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Klappentext Frühjahr 1915. Der Erste Weltkrieg tobt in ganz Europa und hat auch die Balkanstaaten und den Mittelmeerraum erfasst. Der Autor dieses Romans, Georg Ritter von Trapp, übernimmt zu dieser Zeit das Kommando über das U-Boot S.M. U 5 der österreichisch-ungarischen Kriegsmarine, das im kroatischen Šibenik vor Anker liegt. Die Franzosen greifen mit aller Macht nach Montenegro, und so liegt es an Trapp und seinen Kameraden, den Gegner abzuwehren. U 5 läuft aus, und befindet sich bald schon im tödlichen Ringen mit französischen Panzerkreuzern und italienischen U-Booten. „Auf Feindfahrt mit SM U 5“ ist ein spannungsgeladener und erschütternder Roman, der Trapps Zeit als Marineoffizier im Ersten Weltkrieg nachzeichnet und damit dem Leser ein realistisches Bild vom Kampf ums Mittelmeer liefert – wer könnte besser über die U-Boot-Einsätze schreiben als jemand, der sie mitgemacht hat? Georg Ritter von Trapp befehligte später noch das französische Beuteboot Curie, ehe er den Befehl über die U-Boot-Station in Kotor, Montenegro, übernahm. Auch diese Erlebnisse verarbeitet er in seinem umfangreichen Roman. Die U-Bootwaffe steckte Anfang des 20. Jahrhunderts noch in den Kinderschuhen, entsprechend primitiv waren die Boote, mit denen der Krieg zur See ausgetragen wurde. Den Preis dafür zahlten die U-Boot-Fahrer. Von der Propaganda gefeiert, kehrten viele von ihnen nicht von ihren gefährlichen Feindfahrten zurück. Über dieses Buch Dieser Roman erschien erstmals im Jahr 1935 unter dem Titel "Bis zum letzten Flaggenschuss". In Zusammenarbeit mit dem Klarwelt Verlag hat EK-2 Militär diese neue Edition entwickelt. Der Text ist vollständig in die neue Rechtschreibung übertragen worden, inhaltlich aber unangetastet geblieben. Mehr als 60 Fotos und Karten aus dem Weltkrieg sowie von den heutigen Überresten der U-Boot-Station in Montenegro liefern Ihnen einmalige Eindrücke und unterstützen Ihr Kopfkino beim Lesen. Verleger Jill Marc Münstermann von EK-2 Militär steuert zudem eine historische Einordnung bei. Kurz und knackig – Darauf dürfen Sie sich freuen: - Lassen Sie sich mitreißen von diesem erschütternden Roman aus der Feder eines der erfolgreichsten österreichischen U-Boot-Kommandanten des Weltkriegs - Erfahren Sie mehr über die Hintergründe in der beigefügten historischen Einordnung - Profitieren Sie von mehr als 60 originalen Fotografien im Buch Was hat Georg Ritter von Trapp über seine Kriegseinsätze zu erzählen? Finden Sie es heraus!
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Georg Ritter von Trapp
Auf Feindfahrt mit SM U 5
Weltkriegs-Thriller aus der Feder eines österreichischen k.u.k. U-Boot-Kommandanten
&
EK-2 Militär
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André Skora über Band 1 der Weltenkrieg Saga.
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Gewidmet
den Kameraden der U-Boot-Waffe
Karte der Adria
S. M. Torpedoboot „52“ liegt in Sebenico am Molo inmitten der neun Kameraden seiner Torpedobootdivision.
Sie waren alle die Nacht über draußen gewesen, haben nach feindlichen Schiffen gesucht, die von irgendeiner Nachrichtenstelle gemeldet, aber wieder einmal nicht gekommen waren.
Weit hinaus in die Adria haben sie ihre Nasen gesteckt, haben sich die Augen ausgeschaut und sind wieder einmal enttäuscht zurückgekommen durch die Incoronate, die kahlen Felsensinseln, die dem Hafen von Sebenico vorgelagert sind. Sie könnten auch „Die tausend Inseln“ heißen, wie sie da verstreut liegen. Die Leute erzählen sich: Da ist einmal ein Riese längs der Küste hinuntergewatet und hat einen großen Sack voller Steine getragen. Auf einmal hat er gemerkt, dass ihm unterwegs der Sack geplatzt war und er die Hälfte verloren hat. Da hat er den Rest zornig vor Sebenico hingeschmissen und ist davon. Große und kleine Steine waren es, solche, die ganz ordentliche Inseln wurden, mit Bergen, auf denen jetzt Signalstationen stehen, die weit in die freie See auslugen können. Aber auch so kleine, die kaum aus dem Wasser herausschauen, und solche, die bei Flut bedeckt sind und dann unsichtbare Riffe wurden. Das sind die, denen die Schiffe ausweichen müssen in den engen, geschlungenen Durchfahrten, wenn sie sich nicht die Seiten aufreißen wollen an dem scharfen, zackigen Gestein.
Kahl schauen sie aus, diese Inseln, und doch haben sich Menschen gefunden, die dort wohnen. Wo sich in einer Doline oder in einem der winzigen Täler ein kleiner Fleck der roten Erde zeigte, haben sie in langer mühsamer Arbeit jeden Stein aus dem Boden geklaubt. Ein Fleck, nicht größer als ein Zimmer, heißt schon „Feld“.
Die Steine haben sie zu kleinen Mauern aufgebaut rund um die Felder, zum Schutze gegen den Wind, der die kostbare Erde fortwehen, oder gegen den Regen, der sie fortspülen könnte. Schicht um Schicht wuchsen die Mauern, von jeder Generation weiter erhöht. In langen, geraden und gezackten Linien ziehen sie sich über die größeren Inseln. Sie bilden zugleich die Weidegrenzen für die Ziegen und Schafe, die dort zwischen Wacholder- und Brombeergestrüpp, mitten im wilden Spargel und Ginster, ihre spärlichen Gräser suchen.
Neben den Hütten, die in den Buchten verstreut umherstehen, wachsen immer ein paar Feigen- und Olivenbäume. Sie müssen ihre Wurzeln tief zwischen die Steine hinuntergebohrt haben, dort Nahrung und Wasser suchend, wenn die Gluthitze des Sommers den Boden ausgedörrt hat.
Es ist ein armes Land — Stein, Stein, nichts als Stein. Ein Land ohne Farben. Für den Menschen aus dem Norden, der das maifrische Grün der jungen Buchen, das saftige Grün der Wiesen, das satte Grün der Sommerwälder gewöhnt ist, wirken die silbrig glänzenden Oliven und die nachtdunklen Zypressen gar nicht grün. Für ihn ist es ein ganz neuartiger Farbenakkord: blau — blau in allen Schattierungen, direkt ein Schwimmen im Blau, oben der Himmel, ringsum die weite See, und als einzige Abwechslung blendend weiße Sommerwolken oben und ebenso blendend weiße Felseninseln unten, das Weiß nur schwach gemildert vom Graugrün oder Schwarzgrün des Bosco. Es ist, als ob die Natur das, was sie dem Auge des Menschen hier versagt, ihm anderweitig reichlich ersetzen wollte: das ganze Land duftet, auf viele Meilen hinaus spürt man es: Wacholder, Thymian, Myrten, Rosmarin!
Es ist ein herrliches Fahren dort zwischen den Inseln mit den vielen großen und kleinen Buchten, in denen es von Fischen wimmelt. Am schönsten ist es aber in den windstillen Nächten, die so eigenartig belebt sind.
Da blitzt es immer wieder irgendwo auf, rote Lichter, weiße Lichter — das sind die Leuchtfeuer, die den Schiffen ihre Warnung zublitzen. Und aus den vielen Buchten tauchen jetzt ungezählte Fischerboote auf, die einen unter Segel, große Netze schleppend, die anderen, von schweren Stehrudern fast lautlos vorwärtsgeschoben, suchen mit starken Blendlaternen das Wasser ab. Ganz vorne im Boot steht ein Mann mit der Fossina, einer vielzinkigen Harpune, in der Hand und lauert auf Calamari1, Dentali und was sonst noch an Fischen daherkommt. Beim Auslaufen singen die Leute immer ihre uralten Gesänge: Balladen mit unzählig vielen Strophen, leidenschaftliche wilde Kriegsrufe, weiche, sehnsüchtige Liebeslieder. In langgezogenen, weithallenden Tönen, in ungewohnten Melodien klingt hier das verborgene Lieben, Leiden und Sehnen eines stolzen, durch Jahrhunderte unfrei gewesenen Volkes an das Ohr des Nordländers. Und obwohl dieser auch die Worte nicht versteht — die traurige Sehnsucht dieser Menschen nach ihrer großen Vergangenheit versteht er auf einmal und es berührt ihm eigenartig das Herz. Wie eine leise Begleitung ertönt dazu das vielhundertstimmige Konzert der Zikaden und der leichte Abendwind trägt den Duft vom Land herüber — berauschend stark und süß.
So werden die Nächte zwischen den Inseln für jeden zu einem reichen, unvergesslichen Erlebnis.
In diese friedliche Welt ist jetzt der Krieg eingebrochen. Das Fahren zwischen den Inseln ist mit einem Male anders geworden! Wohl ist die weiche Nachtluft noch immer erfüllt vom Zirpen der Zikaden und vom schweren Duft des Landes, aber niemand hat mehr Zeit, darauf zu achten. Das Singen ist verstummt, denn das Fischen ist verboten und die Männer sind im Krieg.
Wenn früher schon das Fahren in diesen Gewässern wegen der vielen Untiefen und Riffe nicht ungefährlich war, ist es jetzt in höchstem Grade ungemütlich geworden.
Zwischen den Inseln liegen Minen, jeden Augenblick kann ein feindliches Periskop, ein Flieger mit Bomben auftauchen, und die Nächte sind besonders interessant geworden: es gibt keine Leuchtfeuer mehr! Der Krieg hat sie ausgelöscht. Jetzt muss der Seemann schauen, wie er sich ohne sie in dem Gewirr der Inseln und Scoglien2 zurechtfindet, oftmals bei bedecktem Himmel und schwerer See.
Und er findet eine Hilfe — die Eilande selbst bieten sie. Manche fallen schon von weitem durch ihre eigenartige Form auf, deren Silhouette nachts scharf von den anderen absticht, und sie ermöglichen es dem Seemann, sich zu orientieren.
Es ist kaum glaublich, dass wirklich jede Insel, jedes Riff, jeder kleinste Scoglio einen eigenen Namen hat, und doch sind solche darunter, die keiner vergisst der sich dort je in finsteren Nächten oder bei schlechtem Wetter in der Gegend hat herumtreiben müssen. Da ist der Skulj, die Kurbavela und der Tetevišnjak, Inseln, vor denen man die Kappe abnimmt, um sie zu grüßen — denn oft haben nur sie es den Torpedobooten ermöglicht, den Weg zu finden, wenn der Scirocco oder die Bora blies und sie sich in der Nacht ohne Leuchtfeuer zurechtfinden mussten!
So war es auch heute Nacht gewesen, als die Boote wieder einmal von einem ergebnislosen Streifzug durch die Inseln zurückkamen.
Die Torpedoboote haben Kohle ergänzt.
Jetzt wird das Boot mit der Dampfpumpe gewaschen. Außenbord, Deck, Aufbauten, Geschütze und Lancierapparate. Zuerst das Boot, dann die Leute.
Der Kohlenstaub ist überall hingedrungen, auch unter die Lider der übernächtigen Augen. Man möchte schlafen und kann die Augen vor lauter Brennen nicht geschlossen halten. Darum steht alles auf dem Molo und bespricht die letzte Fahrt.
Von den Inseln kommen Segelboote herein. Schwere, massive Fahrzeuge, die den Verkehr vermitteln. Sie bringen Schafkäse, Fische und Schnaps und kaufen in der Stadt Zucker, Tabak und was sie sonst noch brauchen.
Es ist wenig Wind und die Boote müssen gerudert werden. Der Mann sitzt am Steuer und raucht, die Frauen bedienen stehend die langen, schweren Ruder. Sie vertäuen auch das Boot und machen die Segel fest. Ganz ähnlich ist es in den „Schwarzen Bergen“. Wenn die Montenegriner nach Cattaro zum Markte kommen, sitzt der Mann auf dem Esel, die Frau läuft nebenher und trägt die Last.
Einer der Offiziere geht auf den Mann zu, der sich auf einen Belegpöller gesetzt hat und zusieht, wie die Frauen das Boot ausladen.
„Und du? Machst du gar nichts? Lässt du nur die Frauen arbeiten?“
„Ništa? Spavam za zenú!“3
Aber es ist nicht so schlimm, wie es ausschaut. Alle sind prachtvolle Seeleute und Fischer und bearbeiten ihren Boden, an den sich kein Bauer vom Flachlande herantrauen würde. Ihr höchster Traum ist, nach Amerika auszuwandern, wo schon ihre Brüder und Onkel sind, mit einem Haufen Dollars zurückzukommen und ein Wirtshaus aufzumachen.
Abends sitzen die Offiziere in einem der beiden Kaffeehäuser, die Sebenico besitzt. Es führt den hochtrabenden Namen „Hotel de la Ville“. Schmierige Eleganz, der Fußboden immer schmutzig und voller Zigarettenstummeln, der Kellner in einem Smoking aus dritter Hand, Hemd und Kragen stehen diesem an Schwärze nicht nach. Und aus den von Herrschaften abgelegten Lackschuhen ragen die „Kavaliersdippeln“ durch ausgeschnittene Löcher heraus. Sie werden mit den Schuhen mitgewichst.
Auch die Offiziere der Transportdampfer sind da. Sie müssen den Verkehr mit dem Golf von Cattaro besorgen.
Die schmalspurige bosnische Bahn kann nicht alles bewältigen und die Schiffe, die dort seit Beginn des Krieges liegen, müssen ebenso wie die Forts beliefert werden.
Über die Dampfer und die von unten einlaufenden Torpedoboote kommen auch jeweilig direkte Nachrichten aus der Bocche4. Schwere Kämpfe hatten sich da gleich zu Anfang des Krieges abgespielt.
Auf dem 1760 Meter hohen Lovćen5 hatten die Montenegriner ihre Batterien eingebaut und konnten von dort bequem alle österreichischen Stellungen überblicken. Täglich haben sie diese unter schwerem Feuer gehalten. Dort haben die Artilleristen die wahre Hölle gehabt. Ununterbrochen haben die feindlichen Geschosse auf ihre Betondeckungen gehämmert und sie alle Tage frisch zertrümmert.
Torpedoboot-Division auf der Fahrt durch die Inseln
Zerschossene französische Batterie auf dem Lovćen
Dann in der Nacht sind die Besatzungen herausgekommen und haben die zerschossenen Deckungen immer wieder notdürftig mit Beton geflickt. Tagaus, tagein ging es so — sie haben sich nicht niederkämpfen lassen! Sie waren es, die die Einnahme der Bocche verhindert haben.
Der Feind hat es ja gleich gewusst: Die Bocche, der südlichste Hafen der Monarchie, ist die gegebene Ausfallspforte der österreichisch-ungarischen Schiffe gegen das Mittelmeer. Gelingt es ihm, diesen Hafen einzunehmen, dann ist Österreich in der Adria gefangen. Die Bocche ist aber groß genug, um alle Schiffe der vereinigten Entente aufzunehmen. Sie würde einen prächtigen Hafen für die französische Flotte abgeben, die von dort aus die ganze Adria in der Hand gehabt hätte.
Deshalb war es für die Entente ja auch so ungeheuer wertvoll, dass das kleine Montenegro dem großen Österreich feindlich gesinnt war. Seine Lage, da oberhalb der Bocche in den Schwarzen Bergen, war geradezu ideal für sie. Darum haben die Franzosen auch ihr Möglichstes getan, um Montenegro zu unterstützen. Lebensmittel, Kleider und Munition wurden hingeschafft. Unter großer Machtentfaltung sind diese Transporte für Montenegro durchgeführt worden, denn ein großer Teil der französischen Flotte war jeweilig aufgeboten worden, um die Dampfer nach Antivari, Montenegros einzigem Hafen, zu begleiten. Bei diesen Gelegenheiten sind auch immer die Seeforts der Bocche beschossen worden. Geschehen ist nichts dabei, es glich eher einer militärischen Demonstration, die in keinem Verhältnis stand zu den aufgebotenen Machtmitteln.
Beim ersten Erscheinen der feindlichen Flotten war der kleine österreichisch-ungarische Kreuzer „Zenta“ auf dem Rückweg in die Bocche vom Feind abgeschnitten worden. 17 große, schnelle und moderne Kriegsschiffe, Engländer und Franzosen, hatten jetzt ein billiges Scheibenschießen auf den alten kleinen Kreuzer. Die feindlichen Schiffe brauchten sich nur in entsprechender Entfernung zu halten, die Kanonen der „Zenta“ reichten nicht sehr weit. Ein einziger ihrer kleinen schnellen Zerstörer hätte genügt, um das alte Schiff zu versenken.
Obwohl die Lage für sie so aussichtslos war, hat sich die „Zenta“ bis zum letzten Atemzug wütend verteidigt. Alles war schon zerschossen, das Schiff bereits im Sinken, das Deck schon vom Wasser bespült, da ließ der Kommandant, Fregattenkapitän Pachner, noch den letzten Schuss abfeuern. Erst als ihr Schiff buchstäblich unter ihren Füßen weggesunken war, dachten die Überlebenden an eine Möglichkeit ihrer Rettung. Aber von den siebzehn Schiffen war nur noch eine breite Rauchfahne zu sehen. Sie hatten den tapferen Feind sich selbst überlassen, ohne an Hilfe zu denken. So mussten die Schiffbrüchigen trachten, die viele Meilen entfernte montenegrinische Küste durch Schwimmen zu erreichen. Feindliche Gewehre lichteten dort die Reihen der zu Tode Erschöpften — und als der Kommandant mit den letzten Übriggebliebenen nach stundenlanger, äußerster Anstrengung endlich das Ufer erreicht hatte, wusste er, dass eine harte Gefangenschaft sie erwartete …
Als „Letztes Aufgebot“ zur Eroberung der Bocche hatten die Franzosen Batterien nach Montenegro geschafft. Sie setzten ihre größten Hoffnungen auf sie. Die k. u. k. Flotte wartete, bis sie auf dem Lovćen eingebaut waren, und schickte dann S. M. S. „Radetzky“ hinunter. Im Verein mit den alten Schiffen, die bereits im Golf von Cattaro lagen, wurden die neuen Batterien beschossen und gänzlich demoliert.
Damit war die Bocche gerettet und blieb weiterhin verschont.
Mit dem Erscheinen der französischen Flotte waren die vier österreichisch-ungarischen Unterseeboote, denen man die Fahrt noch zutrauen konnte, hinunterbeordert worden, mehr war nicht da. Später kam noch ein fünftes U-Boot dazu, das unter dem Namen U „12“ bei Valona das französische Großkampfschiff „Jean Bart“ anlanciert und schwer havariert hat.
So standen die Dinge, als an jenem Frühlingsabend die Offiziere im „Hotel de la Ville“ in Sebenico beisammensaßen. Sie besprachen diese und andere Kriegsereignisse.
Im April 1915 ist nicht viel los an den Fronten. Man erwartet etwas ganz Besonderes, etwas Entscheidendes. Irgendeiner hat einen Onkel im Kriegsministerium, der sehr geheimnisvoll geschrieben hat …
Man glaubt ja noch alles, was aus dem Hinterland kommt.
Die Aufgaben der Flottillen sind undankbar und langweilig. Dampfer begleiten, Minen suchen und sprengen. Ab und zu müssen sie schnell anheizen, dann lässt man die Feuer wieder abbrennen, weil irgendeine Meldung über den heranziehenden Feind doch nicht gestimmt hat. Oder sie werden hinausgejagt und kommen wie diesmal ergebnislos zurück.
„Warum bist du denn nicht auf einem U-Boot, du bist doch ein alter U-Boot-Mann gewesen?“, wird der Kommandant von Tb „52“ gefragt.
„Ja, ich hab’ mir den Krieg auch anders vorgestellt! Hab’ geglaubt, am zweiten Tag nach der Kriegserklärung werden wir uns schon mit den Franzosen in der Otrantostraße schlagen. Da war ich froh, dass ich ein Torpedoboot erwischt hab‘. Was hat man denn damals auch von einem U-Boot erwartet, als im Hafen liegen und den Feind nur angehen, wenn er kommt. Das war mir zu aussichtslos, als sie mir ein U-Boot antrugen. Jetzt allerdings, jetzt tät‘ ich gern tauschen.“
„Was ist denn das überhaupt für ein Krieg!“, schimpft ein anderer. „Alle Flotten liegen im Hafen. Die Engländer sind überhaupt verschwunden. Kein Mensch weiß, wo ihre Flotte steckt. Nur das Kleinzeug ist draußen.“
„Ja, was glaubt ihr denn“, mischt sich ein Dritter drein, „was soll denn unsere und die deutsche Flotte draußen machen? Um was geht denn der Krieg zur See eigentlich? Doch nicht nur um eine lustige, frisch-fröhliche Seeschlacht, damit man sich gegenseitig Schiffe zusammenschießt und dann doch nichts davon hat!
Um die Seeherrschaft geht es. Um die Sicherheit der eigenen Dampfer, damit man sich von überall aus der ganzen Welt das holen kann, was man im eigenen Lande braucht. Und das — das können wir Mittelmächte nie haben, dazu sind wir zu schwach.“
Jetzt sind alle am Gespräch beteiligt, man merkt, über dieses Thema wird heute nicht zum ersten Mal debattiert.
„Glaubt ihr denn, dass Deutschland in einer Seeschlacht die englische Flotte so dezimieren kann, dass es die Seeherrschaft erringt? Nein! Und wenn sie noch so viele versenken, werden die Deutschen so geschwächt herauskommen, dass England immer noch die See beherrschen wird.
Das hat also keinen Zweck.
Und wir gegen die französische Flotte? Ist gar nicht daran zu denken. Jetzt sagt mir nur, warum die Flotte auslaufen soll und wohin! Sie findet doch keinen Gegner draußen. Lauft höchstens den U-Booten in die Arme!“
„Ja, die U-Boote! Die sind jetzt Trumpf! Nur mit ihnen können wir der Entente die Seeherrschaft streitig machen. Erringen können wir sie nie!“
Dalmatinischer Frachtensegler (Trabakel)
Frauen „bemannen” die Fischerboote
„Dann aber wenigstens los mit den U-Booten!“, meldet sich der Kommandant von Tb „52“ wieder. „Jetzt, wo wir es endlich heraushaben, dass man auch Dampfer mit ihnen abschießen kann, jetzt sollen sie losgelassen werden wie Wölfe auf eine Herde!
Aber jetzt bekommen es die Diplomaten mit der Angst zu tun. Amerikaner und Italiener dürfen nicht mehr versenkt werden, sie könnten Krieg erklären. Das tun sie so auch. Früher oder später. Aber jetzt führen die Engländer ihre Nachschübe unter neutraler Flagge und die U-Boote wissen es und müssen sie laufen lassen.
Wir können Maisbrot fressen und bald wird auch das aufhören! Mein Gott — haben denn die noch nicht erfasst, dass es um die Wurscht geht!“ Und er fährt sich mit einer heftigen Bewegung ins Haar. Dann ist er still. Lässt die anderen weiterreden und kaut an seinem Schnurrbart.
Die Kameraden, die ihn kennen, wissen: Das mit den U-Booten, das muss ihm sehr zu Herzen gehen.
„Der deutsche Kaiser hat doch unlängst von einem nahen Frieden gesprochen!“ sagt einer, „Weihnachten sollen wir schon zu Hause feiern können!“
„Ja, wollen wir‘s hoffen! Cameriere, platiti!“6
Am nächsten Morgen wird auf dem Führerschiff der Flottille, dem Kreuzer „Admiral Spaun“, ein Signal gehisst:
„Tb ‚52‘ um 8 Uhr abends dampfklar. 4 Uhr nachmittags Kommandoübergabe.
Man ruft den Bootskommandanten.“
„Was können denn die von mir wollen? Nur nicht auf einen dicken Kasten!“, sagt der Kommandant, den es angeht. Auf dem Führerschiff erhält er den Befehl. Er hat das Torpedoboot an Linienschiffsleutnant B. zu übergeben und soll auf seinem alten Boote als Passagier in den Golf von Cattaro fahren, um dort S. M. Unterseeboot „5“ zu übernehmen.
Zuerst weiß er nicht, ob er sich freuen soll.
Es ist wohl schon lange sein Wunsch gewesen, zu seiner alten Waffe, den U-Booten, zurückzukehren. Auch erwartet er sich, damit vor den Feind zu kommen. Aber — er soll sich von seiner ihm liebgewordenen Division trennen und von seinem alten Torpedoboot. Wieder einmal scheiden von den alten Kameraden, die einander immer so getreulich beigestanden sind, in deren Kreis er auch so viele gemütliche und lustige Stunden verlebt hat. Von seinen Leuten, mit denen er so gut eingefahren ist und auf die er sich verlassen kann. Aber dann juckt es ihn doch wieder. „So ein U-Boot-Kommando! Man ist doch ganz sein eigener Herr. Wenn man will, wird man auch zum Feind hinfinden und vielleicht kann man doch sein Scherflein beitragen, um diesen verdammten Krieg einmal zu Ende zu bringen. Der Abschied ist kurz.
„Addio, gute Fahrt!“
Das Torpedoboot manövriert sich aus den Vertäuungen7 seiner schwarzen Kameraden heraus und mit verdeckten Lichtern läuft es durch die enge Hafenausfahrt, den Kanal San Antonio, aus.
Der abgelöste Kommandant geht unter Deck und legt sich in eine Koje der Offiziersmesse. Das Boot geht ihn ja nichts mehr an. Es kommt ihm eigentümlich vor, dass die Leute einem anderen Befehle folgen, ein anderer Kommandant sein Boot führen soll. Dass ein anderer in seiner Kabine haust und er wie irgendein Fremder in der Messe liegt als Passagier!
S. M. Torpedoboot „52“ läuft in den Golf von Cattaro ein. Vorbei geht es an den Batterien von Punta d‘Ostro und am Inselfort Mamula, die die Einfahrt decken. Beide sind schon ein paarmal gegen die französische Flotte im Kampfe gestanden. Auf Punta d’Ostro sollen sich die Artilleristen eine eigenartige Abwehr erdacht haben. Die Batterien liegen hoch oben auf dem gegen die See steil abfallenden Felsen. Unten am Fuß und auf halber Höhe sollen kleine Minen mit rauchstarkem Pulver vorbereitet gewesen sein, die elektrisch zu entzünden waren. Als nun die Franzosen ihre erste Lage über die Köpfe der Batterien sausen ließen, hatte die Fortbesatzung ihre Minen zur Entzündung gebracht und auf diese Art kurze Treffer markiert. Die nächsten Schüsse waren dann noch höher gezielt worden und sind in die weiter hinten liegenden Berge gefahren.
Durch die schmale innere Minenlinie geht es weiter, an den Lancierstationen vorbei, zu dem kleinen Hafen Rose, der die U-Boote und ihr Wohnschiff, den alten „Kronprinz Erzherzog Rudolf“, birgt. Die kleine Jolle des Torpedobootes wird ausgesetzt und der alte Kommandant verabschiedet sich zum letzten Mal von seinem Boot.
Ein anderes Leben soll wieder einmal beginnen.
Die neuen Kameraden sind ihm alle bekannt. Auch in seinem U-Boot trifft er einige Leute, mit denen er vor Jahren gefahren ist. Einige hatten unterdessen ausgedient, waren zu Hause gewesen, hatten geheiratet und standen nun nicht mehr als die einstigen jungen Burschen vor ihm, sondern als reife Männer.
Bei der Begrüßung sagt er ihnen: „Das Wichtigste ist: Wir müssen uns auf einander verlassen können! Ich muss euch vertrauen können und ihr mir, wenn wir Erfolg haben und unser Boot immer heil zurückbringen wollen. Es kommt auf jeden einzelnen an!“
Von seinem Vorgänger lässt er sich über die Zustände in der Bocche orientieren. Es ist nicht viel Erfreuliches, was er da hört. Von den sieben U-Booten, die die Marine besitzt, sind vier im Golf von Cattaro stationiert. Zwei müssen Triest beschützen; die sind wenig wert und gerade noch für ganz kurze Fahrten zu gebrauchen. Das siebente liegt in Pola. Alle Boote sind alt, haben viele maschinelle Havarien und wenig Reparaturmöglichkeiten, da keine vollwertige Werkstatt zur Verfügung steht. Obwohl der Krieg nun schon neun Monate dauert, ist das meiste primitiv und provisorisch. Alles wird mit Bordmitteln gemacht und die Leute arbeiten Tag und Nacht, um die Boote halbwegs kriegsbereit zu halten. Es wird an allem gespart und volles Verständnis für die Bedürfnisse der Boote ist „oben“ auch nicht vorhanden.
„Wir müssen uns selbst helfen, wenn wir überhaupt fahren wollen“, sagt ihm sein Vorgänger. „Hast du unser Motorboot gesehen? Mit dem muss der alte Noah schon sein G’frett gehabt haben! Mehr hat die glorreiche Marine nicht für uns übrig. Wir sind überall die Stiefkinder und müssen uns erst durchsetzen. Bis vor kurzem haben wir nicht einmal unsere Torpedos selbst einlancieren8 dürfen! Das haben die im Arsenal besorgt, die müssen es ja besser können. Aber dort scheint sabotiert zu werden. Das Resultat war, dass unsere Torpedos krumm gelaufen sind.
Die Leute sind prima. Geschickt und willig. Gib ihnen eine leere Sardinenschachtel und sie machen dir einen Vergaser daraus. Mich wundert nur, wie die sich ihre Begeisterung konserviert haben. Aber sie brauchen auch einmal einen Erfolg!
Vom Feind ist lange nichts mehr gesehen worden. Seit U ,12‘ das französische Flaggenschiff ‚Jean Bart‘ anlanciert hat, ist die Adria leer und kein Kriegsschiff mehr zu finden. Ab und zu können ein paar kleine Küstenfahrer gekapert werden, die nachtsüber ihre Ladungen von San Giovanni di Medua nach Montenegro schmuggeln wollen, aber die neutralen Dampfer der Puglia-Linie, die Montenegro über Albanien beliefern, sind ,tabu‘.“
In dem Kommandanten des U „5“ ist langsam ein heißer Unwille hochgestiegen.
„Wir sind ja Narren“, sagt er zu dem Kameraden, der ihn orientiert hat. „Da halten wir uns genau nach den internationalen Bestimmungen über Prisenrecht9 und das Kapern von Schiffen. Der Feind muss selber staunen, wie brav wir sind. Jetzt hat er‘s freilich einfach: Beliefert Montenegro durch neutrale Dampfer, die nach dem neutralen Albanien ausklariert werden. Dass die Ware von dort nach Montenegro gebracht wird, weiß jeder, und wir lassen diese Transporte vor unserer Nase vorbeilaufen und dürfen sie nicht hoppnehmen!“ „Ja“, sagt der andere, „die Kapitäne grüßen höhnisch herüber und wir müssen gute Miene zum bösen Spiel machen.“ Und richtig: Gleich am nächsten Tage muss der Kommandant einen Vortrag des Admirals über sich ergehen lassen, der ihn zur strikten Einhaltung der internationalen Bestimmungen verhält!
Es gibt also weder Kriegs- noch Handelsschiffe in der Adria. Da muss der Kommandant in einer anderen Gegend auf die Pirsch gehen. Ab und zu ist ein Kreuzer in der Otrantostraße gemeldet worden. Er soll die Adria von der Welt absperren und verhüten, dass die österreichische Flotte ungesehen ins Mittelmeer ausbricht. Die Flottillen haben ihn bisher nie finden können, doch mag er immerhin ab und zu dort sein. Außerdem wird behauptet, dass sich die französische Flotte in Asstacco eingenistet hat, einem Hafen an der griechischen Küste bei Santa Maura (was der griechischen Regierung ganz entgangen sein muss!).
Bis dahin können die U-Boote mit ihrem kleinen Aktionsradius gerade noch fahren.
Zwei Tage später, um 4 Uhr früh, löst das U-Boot lautlos seine Vertäuung. Es will mit dem Aufkommen des Tages schon außer Sicht des Landes sein, denn die Montenegriner können vom Lovćen aus die ganze Bocche überblicken und jedes auslaufende Boot noch lange im Auge behalten. Ihre Radiostation kann dem Feinde den Anmarsch eines U-Bootes melden und das ist unnötig.
Auf dem „Rudolf“ schläft noch alles, nur der Wachoffizier ruft dem Boote „Gute Fahrt!“ nach.
Knapp unter der Küste führt der Weg an den eigenen Minen vorbei; den Forts und den Strandbatterien werden die Erkennungszeichen hinübergeblitzt und bald gewinnt das Boot freies Fahrwasser.
Der Scirocco treibt seine Regenböen vor sich her. Es ist nass und kalt, die Stimmung unfreundlich und fröstelnd. Langsam stampfend arbeitet das Boot mühsam gegen die Seen an, die ab und zu das Boot überfluten, sich am Turme teilen, um dann als Wasserfälle zu beiden Seiten herunterzulaufen.
Von unten dröhnt die eine laufende Maschine ihren gleichmäßigen Takt herauf und sehnsüchtig lagen die Wachhabenden immer wieder in die Luke hinunter, den heißen Tee erwartend, der sie aufheitern soll.
Bis auf sie ist alles unter Deck verschwunden. Die Mannschaft hat bis zum Auslaufen gearbeitet, um Boot und Maschinen klarzumachen, und jetzt holt jeder an Schlaf nach, so viel er kann.
Mit der aufgehenden Sonne dreht der Wind auf Südsüdwest, die Regenschauer hören langsam auf und die Wolken lichten sich.
Es wird hell, die Regenkleider werden ausgezogen und behaglich dehnen und strecken sich die Wachhabenden auf dem Turm in der wärmenden Sonne.
Die Farben der hohen schwarzen Berge Montentegros und der Krivošije vermengen sich mit der dunklen Tönung der Wolken, die aus den Bergen nicht herausfinden. Das Land verschwindet und das letzte Band mit der Heimat ist gelöst.
„Herr Kommandant, auf etwas muss ich dich aufmerksam machen. Das Boot ist alt und strapaziert. Wir haben es immer wieder versucht, aber die Maschinen sind nicht mehr dicht zu kriegen und Auspuff- und Benzingase kommen ins Boot. Wenn wir zum Beispiel jetzt tauchen, ohne vorher das Boot zu ventilieren, ist nach einer Stunde die halbe Mannschaft ohnmächtig. Die Leute fallen um wie die Fliegen und wir kriegen sie erst wieder zu sich, wenn wir sie nach dem Auftauchen an die frische Luft bringen können.
Aber sie machen sich gar nichts daraus! Nennen den Zustand ‚Benzinschwammer‘10 und lachen darüber. Aber einmal kann’s doch bös werden. Wir brauchen unbedingt andere Maschinen, Diesel, die mit ÖI fahren, und nicht diese alten Benzinmotoren.“
„Ja, da werden wir nicht viel machen können. Die Boote werden gebraucht. Solange wir nur so wenig U-Boote haben, kann man nicht daran denken, neue Maschinen einzubauen. Das kostet zu viel Zeit. Wir können kein Boot vermissen und müssen schauen, aus ihnen herauszuholen, was möglich ist. Es ist halt ein Jammer, dass wir nur so einen Mist haben.“
Abends kommen die Leuchtfeuer der italienischen Küste in Sicht. Der Kurs führt zehn Meilen vom Lande nach Süden. Der Mannschaft wird erklärt, um was es sich handelt. Nach allen Seiten starren die Nachtgläser ins Dunkle und suchen den hier vermuteten Blockadekreuzer. Stundenlang. Die Augen werden müde und sehen Dinge, die gar nicht da sind: einmal ein Licht, dann wieder einen dunklen Schatten, und immer wieder ist es eine Täuschung gewesen.
Aber dort ist doch etwas! Ein dunkler Fleck auf dem dunklen Wasser. Der ihn zuerst gesehen hat, flüstert mit seinem Nachbar. Er will nicht unnötigen Alarm machen. Es ist zweifellos ein Schiff. Das Boot wendet darauf zu und es kommt deutlich heraus: ein Gaffelschoner11, der langsam gegen die italienische Küste steuert. Die beiden Offiziere beraten. Eine Visitation hat keinen Zweck. Man wird höchstens verraten und das Wild wird vergrämt. Er wird laufen gelassen.
Der nächste Morgen findet das Boot auf der Höhe von Korfu. Der Kurs geht weiter nach Süden, denn der Kommandant hofft, in der Gegend von Ithaka etwas zu finden. Dort müssen alle Schiffe vorbei, die nach Astacco fahren.
Der flaue Wind ist eingeschlafen und die See glatt wie ein Spiegel.
Ein kleiner Vogel flattert um das Boot und setzt sich ganz erschöpft auf Deck. Die Leute streuen ihm Brotkrumen hin, er frisst nicht. Auch Wasser verschmäht er. Er ist nur todmüde. Er erinnert den Kommandanten an seine erste Fahrt mit einem Segelschiff im Mittelmeer. Das war damals im Herbst, als die Zugvögel nach Süden wanderten. Eines Morgens war die ganze Takelage voller Falken. Auf Raaen und Tauen saßen sie dicht beisammen. So müde, dass man sie mit der Hand fangen konnte. Nach ein paar Stunden zogen sie wieder weiter.
„Achter steuerbord Rauch!“
Der Ruf pflanzt sich im Boote fort, im Nu ist alles auf den Beinen und kommt auf Deck. Weit hinter der Kimm12, die sich kaum vom Himmel abhebt, zieht ein feiner Rauchstreifen gegen Süden. Weitab vom Kurs. Mit ganzer Kraft fährt das Boot, um dem Schiffe den Weg abzuschneiden. Getaucht fährt es zu langsam, es muss trachten, sich über Wasser so nahe als möglich zu dessen Kurs vorzusetzen. Bald erscheinen die Toppen der Masten über dem Horizont und steigen immer höher aus dem Wasser heraus. Viel zu rasch kommt das Schiff heran. Jetzt sieht man schon den oberen Teil der Kamine, gleich muss sich die Kommandobrücke über die Kimm heben. Es wird höchste Zeit zum Tauchen, bevor man selbst gesichtet wird.
Rasch verschwinden die Leute in der Turmluke, dabei erwischt einer noch schnell das Vogerl und nimmt es mit sich. Es ist nicht viel Zeit, das Bootsinnere noch gründlich zu ventilieren. Die Flutventile werden geöffnet und das Wasser rauscht in die Ballasttanks, um U „5“ schwerer und damit tauchfähig zu machen. Als letzter verschwindet der Kommandant im Turme, die Luke hinter sich zuziehend. Mit dem Bug voraus steuert das Boot in die Tiefe. Das Gestampf der Maschinen hat einem leichten Surren der Elektromotoren Platz gemacht. Die Leute stehen auf ihren Gefechtsstationen. Vorne werden die Torpedos klar gemacht und der Maschinenmeister reguliert mit der Pumpe die Schwere und die Trimm13 des Bootes.
Danach ist alles mäuserlstill.
Der Kommandant kann von seinem Platz beim Sehrohr aus das ganze Boot überblicken. Vorne hat er die Lancierapparate, hinter sich die Maschinen, links das Tiefenruder und die Ventilstationen für die verschiedenen Tanks. Seine große Sorge ist das Sehrohr. Er kann es wohl mit einer notdürftig funktionierenden Anordnung aus- und einholen, doch geht dies so langsam, dass es einfacher ist, das ganze Boot höher oder tiefer zu steuern, um derart mit dem Sehrohr aus dem Wasser herauszuschauen oder dieses zu verstecken. Man kann ja nicht einfach auf ein Schiff losfahren und es durch das Sehrohr beobachten, nur ab und zu herauslugen darf man. Denn die Bugwelle, die das Periskop durch die Fahrt erzeugt, wird gleich zum Verräter und das angegriffene Schiff braucht nur eine kleine Ruderwendung zu machen, um dem Angriff zu entgehen. Dabei ist die See heute so glatt, dass es ein Wunder wäre, nicht entdeckt zu werden.
Endlich ist das Boot so nahe an das Schiff herangekommen, dass die Fahrt verringert werden kann. Auch der Typ ist auszunehmen: Franzose des Typs „Victor Hugo“. Nur spärlich gebraucht der Kommandant das Sehrohr. Der Mann am Tiefenruder hat harte Arbeit.
Wieder einmal durchbricht das Periskop die Wasseroberfläche. Der Kreuzer, der dem Boote seine Backbordseite gezeigt hatte, ist jetzt von steuerbord zu sehen. Das Boot wendet nach. Und beim nächsten Ausluge wird es klar: Das Boot ist entdeckt worden. Der Kreuzer läuft einen großen Kreis um das Boot herum und setzt dann seine ursprüngliche Fahrt fort, deren Kurs nach Kap Ducato führt.
„Wisst ihr, was wir heute Nacht gesehen haben“, fährt es dem Kommandanten heraus, „das war dieser Kreuzer! Vorne hat er die eine Kamingruppe, achter die zweite und das waren die vermeintlichen Gaffelsegel. Nichts anderes. Hol’s der Teufel! Und heute Nacht hätten wir ihn so schön abschießen können!“ Er gibt das Sehrohr den Leuten frei. Einer nach dem anderen schaut durch. Jetzt war ja nichts mehr zu verderben.
Der Kommandant kommt sich sehr dumm vor. In der Nacht rennt ihm der Feind direkt in die Arme und er lässt ihn laufen. Bei Tag verrät er sich und wird entdeckt. Aber wenigstens das eine hat er herausgefunden; Der Blockadekreuzer ist nur bei Nacht auf Posten. Der scheint sich in der Dunkelheit vor U-Booten sicher zu fühlen. Dann wird er ja wahrscheinlich wieder kommen. Nur aushalten und Geduld haben.
Die Leute liegen apathisch im Boote herum. Der angesagte „Benzinschwammer“ hat sich eingestellt und jeder hat Kopfweh. Erst nach dem Auftauchen unter dem Einfluss der frischen Luft kommt wieder Leben in die Gesellschaft.
Das Boot liegt unter der italienischen Küste und das Leuchtfeuer von Kap Santa Maria di Lenca blitzt sein Licht herüber.
Die Maschinen sind gestoppt und es herrscht lautlose Stille ringsum. Vorne und achter sitzen ein paar Leute und lassen ihre bloßen Füße ins Wasser baumeln. Von unten klingen die Töne einer Mundharmonika herauf, die scheinbar von Hand zu Hand geht, denn einmal sind es deutsche, dann ungarische, italienische oder slawische Weisen, die zu hören sind. Halt so ein Stück Österreich, auf einem kleinen Fleck zusammengedrängt.
In einer Ecke schreibt Maschinenmaat Hermann in ein Heft. Er will auch etwas aus der „großen Zeit“ hinüberretten in den Alltag.
Einer liest noch einmal seine letzten Briefe durch.
Auch der Koch ist mobil geworden. Jetzt, da alle wieder wohl sind, möchten sie das Essen auch schon fertig haben! Das „Kabelgarn“, wie es die Leute nennen, sind Fleischkonserven, die von der „Curie“, dem französischen U-Boote, stammen, das vor Pola im Netz gefangen worden war. Mit Erdäpfeln gemischt, gibt es ein herrliches Gulasch.
In der Nacht ist „Er“ wieder da. Wie ein alter Bekannter, der zum Rendezvous kommt. Er steht gegen den Mond und ist gut auszunehmen. Der Kommandant nimmt Jagdkurs und will ober Wasser lancieren. Alles ist klar und in ein paar Minuten muss der Schuss fallen. Da wendet der Kreuzer unvermutet und läuft mit ganzer Kraft ab. Das U-Boot ist jetzt hinter ihm und ein Versuch, sich wieder vorzusetzen, misslingt. Der Kreuzer fährt zu schnell.
Alle sind empört: Der hat sicher Befehl gehabt, bis Sonnenaufgang zu patrouillieren, und jetzt, um 2 Uhr früh, rückt er schon wieder ein. So eine Dienstnachlässigkeit!
Am folgenden Tage werden die Torpedos aus ihren Apparaten geholt, geschmiert, die Steuerung wieder erprobt, und ihre Triebkraft, die komprimierte Luft, nachgepumpt. Die Akkumulatoren werden nachgeladen.
Wenn nur der Tag bald vergeht!
Dies ist die letzte Nacht, die das Boot draußen bleiben kann. Der Brennstoff geht zu Ende.
Fort Punta d’Ostro bewacht die Einfahrt der Bocche
Einfahrt in den Golf von Cattaro
S. M. U „5”nach der Versenkung des „Léon Gambetta“
Der Kommandant sitzt über seiner Seekarte und rechnet mit Zirkel und Dreieck. Er hat in den beiden Tagen wohl einige Anhaltspunkte erhalten über die Bewegungen des nächtlichen Kreuzers, aber seine Rechnung ist doch eine Gleichung mit lauter Unbekannten. Er überlegt: Der Feind kommt aus Südosten anmarschiert, da muss er gegen den hellen Mond in Sicht kommen. Auf zehn Seemeilen vom Lande bezieht er seinen Posten, um dort langsam zu kreuzen. Langsam, um nicht zu viel Rauch zu machen. So muss er es die letzten Nächte auch getan haben.
Das U-Boot muss sich also unter Land halten, um den Kreuzer im Mond auf sich zukommen zu lassen. Dann später hält es sich besser seewärts und steuert langsam gegen Süden, denn der Mond wandert gegen Westen, dem Lande zu, und der Kreuzer wird nach Mitternacht wieder einrücken wollen.
Ja, so muss es gehen. Der Wachoffizier meint dasselbe.
Zwingen kann man es allerdings nicht.
Es verläuft auch alles nach Programm. Der Mond geht auf und sein silberner Schein liegt breit auf der leicht bewegten Wasserfläche. In der Richtung gegen diese Helle kann dem Ausluger kein Schiff entgehen.
Die freie Wache schläft mit einem Auge. Aber es ist kein Ausruhen. Die Erwartung lässt keinen ruhigen Schlaf kommen.
Der Kommandant macht sich Gedanken, wie er den Angriff durchführen soll. Ober Wasser kann er vorzeitig entdeckt werden, auch hat er keinen Visierapparat. Er muss ja mit dem Boote selbst zielen und, der feindlichen Fahrt entsprechend, einen Winkel vorhalten. Auf Grade genau ist dies nach dem Augenmaß unsicher. So will er versuchen, unter Wasser zu lancieren, und hofft, dass ihm der Mond genügend Licht durch das Periskop schicken wird.
Einen Unterwasserangriff bei Nacht auf ein dunkles Schiff hat es in der U-Boot-Waffe noch nie gegeben. Er ist weder im Frieden ausprobiert noch im Kriege versucht worden. Aber der Kommandant will ihn wagen, er scheint ihm sicherer.
Gegen Mitternacht wird alarmiert. Deutlich hebt sich im Glase der dunkle Schatten des Kreuzers gegen den Mond ab. Kein Licht ist an Bord sichtbar. Rauchlos und still schiebt sich der Feind langsam gegen Norden. Als ob alles an Bord schliefe, und doch müssen Dutzende von Augenpaaren angestrengt in die Nacht hinausschauen.
Lautlos steuert das U-Boot auf seinen Gegner zu, bis er mit freiem Auge erkennbar wird, dann geht die Fahrt unter Wasser weiter.
Zuerst ist das Schiff im Sehrohr gar nicht zu finden. Da bekommt es der Kommandant mit der Angst zu tun: Wird er den Kreuzer überhaupt im Periskop ausnehmen können? Wird der Mond genug Licht geben?
Er sucht und sucht — nichts ist zu sehen!
Der Feind kann auch unterdessen abgewendet haben.
Die Leute sind völlig niedergeschlagen. Für sie war das Kommando „Tauchen“ gleichbedeutend mit: „Wir lassen‘s stehen.“ Denn von einem Unterwasserangriffe bei Nacht haben sie noch nie etwas gehört.
Der Kommandant weiß nichts von der bitteren Enttäuschung seiner Leute. Für ihn sind es peinvolle Minuten. Soll er jetzt die Lancierung zum vierten Male versäumen? Da — als winzigen Punkt entdeckt er das Schiff wieder. Tief atmet er auf. Schnell dürfen die umstehenden Leute durch das Sehrohr schauen, dann braucht es der Kommandant für sich.
Ohne ein Wort haben es die Leute erfasst: Wir fahren einen Angriff! Verflogen sind Müdigkeit und Depression. Mit äußerster Spannung hängen sie an den Gesichtszügen ihres Kommandanten, dessen Mienenspiel für sie der einzige Spiegel ist für das, was sich jetzt oben in der stillen Mondnacht zutragen wird.
Nun wendet der Kreuzer. Wenn er abdreht, ist wieder alles umsonst gewesen. Aber diesmal kommt er auf das Boot zu. Langsam wächst das Bild im Sehrohre. Man meint das Rauschen der Bugwelle zu hören, wie sich der Koloss heranschiebt. Jetzt noch schnell einen Blick auf den Schiffstyp — es ist kein Zweifel, wieder ein „Victor Hugo“.
„Beide Torpedos fertig!“ — die letzte Sicherung des Projektils wird gelöst, und „Sind fertig!“ kommt es zurück. Im Periskop sieht der Kommandant den Bug des Kreuzers durch den Visierfaden des Okulars laufen, dann den vorderen Turm, die Kommandobrücke. Jetzt kommt die achtere Kamingruppe, mit dem vitalsten Teile des Schiffes, den Kesseln.
„Steuerbord-Torpedo —— los!“, dann schnell nachgedreht und „Backbord-Torpedo —— los!“ gegen die vorderen Kamine. Der Kommandant verfolgt die Blasenbahn seiner Projektile. Mit vierzig Knoten Geschwindigkeit laufen sie schnurgerade ihren Zielen zu. Auf fünfhundert Meter Distanz gibt es für ein großes Schiff kein Ausweichen mehr.
Da — ein dumpfer, harter Ton, nach zehn Sekunden ein zweiter, als ob ein Knöchel aus eine Eisenplatte schlüge, und hoch hinauf schießt eine Rauchwolke bis über die Toppen.
Die Leute im Boot sind nicht zu halten. „Hurra! Hurra!“ und wieder „Hurra!“ Irgendwie muss sich die Spannung lösen. Nur mühsam kann der Kommandant mit seinem Befehl durchdringen, die Reservetorpedos einzuführen. Vielleicht hat das Schiff noch einen Fangschuss nötig.
Achter des todwunden Feindes kreuzt das U-Boot dessen Kurs. Er liegt stark auf seiner Backbordseite und versucht, Boote auszusetzen. Es muss ein furchtbarer Zustand an Bord herrschen. Die Lichtmaschinen stehen und im Schiff ist alles dunkel. In der plötzlichen unheimlichen Finsternis findet sicher niemand die geschlossenen Schottentüren. Das einbrechende Wasser, die schrägen Fußböden, die plötzlich schief gestellten Stiegen, die Kesselexplosion all das muss ärgste Verwirrung und verzweifelte Todesangst verbreitet haben. Auf Steuerbord können gar keine Boote gestrichen werden, dazu liegt das Schiff zu sehr nach backbord über.
Es geht alles sehr schnell. Zusehends wird die Silhouette im Sehrohre kleiner. Nur noch ein dünner Strich ist zu sehen, jetzt ist auch der weg. Neun Minuten nach dem Schiffe.
Das U-Boot taucht auf.
Der Horizont wird schnell abgesucht. Ist denn gar kein Begleiter da? Haben die das Schiff ganz allein fahren lassen? Ohne Zerstörer, ohne Torpedoboote?
Nichts, gar nichts ist in Sicht, nur im Wasser treiben fünf Boote. Eines davon hat ein Licht. Alle Achtung, dass die Franzosen noch so viele unbeschädigt ins Wasser gebracht haben.
„Seyffertitz, jetzt haben wir den Salat!“, sagt der Kommandant zu seinem zweiten Offizier. „Was fangen wir jetzt mit diesen Franzosen an? Haben die nicht ein einziges Fahrzeug mitnehmen können? Ist ja ein unerhörter Leichtsinn! Wie sollen wir denen jetzt helfen? So eine Schweinerei!“
Beide Offiziere überlegen miteinander: In das kleine U-Boot kann kein Mann mehr genommen werden. Es verträgt kein Mehrgewicht, ohne tauchunfähig zu werden. Auf Deck kann man sie auch nicht stehen lassen. Wenn das Boot tauchen muss, müssten sie schwimmen. Da sind sie so in ihren Booten noch sicherer. Viele können ja doch nicht übriggeblieben sein — — —
Schweren Herzens lässt der Kommandant die Maschinen andrehen und nimmt Kurs gegen den Golf von Cattaro.
„Unsere Leute von der ‚Zenta‘ haben sie auch absaufen lassen“, hört er einen der Leute sagen.
Der Mann hat recht. Aber der Kommandant kann das jetzt nicht hören. Mit einem plötzlichen Ruck wendet er sich ab. Er spürt ein Würgen im Hals. Er will allein sein.
Etwas schnürt ihm die Kehle zu. Müde lehnt er am Turm und starrt mit übernächtigen Augen nach den immer kleiner werdenden Punkten …, den Booten, denen er nicht helfen kann. Also so schaut der Krieg aus! Da hinter ihm sind Hunderte von Seeleuten ersoffen, Menschen, die ihm gar nichts getan haben, die ihre Pflicht befolgen wie er selbst, gegen die er persönlich gar nichts hat, mit denen er sich im Gegenteil schon durch den gleichen Beruf verbunden fühlt. An siebenhundert Mann müssen mit dem Schiffe gesunken sein! Im Anfange war es wie ein Friedensmanöver gewesen: Das tagelange Suchen, dann einmal, zweimal, dreimal verpasst … die ungeheure Spannung: Werden wir ihn doch noch erwischen? Das alles hat den schweren Ernst nicht so aufkommen lassen.
Jetzt ist die Spannung weg. Wir haben ihn gekriegt.
Auf einmal merkt man, wie wenig man doch in den letzten Tagen geschlafen hat, nie länger als drei Stunden, dazu immer die giftige Benzinluft im Boote — das alles hat doch die Nerven hergenommen. Er spürt, wie etwas heiß in ihm aufsteigt. Da wendet er sich zu seinem Zweiten:
„Du, Seyffertitz, es ist grauslich, unser Handwerk! Wie ein Wegelagerer muss man sich da an so ein ahnungsloses Schiff anschleichen, feig aus dem Hinterhalt! Wenn man wenigstens im Schützengraben wäre oder auf einem Torpedoboot, das wäre was anderes! Da hörst du schießen, neben dir fallen Kameraden, du hörst Verwundete stöhnen — da kommst du selbst in Wut, aus reiner Abwehr kannst du Leute totschießen oder aus Angst; bei einem Sturmangriff kannst du sogar schreien! Aber wir! Einfach kaltblütig aus dem Hinterhalt massenhaft Leute ersäufen!“
„Jawohl, Herr Kommandant!“
„Hol’ dich der Teufel mit deinem Jawohl! Schlaf nicht, red’ was!“
„Na ja … das stimmt schon. Aber zu unserem Handwerk gehört halt doch mehr als zum Leben im Schützengraben oder auf einem Torpedoboot. Ich glaube, mehr Nerven. Schau, du hast es noch immer besser als die Leute und ich. Wir wissen überhaupt nicht, was oben los ist. Wir sehen ja nichts. Wissen nur, dass du einen Angriff fährst. Zum Reden hast du ja keine Zeit, wir müssen es dir schon an den Mienen ablesen und uns aus deinen Kommandos kombinieren, wie’s oben zugeht.“
Der Kommandant horcht auf. Das hat er eigentlich nie so recht bedacht. Er reißt seinen Blick von der See los und schaut den andern voll an, der fortfährt:
„Was — Hinterlist! Können wir nicht jeden Moment selbst anlanciert werden oder auf Minen kommen? Im englischen Kanal haben sie bereits Netze gegen U-Boote gelegt, es soll sogar schon Horchapparate geben, mit denen sie uns ablauschen können! Du, die werden noch allerhand erfinden, dass uns unser Brot sauer machen wird. Wir sind halt keine ‚Hurra-Waffe‘.“
„Hast recht, Seyffertitz! Wo sind die Zeiten, in denen der Kapitän eines alten Segelschiffes seinen Feind auf ein paar Kabellängen passierte und seinen Gegner vom Hüttendeck aus grüßte: ‚A vous le premier coup!‘ Als noch Ritterlichkeit die ganze Kriegführung beherrschte.
Das ist jetzt alles vorbei. Der letzte Ritter ist doch unser alter Kaiser, der nach der Kriegserklärung den serbischen Generalstabschef Putnik mit einem Salonwagen nach Hause schickte, anstatt ihn gefangenzunehmen. Gegen die Staatsmänner, die mit Verleumdungen arbeiten, internationale Abmachungen verdrehen, neutrale Staaten terrorisieren …, gegen die ist ein U-Boot noch ein ganz anständiger Kerl!“
Langsam verblassen die Sterne. Der Mond ist schon untergegangen und es beginnt zu dämmern.
Schweigend stehen Kommandant, Wachoffizier und ein paar Leute auf dem Turm. Vom Schlafen ist keine Rede, obwohl alle hundsmüde sind. Der Koch schickt eine Eierspeise herauf, keiner kann essen. Nur rauchen. Und ein Schnaps geht auch.
Der älteste Unteroffizier kommt und gratuliert dem Kommandanten. Nach und nach erscheint auch die freie Wache. In Gruppen stehen die Leute beisammen und tuscheln.
Dann meldet sich einer:
„Herr Kommandant, werden wir Tapferkeitsmedaillen bekommen?“
Ja richtig, das gibt’s auch! Die Sache hat also auch ein anderes Gesicht.
Was werden die Leute zu Hause sagen? Es ist doch das erste von uns versenkte Kriegsschiff! Mit Hurra wird das Boot begrüßt werden und am Lande werden sie den Tapferkeitsmedaillen nachschauen! Auf einmal geht es allen zu langsam.
Zu Mittag sind schon die heimatlichen Berge in Sicht. Aber die Küste will nicht näherkommen. Der Weg zieht sich schrecklich.
Einer rasiert sich, da machen sich auch die anderen schön.
Torpedoquartiermeister Valašek fotografiert. Der hat die Torpedos abgefeuert.
Mit der Zeit ist die Küste hervorgetreten, jetzt umfährt das Boot die Minen vor der Hafeneinfahrt und mit dem letzten Lichte der untergehenden Sonne nimmt es die Vertäuung in Rose.
Vom Wohnschiff, dem alten „Kronprinz Rudolf“, wird U „5“ angepreit:
„Hallo … Was gibt’s Neues?“
„Einen französischen Kreuzer versenkt.“
„Bravo! Also warst es doch du. Die Nachricht ist schon telegraphisch hergekommen. Wisst ihr den Namen?“
„Nein!“
„Es war der ‚Léon Gambetta‘!“
„So, Seyffertitz, jetzt fängt der Ernst des Lebens an. Jetzt kommt das Schwerste für mich, die Schreiberei! Richte du morgen das Boot wieder auf Glanz her!“
Auf dem „Kronprinz Rudolf“ stehen die Leute an der Reling und erwarten die Angekommenen. Die Nachricht von der Versenkung war schon über Italien bekanntgeworden. Italienische Torpedoboote hatten die Überlebenden geborgen und an Land gebracht. Fast der gesamte Stab war mit dem Schiffe gesunken, um der Mannschaft die Möglichkeit zu geben, sich in den Booten zu retten.
Alles fällt gratulierend über den Kommandanten her.
„Lasst's mich aus! Ich muss erst melden gehen, der Admiral will ja auch was wissen!“
Er lässt sich telefonisch mit dem Flaggenschiffe verbinden. „Hier Kommandant U ,5‘. Kann ich den Stabschef sprechen?“
Dieser speist beim Admiral und kann nicht zum Telefon kommen.
„Na, sehr neugierig sind die gerade nicht“, meint der Kommandant zu den Umstehenden und lässt seine kurze Meldung übermitteln. Dann geht es in die Offiziersmesse und die beiden vom U „5“ müssen erzählen und ganz genau erklären. Es sind ja lauter Fachleute, die jede Kleinigkeit wissen müssen. Und dem Kommandanten geht das Herz auf angesichts der neidlosen Freude der Kameraden über den Erfolg seines Bootes. Dabei wird das Ereignis gefeiert und erst spät kommen die Übermüdeten zur Ruhe.
Am nächsten Morgen fährt U „5“ auf Anordnung des Admirals um die ganze im Golfe liegende Flottenabteilung und wird von allen Schiffen und Booten mit freudigen Hurrarufen begrüßt. Auf dem Flaggenschiff spielt die Schiffsmusik den Radetzky- und den Prinz-Eugen-Marsch und der Bemannung kommt zum Bewusstsein, dass sie auf einmal „wer“ ist. Wenigstens heute!
Am Flaggenschiffe legt das Boot an, um seine Batterien aufladen zu lassen. An Bord geht es an ein Gratulieren und wieder muss erzählt werden. Telegramme sind auch schon da. Von allen möglichen Seiten. Und jetzt beginnt die harte Arbeit des Schreibens. Briefe und Liebesgaben treffen ein und die Leute des U „5“ schwimmen in Champagner und Dalmatinerwein. Unter den Briefen ist auch folgender:
„An S. K. K. Hoheit den Kapitän von U ‚5‘.
Die große Heldentaht die unsere Marinesoldaten vollbringen ist nicht zu beschreiben. Mit eisernem Fleiß Tapferkeit und Muht kämpfen sie fürs treue und friedliche Österreich. Unter Ihren k. k. hoheitlichem Kommando wurde der größte französische Panzerkreutzer zum Sinken gebracht. Ich beglückwünsche die große Heldenthat des Unterseebootes U-5 mit dem Wunsche das noch oftmals die Siegesfahnen des Unterseebootes in der Wienerstadt flattern. Mit Gott für Kaiser und Vaterland erhebt sich in Österreich jede Hand.
Hochachtungsvoll
Ihre nochmals Klükwünschende
Wienerin N. N.
Schülerin der III. Bürgerschulklasse,
Wien, XI., Enkplatz 4.“
Also sogar die Weiberleut’ fangen schon an. Der Kommandant ist ganz gerührt und lässt dem Mäderl einen Prügelkrapfen14 vom Zuckerbäcker Lehmann aus der Singerstraße schicken. Der Erfolg ist unerwartet. Alle Wiener Mädchenschulen scheinen die Schreibkrankheit bekommen zu haben, denn es regnet Brieferln von lieben kleinen Schulmädchen, die sich sooo freuen usw. Aber so ein Prügelkrapfen ist teuer und der Kommandant hat momentan keine Zeit, selbst einen Bäckerladen aufzumachen.
Es kommen so viele Briefe an, dass sich ein paar Kameraden erbarmen und bei der Beantwortung helfen. Ein Brief gibt ihm aber zu denken. Er stammt von einem Jugendfreunde, dessen Vater als Hannoveraner nach 1866 nach Österreich gekommen war und es dort zum k. k. Oberst gebracht hatte. Der Schreiber selbst war österreichischer Offizier gewesen, musste aber krankheitshalber den Militärdienst verlassen und lebte seit Jahren in Deutschland.
Der Brief lautet:
„1.