Assistant to the Villain - Hannah Nicole Maehrer - E-Book

Assistant to the Villain E-Book

Hannah Nicole Maehrer

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Beschreibung

Mit farbig gestaltetem Buchschnitt – nur in limitierter Erstauflage der gedruckten Ausgabe (Lieferung je nach Verfügbarkeit)

Gefürchteter Schurke sucht loyale, unerschütterliche Assistentin. Aufgaben: Büro- und Verwaltungstätigkeiten sowie Unterstützung des Teams beim Verbreiten von Angst und Schrecken. Exzellente Bezahlung.

Seit fünf Monaten arbeitet Evie Sage nun schon als persönliche Assistentin des im ganzen Königreich Rennedawn gefürchteten Schurken. Inzwischen hat sie sich sowohl an den Anblick abgetrennter Köpfe als auch an die durchdringenden Schreie aus den Folterkammern gewöhnt, die sie erwarten, wenn sie ihrem Boss morgens den Kaffee bringt. Ihrem unverschämt attraktiven Boss, der Evies Herz jedes Mal ein wenig zum Flattern bringt, wenn sie ihm im Büro begegnet. Als sie herausfindet, dass eine Verschwörung gegen den Schurken im Gange ist, ist sie fest entschlossen, ihren Chef zu retten, und entdeckt dabei bisher ungeahnte Talente an sich …

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Seitenzahl: 595

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Das Buch

Seit fünf Monaten arbeitet Evie Sage nun schon als persönliche Assistentin des im ganzen Königreich Rennedawn gefürchteten Schurken. Inzwischen hat sie sich sowohl an den Anblick abgetrennter Köpfe als auch an die durchdringenden Schreie aus den Folterkammern gewöhnt, die sie erwarten, wenn sie ihrem Boss morgens den Kaffee bringt. Ihrem unverschämt attraktiven Boss, der Evies Herz jedes Mal ein wenig zum Flattern bringt, wenn sie ihm im Büro begegnet. Als sie herausfindet, dass eine Verschwörung gegen den Schurken im Gange ist, ist sie fest entschlossen, ihren Chef zu retten, und entdeckt dabei bisher ungeahnte Talente an sich …

Die Autorin

Hannah Nicole Maehrer ist in Pennsylvania aufgewachsen, wo sie an der Pennsylvania State University Psychologie studierte. Sie hat eine Schwäche für Disneyfilme, Fantasyromane und Märchenbösewichte. Auf ihrem TikTok-Kanal begeisterte sie mit ihren Clips über einen finsteren Bösewicht und seine sonnige Assistentin Hunderttausende von Fans, woraufhin sie beschloss, den beiden einen ganzen Roman zu widmen. Mit ihrem Debüt Assistant to the Villain eroberte sie Platz 1 der New York Times-Bestsellerliste.

HANNAH NICOLE MAEHRER

ROMAN

AUSDEMAMERIKANISCHENÜBERSETZTVONANTONIAZAUNER

WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN

Titel der amerikanischen OriginalausgabeASSISTANTTOTHEVILLAIN

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Redaktion: Michelle Stöger

Copyright © 2023 by Hannah Nicole Maehrer

Copyright © 2024 der deutschsprachigen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: DASILLUSTRAT, München, unter Verwendung des Originalentwurfs von Elizabeth Turner Stokes

Satz: satz-bau Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-31415-6V002

www.heyne.de

Für Mom und Dad,für all die Stunden, die ihr damit verbracht habt, mir als Kind Geschichten zu erzählen, und all die Jahre, in denen ihr meinen gelauscht habt, ihr sollt wissen, dass eure immer meine Lieblingsgeschichten bleiben werden.

Und für euch alle:So stelle ich es mir vor, die persönliche Assistentin eines moralisch fragwürdigen Fantasy-Schurken zu sein.

PROLOG

Es war einmal …

Es war ein ganz normaler Tag, als Evie dem Schurken begegnete.

Ein weiterer gescheiterter Besuch bei der Arbeitsvermittlung in ihrem Dorf. Ein weiterer Tag ohne Einkommen. Ein weiterer Tag, an dem sie ihren kranken Vater und ihre kleine Schwester im Stich ließ. Und deshalb war sie, als sie bei den Bäumen ankam, die den Hickory Forest wie ein Zaun umgaben, so in Gedanken versunken, dass sie ganz einfach hineinspazierte.

Früher hatten sich oft Leute im Wald aufgehalten, aber jetzt war es der letzte Ort, den jemand bei klarem Verstand je betreten würde. Noch dazu allein. Nun, es sei denn, man war Evangelina Sage und der verbotene Wald kam einem deutlich verlockender vor, als nach Hause zu gehen und seiner Familie zu gestehen, dass man endlich Arbeit gefunden hatte … nur um sie gleich wieder zu verlieren.

Evie seufzte und streckte die Hand aus, um die Finger über die raue Borke der Bäume gleiten zu lassen, während sie tiefer in den Wald vordrang. Es war wirklich recht hübsch hier.

Rennedawn war eines der bescheideneren verzauberten Königreiche, und den Hickory Forest zu meiden, war eine echte Herausforderung, weil er so viel Landmasse einnahm, doch bislang schlug sich die Bevölkerung ganz gut.

So war es, seit vor beinahe zehn Jahren eine finstere Gestalt, bekannt als der Schurke, auf der Bildfläche erschien. Es gab zu viele Gerüchte, dass er am Waldrand auf neue Opfer lauerte, die er foltern konnte. Evie wusste nicht viel über diesen Bösewicht, aber sie war sich beinahe sicher, dass er Besseres zu tun hatte, als zwischen den Bäumen herumzugeistern wie eine Waldnymphe. Allerdings hatte sie eine solche bislang auch noch nie gesehen – sie lebten weiter oben im Norden.

»Der Schurke«, schnaubte Evie und schob die Hände tief in die Taschen ihres schlichten braunen Kleides, während sie immer tiefer in den Wald hineinging. »Vielleicht wäre er ja weniger mordlustig, wenn man ihm keinen derart blöden Namen verpasst hätte.«

Wobei, vielleicht trug er ihn ja schon seit seiner Geburt, was bedeuten würde, dass seine Mutter über eine bemerkenswerte Weitsicht verfügte.

Evie stolperte über einen herumliegenden Ast und zog hastig die Hände aus den Taschen, um sich an einem Baum abzustützen, ehe sie dem Plätschern eines Bachs folgte und dabei ihr spärliches Wissen über den Mann zusammenkratzte. Es stammte größtenteils von Fahndungsplakaten, auf denen er immer als älterer Mann dargestellt war, dem sich von den Rangeleien mit seinen Opfern tiefe Narben über das ganze Gesicht bis in den grauen Bart hineinzogen. Und seine Zähne waren oft zerklüftet, als wollte er einem damit das Herz aus der Brust reißen – oder vielleicht auch, als müsste er dringend mal zum Zahnarzt.

Um den größten Widersacher des Königreichs rankten sich so viele Gerüchte, dass Evie nicht sicher war, was sie glauben konnte. Sie wusste, dass der Schurke vor Jahren eines der Fischerdörfer im Westen von Rennedawn niedergebrannt hatte. Selbst Monate danach hatte das Königreich noch mit Hungersnöten zu kämpfen, bis endlich alles wiederaufgebaut war. Und es gab viele weitere Schreckensgeschichten. Schlichte Raubzüge schienen weit oben auf der To-do-Liste des Schurken zu stehen. Dafür schlich er sich oft in die Häuser adliger Familien, um sie in Angst und Schrecken zu versetzen und sich dann mit ihren wertvollen Erbstücken aus dem Staub zu machen.

Während sie sich dem Bach näherte, der deutlich breiter war als zunächst angenommen, bewunderte Evie die Schönheit der Sonnenstrahlen, die durch das Blätterdach drangen und den Blumen am Ufer ein beinahe unwirkliches Leuchten verliehen. Kurz vergaß sie sogar, in was für einer Zwickmühle sie steckte, so atemberaubend war dieser Anblick. Aber dann war alles mit einem Mal wieder da.

Ihr Vater wusste immer noch nicht, dass sie schon vor einem Monat ihre Stelle in der Schmiede verloren hatte. Sie war sich so sicher gewesen, dass sie etwas Neues finden würde, bevor ihrer Familie auffiel, dass etwas weniger Essen auf dem Tisch stand oder ihre kleine Hütte etwas kühler war, weil sie Feuerholz sparen mussten. Aber heute Abend würde sie es ihm gestehen müssen. Sie hatten nicht mehr als ihre spärlichen Essensreserven.

Mit einem schweren Seufzen kniete sie sich an den Rand des Bachs, und ihre Knie sanken tief in das weiche Moos. Sie ließ die Hände durch das klare blaue Wasser gleiten und spritzte sich dann etwas von dem kühlen Nass ins Gesicht und in den Nacken, in der Hoffnung, dass das ihr rasendes Herz beruhigen würde.

Diesmal steckte sie in ernsthaften Schwierigkeiten. Und zwar nicht wegen eines sagenumwobenen Bösewichts.

Nein. Das hier war alles ihre eigene Schuld.

Das Schlimmste war, dass sie heute bereits eine gute Stelle in Aussicht gehabt hatte. Eine adelige Familie suchte für ihr Anwesen nicht weit von hier noch ein Dienstmädchen. Es war nicht optimal, ihr Weg zur Arbeit wäre recht lang gewesen, doch es war die einzige ausgeschriebene Stelle dieser Art, und sie war mehr als bereit gewesen, sie anzunehmen. Und natürlich musste sie sich genau in diesem Moment zur Seite drehen und eine andere Frau entdecken, die mit derart hoffnungsvoll leuchtenden Augen neben ihr stand, dass sich ihr das Herz in der Brust zusammengezogen hatte. Und erst recht, als sie die drei Kinder hinter der Frau entdeckte.

Evie hatte ihr die Stelle überlassen, und die Frau hatte sie überschwänglich auf beide Wangen geküsst.

Es war die richtige Entscheidung. Warum also ist mir so schwer ums Herz?

Seufzend spritzte sie sich noch mehr rotes Wasser ins Gesicht und überlegte, wann die nächste Jobbörse stattfinden würde. Vielleicht konnte sie eine in einem der Nachbardö…

Moment mal … rot?

Mit einem entsetzten Keuchen riss Evie die Augen auf und wich zwischen die Blumen zurück. Das ehemals so klare blaue Wasser war jetzt tiefrot.

Blut.

Sie schloss die Augen und versuchte, ruhig zu atmen. Nachdem sie bis zehn gezählt hatte, rappelte sie sich auf und näherte sich vorsichtig einmal mehr dem Wasser, wobei sie beinahe über ihren langen Rocksaum gestolpert wäre. Ganz eindeutig war das Blut, das von etwas weiter oben den Bach herunterfloss.

Sie machte einen Schritt in diese Richtung, setzte einen Lederstiefel vor den anderen, vollkommen unvorbereitet auf das, was auch immer sie erwarten mochte.

Je weiter sie kam, desto mehr ähnelte der Bach einem Fluss aus Blut, das undurchsichtige Rot hatte längst jeden Rest Blau vertrieben. Es musste von einem verletzten Tier kommen, einem ziemlich großen, der Menge nach zu schließen. Sicherlich war es nichts, was Evies persönlicher Inspektion bedurfte.

Und doch war sie jetzt hier in diesem Wald, der plötzlich immer dunkler wurde, weil die Sonne hinter den Bäumen zu versinken begann, und folgte einem Fluss aus Blut.

Sie schüttelte den Kopf und spürte, wie die Pflanzen unter ihr von ihren Stiefeln zerquetscht wurden, als sie ruckartig stehen blieb. Sie musste umkehren. Und tatsächlich hatte sie schon halb kehrtgemacht, als sie durch das hohe Gras am Ufer des Baches ein Tier mit schwarzem Fell entdeckte, das bei einem riesigen Baum kauerte.

Sie würde der armen Kreatur den Gnadenstoß versetzen. Das war nicht zu viel verlangt. Aber je näher sie kam, desto weniger sah es nach einem Tier aus. War es möglich …

Eine menschliche Hand schoss zwischen dem schwarzen Fell hervor, und jetzt erkannte sie, dass es gar kein Fell war, sondern ein dunkler Umhang. Finger schlossen sich um ihr Handgelenk und zogen sie zu der Gestalt hinunter.

»Uff!« Sie prallte heftig mit der Schulter auf, und im nächsten Moment schlang sich ein Arm um ihre Taille und zog sie dicht an den Körper ihres Angreifers. Erst als sie seitlich auf dem Boden lag und etwas Festes und Warmes hinter sich spürte, kam sie zu Sinnen und begann, zu schreien und sich zur Wehr zu setzen.

Der Arm um ihre Taille spannte sich an, und eine Hand legte sich auf ihre Lippen. Dann war da eine tiefe Stimme dicht an ihrem Ohr, die ihr Schauer durch den ganzen Körper jagte. »Leise, du kleine Göre, sonst sterben wir beide.«

Und in diesem Moment entdeckte Evie eine weitere Unheil verkündende Gestalt – sogar mehr als eine. Eine Gruppe Männer in Silber. Die Garde des Königs!

Sie kämpfte gegen die Hand an, aber jetzt schlang der Mann zusätzlich zu seinem Arm auch noch ein schweres Bein um ihre Knöchel, sodass sie sich gar nicht mehr bewegen konnte.

»Lasch misch losch!« Bei dem Sturz hatte sie ihren Dolch verloren, und sie begann, mit ihrer freien Hand im Gras danach zu tasten.

»Entspann dich«, befahl er.

Na klar. Das war naheliegend, wenn man von einem fremden Mann, hinter dem die Furchtlose Garde her war, am Boden festgehalten wurde. Aber irgendwie war sie auch selbst schuld. Wer war denn buchstäblich einem Fluss aus Blut gefolgt? Was hatte sie denn gedacht, dass passieren würde?

»Isch bwin scho ein Idiot.« Evie seufzte tief.

Plötzlich war die Hand weg und die Stimme an ihrem Ohr wieder da. »Was nuschelst du?«

»Das ist so typisch für mich«, flüsterte sie.

»Von einem Fremden auf dem Boden festgehalten werden?«, sagte er in einem Tonfall, der verdächtig neugierig klang.

»Nun, nicht exakt diese Situation. Aber wenn ich jemandem erzählen würde, wie ich hier gelandet bin, würde das niemand ungewöhnlich finden.« Sie rammte ihm ihren Ellenbogen zwischen die Rippen, und der Mann stöhnte und fluchte. »Oh, das tut mir aber leid. Hat das wehgetan?« Sie machte es noch einmal, nur aus Prinzip.

»Genug jetzt!«, zischte er, ehe er mit einer gebräunten Hand auf die Männer wies, die zwischen den Bäumen auf der anderen Seite des Bachs nach etwas suchten. »Denen dort ist egal, dass du ein unschuldiges Mädchen bist, das in die Arme eines Dämons gestolpert ist. Sie werden dich ohne Zögern umbringen und dabei noch lachen.«

»Dämon?«, gluckste Evie leise und wollte sich umdrehen, um den Mann zu sehen, der eine so hohe Meinung von sich hatte, aber die Arme schlossen sich noch enger um sie, sodass sie sich nicht bewegen konnte.

»Du weißt doch sicher, wer ich bin?«, fragte er und klang dabei nicht einmal arrogant. Doch die gelassene Gewissheit, mit der er einfach wusste, welcher Ruf ihm vorauseilte, ließ Evies Magen Purzelbäume schlagen.

Sie war in ihrem Leben schon eine Menge abwertende Dinge genannt worden. Und erschreckenderweise begannen sie alle mit dem Buchstaben A. Achtlos, albern, arglos, und jetzt konnte sie die Liste endlich, gänzlich unerwartet, um zwei weitere A ergänzen.

Am Arsch.

Sie wusste es. Sie hatte keine Ahnung, warum, aber sie wusste es einfach.

Der Schurke, König der Dunkelheit, Jäger der Träume, hatte seine Arme um sie geschlungen. Und was noch schlimmer war: Sie hatte nicht einmal so viel Angst, wie sie haben sollte. Tatsächlich hatte sie keine Angst, und zwar so was von gar keine Angst, dass sie …

Ach du meine Güte. Lachte sie etwa?

Ja, das tat sie. Sie konnte nicht anders, und wenn sie es noch lauter täte, dann würden diese Männer gleich bei ihnen sein. Der Schurke schien es auch zu spüren, denn keine Sekunde später lag seine Hand wieder auf ihrem Mund.

»Wir werden jetzt ganz langsam hinter diesen Baum kriechen.« Er zerrte Evie hoch, damit sie die riesige Eiche sehen konnte. »Und dann rennen wir los.«

»Wir?«, fragte sie, als sie plötzlich herumgewirbelt und in Richtung Baum gestoßen wurde. Es blieb keine Zeit für Widerspruch, also duckte sie sich, wie ihr geheißen, und kroch über den Boden, bis sie sicher hinter dem Baumstamm kauerte. Heftig keuchend rieb Evie sich den Arm und drehte sich nach dem Schurken um.

Er war weg.

»Wo beim Totenland ist er …«

»Hier.«

Erschrocken wirbelte Evie in die Richtung herum, aus der sie seine Stimme gehört hatte. »Wie seid Ihr da hingek…« Doch als sie ihn sah, verschlug es ihr die Sprache.

Zu ihrer Verteidigung, es gab eine ganze Menge zu sehen.

Ihr erster Gedanke war, dass all die Fahndungsplakate völlig falschlagen. Das hier war kein alter Mann mit grauem Bart und Narben im Gesicht. Nicht mal in seinem vollen, dunklen Haar war auch nur ein Hauch von Grau zu sehen. Er hatte hohe Wangenknochen und ein Zwei-Tage-Bartschatten bedeckte seine sehr ausgeprägte Kieferpartie. Sie schätzte, dass er kaum mehr als sechs oder sieben Jahre älter als sie sein konnte. Vielleicht achtundzwanzig oder neunundzwanzig? Das konnte allerdings nicht stimmen. Es gab doch sicher irgendwo eine Regel, die besagte, dass fiese Oberbösewichte mindestens fünfzig oder vielleicht sogar sechzig sein mussten.

Aber doch nicht jung! Und vor allem nicht verheerend schön.

Aber das war er: schön. Seine Haut war gebräunt und glatt. Als würde er, wenn er nicht gerade Leute terrorisierte, im Gras liegen, hin und wieder geziert an einer Tasse Tee nippen und mit abgespreiztem kleinem Finger etwas Lyrik lesen.

Das weckte ein hysterisches Lachen in Evie. Der Schurke hob eine seiner perfekten dichten Brauen über den dunkelsten Augen, die sie je gesehen hatte. Verwirrt musterte er sie. Es war, als würde er nicht begreifen, dass es sich bei ihr ebenfalls um einen Menschen handelte, denn er sah sie an, als wäre ihre bloße Existenz ein riesiges Mysterium.

»Ihr solltet wirklich nicht so aussehen«, sagte sie und überraschte sich selbst mit dem Gedanken, dass sein verblüffter Gesichtsausdruck fast schon niedlich war.

Er ist ein Mörder!, meldete sich ihr Gewissen, aber der Rest von ihr, der Teil, der keine Verbindung zu ihrem sehr klugen Gehirn hatte, fand ihn viel zu attraktiv, um sich darum zu kümmern.

Während Evie sich ihm einen vorsichtigen Schritt näherte, suchte sie in sich nach der Furcht, von der sie wusste, dass sie da war. Jeden Moment sollte sie lähmende Angst überkommen, und dann würde sie schreiend wegrennen, aber mittlerweile trennte sie nur noch eine Armeslänge von ihm, und sie hatte sich noch nicht einmal umgedreht.

Hmmm. Keine Angst, aber doch eine leichte Beunruhigung – ein Hinweis darauf, dass sie nicht gänzlich den Verstand verloren hatte. Bis die Sorge von der sehr peinlichen Vorstellung verdrängt wurde, wie er wohl riechen würde, wenn sie ganz nah an ihn herankäme und schnupperte.

»Ist da etwas an meinem Gesicht … das dein Missfallen erregt? Oder liegt es vielleicht daran, dass ich dank der Männer aus deinem Dorf aus drei verschiedenen Wunden blute?« Seine Stimme war leise, und nach außen hin wirkte er ruhig, doch Evie sah unterdrückte Wut in seinen dunklen Augen lauern.

Dachte er, sie würde ihn verurteilen?

»Äh, ja. Also das Blut ist nicht so toll … aber ich meinte mehr, dass Ihr ausseht wie eine Marmorstatue, und so ganz allgemein gesprochen denke ich, dass von Grund auf böse Leute irgendwie grotesk aussehen sollten.«

Die Wut verschwand, als wäre sie nie da gewesen, und seine einzige Reaktion bestand aus einem Blinzeln.

»Niemand sollte Leute umbringen und dann so schön sein. Das ist verwirrend.« Evie wickelte sich den Wollschal, den ihre kleine Schwester Lyssa ihr zu ihrem letzten Geburtstag geschenkt hatte, vom Hals, trat dichter an den Schurken heran und hielt das Kleidungsstück hoch wie ein Friedensangebot. »Für das Blut, Eure Boshaftigkeit.«

Mit geballter Faust nahm der Schurke ihn entgegen, wickelte ihn um seine Mitte und zog fest zu, um den Blutfluss zu stoppen. »Du findest, dass ich schön bin?«

Seltsamerweise hatte Evie das Gefühl, dass grotesk ihm lieber gewesen wäre, so wie sein Gesicht sich bei dem Wort verzog.

»Das hat nichts mit Finden zu tun, es ist einfach eine Tatsache. Seht nur, wie symmetrisch Eure Wangenknochen sind.« Sie schloss die letzte Distanz zwischen ihnen und legte die Hände zu beiden Seiten an sein Gesicht.

Er riss die Augen auf, und sie ebenfalls, als ihr bewusst wurde, was sie da tat.

»Du berührst mein Gesicht«, sagte er ausdruckslos.

»Ja.«

»Und du denkst, dass das eine gute Idee war?« Er hob erneut eine dunkle Braue.

Er ist ein professioneller Mörder, oder? Vielleicht bringt er mich gleich hier und jetzt um, wenn ich ihn ganz lieb bitte.

»Ich wollte nur erklären, was ich meine.« Sie zuckte die Achseln und ließ die Hände wieder sinken.

Er schüttelte den Kopf und sah sie mit leichter Faszination im Blick an, ehe er sagte: »Du bist Chaos.«

»Würde es Euch etwas ausmachen, das in einem Empfehlungsschreiben für mich zu erwähnen? Damit würde ich sicher noch diese Woche eine Stelle finden und ich brauche dringend Arbeit.« Bevor er antworten konnte, hörte sie ein leises Rascheln im Gebüsch neben ihnen, und ihr stellten sich die Nackenhaare auf.

Sie drehte den Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, und der Schurke packte blitzschnell ihre Schultern und zog sie an sich. »Was …«

Sie hörte den Pfeil, bevor sie ihn spürte.

Und dann raste Schmerz die Haut ihres Rückens entlang, als das Geschoss ihre Schultern streifte. »Das tat weh.« Die Worte kamen sehr nüchtern heraus, als hätte sie sich lediglich einen Splitter eingezogen.

Man hatte sie entdeckt, doch da war noch immer keine Spur von Panik in seiner Stimme, als er sagte: »Er hat dich lediglich gestreift. Ich weiß, es tut weh, aber wir müssen rennen.« Er drehte sie schnell, aber sanft um, und sie flohen in die entgegengesetzte Richtung, wobei der Schurke wegen seiner Verletzungen leicht humpelte.

»Leg einen Arm um mich.« Er zuckte zusammen, als sie mehreren Bäumen auswichen, Evie immer einen Schritt hinter ihm.

»Warum?«, schnaufte sie, als er sie enger an sich zog. »Ihr seid genauso langsam wie ich!«

Belustigung zog über sein Gesicht wie eine Sternschnuppe, strahlend und wunderschön in einem Moment, verschwunden im nächsten. »Ich laufe langsamer, damit du Schritt halten kannst.«

Erst jetzt wurde Evie bewusst, dass ihre Zwickmühle innerhalb kürzester Zeit eine dramatische Wendung genommen hatte: von der arbeitslosen Metzgerstochter zur Komplizin und Helferin des größten Feinds des Königreichs.

Himmel, sie war Chaos. Es war doch gerade mal eine halbe Stunde vergangen!

Und damit tat sich eine recht heikle Frage auf. Eine, die Evie ihm besser nicht stellen sollte. Aber es war bereits zu spät, die Worte kamen aus ihrem Mund, bevor sie sie zurückdrängen konnte: »Warum kümmert es Euch überhaupt, ob ich mithalten kann? Ihr könntet mich doch auch einfach zurücklassen und die Zeit, die sie mit mir verschwenden, für Eure Flucht nutzen.«

Großartig, Evangelina. Bring ihn auf die Idee, dich zurückzulassen, und überleg dir schon mal einen guten Grund, warum du überhaupt mit ihm geflohen bist. Unterschreib doch gleich dein Todesurteil. Gut gemacht!

Einen Moment lang sah er ihr in die Augen und schaffte es dabei, einem vorbeisurrenden Pfeil auszuweichen, ohne je den Blickkontakt zu unterbrechen. Evie war neidisch. Sie konnte nicht mal einem abgestorbenen Baum ausweichen, selbst wenn sie ihn direkt ansah.

»Was für eine skrupellose Art zu denken, Miss …?« Es freute sie, Erschöpfung in seinen Worten zu hören. Er war kein guter Läufer. Er war nicht perfekt, nicht unbesiegbar.

Er fragte allerdings nach ihrem Namen. »Evangelina Sage … oder einfach Evie.« Okay, seine Stimme war vielleicht etwas erschöpft, aber ihre klang, als spräche sie durch einen Käsehobel. Laufen war nie ihre Stärke gewesen, und schnell laufen war so etwas wie ihr Todfeind.

»Hmpf«, machte er nur, was ein klein wenig beunruhigend war, da er ihr noch immer nicht mitgeteilt hatte, ob er ihren verdammt guten Rat annehmen und sie einfach zurücklassen würde.

Es war nicht unwahrscheinlich, dass ein paar der Männer aus dem Dorf sie erkannten, aber die Chancen, dass sie sie am Leben lassen würden, nachdem sie Blut geleckt hatten, gingen gegen null. Vor allem da sie gerade neben dem Mann herrannte, den sie jagten, und der sie sicherlich gleich zu Fall bringen und den Wölfen zum Fraß vorwerfen würde.

Aber da das Universum sich gegen sie verschworen hatte, musste sie nicht einmal darauf warten, dass er das selbst erledigte. Irgendwo im Gestrüpp verbarg sich ein Ast, der gerade weit genug herausragte, dass sie mit der Stiefelspitze daran hängen blieb, und dann fiel sie tollpatschig zu Boden.

Die Stimmen der Männer waren beinahe bei ihnen. Das war das Ende.

Oder besser: Das war ihr Ende. Der Schurke würde vermutlich mit ihrem Wollschal und seinem finsteren Antlitz in den Sonnenuntergang reiten. Vom Boden aus starrte sie seinen Hinterkopf an. Wie sauber und effizient seine Bewegungen waren. Als wäre die Welt geschaffen worden, um sich seinem Willen zu beugen.

Sie sah zu, wie dieser lächerlich perfekte Kopf sich drehte und er zuerst auf die leere Stelle neben sich und dann nach unten blickte, wo sie hilflos auf dem Boden lag. Mit brennendem Rücken und schmerzender Schulter. Und dem riesigen Bluterguss, der sich gerade bildete, nachdem sie das zweite Mal an diesem Tag gestürzt war.

Die Stimmen kamen näher und sie klangen wütend. Evie versuchte, auf die Füße zu kommen, um wenigstens ein Versteck zu finden. Aber dann tauchte eine vertraute Hand in ihrem Sichtfeld auf, und sie griff danach, obwohl der Schock ihre Entscheidungsfähigkeit außer Kraft setzte.

»Du fällst ziemlich oft hin.« Der Schurke musterte sie bei diesen Worten von oben bis unten, als vermerkte er diesen Fakt in einem wissenschaftlichen Katalog. »Los jetzt, Sage.«

Ohne darauf einzugehen, dass er ganz förmlich ihren Nachnamen benutzte, empörte sie sich: »Das erste Mal bin ich nur gefallen, weil Ihr mich runtergezogen habt!« Sie ergriff den angebotenen stützenden Arm und dann entfernten sie sich, so schnell sie konnten, von ihren Verfolgern.

»Aber da war so wenig Widerstand. Ich musste kaum ziehen.«

»Ihr wollt doch wohl jetzt nicht mich dafür verantwortlich machen, dass ich nicht stark genug bin, um auf den Beinen zu bleiben, wenn jemand an meinem Handgelenk zerrt?«

Er würdigte ihre Frage keiner Antwort, sondern verstärkte lediglich seinen Griff um ihre Hand, während sie wie zwei Banditen durch den Wald hetzten. Irgendwann veränderte sich die Landschaft der nie enden wollenden Bäume und wurde düsterer. Nicht nur schwand das Sonnenlicht jetzt rapide, auch die Bäume wiesen so tief im Wald eine andere Färbung auf. Hohe, knorrige Stämme und Äste mit seltsam geformten Blättern in einem üppigen Moosgrün. Darüber das durchdringende Kreischen merkwürdiger Vögel in der dichten Luft, das ihr einen Schauer über den Rücken laufen ließ.

»Wo gehen wir hin?«, fragte sie zögerlich. Das wenige Licht, das noch am Himmel zu sehen war, würde in wenigen Sekunden verschwunden sein, und die Nacht legte sich über sie wie eine unwillkommene Decke. Nun, zumindest ihr unwillkommen. Der Schurke sah sich in all dem Schwarz um, und zum ersten Mal seit ihrem Treffen entdeckte sie ein wirklich bösartiges Funkeln in seinen Augen.

Er gehörte hierher, in die Nacht, die Dunkelheit. Sie waren sein Refugium.

Und doch … hatte Evie immer noch keine Angst.

Wie unglaublich seltsam.

»An einen sicheren Ort. In mein Zuhause, von dem aus ich meine Geschäfte lenke.«

Evie wollte ihren Arm losmachen und in die Gegenrichtung weggehen. »Sicherheit, an einem Ort, den die Leute das Schloss des Schreckens nennen? Nein danke, ich komme zurecht. Da versuche ich mein Glück lieber mit den Rohlingen aus dem Dorf.«

Sein Arm lag wie ein Stahlhaken um ihren, und sie konnte sich keinen Zentimeter bewegen. Sie hätten genauso gut miteinander verschweißt sein können. »Wenn ich dich tot sehen wollte, hätte ich dich dort gelassen.«

Sie hob eine Braue. Sie bewegten sich jetzt in einem deutlich gemütlicheren Tempo als zuvor, und das dumpfe Summen der Stimmen hinter ihnen war beinahe verklungen.

Sie waren ihnen entkommen. Für den Moment. Und weil Evie sich jetzt sicherer fühlte, gewann ihre unangemessene Neugier wieder die Oberhand. »Warum waren sie überhaupt hinter Euch her?«, fragte sie und musterte ihn und den Beutel, den er an seine Seite drückte, mit schräg gelegtem Kopf. »Habt Ihr etwas gestohlen? Waffen? Geld? Irgendjemandes Erstgeborenes?«

Der Schurke erstarrte für einen Moment, und Evie stieß einen leisen Schrei aus, als der Beutel begann, sich zu bewegen. Ehe sie noch protestieren konnte, hatte der Schurke bereits die Hand hineingesteckt und holte einen überdurchschnittlich großen Frosch heraus, der so grün war, dass die Farbe beinahe mit seinen goldgerahmten Augen verschmolz. Friedlich saß er in der Hand des Schurken und starrte sie an. Und sie starrte zurück.

»Hat dieser Frosch eine Krone auf dem Kopf?«, fragte Evie nach ein paar Sekunden stummen Glotzens.

Der Schurke reagierte gar nicht auf ihre Frage und hob den Frosch noch etwas höher. »Ich will nicht leugnen, dass Raub eine meiner besseren Eigenschaften ist, doch in diesem Fall waren es jene Männer, die versuchten, mich zu bestehlen.«

Langsam ergab sich ein Bild, aber eines, das viel zu seltsam war, als dass Evie einen Sinn daraus hätte gewinnen können. »Sie wollten Euch … einen Frosch … stehlen? Einen Frosch mit einer Krone?«

Der Schurke drehte sich um und ging weiter. Evie folgte ihm stumm. »Dies ist kein normaler Frosch«, erklärte er. »Er kann … Menschen verstehen und mit ihnen reden, als wäre er selbst einer.« Der Frosch stieß ein herzhaftes Quaken aus, als wollte er sein ausgezeichnetes Konversationstalent unter Beweis stellen, doch der Schurke ignorierte ihn. »Und er steht unter meinem Schutz.« Die Worte prickelten über Evies Haut wie eine Warnung. »Magische Kreaturen lassen sich für eine gute Summe Geld versteigern. Die Männer aus deinem Dorf dachten, es sei eine gute Idee herauszufinden, wie viel es sie kosten würde, ihn während meines täglichen Spaziergangs zu stehlen.«

Evie schnappte entsetzt nach Luft. »Und die Krone hat er auf, weil …?«

Der Schurke schwieg einen Moment und hielt Evie den Frosch entgegen, als wäre die Antwort mehr als offensichtlich. »Sein Name lautet Kingsley.«

Evie blinzelte. »Meint Ihr das ernst?«

»Sehe ich aus, als würde ich scherzen?«

Gut, da hatte er nicht unrecht. Tatsächlich hoffte Evie sogar, er würde nicht versuchen zu scherzen – der Schock könnte sie umbringen.

Er hob den offenen Beutel hoch und ließ Kingsley, den Frosch, behutsam wieder hineingleiten, ehe er sich an Evie wandte. »Nur noch ein kurzes Stück, bis wir das Schloss erreichen.«

Evie folgte ihm wieder, doch diesmal schwieg sie nicht. »Wie kann ich mir sicher sein, dass Ihr mich nicht nur deshalb am Leben lasst, um mich später auf eine unterhaltsamere Art umzubringen?«

»Was ist deiner Meinung nach eine unterhaltsame Art, jemanden umzubringen?« Sie konnte seine Miene nicht lesen, aber es schien, als hätte sie ihn einmal mehr überrascht.

»Das weiß ich doch nicht! Ich meine, wenn man etwas so oft macht, dann sollte man doch Spaß daran haben, oder?« Sie streckte die Hand aus, um sich an ihm abzustützen, während sie über einen umgefallenen Baumstamm kletterte.

Seine Schulter spannte sich unter ihren Fingern an, und Evie hasste das Gefühl nicht, doch seine Miene blieb unbeteiligt. »Du hast recht. Es gibt ein paar unterhaltsamere Methoden.« Er entfernte sich etwas von ihr, sobald sie über dem Stamm war, und sie ließ die Hand wieder sinken. »Aber ich denke nicht, dass sie nötig werden, wo du doch zwei linke Füße hast, die dich früher oder später ohnehin ins Verderben reißen werden.«

»Zum letzten Mal: Ich bin nicht ungeschickt, ich bin nur ein Mal gefallen. Das erste Mal war auch Eure Schuld.« Sie marschierte an ihm vorbei und baute sich mit verschränkten Armen vor ihm auf. »Ich habe meine Fehler, Eure Boshaftigkeit, aber dazu gehört nicht …«

Klatsch!

Evie riss ruckartig den Kopf zurück. Autsch.

Sie blinzelte hinaus in die Nachtluft, vollkommen ratlos, was gerade passiert war.

Mit einem schweren Seufzen ging der Schurke um sie herum und legte eine Hand auf den unsichtbaren Angreifer. Doch sobald seine Finger die Stelle berührten, löste sich mit einem blauen Leuchten eine Barriere darum herum auf. Die Ränder der Landschaft verschwanden und wurden ersetzt von hohen Steinmauern und einem schwarzen Eisentor. Dahinter ragten Türme in die Höhe.

Sein Schloss war mittels Magie verborgen – und die hatte sie am Kopf getroffen.

Das Tor schwang auf, und der Schurke gab ihr zu verstehen, vor ihm zu gehen. Als hätte sie sich damit abgefunden, schnurstracks in einen Burggraben voller Seeungeheuer zu laufen, folgte sie seiner Anweisung. Was hätte sie in diesem Moment auch machen sollen? Sie hatte alle anderen Optionen aufgegeben, als sie eingewilligt hatte, ihm zu helfen, und wiederum seine Hilfe angenommen hatte. Jetzt konnte sie die Sache auch bis zum bitteren, blutigen Ende durchziehen.

Das Schloss des Schreckens war riesig. Vermutlich hätte ihr gesamtes Dorf mühelos darin Platz – zusammen mit zwei weiteren Dörfern der gleichen Größe. Es war ein wenig marode und baufällig, aber irgendwie hatte es gerade dadurch seinen eigenen Charme. Die Steine des Gemäuers wiesen stumpfe Grau- und Brauntöne auf, Moos und Rankengewächse wucherten in den Zwischenräumen. Doch dieses ganze Durcheinander ließ es einladend und mysteriös wirken.

Vielleicht sogar ein bisschen behaglich.

Evie passierte einige Springbrunnen, die mit Rissen durchzogen und von Moos überwuchert waren, als sie den Garten um das Gebäude entdeckte. Er war überraschend gepflegt. Tatsächlich war sie sich sicher, ein Beet mit Narzissen entdeckt zu haben, und sie musste ein Kichern unterdrücken.

Die schieren Dimensionen des Gebäudes waren das eigentlich Furchterregende, und es schien größer zu werden, je näher sie ihm – und Evies bevorstehendem Verderben – kamen.

Kurz gesagt: Es war riesig und ein ziemlich eindrucksvoller Ort zum Sterben.

Evie starrte das dunkle Holz der großen Tür an und schluckte, ehe sie sich mit einer Frage im Blick zu dem Schurken umdrehte.

»Wenn du leicht dagegendrückst, öffnet sie sich.« Irgendwie war alles, was er sagte, so verwirrend trocken. Als hätte er entweder einen geheimen Sinn für Humor oder hielte wirklich jeden auf der Welt für inkompetent.

»Ich weiß, wie man eine Tür aufmacht«, sagte sie genervt.

Er kniff die Augen zusammen, als glaubte er ihr nicht so ganz. »Warum ist sie dann noch nicht offen?«

Ah, ja, es sind also wirklich alle inkompetent, Eure Boshaftigkeit.

»Lasst mich das erledigen, Sir!«, kam eine raue Stimme aus dem Fenster über ihnen, und Evie schrie auf und stolperte einige Schritte zurück und direkt gegen den Schurken.

»Beeil dich, Marvin. Ms. Sage scheint gerade so eine Art Anfall zu erleiden.«

»Wie lange stand der schon da oben?« Sie löste sich von seiner festen Brust und war ein wenig erschrocken, wie frisch und sauber er roch. Hätte er nicht nach Tod und Verderben riechen sollen? Und nicht nach einem Hauch von Zimt, Whiskey und Nelken?

»Er gehört zu meiner Garde. Er steht immer dort oben.« Und als hätten sie es geplant, schwang in diesem Moment die schwere Tür mit einem Unheil verkündenden Knarren auf.

Evie folgte ihm in die spärlich beleuchtete Eingangshalle. »Okay, Eure Boshaftigkeit, jetzt, da ich Euch in Euer Reich gefolgt bin, könntet Ihr mir ja mal verraten, was ich eigentlich hier mache.«

Er rollte seine schwarzen Augen und schleppte sich zu einer riesigen steinernen Treppe am anderen Ende des Raums, die wer weiß wohin führte. »Wenn du für mich arbeiten willst, Sage, kannst du mich nicht weiter so nennen.«

Seine Schritte waren lang, und Evie musste sich beeilen, ihm hinterherzukommen, als er sich an den Aufstieg machte. »Für Euch arbeiten?« Allein der Gedanke war lächerlich. »Das kann ich nicht. Ihr … Ihr seid … böse.«

Er erstarrte auf dem zweiten Treppenabsatz und lehnte sich gegen eines der Buntglasfenster. »Das bin ich«, gab er unumwunden zu. Dann näherte er sich ihr drohend. Sie wusste, dass er versuchte, sie einzuschüchtern. »Aber du sagtest, dass du Arbeit suchst.«

Hatte sie das? Oh, ja, das hatte sie, vorhin, als sie einfach wirr drauflosgeplappert hatte. Evie war es gewohnt, dass die Leute ihr in solchen Momenten gar nicht zuhörten, aber er hatte es als Bewerbung aufgefasst. »Das tue ich«, gab sie widerstrebend zu. »Aber warum würdet Ihr gerade mir eine Stelle anbieten? Was an dem heutigen Tag hat Euch zu der Überzeugung geführt, dass ich für irgendeines der Dinge, die Ihr tut, qualifiziert bin?«

»Ich finde deine skrupellose Art zu denken sehr wertvoll, und du hast mir trotz meines Rufs geholfen.« Er blickte hinunter auf den blutdurchtränkten Schal um seine Körpermitte.

»Eure Verletzungen!« Evie fuhr zurück und starrte ihn ungläubig an. »Die hatte ich ganz vergessen. Habt Ihr schlimme Schmerzen?«

Er verzog das Gesicht, löste den Schal jedoch nicht von seiner Taille. »Ich heile schnell. Aber was ist mit deinen Verletzungen?«

Der Bluterguss an ihrer Hüfte würde bald sehr hässlich und sehr violett sein. Die Stelle an ihrem Rücken, wo der Pfeil sie gestreift hatte, brannte zwar noch, aber das Schlimmste war abgeklungen.

»Ich werde es überleben.« Sie zuckte mit den Achseln und verzichtete darauf, die Stichwunde in ihrer linken Schulter zu erwähnen, die auf das Konto ihres letzten Arbeitgebers ging.

Die tat immer noch verdammt weh.

Er nickte, streckte ihr seine Hand entgegen und sagte: »Was meinst du, Sage?«

Evie zögerte, weil sie wusste, dass das folgende Geständnis sie das Leben kosten könnte, doch sie brachte es nicht über sich zu lügen. »Würdet Ihr mir diese Stelle – worin auch immer sie besteht – auch anbieten, wenn Ihr wüsstet, dass mein Vater einmal einer der Ritter des Königs war?«

Seine Miene blieb emotionslos, tatsächlich wirkte er sogar ein wenig gelangweilt. »Ist er es noch?«

»Nein, nein! Das war lange vor meiner Geburt. Er hat damit nur etwas Geld verdient, um seine Metzgerei zu eröffnen. Nach der Hochzeit mit meiner Mutter hat er den Posten aufgegeben.« Der nächste Teil war schmerzhaft, also sagte sie ihn schnell. »Er ist ohnehin viel zu krank, um zu arbeiten, und seine Loyalität gilt einzig seiner Familie.«

Der Schurke zuckte die Achseln. »Dann sehe ich keinen Grund, warum das ein Problem darstellen sollte.«

Nun, ihr fielen da noch so einige Gründe ein.

»Worin würde meine Arbeit für Euch bestehen?«, fragte sie und beäugte seine Hand, als wäre sie gleichermaßen ein Rettungsanker und ein Todesurteil. »Ich habe kein Interesse daran, Leuten wehzutun oder Euch dabei zu helfen, wenn Ihr es tut. Oder eine Eurer … Gespielinnen … zu sein.«

Er ließ die Hand wieder sinken, und seine Mundwinkel krümmten sich nach oben, fast als versuchte er … zu lächeln? »Du bist nicht wirklich die Art von Frau, mit der ich das Bett teilen würde.«

Evies Gesicht brannte, und der Schmerz in ihrer Schulter verblasste plötzlich im Vergleich zu dem Stich der Zurückweisung, den sie jetzt in der Brust spürte. Was lächerlich war, denn sie wollte nun wirklich nicht, dass dieser Mann sie begehrte, aber verdammt noch mal, sie hatte zumindest einen Funken Stolz.

Erneut streckte er die Hand aus, und sein wunderschönes Gesicht wurde zu einer ausdruckslosen Wand ohne jegliche Emotion, bis auf einen Hauch von Sanftheit, der in seine Augen trat, als er sagte: »Ich will ehrlich mit dir sein. Ich werde dich nicht zwingen, aber du weißt jetzt, wo das ›Schloss des Schreckens‹, wie du es so eloquent genannt hast, sich befindet. Du weißt, dass ich nicht immun gegen den Stich einer Klinge bin, und das Schlimmste deiner Vergehen ist, dass du nun mein Gesicht kennst.«

Sie fixierte ihren Blick auf eine Locke, die ihr in die Stirn gefallen war. Sie musste schrecklich aussehen, nachdem sie durch den Wald gerannt war wie eine Kriminelle.

»Du bist eine Gefahr für mich, und ich habe nicht die Zeit, Tatianna zu erlauben, in deinen Geist einzudringen und die Erinnerungen an den heutigen Tag zu löschen. Ich blute gerade mein Lieblingshemd voll. Du brauchst Arbeit und ich mache dir ein großzügiges Angebot mit einem noch großzügigeren Gehalt.« Als sie sich nicht regte, seufzte er und fügte hinzu: »Und ich kann dir versichern, dass ich niemals Unschuldigen Schaden zugefügt habe.«

»Aber was ist mit meinem Dorf?«, platzte sie heraus, bevor sie sich eines Besseren besinnen konnte. »Was, wenn ich dabei helfe, jemandem zu schaden, den ich kenne?«

»Das wäre sicherlich sehr unangenehm für dich«, sagte er ohne einen Funken Mitgefühl.

Sie sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an, bis er einlenkte.

»Ich werde die Dörfler von meinen wahrhaft mörderischen Absichten verschonen.« Sein Tonfall war umgänglich, doch sie hatte das Gefühl, dass er mehr sagte, als sie heraushörte.

Sie konnte kaum glauben, dass sie sein Angebot wirklich in Erwägung zog, doch bei der Vorstellung, ihre Familie ernähren zu können, raste ihr das Herz in der Brust. Und bevor sie wusste, was sie tat, lag ihre Hand in seiner.

Sie hatte erwartet, Kälte vorzufinden, doch sie war warm, und als seine Finger sich um ihre schlossen, fühlte sie sich etwas benommen. »Also gut, ich akzeptiere das Angebot. Welche verdorbenen Dinge werde ich für Euch tun müssen, Eure Boshaftigkeit?«

Er ließ ihre Hand nicht los, während er ihr in die Augen blickte und ein Grinsen über seine vollen Lippen tanzte. »Gratuliere, Sage, von heute an bist du meine persönliche Assistentin.« Er ließ ihre Hand los, drehte sich um und setzte seinen Weg die Treppe hinauf fort, aber er war keine drei Schritte entfernt, als er sich noch einmal zu der Stelle umdrehte, wo sie wie benommen erstarrt war. »Und wenn du mich irgendwie nennen willst, dann ist Sir völlig ausreichend.«

1

EVIE

Fünf Monate später …

Es hingen schon wieder abgetrennte Köpfe von der Decke.

Evie seufzte, schloss die schwere Eingangstür hinter sich und winkte dabei Marvin zu, ehe sie die riesige Eingangshalle durchquerte. Ihre Absätze klapperten auf dem Steinboden mit ihrem heftig pochenden Herzen um die Wette.

Der Schurke hatte schlechte Laune.

Ein abgetrennter Kopf war nichts Ungewöhnliches. Das war etwas, woran Evie sich in der Zeit, die sie hier arbeitete, erschreckend schnell gewöhnt hatte. Aber jetzt baumelten da die Köpfe gleich dreier Männer, und ihre Münder waren in stummen Schreien aufgerissen, als hätten sie dieses Leben unter fürchterlichem Schrecken verlassen. Und wenn sie ganz genau hinschaute …

Igitt, einem davon fehlte ein Augapfel.

Evie suchte den Boden ab, bevor sie einen weiteren Schritt machte, und hoffte verzweifelt, dass sie nicht wieder auf einen Augapfel treten würde, wie das eine Mal vor etlichen Wochen, als sie ihrem Boss in der Folterkammer eine Nachricht überbringen wollte. Ihr Schrei damals war kaum mehr als ein Quieken gewesen, aber sie war sich nicht sicher, ob sie beim nächsten Mal auch eine derartige Selbstbeherrschung aufbringen könnte. Mit einem vereinzelten Finger oder sogar Zeh konnte sie umgehen, aber Augäpfel platzten, wenn man versehentlich draufstieg, und da schien Evies persönliche Schmerzgrenze erreicht zu sein.

Sie schniefte und ging weiter. Und es ist eine verdammt gerechtfertigte, wenn man mich fragt.

Aber am Ende spielte es keine Rolle. Die Schrecken, die nun zu ihrem Alltag gehörten, brachten sie nicht so aus der Ruhe, wie sie es sollten. Ihr Bedürfnis nach Normalität war seit dem Beginn ihrer Anstellung nach und nach dahingeschmolzen und das machte ihr nichts aus. »Normal« war für Menschen, die ihren Geist nicht über das Unerreichbare hinausstrecken konnten. Das hatte ihre Mutter immer gesagt, als sie noch ein Kind war, und aus irgendeinem Grund war es der eine Ratschlag, den Evie nicht in den Wind schlug.

Ihr blieb auch keine andere Wahl. Sie war schließlich die persönliche Assistentin des Schurken. Bei der Stellenbeschreibung musste sie leise lachen, weil sie sich vorstellte, wie das in einer Anzeige aussehen würde.

Muss über gute organisatorische Fähigkeiten verfügen.

Muss gerne spätnachts arbeiten und es genießen, lange Dokumente zu schreiben.

Muss folgende Dinge tolerieren oder sogar befürworten: Brandstiftung, Folter, Mord.

Und: Darf nicht die Nerven verlieren, wenn sie zufällig eine Leiche auf ihrem Schreibtisch vorfindet.

Zur Verteidigung ihres Chefs: Seit sie hier arbeitete, hatte er Letzteres nur ein Mal getan. Sie war pünktlich zum Dienst erschienen, hatte das Büro durchquert und sofort die Leiche eines korpulenten Mannes auf ihrem Schreibtisch entdeckt. Sein Körper war mit Schnitten übersät, und hier und da fehlten Bröckchen.

Es war unverkennbar, dass er vor seinem Tod gefoltert worden war, und ihr Chef hatte beschlossen, ihn einfach auf ihrem sehr ordentlichen und strahlend weißen Schreibtisch abzuladen, der gleich außerhalb seines sehr riesigen und sehr unordentlichen Büros stand. Und dann lehnte er einfach dort an der Wand, die Arme verschränkt, den durchdringenden Blick direkt auf sie gerichtet.

Aha, dachte Evie. Ein Test.

Aber es half, dass er sie nicht ansah, als erwartete er, dass sie versagen würde.

Über die Jahre hatte sie sich so sehr daran gewöhnt, dass die Dörfler sie so ansahen, dass diese Art von Blick Gewaltfantasien in ihr weckte.

Stattdessen war sie jede mögliche Reaktion durchgegangen, die ihr in diesem Moment am dienlichsten wäre – heißt: sie nicht den Job kosten würde –, und hatte letztlich beschlossen, sie selbst zu sein.

Nun ja, sie selbst mit einer verstümmelten Leiche auf dem Schreibtisch.

Sie sah ihren Boss an, und unter seinem intensiven Blick zog sich ihr Herz zusammen. Es war beinahe, als wollte er sie zwingen, nicht zu versagen, und das ergab überhaupt keinen Sinn. Vielleicht hatte er Verstopfung – von dem ganzen Gefolter heute Morgen und so weiter.

»Guten Morgen, Sir. Möchtet Ihr, dass ich um diesen Gentleman herumarbeite? Oder ist das Eure subtile Art, mir mitzuteilen, dass ich dafür sorgen soll, dass diese Leiche an eine angemessenere Örtlichkeit verbracht wird?«, fragte sie mit einem freundlichen Lächeln.

Er hatte lediglich die Braue gehoben, sich vom Türrahmen abgestoßen und war dann zu ihrem Schreibtisch – und der Leiche – geschlendert.

Sie hatte ein Seufzen unterdrückt, als sich das schwarze Leder über seinen Oberschenkeln spannte, während er sich über den Schreibtisch beugte – weil er sich die Leiche wie einen Kartoffelsack über die Schulter warf, natürlich, nicht, weil er sehr ansehnliche Schenkel hatte. Sein Blick ließ ihren keine Sekunde los, als er sich aufrichtete, den Mann zum nächsten Fenster trug … und ihn einfach hinauswarf.

Evie unterdrückte ein entsetztes Keuchen. Sie war entschlossen, sich zu beweisen. Außerdem lief dieser Job immer noch um Klassen besser als der letzte.

Daher hatte sie einmal tief eingeatmet, den Blick des Schurken erwidert und sich nach Kräften bemüht, ihr neu gefundenes Interesse an seiner Lederkleidung und, noch viel gefährlicher, seinen Oberschenkeln, zu ignorieren. »Äußerst kreative Methode der Entsorgung, Sir … Darf ich Euch vielleicht eine Tasse von Edwins Kesselgebräu bringen?« Der Oger, der sich um die Küche kümmerte, bereitete täglich eine braune Brühe aus magischen Bohnen und frisches Gebäck zu. Sie hatte nie zuvor von dem Getränk gehört, doch es wirkte sich positiv auf ihre Produktivität aus und schien alle in eine bessere Laune zu versetzen – abgesehen von den Toten natürlich.

Der Schurke hatte die Mundwinkel gehoben, und seine dunklen Augen funkelten fröhlich. Er lächelte nicht direkt, aber es war nah genug dran, dass ihr das Herz in den Ohren pochte.

»Ja, Sage, du weißt, wie ich es mag.«

Seitdem hatte sie keine Leichen mehr auf ihrem Schreibtisch vorgefunden, aber das hieß nicht, dass die letzten Monate keine Herausforderung gewesen wären. Der Schurke war die meiste Zeit abwesend. Vermutlich war er damit beschäftigt, die Bewohner der umliegenden Städte auf Weisen zu terrorisieren, die sie sich lieber nicht ausmalen wollte. Sie hatten alle möglichen Vereinbarungen geschlossen, dass er seine finsteren Machenschaften nicht in ihrem Dorf trieb – zumindest hatte sie den dumpfen Laut, den er von sich gegeben hatte, als Zustimmung gewertet. Und doch sagte ihr etwas, dass eine Leiche auf dem Schreibtisch immer noch angenehmer war als seine heutige Laune.

Denn Anzeichen exzessiven Köpfens konnten nur eines bedeuten: Zum dritten Mal in zwei Monaten war eine seiner Machenschaften fehlgeschlagen.

Sie seufzte noch einmal schwer, als sie bei der endlosen Wendeltreppe ankam. Einen Moment lang starrte Evie sie an und fragte sich, warum den Mauern dieses Gebäudes genug Magie innewohnte, dass Objekte sich eigenständig bewegen konnten und die Temperaturen stets angenehm blieben, aber nicht um die Treppe … nun … weniger unerträglich zu machen. Sie schüttelte den Kopf. Sie würde das in die Vorschlags-Box werfen.

Notiz an mich: Vorschlags-Box vorschlagen.

Als sie also mit ihrem täglichen Aufstieg begann, ignorierte sie geflissentlich die Tür, die nach dem ersten Treppenabsatz zu ihrer Linken auftauchte. Von dort gelangte man in die Privaträume ihres Chefs.

Nur die Götter wussten, was er im persönlichen Bereich dieses riesigen und düsteren Steingemäuers trieb.

Nicht über sein Privatleben nachdenken, Evie.

Eine weitere gute Regel für die Liste, die sie seit ihrem ersten Tag hier wie ein Uhrwerk erweiterte.

Nicht versuchen, den Boss zum Lachen zu bringen, Evie.

Nicht die Haare deines Chefs anfassen, Evie.

Foltern ist keine attraktive Eigenschaft, Evie.

Sag Edwin nicht, dass das Kesselgebräu zu stark ist, Evie.

Ihr Atem wurde schwerer, als sie den zweiten Treppenabsatz erreichte und sich an den von Kerzen erhellten Geländern vorbei zum nächsten Aufstieg begab. Ihre Waden unter dem dicken blauen Rock, der sich um ihre Knöchel bauschte, begannen zu brennen.

Als sie einen hallenden Schrei aus den Folterkammern in den Verliesen unter ihr hörte, stockte sie. Sie blinzelte einen Moment, schüttelte den Kopf und ging dann schnell weiter.

Trotz seiner anderen, eindeutig schändlichen Machenschaften hatte ihr Chef ein seltsames und verwirrendes moralisches Regelwerk, an das er sich äußerst konsequent hielt – zu ihrer Erleichterung war die erste Regel, dass er niemals Unschuldigen etwas zuleide tat. Ihr gefiel auch, dass es zu seiner Liste gehörte, die Frauen der Welt mit dem gleichen Maß an Respekt und Wertschätzung zu behandeln wie die Männer. Was, um ehrlich zu sein, nicht sehr viel war, aber wenigstens waren die Regeln hier im Büro etwas einheitlicher als draußen.

Vor ihrer Anstellung bei einem Erzschurken hatte Evie für den Schmied im Ort gearbeitet, Otto Warsen. Sie hatte seine Werkzeuge geordnet und ihm angereicht, was immer er gerade brauchte, damit er seine Arbeit an der Esse nicht unterbrechen musste. Es war keine schlechte Anstellung gewesen, und sie hatte genug eingebracht, um ihren kranken Vater zu unterstützen und früh genug zu Hause zu sein, damit sie ihm und ihrer kleinen Schwester Essen machen konnte.

Oder wenigstens war es keine schlechte Anstellung gewesen – bis zu dem Tag, an dem sie es plötzlich war.

Evie befühlte die unter der Leinenbluse verborgene gezackte Narbe an ihrer Schulter. Hätte es sich um eine normale Klinge gehandelt, wäre die Wunde ordentlich abgeheilt. Aber welche Magie auch immer dem weißen Dolch innewohnte, jetzt befand sie sich unter ihrer Haut, wie ein Fluch. Ein Fluch, der so heftig war, dass die Narbe zu glühen begann, wann immer sie auch nur ein klein wenig Schmerz irgendwo an ihrem Körper spürte. Was ein ziemliches Ärgernis war, da ihr ständig irgendein Alltagsgegenstand im Weg zu sein schien.

Wenn es etwas gab, über das man stolpern konnte, dann fand es seinen Weg zu ihr.

Mit einem atemlosen Lachen machte Evie sich an die letzte Treppe. Der Mann hatte ein Schloss, das so groß wie eine Stadt war, und er zwang sie, im obersten Stockwerk zu arbeiten? Dieser Bösewicht war wahrhaft böse – und doch war er die Person, die ihr Leben verändert hatte.

Es kam ihr ein wenig lahm vor, ihren Chef als »Person« zu bezeichnen. Er war auf viele Weisen übermächtig, aber da sie nun für alle seine Wünsche und Bedürfnisse zuständig war, kam er ihr menschlicher vor. Der mysteriöse Schleier, der ihn ganz zu Anfang umgeben hatte, begann sich mehr und mehr zu lüften, und sie hatte jetzt ein viel deutlicheres Bild im Kopf.

Und doch galt es noch so viel herauszufinden.

Zum Beispiel, was für eine Art Dunkelheit in ihm lauerte, die ihn dazu trieb, drei abgeschlagene Köpfe an der verdammten Decke aufzuhängen.

Sie erreichte die oberste Stufe, wischte sich den Schweiß von der Stirn und trauerte der Zeit hinterher, die sie heute Morgen aufgewendet hatte, um sich präsentabel zu machen. Sie brauchte keinen Spiegel, um zu wissen, dass ihre Wangen gerötet waren und sich kleine Härchen aus ihrem Zopf gelöst hatten, die ihr jetzt an der Stirn klebten. Während sie den Flur hinunterging, spürte sie Schweiß an ihren Schenkeln.

Die verlockende Vorstellung von Hosen geisterte durch ihren Kopf.

Ihr Chef hatte ihr unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass es keine Regeln für die Kleidung seiner Angestellten gab, und das bedeutete, dass Evie zum ersten Mal in ihrem Arbeitsleben etwas anderes als Kleider in trübseligen Farben tragen durfte. Aber sie fürchtete, dass sie zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde, wenn sie so etwas Skandalöses wie Hosen trüge.

Frauen haben Beine? Alarmiert den Stadtschreier!

Nein, die Menschen in ihrem Dorf waren bereits misstrauisch genug, seit sie jeden Tag zu ihrer »mysteriösen« neuen Stelle ging. Es war besser, sich anzupassen, damit niemand zu genau hinsah.

Wenn jemand sich nach ihrer Arbeit erkundigte, erzählte sie, dass sie als Dienstmädchen in einem großen Anwesen in einem der Nachbardörfer angestellt war.

Das war nicht direkt eine Lüge. Sie machte oft genug Dreck für den Schurken weg – obwohl der zugegebenermaßen ziemlich oft Blut beinhaltete.

Am Ende des Flurs zog sie an einem vergoldeten Kerzenhalter direkt neben einem Buntglasfenster und trat einen Schritt zurück, als die Ziegelmauer vor ihr langsam zur Seite glitt und einen verborgenen Ballsaal freigab, der ihnen als Arbeitsplatz diente. Während sich die Wand hinter ihr wieder schloss, eilte sie in den riesigen Raum hinein und atmete erst einmal tief durch. Der frische Geruch nach Pergament und Tinte erfüllte die Luft auf eine tröstliche, vertraute Weise, die sie immer wieder zum Lächeln brachte.

»Guten Morgen, Evangelina.«

Und schon war ihr Morgen ruiniert.

Links von ihr saß Rebecka Erring mit den ihr unterstellten Verwaltungsfachkräften, die jetzt alle ihre Arbeit unterbrachen, um sie anzustarren. Rebecka erwiderte ihren Blick durch riesige runde Brillengläser, und Evie sagte: »Guten Morgen, Becky.«

Sie strich die Vorderseite des ihr zwei Nummern zu großen, hochgeschlossenen Kleides glatt. »Wir werden sehen«, gab sie zurück, und gleich darauf widmeten die sechs Augenpaare sich wieder ihren Pergamenten, als ihnen klar wurde, dass es heute kein Blutvergießen geben würde.

Um ehrlich zu sein, war Becky ziemlich hübsch. Sie war nur zwei Jahre älter als Evie, aber in ihrem Kopf schienen in Sachen Überlegenheit zehn daraus zu werden.

Ihre hellbraune Haut war makellos, und das schmallippige Lächeln beeinträchtigte ihre atemberaubenden Gesichtszüge nicht im Geringsten. Wangenknochen und Kiefer befanden sich auf derselben vertikalen Linie, was den Blick auf genau die richtigen Stellen ihres Gesichts lenkte. Hätte ihre Persönlichkeit auch nur annähernd der Schönheit ihres Aussehens entsprochen, wäre sie vermutlich der beste Mensch gewesen, den Evie kannte.

Tragischerweise war sie unausstehlich.

Evie lächelte süß und schob sich eine Strähne hinters Ohr. »Viel zu tun heute Morgen?«

Die andere Frau lächelte zurück und trug dabei so dick auf, dass man den gesamten Weg zum Schloss damit hätte neu pflastern können. »Ich war als Erste hier, also habe ich einen kleinen Vorsprung.« In Beckys Sprache bedeutete das: Ich war vor dir hier und deshalb bin ich etwas Besseres als du. Erzittere vor meiner makellosen Anwesenheitsstatistik.

Evie richtete den Blick stur geradeaus, damit sie nicht in Versuchung kam, mit den Augen zu rollen, und kämpfte sich durch die Massen von Leuten, die in halsbrecherischem Tempo im Raum herumwuselten. Ihr Chef erwartete von jedem seiner Angestellten Effizienz, und alle hier versuchten verzweifelt, sich unverzichtbar zu machen.

Der verborgene Raum war riesig und offen, und überall standen Schreibtische. Die beigen Mauern waren von Buntglasfenstern durchbrochen, die alle finstere Taten und Folter zeigten und den ganzen Ort mit einem warmen Licht erfüllten. Über ihnen funkelte ein mit Spinnweben überzogener Kronleuchter und erinnerte Evie an die abgetrennten Köpfe, die unten noch immer von den Deckenbalken hingen. Sie hoffte wirklich, dass das Schreien aus der Folterkammer nicht ein weiterer Kopf war, der dort landen würde.

Sie war nur ein paar wenige Male im Kerker gewesen, aber nie lang genug, um sich genauer in der Horrorkammer umzusehen. Aber ein paar der Praktikantinnen waren dort gewesen. Es war das Highlight ihrer zartbesaiteten Unterhaltungen nahe der Küche.

»Es riecht nach verwestem Fleisch und Verzweiflung«, hatte eine von ihnen gesagt.

Evie hatte natürlich sofort gefragt, wie Verzweiflung roch, aber die anderen Mädchen hatten einfach nur weiter flüsternd die Köpfe zusammengesteckt.

Freunde zu finden, war ihr immer schwergefallen.

Doch seit dem Verschwinden ihrer Mutter, als Evie noch ein Kind gewesen war, war sie viel zu gut darin geworden, ernsthafte Dinge einfach wie die Gezeiten durch sich hindurchspülen zu lassen, sodass sie sie nie hart genug trafen, um ernsthaft wehzutun.

Kurz hatte sie gedacht, dass dieser Job ihr ein düstereres Auftreten verleihen würde. Dass Leute sie ansehen und eine junge Frau wahrnehmen würden, die kultiviert und weltgewandt war. Doch obwohl sie mehr als genug Grund gehabt hätte, eine finstere und bedrohliche Persönlichkeit zu entwickeln, blieb Evie einfach, was sie immer gewesen war: eine Optimistin. Und im Büro eines Schurken war das eine schreckliche Eigenschaft. Natürlich wollte sie nicht böse werden, aber wenn man die meiste Zeit seines Lebens damit verbringt, nach der Sonne zu streben, wünscht man sich irgendwann Regen.

Manchmal, wenn sie ganz mit sich allein war, fragte sie sich, wie es wäre, nie wieder zu lächeln und gefürchtet zu sein wie ihr Boss. Aber Evie Sage war nicht böse, und jedem, der das auch nur andeutete, würde sie ins Gesicht lachen.

Natürlich war es kein Wunder, dass alle sie immer noch genauso sahen wie vorher, weil sie weiterhin lächelte und alles ertrug. Wie allen im Dorf hatte Evie auch ihrem Vater und Lyssa eine Lüge erzählt und ließ sie im Dunkeln darüber, wohin sie jeden Tag aufbrach. Es war zu ihrem eigenen Besten. Ihr Vater sorgte sich ohnehin schon so sehr, weil er zu einer Last für seine Töchter geworden war, seitdem ihn die Mystische Krankheit befallen hatte und er nicht mehr arbeiten konnte.

Diese Erkrankung, die das Königreich seit zehn Jahren plagte, befiel ihre Opfer scheinbar willkürlich. Manche starben schnell – das waren die Glücklichen. Andere schwächte sie so sehr, dass sie das Bett nicht mehr verlassen konnten, und stahl ihnen auf diese Weise das Leben wie der schlimmste Dieb, den man sich vorstellen konnte.

Ihr Vater litt schon so lange darunter, dass der Heiler ihr versichert hatte, dass er in absehbarer Zeit nicht daran sterben würde. Aber meist war er zu schwach, um seinen Beruf auszuüben.

Zum Glück war er Metzger gewesen, was Evie jetzt half, weil sie zwischen Blut und Leichen aufgewachsen war. Obwohl Tierleichen natürlich etwas anderes waren als Menschenleichen.

Als sie sich an den Schreibtisch setzte und mit ihren täglichen Buchhaltungspflichten begann, tröstete sie sich damit, dass heute wenigstens keine Leiche darauf lag.

Sie hatte erst eine Stunde gearbeitet, als etwas gegen die Wand hinter ihr krachte und sie so plötzlich aus ihrem Stuhl aufschrecken ließ, dass sie, begleitet von einem peinlich lauten Aufprall, mit dem Hintern zuerst auf dem Boden landete. Noch im Fallen streiften ihre Arme die Papiere auf dem Tisch und die in zwei Stunden mühevoller Kleinarbeit sortierten Rechnungen segelten um sie herum wie Schneeflocken.

Anfängerfehler, Evie.

Sie wusste, dass sie immer auf der Hut sein musste, weil ihr Schreibtisch direkt vor dem Büro des Chefs stand.

Sie sah zu, wie das letzte Blatt auf ihre Brust herabsegelte, ohne Anstalten zu machen, sich aufzurappeln und zurück an die Arbeit zu gehen. Etwas oder jemand war vermutlich gegen die Wand geschleudert worden … Noch ein Krachen, dann zweimal ein leiserer Aufprall und zersplitterndes Glas.

Und das war es dann mit dem gerahmten Bild, das ich letzte Woche wieder an die Wand gehängt habe.

Während sie noch am Boden lag, kam Evie sich plötzlich albern vor, und sie rollte sich auf die Knie und begann, das verstreute Papier einzusammeln. »Autsch«, murmelte sie leise und rieb sich den Hintern.

Aber sie hätte genauso gut auch schreien können, denn in diesem Moment flog die schwarze Tür des Büros so heftig auf, dass die Wände erzitterten und die Arbeiter erstarrten. Langsam blickte Evie von den Papieren in ihren Händen auf. Zuerst war da die Spitze eines glänzenden schwarzen Stiefels, dann dunkle Hosen, die eigentlich lose getragen wurden, sich jedoch um muskulöse Schenkel spannten, die in einen beeindruckenden Torso übergingen.

Ihr Blick übersprang das lose V seines weiten schwarzen Hemds, wo man den oberen Teil seiner Brust sehen konnte. Selbst zerzaust sah er noch irritierend gut aus.

Als ihre Augen schließlich sein Gesicht erreichten, musste sie ein Seufzen unterdrücken und es dort vergraben, wo es nie jemand finden würde. Aber was sollte sie tun? Sein Kinn war kantig und so scharf definiert, dass es für sich schon eine Waffe hätte sein können, die mächtig genug war, um sie innerlich erzittern zu lassen.

Nicht von deinem Boss innerlich erzittern lassen, Evie.

Sie hatte immer gedacht, dass der am schwierigsten anzusehende Teil von ihm seine Augen waren. Sie waren von einem erschreckenden, hypnotischen Schwarz, ein Netz, das Seelen einzufangen schien. Es war die Art Augen, die einen drängten, den Blick abzuwenden, doch Evie ignorierte dieses Flehen, weil sie doch ziemlich nett anzusehen waren.

Genau wie sein Mund.

Es war der vielleicht ausdrucksvollste Teil seines Gesichts, jede Regung war subtil und doch so voller Bedeutung, dass sie angefangen hatte, sie innerlich zu katalogisieren. Im Moment, zum Beispiel, waren seine Lippen angespannt. Als sie nach oben in seine Augen blickte, starrte er auf sie herab. Er hatte den Kopf leicht schräg gelegt, und ihr Magen schlug einen Purzelbaum, als sie sich fragte, was er sich denken musste, sie hier auf Händen und Knien vorzufinden, als würde sie Froschhüpfen spielen oder etwas ähnlich Lächerliches.

Ist er verwirrt? Verblüfft? Im Begriff, mich für meine Ungeschicktheit zu töten?

Langsam ging er in die Knie, bis er auf Augenhöhe mit ihr war.

Da Evie es nicht vermochte, so eingeschüchtert zu sein, wie sie es sein sollte, strahlte sie den Mann, den das gesamte Königreich fürchtete, einfach nur an. »Guten Morgen, Sir.« Ein unterdrücktes Stöhnen war aus dem Büro ihres Chefs zu hören. Sie hob die Brauen und legte den Kopf schräg, um an ihm vorbeizuspähen, und meinte dann: »Sieht aus, als hättet Ihr heute Morgen viel tun.«

Der Chef hob die Augenbrauen. »Ziemlich.« Dann schüttelte er den Kopf, als würde ihn seine eigene Antwort erschüttern, und begann, den Rest der Papiere einzusammeln, ehe er sie auf ihrem Schreibtisch ablegte.

Evie stellte einen Fuß auf den Boden, um aufzustehen, zuckte jedoch augenblicklich vor Schmerz zusammen, was ihr einen scharfen Blick von dem personifizierten Bösen vor ihr einbrachte. Sein Mund verzog sich und er runzelte die Stirn. Er war … wütend? Natürlich war er wütend, Evie hatte ihn bei seiner Arbeit unterbrochen, als sie auf den Hintern geknallt war.

Sie begann, sich mit einer Hand am Schreibtisch hochzuziehen, aber der Chef packte sie an beiden Seiten ihrer Taille und hob sie hoch, bevor sie protestieren konnte. Nicht, dass sie das getan hätte, hätte sie die Gelegenheit gehabt, denn seine großen Hände fühlten sich, nun, ziemlich gut an.

Als sie schließlich wieder auf den Beinen stand, ließ er die Hände fallen und ballte sie an seinen Seiten. Hitze schlich sich in ihre Wangen, während sie verlegen versuchte, überallhin, nur nicht in sein Gesicht zu blicken, weil sie Angst hatte, dort ein abfälliges Grinsen oder Schlimmeres vorzufinden, und stattdessen bei dem offenen V seines schwarzen Hemds landete.

Und aus irgendeinem verdammten Grund beschloss ihr Mund in diesem Moment, eine überdurchschnittliche Menge Speichel zu produzieren.

Evangelina Celia Sage, wenn du jetzt und hier anfängst zu sabbern, liest du nie wieder einen schmutzigen Roman.