Atlan 110: Das Amok-Team - H.G. Francis - E-Book

Atlan 110: Das Amok-Team E-Book

H. G. Francis

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Beschreibung

Menschen verlieren ihr eigenes Ich - die Befehle des Bösen sind stärker als sie Auf den planetarischen und kosmischen Stützpunkten der USO, auf den Planeten des Solaren Imperiums und auf den übrigen Menschheitswelten schreibt man den Monat August des Jahres 2842 - eines Jahres, dessen erste Hälfte recht turbulent verlief, wie die vorangegangenen Ereignisse eindeutig und drastisch bewiesen. Jetzt herrscht in der Galaxis relative Ruhe. Der Aufbau des Solaren Imperiums geht kontinuierlich voran. Es gibt im Augenblick weder im Bereich des Inneren noch im Bereich des Äußeren Gegner von Bedeutung, und demzufolge haben sich die Verantwortlichen der Großadministration, der Solaren Abwehr und der USO nur mit kleineren Zwischenfällen zu beschäftigen. Kein Wunder daher, dass Perry Rhodan, der Großadministrator, Staatsgeschäfte Staatsgeschäfte sein lässt und zusammen mit seiner Frau Mory Abro, der Regierungschefin von Plophos, zu einer Expedition in ein weit entferntes Sonnensystem aufgebrochen ist. Dabei wäre, wie es sich plötzlich herausstellt, die Anwesenheit von Perry Rhodans Frau auf Plophos, einer der bedeutendsten Koloniewelten der Menschheit, gerade jetzt dringend erforderlich! Denn Plophos, das dabei ist, sich auf dem Sektor der Organverpflanzungen eine galaxisweite Reputation zu erwerben, wird von einer Welle von Terrorakten heimgesucht. Die Terroristen sind Menschen, die ihr eigenes Ich verloren haben und den Befehlen einer dunklen Macht gehorchen. Sie sind DAS AMOK-TEAM ...

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Nr. 110

– Im Auftrag der Menschheit Band 104 –

Das Amok-Team

Menschen verlieren ihr eigenes Ich – die Befehle des Bösen sind stärker als sie

von H. G. Francis

Auf den planetarischen und kosmischen Stützpunkten der USO, auf den Planeten des Solaren Imperiums und auf den übrigen Menschheitswelten schreibt man den Monat August des Jahres 2842 – eines Jahres, dessen erste Hälfte recht turbulent verlief, wie die vorangegangenen Ereignisse eindeutig und drastisch bewiesen.

Jetzt herrscht in der Galaxis relative Ruhe. Der Aufbau des Solaren Imperiums geht kontinuierlich voran. Es gibt im Augenblick weder im Bereich des Inneren noch im Bereich des Äußeren Gegner von Bedeutung, und demzufolge haben sich die Verantwortlichen der Großadministration, der Solaren Abwehr und der USO nur mit kleineren Zwischenfällen zu beschäftigen.

Kein Wunder daher, dass Perry Rhodan, der Großadministrator, Staatsgeschäfte Staatsgeschäfte sein lässt und zusammen mit seiner Frau Mory Abro, der Regierungschefin von Plophos, zu einer Expedition in ein weit entferntes Sonnensystem aufgebrochen ist.

Dabei wäre, wie es sich plötzlich herausstellt, die Anwesenheit von Perry Rhodans Frau auf Plophos, einer der bedeutendsten Koloniewelten der Menschheit, gerade jetzt dringend erforderlich! Denn Plophos, das dabei ist, sich auf dem Sektor der Organverpflanzungen eine galaxisweite Reputation zu erwerben, wird von einer Welle von Terrorakten heimgesucht.

Die Hauptpersonen des Romans

Bolvo Querdain – Ein Amokläufer wider Willen.

Jalzaar Awrusch – Stellvertreter des Regierenden Obmanns von Plophos.

Alvmut Terlahe – Leiter einer Untersuchungskommission.

Horak Trepper und Trogfynn Kranmurt – Sie hassen und töten.

Jackmo Pappron – Ehemaliges Mitglied der Solaren Abwehr.

Dr. Baumgart

1.

»Nun sieh dir das an, Ayke«, sagte Peter Ball. »Der Kerl ist verrückt!«

Er deutete auf die Landebahn des Raumhafens von New Taylor hinaus. Ayke Somms, der Gepäckmeister, schüttelte verwundert den Kopf, als er sah, worauf Ball ihn hingewiesen hatte. Ein Personengleiter flog in halsbrecherischen Manövern auf die KOLURKA zu. Am Steuer der offenen Maschine saß ein dunkelhaariger Mann in lässiger Haltung. Er musste zahlreichen Hindernissen ausweichen und schaffte es oft nur im letzten Moment, eine Kollision zu verhindern. So kurvte er um einen robotisch gesteuerten Technikwagen herum, prallte fast mit einem gepanzerten Spezialtransporter zusammen, kam gerade noch rechtzeitig unter einer landenden Privatjacht hindurch und flitzte dann nur ganz knapp an einem Polizeifahrzeug vorbei. Dieses wendete sofort und raste mit aufflammenden Signallichtern hinter ihm her.

Er zog sein Flugzeug kurz vor der KOLURKA herum und fing ihren Schwung ab, indem er sie über die Piste schleudern ließ. Dabei hatte er seine Landung immerhin so genau berechnet, dass er direkt vor der Hauptbodenschleuse zum Stehen kam.

Er sprang aus dem Gleiter, nahm seine Tasche vom Sitz und marschierte auf Ball und Somms zu. Er grüßte lässig, blickte auf sein Chronometer und sagte erleichtert: »Das war knapp. Ich habe es gerade noch geschafft, wie?«

»Was denn?«, fragte Ayke Somms und stellte sich ahnungslos.

»Es ist der 6. August 2842, 14.58 Uhr. Die KOLURKA startet in zwei Minuten.«

»Dann wissen Sie mehr als ich, Mr. Freeman.«

Die Polizisten landeten mit ihrem Gleiter und kamen zu ihnen. Einer von ihnen legte Freeman die Hand auf die Schulter und teilte ihm mit: »Das kostet Sie die Kleinigkeit von tausend Solar, mein Freund.«

Freeman zuckte zusammen.

»Sie meinen Soli, nicht wahr?«

Der Ordnungshüter schüttelte den Kopf.

»Sie haben mich schon recht verstanden. So wie ich Sie einschätze, haben Sie von vornherein damit gerechnet, dass Sie für diesen Spaß bezahlen müssen. Vermutlich haben Sie sich aber gesagt, dass die gebührenpflichtige Verwarnung noch erheblich billiger ist, als das Schiff zu verpassen und noch eine volle Woche länger auf Plophos bleiben zu müssen. Das ist es ja auch – es sei denn, Sie haben im Physician-Spacel gewohnt.«

»Keineswegs«, sagte Ayke Somms. »Mr. Freeman kommt direkt aus der Baumgart-Klinik, wo er sich ein paar neue Nieren hat einpflanzen lassen. Ich vermute, dass der Aufenthalt für ihn dort auch nicht gerade billiger war.«

»Gäste, die uns soviel Geld hierlassen, haben wir natürlich besonders gern«, erklärte der Polizist. »Falls Sie auch mal ein neues Herz benötigen, kommen Sie ruhig wieder. Dann gebe ich Ihnen eine solche Irrsinnsfahrt quer über den Raumhafen für 600 Solar. Würden Sie mir jetzt bitte den Scheck geben, oder zahlen Sie bar?«

»Erst möchte ich wissen, ob die KOLURKA noch so lange wartet.«

»Aber sicher doch, Mr. Freeman, wir warten doch noch auf den Transmittertechniker und Hyperphysiker Bolvo Querdain«, erwiderte Ayke Somms. »Warum haben Sie ihn nicht mitgebracht? Er war doch auch in der Baumgart-Klinik. Soweit ich weiß, hat er sich eine neue Leber implantieren lassen. Es soll aber einige Komplikationen gegeben haben.«

Freeman fluchte lauthals.

»Das kann über zwei Stunden dauern, bis Querdain kommt«, sagte er. »Dr. Baumgart hat mir gerade vor zehn Minuten gesagt, dass er noch mehrere Leberfunktionstests durchführen muss.«

»Sie sagen uns nichts Neues«, entgegnete Ayke Somms. »Deshalb warten wir ja auch. Oder meinen Sie wirklich, Sie seien sonst noch zwei Minuten vor dem Start an Bord gekommen?«

»Grinsen Sie nicht so dämlich, Somms, sonst reiße ich Ihnen den Kopf ab.«

»Erstens kostet so etwas bestimmt mehr als tausend Solar, wenn es unter den Augen der Polizei geschieht«, sagte der Gepäckmeister. »Und zweitens gratuliere ich Ihnen, dass Sie sich in der kurzen Zeit so prächtig erholt haben.«

»Wenn ich nicht befürchten müsste, dass Ihre uniformierten Wegelagerer mir noch mehr Geld aus der Tasche holen würden, dann würden Sie Ihr blaues Wunder erleben.«

Freeman warf den Ordnungshütern noch einen grimmigen Blick zu und stürmte in das Innere des Schiffes.

»So ist das«, sagte Ayke Somms seufzend. »Diese Leute kommen als halbe Leichen hierher, dann geben wir ihnen neue Organe, und sie meinen gleich, vor Kraft platzen zu müssen. Die Ärzte sollten sich lieber bemühen, liebe und nette Menschen aus ihnen zu machen. Das wäre erheblich besser.«

Er verließ die Schleuse und trat in das helle Sonnenlicht hinaus. Ein wolkenloser Himmel spannte sich über New Taylor. Somms lehnte sich an eines der Landebeine des Kugelfrachtraumes und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Peter Ball kam zu ihm. Blinzelnd beobachtete er, wie die Raumhafenpolizisten den Gleiter wegschafften, mit dem Freeman gekommen war.

»Ich habe eben mit Sammy gesprochen«, berichtete er. »Die Passagiere machen ihm die Hölle heiß. Sie meutern, weil wir nicht pünktlich starten. Sie wollen nicht einsehen, dass wir auf einen Fahrgast soviel Rücksicht nehmen.«

»Sollen sie krakeelen«, antwortete Somms gleichmütig. »Bolvo Querdain hat's verdient, dass wir auf ihn warten. Er ist nicht nur ein feiner Kerl, sondern er hat auch viel für Plophos getan. Immerhin hat er unsere Transmittertechniker geschult und die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir unter wirtschaftlich vernünftigen Umständen in New Taylor ein stadtumspannendes Transmittersystem errichten können.«

Er zündete sich eine Zigarette an und reckte sich.

»Außerdem werden wir den Zeitverlust mühelos wieder aufholen. Von mir aus kann Querdain sich ruhig Zeit lassen.«

»Er kommt schon«, sagte Peter Ball.

*

Das Unheimliche in ihm machte sich noch nicht bemerkbar, als Bolvo Querdain an Bord kam.

Ayke Somms begrüßte ihn mit Handschlag.

»Ich freue mich, dass es Ihnen so gut geht«, sagte der Gepäckmeister.

Die grauen Augen des Wissenschaftlers leuchteten auf, und ein zufriedenes Lächeln ging über sein massiges Gesicht.

»Ich fühle mich einfach prächtig«, berichtete Querdain. »Die neue Leber funktioniert jetzt einwandfrei. Alle Komplikationen sind behoben.«

*

Eine Stewardess empfing Bolvo Querdain und führte ihn zu seiner Kabine. Er sah sie sich an.

»Danke«, sagte er. »Ich bin zufrieden. Wären Sie wohl so nett, mir den Speiseraum zu zeigen? Ich habe einen Bärenhunger. In der Klinik musste ich wegen der Untersuchungen nüchtern bleiben. Ich habe also etwas nachzuholen.«

Sie brachte ihn in den großen Salon, wo die anderen Passagiere bereits saßen und Erfrischungen zu sich nahmen. Suchend sah Querdain sich um. Er entdeckte Freeman, der ihm fröhlich zuwinkte. Lächelnd ging er zu ihm, begrüßte ihn und setzte sich zu ihm an den Tisch. Auch ihm teilte er mit, was für einen mächtigen Hunger er habe. Freeman hatte Verständnis.

»Im Grunde genommen ist es ein Skandal«, sagte er. »Man bezahlt eine horrende Summe in der Klinik und erhält noch nicht einmal ein Abschiedsessen.«

»Darauf kann ich gern verzichten«, entgegnete Querdain und tippte sich in die Seite. »Das neue Organ ist mir wichtiger. Gut essen kann ich überall, aber ich wüsste wirklich nicht, wo besser transplantiert wird als hier.«

»Ihnen geht es wirklich gut?«

»Ausgezeichnet.«

Freeman musterte sein Gegenüber. Ihm war aufgefallen, dass Querdain plötzlich blass geworden war und die Augen geschlossen hatte.

»Soll ich einen Arzt rufen?«

Querdain winkte ab.

»Aber nein, Mr. Freeman. Es ist nur der Hunger. Das vergeht gleich wieder.«

Aber es war nicht der Hunger. Irgend etwas Fremdes war in ihm. Er konnte es weder lokalisieren noch definieren. Er fühlte sich versucht, das Essen zu nehmen und es Freeman ins Gesicht zu schleudern.

»Sie sehen aber nicht gut aus.«

Querdain blickte auf. Sein Atem ging laut und schwer.

»Mein Magen ist schon immer empfindlich gewesen. Manchmal macht er mir zu schaffen. Das nächste Mal, wenn ich nach Plophos komme, werde ich auch ihn austauschen lassen.«

Freeman gab sich nicht zufrieden. Besorgt beugte er sich vor und blickte dem Wissenschaftler ins Gesicht.

»Es ist sinnlos, sich selbst zu belügen, Mr. Querdain«, sagte er. »Kommen Sie, ich bringe Sie zum Bordarzt.«

»Sie hätten sich lieber einen neuen Kopf auf Plophos verpassen lassen sollen«, erwiderte der Transmittertechniker aggressiv. »Lassen Sie mich jetzt endlich in Ruhe, oder ich demonstriere Ihnen, wie gut ich in Form bin!«

Er hielt ihm die Faust vor das Gesicht.

Freeman erhob sich.

»Guten Appetit«, wünschte er in einem Tonfall, der erkennen ließ, dass er genau das Gegenteil meinte.

Auf dem großen Bildschirm neben der Dinnertheke sah er, dass die KOLURKA sich von Plophos entfernte.

Querdain verkrampfte seine Hände. Mit brennenden Augen starrte er auf den Planeten, der immer kleiner wurde. In diesen Augenblicken wäre er gern auf ihn zurückgekehrt.

›Du bist verrückt‹, sagte er zu sich selbst. ›Kein Kommandant in der ganzen Galaxis würde dir diesen Gefallen tun. Es ist das fremde Organ, das dich stört. Dein Unterbewusstsein findet sich noch nicht mit ihm ab. Dr. Baumgart hat so etwas angedeutet. Du brauchst nur geduldig zu sein, dann kommt alles in Ordnung.‹

Er aß weiter.

Querdain spürte, dass alles nicht so war, wie er es sich selbst einreden wollte. Woher kam plötzlich dieser Zerstörungswille? Er war immer ein ausgesprochen friedlicher Mensch gewesen. Wie kam er überhaupt auf den Gedanken, er müsse Freeman bestrafen?

›Besser wäre es noch, der Schiffsführung zu zeigen, dass ich mich ihrer Macht zwar beuge, aber auch nicht ganz machtlos bin.‹

Verwundert horchte er in sich hinein.

Wieso dachte er plötzlich daran, die KOLURKA zu zerstören?

Er schob das Essen, das er erst halb verzehrt hatte, zur Seite. Er konnte einfach nichts mehr über die Lippen bringen, obwohl er noch Hunger hatte.

Er hätte schreien mögen.

Freeman hatte recht. Für ihn gab es nur einen einzigen Weg, wenn er den totalen Zusammenbruch verhindern wollte. Er musste sofort den Bordarzt aufsuchen.

Als er an den Tisch kam, an dem Freeman saß, blieb er stehen. Freeman sah ihn fragend an.

»Ich will ... zum ... Arzt«, sagte Querdain stammelnd. Die Beine gaben unter ihm nach, dann wurde es dunkel um ihn.

*

Das Gesicht über ihm strahlte Ruhe und Zuversicht aus.

»Machen Sie sich keine unnötigen Sorgen«, sagte der Mann mit der hellgrünen Hemdbluse. »Transplantationen sind kein Problem für uns.«

Er verfolgte aus den Augenwinkeln heraus, dass der Arzt ihm eine Hochdruckspritze an den Arm setzte und ihm etwas injizierte. Die Wirkung setzte schlagartig ein. Er fühlte sich etwas wohler, und er erinnerte sich an das, was geschehen war.

Warum war er zusammengebrochen, wenn es im Zusammenhang mit der ihm eingepflanzten Leber keine Probleme mehr gab?

Er schloss die Augen.

Zerstörung und Chaos – rief etwas in ihm. Er glaubte Feuer zu sehen.

Eilig öffnete er die Augen wieder. Der Arzt hantierte an einigen Geräten, deren Funktion Querdain nicht kannte. Bislang hatte er die Ärzte bei ihrer Arbeit immer mit stiller Bewunderung beobachtet. Blindes Vertrauen hatte ihn erfüllt, und er hatte sich ihnen und ihrer Therapie überlassen, ohne auch nur je das Gefühl des Unbehagens zu haben. Jetzt veränderte sich etwas in ihm.

Bolvo Querdain schloss die Augen abermals, und ein wilder Zerstörungswille erwachte in ihm. Warum schlug er den Arzt nicht einfach nieder, bevor dieser ihm ein vielleicht tödliches Gift spritzte?

Der Arzt trat an ihn heran und griff nach seinem Arm. Seine Finger fühlten sich seltsam trocken und kühl an. Er mochte sie nicht. Die Berührung rief Abscheu in ihm hervor.

Wütend schlug Querdain die Hände des Arztes zur Seite. Er sprang vom Untersuchungstisch und schrie:

»Ich bin längst wieder in Ordnung. Lassen Sie mich in Ruhe.«

Der Arzt wich nicht zurück, als Querdain an ihm vorbeigehen wollte. Er wollte ihn aufhalten. Der Transmittertechniker schlug ihn nieder.

In diesem Moment griffen zwei Medoroboter ein. Querdain krümmte sich, ließ sich fallen und versuchte alles, was ihm gerade einfiel, um den Automaten zu entkommen. Aber das half alles nichts. Eine Hochdruckspritze zischte in seinem Nacken. Querdain verlor die Kontrolle über seine Muskeln. Er sank zu Boden, wurde jedoch sofort wieder aufgenommen und zum Untersuchungstisch getragen. Sicherheitsbänder schlangen sich um seine Handgelenke und seine Beine und fesselten ihn.

Seufzend gab er nach. Er wusste, dass er sich nicht mehr aus eigener Kraft befreien konnte – und er war froh darüber.

Die Stimme verstummte, die Amoklauf, Zerstörung und Mord von ihm forderte.

Er horchte in sich hinein, aber er vernahm nichts mehr.

»Was ist nur mit Ihnen los, Mr. Querdain?«, fragte der Arzt und rieb sich das gerötete Kinn. »Wollen Sie es mir nicht sagen?«

Querdain bewegte die Lippen, aber er sah sich außerstande, auch nur eine Silbe von sich zu geben.

»Sie sollten schlafen«, riet ihm der Arzt. »Das Mittel, das die Roboter Ihnen verabreicht haben, gibt Ihnen die Möglichkeit dazu, wenn Sie nur wollen.«

Querdain gab nach und lag völlig entspannt auf dem Tisch. Die Hände des Arztes und die Instrumente, die sie ihm anlegten, spürte er überhaupt nicht mehr. Er hatte sich völlig in seine Gedankenwelt zurückgezogen.

Er musste an die Klinik denken und an das, was dort geschehen war.

Hatte man ihn so sehr verändert, dass sich sein Charakter ebenfalls umformte?

Diese Idee erschien ihm geradezu absurd.

Der geniale Chirurg Dr. Baumgart hatte ihm eine neue Leber eingepflanzt. Sie war eine in Nährtanks herangezüchtete Drüse, die wichtige Stoffwechselaufgaben zu bewältigen und enge Beziehungen zu Blut und Kreislauf hatte. Mehr aber auch nicht. Sie hatte nichts mit der Innervation seines Körpers zu tun und schon gar nichts mit seinem Intellekt oder seinem Willen. Sie konnte sich nicht bewusst aufgrund von irgendwelchen Motiven für einen bestimmten Handlungsweg oder eine bestimmte Handlungsart entscheiden. Allein der Gedanke daran erschien Querdain so unwirklich, dass er ihn sofort wieder verwarf.

Dennoch war etwas in der Baumgart-Klinik mit ihm geschehen, das ihn nachhaltig beeinflusst hatte.

Wie mochte es den anderen Patienten in der Klinik ergangen sein? Bolvo Querdain erinnerte sich sehr gut an sie.

Ob auch sie charakterlich verändert waren?

Er dachte kurz darüber nach und kam dann zu dem Schluss, dass sie es waren.

Plötzlich stieg Angst in ihm auf. Er glaubte immer mehr daran, das Opfer eines Verbrechens geworden zu sein zumal er wieder die Impulse vernahm, die ihm befahlen, den Arzt zu töten. Da er unter der Wirkung des muskelrelaxierenden Mittels stand, konnte er nicht gehorchen. Er war froh darüber.

Zugleich musste er immer wieder an die Klinik und ihre Patienten denken.

Was machte es schon, wenn er auf der KOLURKA verrückt spielte? Vor wenigen Minuten hatte man ihm gezeigt, wie schnell man ihn in den Griff bekommen konnte.

2.

5. August 2842.

Trogfynn Kranmurt schüttelte Bolvo Querdain die Hand.

»Ich habe gehört, dass Sie morgen entlassen werden«, sagte er.

Der Transmittertechniker blickte freundlich auf den Jungen hinab. Er nickte.

»Ganz recht«, bestätigte er. »Ich habe eine neue Leber bekommen, und alles ist in Ordnung. Du siehst aber auch gesund aus.«

»Das bin ich auch«, erwiderte Trogfynn.

Er ging zusammen mit ihm über den Klinikflur zu dem Atrium, in dem sich einige andere Patienten aufhielten. Sie saßen in den weißen Stühlen und sonnten sich.

»Ich muss noch im Schatten sitzen«, erklärte der Junge. »Meine Augen sind noch nicht so in Ordnung, dass ich ihnen zuviel Licht zumuten kann.«