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Johan August Strindberg, schwedischer Schriftsteller und Künstler, war einer der wichtigsten schwedischen Autoren - ständig umstritten und oft in Konflikten. Seine Romane, Novellen und Dramen zählen zu den Klassikern der schwedische Literatur und sind weltbekannt.
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Seitenzahl: 318
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Karl Kraus
August Strindberg †
Die Schrift im Herzen Strindbergs hat Bibellettern. Da ließ Gott der Herr einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen. Und nahm seiner Rippen eine. Und bauete ein Weib aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm. Da sprach der Mensch: Das ist nun einmal Bein von meinem Beine, und Fleisch von meinem Fleische! Sie heiße Männin; denn vom Manne ist sie genommen ... Und sie sah, daß von dem Baume gut zu essen wäre ... Da sprach Adam: Das Weib, das du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum, und ich aß ... Dieses ist das Buch von des Menschen Geschlecht. Wieder ist alles einfach wie am siebenten Tag. Es ist der Schrei Adams, der mit dem Rücken zur Menschheit das Gleichnis Gottes sucht. Er erkennt, daß er nackt sei. Dort bewahrt der Cherub den Weg zu dem Baum des Lebens. Hier draußen aber ist dem Menschen das Weib zugesellt, geschaffen aus etwas, das ihm fehlt, geschaffen aus dem Mangel. Das Weib ist die Rippe, ohne die er leben muß; also kann er ohne das Weib nicht leben. Denn sie sind Ein Fleisch: so sollen sie zwei Seelen sein! Strindberg fordert von Gott die Rippe des Mannes zurück, denn Gott ist ihm die Seele des Weibes schuldig geblieben. Die Schöpfung ist ihm im Manne beschlossen, alles Weitere ist Minderung. Strindberg glaubte schon, ehe er seinen Frieden mit Gott machte: er glaubte an zuviel Gott. Die wahren Gläubigen sind es, welche das Göttliche vermissen. Er wollte nicht wissen, daß es Tag und Nacht gibt, Mann und Weib. Er forderte von Gott eine Hälfte ein. Er war ein Gläubiger Gottes: des Schuldners. Er mußte der Nacht verfallen und dem Weib, um auch dort Gott zu erleben. Und Gott rief: Adam, wo bist du? ... Er war am Weibe zum Chaos geworden, das Welt wurde im Dichter. Das Weib unterbricht in Strindberg die Schöpfung, weil es aus dem Glauben erschaffen ist, daß es zerstören könne. Aber das Weib zerstört nicht den Mann. Ihr Dasein kann hindern oder unnütz sein: so wird ihr Fernsein hilfreich wie Gottes linker Arm. Der mehr als ein Mann war und mehr als den Gott wollte, brauchte den Teufel, um zur Schöpfung zu kommen. Aber er war nicht wie Gott imstande, aus dem Mangel das Weib zu erschaffen. Er hat ihn nur wie Weininger tragisch erlebt, tragischer, weil er nicht den Ausweg Weiningers fand. Immer ist dort das Geschlecht des Mannes mit sich nicht fertig geworden, wo es die Seele des Weibes beruft. Aber der Geist kann nur am Gegenteil erstarken und. nur, wenn er durch alle erkannten Mißformen der Weibkultur zum Ursprung strebt. Denn das Geschlecht des Weibes werde Geist, und Paulus schreibt an die Korinther: »Wie das von dem Manne ist, also ist der Mann durch das Weib da; Alles aber ist von Gott.« So hat auch Strindbergs Geist von dem Ursprung gelebt, den seine Erkenntnis floh, und im Pathos dieses Widerspruchs lebte er zwischen Himmel und Erde. Hebbels bürgerlichste Bürgschaft: Darüber kommt kein Mann weg, verwandelt sich in Strindberg zum Erdbeben: Über das Weib selbst kommt kein Mann weg. Denn »darüber« nicht wegzukommen, bringt jedermann zustande. Aber nur einer trägt für sie alle, ein christlicher Titan, den Himmel auf seinen Schultern ... Strindberg war immer, den Rücken zur Menschheit, auf dem Wege zu Gott, in Leidenschaft und Wissenschaft. Adam oder Faust, er sucht ihn im Laboratorium und in der Hölle der erotischen Verdammnis. Er sendet die letzte christliche Botschaft aus. Da er stirbt, geschehen am Himmel keine Zeichen, aber die Wunder der Erde wirtschaften ab. Die titanische Technik sinkt, und singt: Näher, mein Gott, zu Dir! Strindberg, sterbend, horcht auf und versucht eine Melodie. Bernhard Shaw, überlebend, zuckt die Achseln. Er glaubt nicht, daß näher zu Gott männlicher ist. Strindbergs Wahrheit: Die Weltordnung ist vom Weiblichen bedroht. Strindbergs Irrtum: Die Weltordnung ist vom Weibe bedroht. Es ist das Zeichen der Verwirrung, daß ein Irrender die Wahrheit sagt. Strindbergs Staunen über das Weib ist die Eisblume der christlichen Moral. Ein Nordwind blies, und es wird Winter werden.
Mein Wiener Dasein ist jetzt wieder reicher geworden, das ewige Sichdiewanddeslebensentlangdrücken, damit man auf dem Trottoir von keinem Trottel angesprochen wird, hat ein Ende, und jeder Tag bringt neue Abenteuer. Durch all die Jahre keine Gesellschaft, kein Theater, kein Blumenkorso – wie hält man das nur aus? Die Zufuhr der wertvollsten Eindrücke abgeschnitten; und wer weiß, wie lange der innere Proviant gereicht hätte. Selbst die Katastrophen der Saison, Komet und Jagdausstellung, schienen an diesem Zustand nichts ändern zu können. Gewiß, ich wills nicht verhehlen, ich erwartete mir einige Anregung vom Weltuntergang. Wenns aber wieder eine Niete wäre? So lebt man dahin auf dem schmalen Pfad, der von immer demselben Schreibtisch in immer dasselbe Lokal führt, wo man immer dieselben Speisen ißt und immer dieselben Menschen meidet. Froher wird man nicht dabei. Die Welt rings ist bunt, und man möchte sich doch an ihr reiben, um zu sehen, ob die Farbe heruntergeht. Man will nicht auf so viel verzichten, ohne zu erfahren, wie wenig man verliert. Nur einmal noch an der vollbesetzten Tafel sitzen, alle Rülpse der Lebensfreude wieder hören, die Schweißhand der Nächstenliebe drücken – ich träumte davon, und eine gütige Fee, wahrscheinlich jene, die den Operettenkomponisten die Lieder an der Wiege singt, hat mich erhört. Ich bin mitten drin, die Erde hat mich wieder – mein Pelz ist mir gestohlen worden!
Nichts hätte mich den Menschen näher bringen können als der Diebstahl meines Pelzes. Ich müßte jetzt schon mit den Mitteln eines Caracalla arbeiten, wenn ich mich ihres Umgangs erwehren wollte. Jetzt gibts kein Zurück mehr in die Lebensflucht, jetzt heißt es in den sauern Apfel beißen und ein Menschenfreund sein! Ich habe mich lange genug verhaßt gemacht; aber nun vergeben sie mir, was sie an mir gesündigt haben. Sie vergeben mir, sie lieben mich, sie bedauern mich, sie bewundern mich, denn es läßt sich nicht mehr verbergen, alles Leugnen hilft nichts – mein Pelz ist mir gestohlen worden! Und in einem unbewachten Augenblick hatte mich da die Geselligkeit beim Wickel. Ich lebte still und harmlos, ich war ein Privatmann, denn ich übte seit vielen Jahren eine literarische Tätigkeit aus. Ich hatte nicht gewußt, daß ich vor allem einen Pelz besaß. Ich schrieb Bücher, aber die Leute verstanden nur den Pelz. Ich brachte mich selbst zum Opfer, und die Leute meinten den Pelz. Als ich ihn nicht mehr hatte, kam die allgemeine Anerkennung. Ich habe durch den Verlust des Pelzes die Aufmerksamkeit des Publikums gerechtfertigt, die ich durch den Besitz des Pelzes erregt hatte. Im Kaffeehaus – wo es geschah – war die erste Wirkung des entdeckten Diebstahls ein chaotisches Durcheinander, worin einige bestürzte Kaffeehausgäste zu zahlen vergaßen, und in dessen Mittelpunkt ich so plötzlich geraten war, daß ich mir erst auf dem Umweg der Überlegung darüber klar werden konnte, daß ich den Pelz bestimmt nicht gestohlen hatte. Man nahm eine Haltung an, als wollte man mir die Kleider, die ich noch hatte, vom Leibe reißen, und von allen Seiten brachen Vorwürfe wegen meiner Sorglosigkeit über mich herein. Auf diese Art schien sich die Empörung über den Dieb, der sich den Folgen seiner Handlungsweise entzogen hatte, Luft zu machen, denn mich hatte man, an mich konnte man sich halten, und wenn ich mich, erschöpft von der Untersuchung des Falles, zurücklehnte, in der rechten geistigen Verfassung, um endlich eine Zeitung zu lesen – dann ging der Chor der Nebenmenschen an mir vorüber und rief: »Nein, so was!« Ich spürte den Stachel des Vorwurfs. Zu spät sah ich ein, daß man, wenn man einen Pelz hat, auch gewisse Pflichten gegen die Welt hat, und es blieb mir nichts übrig, als jetzt jene letzte Pflicht gegen die Welt zu erfüllen, die man noch hat, wenn man keinen Pelz mehr hat: die Pflicht, Rede und Antwort zu stehen. Denn wenn es in solchen Fällen schon nicht mehr möglich ist, zu erfahren, wo der Pelz hingekommen ist, so muß man dem Publikum und der Polizei wenigstens darüber Auskunft geben, wo er hergekommen ist, wieviel er gekostet hat, wieviel er heute wert ist, ob der Kragen lange oder kurze Haare hatte, und ob die Schlinge aus Tuch oder aus Leder war. Die Polizei fragt außerdem noch, ob man einen Verdacht hat. Ein Verdacht wärmt, wenn man keinen Pelz hat, und ein Verdacht, den man hat, ist nach der Ansicht der Polizei immer eine hinreichende Entschädigung für die Gewißheit, die einem abhanden gekommen ist und die sie einem nie wieder verschaffen wird. Wozu diese Einmischung durch eine Amtshandlung? Ich hatte immer geglaubt, daß sich die Polizei um die öffentliche Sittlichkeit kümmere und nicht um Angelegenheiten des Privatlebens, wie einen gestohlenen Pelz. Aber diese Neugierde! Kaum war mir der Pelz gestohlen worden, waren auch schon drei Vertreter der Polizei im Lokal, drängten sich durch die Wucherer, die meinen Tisch umstanden und ihrer Entrüstung über den Diebstahl Ausdruck gaben, und fragten mich, ob ich einen Verdacht habe. Nun war auch die Nachbarschaft auf den Beinen, denn wie ein Lauffeuer hatte sich in der Großstadt das Gerücht verbreitet, und zahlreiche Passanten, unter denen man u. a. Persönlichkeiten bemerkte, die schon von ihrer Anwesenheit bei Premieren und Erdbeben bekannt sind, wohnten der Amtshandlung bei. So taktvoll und würdig nun sich der Pelzdiebstahl vollzogen hatte, in so marktschreierischer Weise äußerte sich das Mitgefühl des Publikums. Denn während die Pelzdiebe kein Aufsehen lieben, legen die Bankdiebe den größten Wert darauf, überall bemerkt und in den Zeitungen genannt zu werden. Hier freilich hatten sie sich einmal verrechnet. Denn die Zeitungen würden auch von einem Kometen keine Notiz nehmen, wenn sein Schweif meinen Kopf berührt hätte. Aus demselben Grunde mußte ich befürchten, daß sich der Chef des Sicherheitsbureaus dieser Sache nicht so energisch annehmen werde, wie er es in Fällen gewohnt ist, wo die Aussicht auf publizistische Unterstützung ihn zu einer fieberhaften Tätigkeit spornt. Natürlich läßt sich das echte fachmännische Interesse durch solche Bedenken nicht abweisen. Während mich nun die Vertreter der Behörde um Alter, Beschäftigung und Vorstrafen befragten, sprachen einige Gäste immer wieder ihr Bedauern aus, daß sie gerade nicht hingesehen hätten, als der Pelz gestohlen wurde, und vertraten die Ansicht, daß der Dieb sich einen Augenblick gewählt haben müsse, wo er sich nicht beobachtet fühlte. Das Personal wurde mit Fragen bestürmt, aber der Zahlmarkör, der Zuträger, der Pikkolo und der Feuerbursch – sie alle hatten bloß den einen Wunsch: »Wann i nur amal so einen derwischen könnt, den derschlaget i!« Ich bat, sich in Gegenwart von Kriminalbeamten nicht zu gefährlichen Drohun-gen hinreißen zu lassen, richtete noch an diese das Ersuchen, dafür zu sorgen, daß ich nicht vorgeladen würde, weil ich ja doch nichts anderes aussagen könnte, als daß ich keinen Pelz und keinen Verdacht habe, und entzog mich den Ovationen der Menge, indem ich meinen Hut nahm, der noch da war, und mich zum Ausgang wandte, an der Kassierin vorbei, welche die Hände rang. Draußen grüßten mich die Fiaker, die sich von dern Ereignis des Tages irgendwie einen besonderen Vorteil erhofften. Einer der Polizisten aber holte mich ein und machte mir den Vorschlag, mit ihm zu gehen und das Verbrecheralbum durchzusehen. Ich lehnte diesen Vorschlag ab, weil mir jede Vergleichsmöglichkeit fehle, solange ich den Dieb meines Pelzes nicht gesehen hätte. Die Polizei solle ihn erst zur Stelle schaffen, dann wäre ich gern bereit, ihn nach der Photographie zu agnoszieren. Einer der Kellner aber behauptete plötzlich, einen Verdacht zu haben, und schien entschlossen, mitzugehen. Diese Recherche hat, wie ich später erfuhr, meiner Sache nicht wesentlich genützt, dafür aber anderweitige erfreuliche Resultate ergeben. Der Kellner soll nämlich einige frühere Stammgäste des Kaffeehauses erkannt haben, und noch nie zuvor, heißt es, sei in einer Polizeistube eine so freudige Stimmung des Wiedersehens laut geworden. Schließlich mußte man, da diese Rufe »Jessas, der Herr von Kohn!« und »Nein, der Herr von Meier!« nicht aufhören wollten, dem braven Burschen das Bilderbuch aus der Hand reißen. Am nächsten Tag erhielt ich eine Vorladung, der ich aber nicht Folge leistete. Immer hatte ich es bisher streng zu vermeiden gewußt, daß mir etwas gestohlen würde; denn nichts fürchte ich mehr als Unannehmlichkeiten mit der Polizei. Man hat mir auch tatsächlich nie das Geringste nachweisen können. Sollte ich jetzt wegen des einen Fehltritts mir eine so peinliche Untersuchung auf den Hals laden? Nimmermehr! Ich stellte mich der Polizei nicht! Wenigstens war ich entschlossen, es nicht eher zu tun, als bis sie den Pelz hätte. Ich hoffte übrigens, daß sie den Fall vertuschen und mich ruhig meiner gewohnten Beschäftigung nachgehen lassen werde.
Als ich somit wieder ins Kaffeehaus kam und meine Leseecke aufsuchen wollte, standen einige Herren davor, die sich sonst nur für Trabrennen interessierten, aber diesmal eine Wette abgeschlossen hatten, ob ich den Pelz bekommen würde oder nicht. Die der Meinung waren, daß ich ihn bekommen werde, sagten: »Nicht wird er ihn bekommen!«; während die andern, die der Meinung waren, daß ich ihn nicht bekommen werde, ein über das andere Mal riefen. »Ja wird er ihn bekommen!« So vermochte ich die beiden Gruppen zu unterscheiden, ohne doch im Meritorischen eine Entscheidung treffen zu können. Ich setzte mich nieder und hörte aus dem Billardzimmer Rufe wie: »Echter Biber, sag ich Ihnen!« »Und ich sag Ihnen, Nerz«, worauf ein dritter mit einem derben »Astrachan, Ihnen gesagt!« in die Debatte fuhr. Ich ließ fragen, ob es die Herrn störe, wenn ich Zeitungen lese. Sie verneinten und gingen auf ein anderes Thema über, indem nämlich einer behauptete, sich noch an den Fall zu erinnern, wie dem alten Löw ein Pelz um tausend, sage tausend Gulden gestohlen wurde; und da ein anderer die Frage einwarf: »Welchem Löw?« und die zurechtweisende Antwort bekam: »No, der später in Konkurs gegangen ist!« fühlte ich, daß die Aufmerksamkeit von mir abgelenkt sei, und war dessen froh. Ich nahm jene Zeitung zur Hand, die seit Jahren das Publikum dadurch zu interessieren weiß, daß sie meinen Namen nicht nennt, und suchte nach einer Notiz, in der davon die Rede wäre, daß einem Privaten ein Pelz gestohlen wurde und daß einer unserer Mitarbeiter Gelegenheit hatte, mit dem in den weitesten Kreisen bekannten Dieb zu sprechen. Da trat eine fremde Dame auf mich zu, tadelte mich wegen meiner Unachtsamkeit und fragte mich, ob ich noch mit der Familie T. verkehre. Ich antwortete, daß ich mit gar niemand verkehre, und bezahlte meine Zeche. Draußen grüßten mich die Fiaker, wiesen verheißend auf ihre Wagen, und riefen etwas wie »Verkühlns Ihna nur net« hinter mir.
Noch habe ich aber nicht erzählt, wie sich am Tage nach der Tat das Wiedersehen mit meiner Bedienerin gestaltet hat. Sie war eigentlich schuld, denn sie hatte mir, weil wir gerade im strengsten Mai einen Schneefall gehabt hatten, zugeredet, den Pelz anzuziehen, der Winters über beim Kürschner in Aufbewahrung gelegen war. Ich hatte mich gesträubt, denn ein unbestimmtes Gefühl sagte mir, daß bei Neuschnee die Pelzdiebe aus der Erde schießen, während die Schneeschaufler nichts zu tun bekommen, weil die Kommune die Konkurrenz des Tauwetters begünstigt. Aber wiewohl dieses schon eingetreten war, setzte die Frau ihren Willen durch, und richtig, eine halbe Stunde später war der Pelz gestohlen. Nun ist mir nichts peinlicher als Auseinandersetzungen über Dinge, die mit der Wirtschaft zusammenhängen, und so hatte ich, nachdem das Unglück geschehn war, nur die eine Sorge: Wie sage ich's meiner Bedienerin? Es gab eine lebhafte Szene, und ich bekam allerlei zu hören. Denn das Herz der Frauen hängt an irdischem Tand, und sie können sich auch von fremdem Besitz nur schwer trennen, während ich mich erleichtert fühlte, als ich bei Tauwetter ohne Pelz das Kaffeehaus verlassen konnte. Überhaupt hatte mich der Verlust des Pelzes kalt gelassen, und was mir naheging, war nur der Verlust meiner Ruhe. Daß ich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, daß ich in Wien über Nacht berühmt war, und daß die Leute mit Fingern auf mich zeigten: »Dort geht er«, »Kennst‘ ihn?« »Aber ja, Biber«, »Er hat ihn effektiv nicht gekriegt« – das härmte mich, das fraß an mir wie Motten an einem Pelz, der einem nicht gestohlen wurde. Ich beschloß, die Straße zu meiden, bis ich das Gras über die Sache wachsen hörte. Aber als ich nach einer Woche mich behutsam in das Stammlokal wagte und den Weg von hinten nahm, da trat mir die Toilettenfrau entgegen und sagte: »Mir hat's furchtbar leid getan!« Da ich hineinkam, waren aller Augen auf mich und meinen Überrock gerichtet, und da ich ihn an den Kleiderstock hängte, rief's aus einem Winkel: »Aber jetzt heißt's doppelt vorsichtig sein!« und aus dein andern Winkel: »Ja, durch Schaden wird man klug.« Als ein Kellner dazwischentrat und sagte: »Aber der Herr gibt ja so wie so acht«, rief eine Stimme aus dem Spielzimmer: »A gebrenntes Kind fürchtet das Feuer!« Der Kellner sagte: »Wann i nur amal so einen derwischen könnt, den –« Ich zahlte sofort und nahm mir vor, das Lokal nur des Nachts zu besuchen, wenn ein anderes Publikum da wäre. Kaum hatte ich unter veränderten Umständen Platz genommen, drehte sich ein englischer Trainer zu mir herum, schob seinen Sessel vor und begann, die Arme auf die Lehne gestützt: »Einmal mir ist gestohlen ein Pferdedecke. . .« Ich sah, daß mein Erlebnis über das Mitteilungsbedürfnis der Wiener Bevölkerung hinaus dem internationalen Interesse entgegenkam. Ich fürchtete, daß hier die Hebung des Fremdenverkehrs ansetzen könnte. Ich schloß mich ein, und ich zeigte mich nicht eher, als bis mir die heiße Jahreszeit jede Gedankenverbindung mit einem Pelz auszubrennen schien. Da aber mußte ich es erleben, daß ein Mohr auf mich zutrat, der so perfekt Deutsch sprach, daß er mich fragen konnte, ob ich damals meinen Pelz wiederbekommen hätte. Ich suchte ein anderes Lokal auf – dessen Besitzer mich aber nicht nur durch seinen Gruß belästigte, sondern auch mit den Worten ansprach: »Bei uns wird Ihnen das nicht passieren!«
Ich erkannte, daß es kein Zurück mehr gab. Denn hier war ein Wiener Problem geboren. Hier war einmal eine Tatsache, die einen so plausiblen Reiz, eine so unmittelbare Popularität hatte, daß keine Rücksicht auf den Menschen, der von ihr betroffen wurde, die Leute fernhalten konnte. Hier war eine Solidarität hergestellt durch die in ihrer Einfachheit verblüffende Erkenntnis: daß das jedem von uns passieren kann! Ich war in den Ring einer Gemeinsamkeit einbezogen, die mir den Pelz bewachte, der mir gestohlen war, und die mir mit ihren Blicken das Maß für einen neuen zu nehmen schien, ohne mir ihn zu spenden. Jetzt mußte sich nur noch die Steuerbehörde für den Fall interessieren, die ja bald erhoben haben könnte, daß ich in den Verhältnissen bin, einen Pelz besessen zu haben. Ich begann den Dieb zu beneiden. Nicht weil er den Pelz hatte, sondern weil man ihm nicht draufgekommen war. Weil er auf freiem Fuße leben konnte, während es hinter mir »Aufhalten!« schrie und ich wie ein erwischter Bestohlener von der Dummheit eskortiert wurde ... Ich beschloß, mich aus dem Privatleben zurückzuziehen. Mir war eine Hoffnung geblieben. Daß es mir durch die Herausgabe eines neuen Buches gelingen werde, mich den Wienern in Vergessenheit zu bringen.
Wallenstein
Die Erwartung war auf das höchste gestiegen. Seit dreißig Jahren hatte die Stadt keinen Festzug gesehen. In ödem Einerlei also waren die letzten Dezennien der politischen Geschichte vergangen. Ereignisse, bei denen man nicht dabei sein kann und die man weder sieht noch hört, wirken nur auf die Phantasie und bewirken darum, daß man sich unter ihnen nichts vorstellt. Der Streit der Nationen vermochte nur dort Interesse zu wecken, wo er als Straßenexzeß in Erscheinung trat, und bei jedem Verfassungsbruch gähnte die Bevölkerung, weil sie sich ihn als das Krachen einer Lawine gedacht hatte und nicht einmal ein zerrissenes Papier zu Gesicht bekam. Das öffentliche Leben bot keine Abwechslung mehr. Man war dermaßen ausgehungert, daß man die Überraschung auch dort suchte, wo sie bestimmt nicht zu finden war. Blieb einer stehen und sah zum Dach eines Hauses hinauf, so war er sicher, mehr Zulauf zu finden, als ein Agitator, der den Versammelten von der Schädlichkeit des neuen Handelsvertrags sprechen wollte, und man mochte lieber von jenem zum besten gehalten sein, als von diesem zum Bessern geleitet. Nur das Unmittelbare wirkte auf die Lebensanschauung des Volkes, und es ist statistisch nachgewiesen, daß damals bei gleicher Häufigkeit ein gefallenes Droschkenpferd größeres Aufsehen erregt hat als eine gestürzte Regierung. Da es kein öffentliches Leben mehr gab, so mußte schließlich das Privatleben für öffentliche Zwecke herangezogen werden, und es war dafür gesorgt, daß jeder Bürger Sonntags erfuhr, was für ein Huhn der Nachbar im Topfe habe. Das Selbstbewußtsein wurde nur noch durch die Eitelkeit unterhalten, das soziale Gefühl nur durch die Neugierde, und wenn sich diese Triebe glücklich paarten, so ward eine Eigenschaft daraus, die alle Gegensätze verband: die Loyalität. Die Bevölkerung hatte aus den Zeitungen erfahren, daß es im Staatsleben drunter und drüber gehe, und deshalb sah sie in so bösen Zeiten vertrauensvoll zu der Person des Landesvaters auf, von der in den Zeitungen zu lesen war, daß sie das einigende Prinzip darstelle. Nur der Patriotismus vermochte noch einige Farbe in das graue Dasein des Staatsbürgers zu bringen, der zu allen Lasten j-a sagt. Denn der Patriotismus ist ein Gefühl, bei dem die Schaulust viel mehr auf ihre Rechnung kommt als beim Männerstolz vor Königsthronen, während anderseits das größere Aufsehen, das unstreitig bei einer Revolution entsteht, mit Unbequemlichkeiten verbunden ist, die einer patriotischen Demonstration erspart bleiben. Und noch ein Gefühl gibt es, das dem Patriotismus nahe verwandt ist: das ist die Liebe zu den fremden Monarchen. Wenn sie zu Besuch kommen, so gibts manches zu sehen und zu hören, und die Loyalität, die keine politischen Grenzen kennt, ist die Basis, auf der sich ein Komitee in der Stille bildet und ein Spalier im Strom der Welt. Aber wie viel wertvolle Schaulust ist schon bei solchen Gelegenheiten unbefriedigt geblieben, wie wenigen war es vergönnt, sich selbst davon zu überzeugen, ob die Potentaten wirklich, wie eine Überlieferung behauptete, elastischen Schrittes den Eisenbahnwaggon verließen. Man nahm es gläubig hin und begnügte sich im übrigen damit, von den Schutzleuten zurückgedrängt zu werden, wenn der hohe Gast an der Seite des Landesvaters in offenem Wagen vorbeifuhr und bei ungünstiger Witterung in geschlossenem. Das sind die Augenblicke, in denen die Seele eines serbischen Hoflieferanten ihren Höhenflug nimmt, in denen der Mensch nachdenkend inne wird, warum und zu welchem Ende er Honorarkonsul ist, und wo ein ahnungsvolles Hoffen erkennt, daß es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, deren Anblick uns der nüchterne Alltag vorenthält, nämlich Fahnen und Girlanden.
Aber der Patriotismus ist leider auch ein Gefühl, das oft länger brachliegt, als für die Gesundheit der Beteiligten zuträglich ist. Seit Jahrzehnten wußten die Freunde des Volkes, was ihm fehle. Von allen Bildungsbestrebungen war es seit jeher die populärste, ein Komitee zu bilden, und es gab eines, dessen Absichten tiefer als die irgend eines andern in den wahren Bedürfnissen der Bevölkerung wurzelten. Es war das Festzugsexekutivkomitee, das sich aus einem intuitiven Erfassen kommender Möglichkeiten vor Jahrzehnten schon in Permanenz erklärt hatte. Es hatte sogar die Eventualität eines vaterländischen Sieges in Aussicht genommen, hielt sich aber an jene bekannte Devise, die eine Vermehrung der Hausmacht auf dem nicht mehr ungewöhnlichen Wege der Heirat den kriegerischen Schwierigkeiten vorzieht. Das Festzugsexekutivkomitee, das sich im Laufe der Jahre an Enttäuschungen gewöhnt hatte, gab die Hoffnung dennoch nicht auf, endlich in Aktion zu treten. Wenn alle Ordensbänder reißen und alle Ereignisse ungeschehen bleiben, so mußte ja doch einmal wenigstens der Gedenktag eines Ereignisses anbrechen, und auf dessen Verherrlichung konnte sich dann der ganze Eifer werfen, der durch Jahrzehnte lahmgelegt war, und die Knopflöcher würden all den Lohn gar nicht fassen können, der an einem Tage zur Entschädigung für dreißigjährige Geduld auf sie einstürmen würde.
Das Jahr war gekommen und der Tag war nah. Eine fieberhafte Erregung hatte sich aller beteiligten Kreise bemächtigt. Nur ein Gedanke beherrschte alle Köpfe, setzte alle Füße in Bewegung: Der Festzug! Das Volk braucht den Festzug wie einen Bissen Brot! Das ist die große Gelegenheit, wo endlich alle dabei sein können! Es wird der größte Sieg sein, der je errungen wurde, wenn es uns gelingt, die glorreiche Vergangenheit des Vaterlandes in lebenden Bildern darzustellen. Da reckt sich die Residenz aus ihrer alten Lethargie und aus den Provinzen hagelt es Kundgebungen. Ein Erfolg des Exekutivkomitees, der an und für sich schon alle Erwartungen übertrifft. Aber das Exekutivkomitee weiß, daß es noch viel Arbeit geben wird, um alle Schichten für einen Plan zu gewinnen, der für einen einzigen Tag die Lösung der sozialen Frage verheißt. Wie sollte der Adel zögern, mitzuspielen, das Bürgertum, zu zahlen, und das Volk, zuzuschauen? Das Exekutivkomitee tagt ohne Unterbrechung und sendet seine Werber von Haus zu Haus. Die Kunst hat sich augenblicklich in den Dienst der patriotischen Idee gestellt. Jene Schönheitstrunkenheit, die keinen eigenen Gedanken auszudrücken hat, lechzt nach der Gelegenheit, sich in einem Prunkgewand zu zeigen. Prinz Eugen, der edle Ritter, hat noch keinen verlassen, der ihn in künstlerischen Nöten anrief, und wenn es gar zu Aachen in seiner Kaiserpracht im altertümlichen Saale König Rudolfs heilige Macht zu kostümieren gilt, dann, wie der Sterne Chor um die Sonne sich stellt, umsteht die ganze Künstlergenossenschaft geschäftig den Herrscher der Welt. In allen Ateliers wird gemalt, geschneidert und gehofft. Die meisten Menschen, denen man auf der Straße begegnet, blicken schon zuversichtlich in die glorreiche Vergangenheit, in den Wirtshäusern fühlt sich jeder Speisenträger als Pfalzgraf des Rheins. Die Hoffnung auf den Festzug hat einen Patriotismus geweckt, der um seiner selbst willen leben will und längst den Zweck vergessen hat, dem er dienen, und die Person, die er ehren soll. Die Begeisterung hat nicht den Plan, der Plan hat die Begeisterung erschaffen. Und wenns an dem Tag, an dem sie zum Ausbruch gelangen wird, nicht bloß Orden regnen sollte, das Volk würde seinen Glauben an die Vorsehung verlieren ...
Da erscheint eine offizielle Kundgebung, die den Dank jener allerhöchsten Stelle, der die Huldigung zugedacht ist, verlautbart: Man sei von den Beweisen echter Loyalität gerührt, wünsche aber nicht, daß dieses Gedenkjahr auf geräuschvolle Weise gefeiert, sondern daß aller Aufwand von Energie, Zeit und Geld, den ein Festzug koste, wohltätigen Zwecken gewidmet werde. .. Das Blatt, auf dem die Mitteilung solchen Wunsches gedruckt steht, wird ins Komiteezimmer gebracht. Für einen Augenblick herrscht Totenstille. Alle Anwesenden starten wie gelähmt vor sich hin. Ein Fanatiker des historischen Kostüms fühlt sich in jene Partie der Geschichte des Herrscherhauses versetzt, die den Einzug Albas in die Niederlande bedeutet. Und sie stehen da, wie die Ochsen am Weißen Berg. Das hatte man nicht erwartet. »Dank vom Haus –!« bringt endlich der Präsident hervor, aber es verschlägt ihm selbst diese kurze Rede. Er hat in unverminderter körperlicher Frische das Jubeljahr erlebt, und nun soll die Arbeit eines ganzen Lebens dahin sein! Nein, das kann nicht ernst gemeint sein; die Suppe, in die einem gespuckt wird, wird nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht wurde. Die allerhöchste Stelle kann nicht so unpatriotisch denken, daß sie einen Festzug verhindern sollte. Er wird zustande kommen! Und wenn das Reich sich auflöst – das Komitee löst sich nicht auf! Wer ist der erste, der seinen Hauptmann in der Not verläßt? Und wie Ein Mann erhebt sich die Versammlung und beschließt auszuharren. Schon melden sich einige Libertiner zum Wort, die erklären, daß sie eher aus dem Staatsverband als aus dem Exekutivkomitee austreten würden. Einer fordert zur Steuerverweigerung auf. Ein anderer schlägt vor, in die böhmischen Wälder zu gehen und dort eine Aktiengesellschaft zu gründen. Ein dritter rät zur Mäßigung und verspricht, die Sache durch einen befreundeten Abgeordneten im Wege der Interpellation zur Sprache bringen zu lassen. Ein vierter entgegnet, daß damit wenig erreicht sei, weil die Entschließungen der Krone vom Parlament nicht diskutiert werden könnten. Immerhin, meint wieder ein anderer, werde die Sache zur Sprache kommen, und man solle auch dafür sorgen, daß in Volksversammlungen und in der Presse agitiert werde. Ein Verblendeter, der den Mut hat, zu erklären, er tue da nicht mit, man müsse anerkennen, daß der Wunsch des alten Landesvaters gleichermaßen von dem Wunsch nach Ruhe wie von der Liebe zu seinen Völkern diktiert sei, wird mit dem Zuruf »Aber der Fremdenverkehr!« unterbrochen und hinausgeworfen. Endlich gelingt es einem, einen Vorschlag zu machen, der einstimmig angenommen wird: man möge es noch einmal in Güte versuchen und durch Protektion einer Hofdame die Freigabe des Festzuges zu erreichen trachten. Die nächste Sitzung wird auf Montag anberaumt und in ihr soll das Resultat des Vermittlungsversuches bekanntgegeben werden ...
Ein trauriges Resultat. Die allerhöchste Stelle war von ihrer Meinung, daß man sie durch Akte der Wohltätigkeit besser ehre und durch diese dem Volke besser diene als durch den Festzug, nicht abzubringen. Als das Komiteemitglied, das mit der Hofdame bekannt ist und deshalb durch dreißig Jahre sich des größten Ansehens erfreute, die Nachricht bringt, erhebt sich ein beispielloser Tumult. Rufe wie »Streber!« und unartikulierte Schreie, aus denen nur eine starke Nichtachtung für Hofdamen hervorzugehen scheint, werden hörbar. Und dafür habe man gekämpft! Und ob denn, fragt einer höhnisch, der Wunsch der allerhöchsten Stelle uns Verbot sein müsse? Und was es denn die allerhöchste Stelle angehe, wenn man ihr zu Ehren einen Festzug veranstalten will? Der Fanatiker des historischen Kostüms hofft, daß es ihm wenigstens gelingen werde, in einer Wallenstein-Gruppe darzustellen, wie man die Bevölkerung um ein Spektakel betrügt. Einer schlägt für den äußersten Fall eine Verwendung der Tribünen als Barrikaden vor ... Die Erregung pflanzt sich auf die Straße fort, in den Kaffeehäusern gibt es nur ein Gesprächsthema. Ein Blatt veranstaltet eine Extraausgabe, die die alarmierende Nachricht bringt, daß die allerhöchste Stelle nicht nur den Festzug, sondern auch alle anderen Ovationen ablehne und an dem Wunsch, daß die Feier durch wohltätige Handlungen begangen werde, festhalte. Damit ist die letzte Hoffnung begraben. Es beginnt im Volke zu gären. Droschkenpferde fallen und man beachtet sie nicht. Einer sieht zum Dach eines Hauses hinauf und findet keine Teilnehmer. Dagegen läuft alles einem Agitator zu, der in einer Versammlung über die Schädlichkeit des neuen Handelsvertrages sprechen will. Der Bürger fühlt, wo ihn der Schuh drückt. Es gibt wieder ein öffentliches Leben, und das politische Interesse wächst von Tag zu Tag. Das Festzugsexekutivkomitee beruft eine außerordentliche Sitzung ein und beschließt, sich nicht aufzulösen. Aber es sieht sich genötigt, zur Neuwahl eines Präsidenten zu schreiten, denn der alte ist nach dreißigjähriger patriotischer Tätigkeit wegen Majestätsbeleidigung verhaftet worden.
Eine ernste Nachricht, die eine Zeitung bringt, ohne daß sie einen Witz dazu macht, und keine andere Redaktion, die es liest, macht einen Witz dazu:
[Die schweren Autobusse eine Gefahr für die Gebäude.] Wir haben schon wiederholt darauf hingewiesen, daß die durch das Gewicht der Autobusse hervorgerufene Erschütterung des Bodens nicht ohne Einfluß auf Bauten bleibt, die sich in den Straßenzügen befinden, in denen die Autobusse verkehren. ... Nun hatte sich die Bezirksvertretung Leopoldstadt vorgestern mit einem Antrage zu befassen, dessen Veranlassung beweist, daß unsere Forderung, es müsse bei der bevorstehenden Automobilisierung des Stellwagenverkehrs vor allem das Gewicht der Wagen in Berücksichtigung gezogen werden, vollkommen berechtigt ist. Es haben sich nämlich mehrere Hausbesitzer der Praterstraße wiederholt beschwert, daß durch den Verkehr der ungemein schweren Autobustypen die Erschütterung der Häuser derart heftig sei, daß sich dadurch die Verzierungen an den Häusern lockern und leicht ein Unglück herbeiführen können. Um dieser Gefahr zu begegnen, soll die Praterstraße asphaltiert werden. – Außer der Bezirksvertretung Leopoldstadt haben sich ja auch schon andere Gemeindefunktionäre mit dieser Frage beschäftigen müssen, und man sieht, daß es gut sein wird, wenn bei der kommenden Automobilisierung die leichten Typen bevorzugt werden. ...