S. Wernsdorf, de metempsychosi Veterum, p. 31, und Cic. fragmenta, p. 299 [somn. Scip.], 316, 319, ed. Bip.) Cicero giebt an diesen Stellen nicht an, welcher Philosophenschule solche angehören; doch scheinen es Ueberreste Pythagorischer Weisheit zu seyn. Auch in den übrigen Lehrmeinungen dieser vorsokratischen Philosophen läßt sich viel Wahres nachweisen, davon ich einige Beispiele geben will.

Nach Kant´s und Laplace’s Kosmogonie, welche durch Herschels Beobachtungen noch eine faktische Bestätigung a posteriori erhalten hat, die nun wieder wankend zu machen, Lord Rosse mit seinem Riesenreflektor, zum Trost des Englischen Klerus, bemüht ist, — gestalten sich aus langsam gerinnenden und dann kreisenden, leuchtenden Nebeln, durch Kondensation, die Planetensysteme: da behält, nach Jahrtausenden, wieder Anaximenes Recht, welcher Luft und Dunst für den Grundstoff aller Dinge erklärte (Schol. in Arist. p. 514). Zugleich aber auch erhalten Empedokles und Demokritos Bestätigung; da schon sie, eben wie Laplace, Ursprung und Bestand der Welt aus einem Wirbel, δινη, erklärten (Arist. op. ed. Berol. p. 295, et Scholia p. 351), worüber, als eine Gottlosigkeit, auch schon Aristophanes (Nubes, v. 820) spottet; eben wie heut zu Tage über die Laplace’sche Theorie die englischen Pfaffen, denen dabei, wie bei jeder zu Tage kommenden Wahrheit, unwohl zu Muthe, nämlich um ihre Pfründen Angst wird. — Ja, sogar führt gewissermaaßen unsere chemische Stöchiometrie auf die Pythagorische Zahlenphilosophie zurück: τα γαρ παθη και αί έξεις των αριθμων των εν τοιςουσι παθων τε και έξεων αιτια, οίον το διπλασιον, το επιτριτον, και ήμιολιον (Schol. in Arist. p. 543 et 829). — Daß das Kopernikanische System von den Pythagoreern anticipirt worden war ist bekannt; ja, es war dem Kopernikus bekannt, der seinen Grund-Gedanken geradezu geschöpft hat aus der bekannten Stelle über Hicetas in Cicero’s quaestionibus acad. (II, 39) und über Philolaos im Plutarch de placitis philosophorum (Lib. III, c. 13). Diese alte und wichtige Erkenntniß hat nachher Aristoteles verworfen, um seine Flausen an deren Stelle zu setzen, wovon weiter unten §. 5. (Vergl. Welt als Wille und Vorstellung, II, p. 342 der 2. Aufl.; II, p. 390 der 3. Aufl.) Aber selbst Fourier’s und Cordier’s Entdeckungen über die Wärme im Innern der Erde sind Bestätigungen der Lehre jener: ελεγον δεΠυθαγορειοι πυρ ειναι δημιουργικον περι το μεσον και κεντροντης γης, το αναθαλπουν την γην και ζωοποιουν. Schol. in Arist. p. 504. Und wenn, in Folge eben jener Entdeckungen, die Erdrinde heut zu Tage angesehn wird als eine dünne Schichte zwischen zwei Medien (Atmosphäre und heiße, flüssige Metalle und Metalloide), deren Berührung einen Brand verursachen muß, der jene Rinde venichtet; so bestätigt Dies die Meinung, daß die Welt zuletzt durch Feuer verzehrt werden wird; in welcher alle alten Philosophen übereinstimmen und welche auch die Hindu theilen (lettres édifiantes édit. de 1819. Vol. 7, p. 114). — Bemerkt zu werden verdient auch noch, daß, wie aus Aristoteles (Metaph. I, 5. p. 986) zu ersehn, die Pythagoreer, unter dem Namen der δεκα αρχαι, gerade das Yn und Yang der Chinesen aufgefaßt hatten.

Daß die Metaphysik der Musik, wie ich solche in meinem Hauptwerke (Bd. I, §. 52 und Bd. 2, Kap. 39) dargelegt habe, als eine Auslegung der Pythagorischen Zahlenphilosophie angesehn werden kann, habe ich schon dort kurz angedeutet und will es hier noch etwas näher erläutern; wobei ich nun aber die eben angeführten Stellen als dem Leser gegenwärtig voraussetze. — Demzufolge also drückt die Melodie alle Bewegungen des Willens, wie er sich im menschlichen Selbstbewußtseyn kund giebt, d. h. alle Affekte, Gefühle u. s. w. aus; die Harmonie hingegen bezeichnet die Stufenleiter der Objektivation des Willens in der übrigen Natur. Die Musik ist, in diesem Sinn, eine zweite Wirklichkeit, welche der ersten völlig parallel geht, übrigens aber ganz anderer Art und Beschaffenheit ist; also vollkommene Analogie, jedoch gar keine Aehnlichkeit mit ihr hat. Nun aber ist die Musik, als solche, nur in unserm Gehörnerven und Gehirn vorhanden: außerhalb oder an sich (im Lockischen Sinne verstanden), besteht sie aus lauter Zahlenverhältnissen: nämlich zunächst, ihrer Quanität nach, hinsichtlich des Takts; und dann, ihrer Qualität nach, hinsichtlich der Stufen der Tonleiter, als welche auf den arithmetischen Verhältnissen der Vibrationen beruhen; oder, mit anderen Worten, wie in ihrem rhythmischen, so auch in ihrem harmonischen Element. Hienach also ist das ganze Wesen der Welt, sowohl als Mikrokosmos, wie als Makrokosmos, allerdings durch bloße Zahlenverhältnisse auszudrücken, mithin gewissermaaßen auf sie zurückzuführen: in diesem Sinne hätte dann Pythagoras Recht, das eigentliche Wesen der Dinge in die Zahlen zu setzen. — Was sind nun aber Zahlen? — Successionsverhältnisse, deren Möglichkeit auf der Zeit beruht.

Wenn man liest was über die Zahlenphilosophie der Pythagoreer in den Scholien zum Aristoteles (p. 829 ed. Berol.) gesagt wird; so kann man auf die Vermuthung gerathen, daß der so seltsame und geheimnißvolle, an das Absurde streifende Gebrauch des Wortes λογος im Eingang des dem Johannes zugeschriebenen Evangeliums, wie auch die früheren Analoga desselben beim Philo, von der Pythagorischen Zahlenphilosophie abstammen, nämlich von der Bedeutung des Wortes λογος im arithmetischen Sinn, als Zahlenverhältniß ratio numerica; da ein solches Verhältniß, nach den Pythagoreern, die innerste und unzerstörbare Essenz jedes Wesens ausmacht, also dessen erstes und ursprüngliches Principium, αρχη, ist; wonach denn von jedem Dinge gälte εν αρχη ην ό λογος. Man berücksichtige dabei, daß Aristoteles (de anima I, l) sagt: τα παθη λογοι ενυλοι ειοι, et mox: όμεν γαρ λογος ειδος του πραγματος. Auch wird man dadurch an den λογος σπερματικος der Stoiker erinnert, auf welchen ich bald zurückkommen werde.

Nach der Biographie des Pythagoras von Jamblichos hat derselbe seine Bildung hauptsächlich in Aegypten, wo er von seinem 22. bis zum 56. Jahre geweilt, und zwar von den Priestern daselbst, erhalten. Im 56. Jahre zurückgekehrt, hatte er wohl eigentlich die Absicht, eine Art Priesterstaat, eine Nachahmung der Aegyptischen Tempelhierarchien, wiewohl unter den bei Griechen nothwendigen Modifikationen, zu gründen: dies gelang ihm nicht im Vaterlande Samos, doch gewissermaaßen in Kroton. Da nun Aegyptische Kultur und Religion ohne Zweifel aus Indien stammte, wie dies die Heiligkeit der Kuh, nebst hundert anderen Dingen, beweiset (Herod. II, 41); so erklärt sich hieraus des Pythagoras Vorschrift der Enthaltung von thierischer Nahrung namentlich das Verbot Rinder zu schlachten (Jambl. vit. Pyth. c. 28, §. 150), wie auch die anbefohlene Schonung aller Thiere, desgleichen seine Lehre von der Metempsychose, seine weißen Gewänder, seine ewige Geheimnißkrämerei, welche die symbolischen Sprüche veranlaßte und sich sogar auf mathematische Theoreme erstreckte, ferner die Gründung einer Art Priesterkaste, mit strenger Disciplin und vielem Ceremoniell, das Anbeten der Sonne (c. 35, §. 256) und viel Anderes. Auch seine wichtigeren astronomischen Grund-Begriffe hatte er von den Aegyptern. Daher wurde die Priorität der Lehre von der Schiefe der Ekliptik ihm streitig gemacht von Oenopides, der mit ihm in Aegypten gewesen war. (Man sehe darüber den Schluß des 24. Kap. des ersten Buches der Eklogen des Stobäos mit Heerens Note aus dem Diodorus.) Ueberhaupt aber, wenn man die von Stobäos (besonders Lib. I, c. 25 fg.) zusammengestellten astronomischen Elementarbegriffe sämmtlicher Griechischer Philosophen durchmustert, so findet man, daß sie durchgängig Absurditäten zu Markte gebracht haben, mit alleiniger Ausnahme der Pythagoreer, welche in der Regel das ganz Richtige haben. Daß dieses nicht aus eigenen Mitteln, sondern aus Aegypten sei, ist nicht zu bezweifeln. Des Pythagoras bekanntes Verbot der Bohnen ist rein Aegyptischen Ursprungs und bloß ein von dort herüber genommener Aberglaube, da Herodot (II, 37) berichtet, daß in Aegypten die Bohne als unrein betrachtet und verabscheuet werde, so daß die Priester nicht einmal ihren Anblick ertrügen. Daß übrigens des Pythagoras Lehre entschiedener Pantheismus war, bezeugt so bündig wie kurz, eine von Clemens Alexandrinus, in der Cohortatio ad gentes, uns aufbehaltene Sentenz der Pythagoreer, deren Dorischer Dialekt auf Aechtheit deutet; sie lautet: Ούκ άποκρυπτεον ούδε τους άμφι τον Πυθαγοραν, οίφασιν΄ Ό μεν θεος είς΄ χ΄ ούτος δε ούχ, ώς τινες ύπονοουσιν, έκτος τας διακοσμησιος, άλλ΄ έν αύτα, όλος έν όλω τω κυκλω, έπισκοπος πασας γενεσιος, κρασις των όλων΄ άει ών, και έργατας των αύτου δυναμιων και έργων άπαντων έν ούρανω φωστηρ, καιπαντων πατηερ, νους και φυχωσις τω όλω κυκλω, παντων κινασις. (S. Clem. Alex. Opera Tom. I, p. 118 in Sanctorum Patrum oper. polem. Vol. IV., Wirceburgi 1778.) Es ist nämlich gut sich bei jeder Gelegenheit zu überzeugen, daß eigentlicher Theismus und Judenthum Wechselbegriffe sind. Nach dem Apulejus wäre Pythagoras sogar bis Indien gekommen und von den Brahmanen selbst unterrichtet worden. (S. Apulej. Florida, p. 130 ed. Bip.) Ich glaube demnach, daß die allerdings hoch anzuschlagende Weisheit und Erkenntniß des Pythagoras nicht sowohl in Dem bestanden hat, was er gedacht, als in Dem, was er gelernt hatte; also weniger eigene, als fremde war. Dies bestätigt ein Ausspruch des Herakleitos über ihn. (Diog. Laert. Lib. VIII, c. 1, §. 5.) Sonst würde er sie auch aufgeschrieben haben, um seine Gedanken vom Untergange zu retten: hingegen das erlernte Fremde blieb an der Quelle gesichert.

§. 3. Sokrates.

Inhaltsverzeichnis

Die Weisheit des Sokrates ist ein philosophischer Glaubensartikel. Daß der Platonische Sokrates eine ideale, also poetische Person sei, die Platonische Gedanken ausspricht, liegt am Tage; am Xenophontischen hingegen ist nicht gerade viel Weisheit zu finden. Nach Lukianos (Philopsendes, 24) hätte Sokrates einen dicken Bauch gehabt; welches eben nicht zu den Abzeichen des Genies gehört. — Eben so zweifelhaft jedoch steht es, hinsichtlich der hohen Geistesfähigkeiten, mit allen Denen, welche nicht geschrieben haben, also auch mit dem Pythagoras. Ein großer Geist muß doch allmälig seinen Beruf und seine Stellung zur Menschheit erkennen, folglich zu dem Bewußtseyn gelangen, daß er nicht zur Heerde, sondern zu den Hirten, ich meyne zu den Erziehern des Menschengeschlechtes, gehört: hieraus aber wird ihm die Verpflichtung klar werden, seine unmittelbare und gesicherte Einwirkung nicht auf die Wenigen, welche der Zufall in seine Nähe bringt, zu beschränken, sondern sie auf die Menschheit auszudehnen, damit sie, in dieser, die Ausnahmen von ihr, die Vorzüglichen, also Seltenen, erreichen könne. Das Organ aber, womit man zur Menschheit redet, ist allein die Schrift: mündlich redet man bloß zu einer Anzahl Individuen; daher was so gesagt wird, im Verhältniß zum Menschengeschlechte, Privatsache bleibt. Denn solche Individuen sind für die edle Saat meistens ein schlechter Boden, in welchem sie entweder gar nicht treibt, oder in ihren Erzeugnissen schnell degenerirt: die Saat selbst also muß bewahrt werden. Dies aber geschieht nicht durch Tradition, als welche bei jedem Schritte verfälscht wird, sondern allein durch die Schrift, dieser einzigen treuen Aufbewahrerin der Gedanken. Zudem hat nothwendig jeder tiefdenkende Geist den Trieb, zu seiner eigenen Befriedigung, seine Gedanken festzuhalten und sie zu möglichster Deutlichkeit und Bestimmtheit zu bringen, folglich sie in Worten zu verkörpern. Dies aber geschieht vollkommen allererst durch die Schrift: denn der schriftliche Vortrag ist ein wesentlich anderer, als der mündliche; indem er allein die höchste Präcision, Koncision und prägnante Kürze zuläßt, folglich zum reinen Ektypos des Gedankens wird. Diesem allen zufolge wäre es in einem Denker ein wunderlicher Uebermuth, die wichtigste Erfindung des Menschengeschlechts unbenutzt lassen zu wollen. Sonach wird es mir schwer, an den eigentlich großen Geist Derer zu glauben, die nicht geschrieben haben: vielmehr bin ich geneigt, sie für hauptsächlich praktische Helden zu halten, die mehr durch ihren Charakter, als durch ihren Kopf wirkten. Die erhabenen Urheber des Upanischads der Veden haben geschrieben: wohl aber mag die Sanhita der Veden, aus bloßen Gebeten bestehend, sich Anfangs nur mündlich fortgepflanzt haben.

Zwischen Sokrates und Kant lassen sich gar manche Aehnlichkeiten nachweisen. Beide verwerfen allen Dogmatismus: Beide bekennen eine völlige Unwissenheit in Sachen der Metaphysik und setzen ihre Eigenthümlichkeit in das deutliche Bewußtseyn dieser Unwissenheit. Beide behaupten, daß hingegen das Praktische, Das, was der Mensch zu thun und zu lassen habe, völlig gewiß sei und zwar durch sich selbst, ohne fernere theoretische Begründung. Beide hatten das Schicksal, daß ihre nächsten Nachfolger und deklarirten Schüler dennoch in eben jenen Grundlagen von ihnen abwichen und, die Metaphysik bearbeitend, völlig dogmatische Systeme aufstellten; daß ferner diese Systeme höchst verschieden ausfielen, jedoch alle darin übereinstimmten, daß sie von der Lehre des Sokrates, respektive Kants, ausgegangen zu seyn behaupteten. — Da ich selbst Kantianer bin, will ich hier mein Verhältniß zu ihm mit Einem Worte bezeichnen. Kant lehrt, daß wir über die Erfahrung und ihre Möglichkeit hinaus nichts wissen können: ich gebe Dies zu, behaupte jedoch, daß die Erfahrung selbst, in ihrer Gesammtheit, einer Auslegung fähig sei, und habe diese zu geben versucht, indem ich sie wie eine Schrift entziffern, nicht aber wie alle früheren Philosophen, mittelst ihrer bloßen Formen über sie hinauszugehn unternahm, was eben Kant als unstatthaft nachgewiesen hatte. —