Aus dem Miteinander - Wulfhild Tank - E-Book

Aus dem Miteinander E-Book

Wulfhild Tank

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Beschreibung

Es sind Geschichten und Gedichte von Begegnungen und Kontakten, nicht nur von Menschen untereinander, sondern auch von Tier und Mensch. Manchmal rundet ein Bild in Scherenschnitt ein Ereignis ab. Es geht um Familien, um Tiere, Freunde und andere Begegnungen.

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Vorwort

Hier sind Kurzgeschichten und Gedichte vermischt. Die Geschichten sind meist Rückblicke auf Erlebtes, die Gedichte philosophische Zwischenbetrachtungen. Damit kommen neue Gedanken in den Ablauf, aber auch Innehalten und Vergleiche in Selbsterfahrung. Manchmal rundet ein realistisches Bild in Scherenschnitt ein Ereignis ab. Es geht hauptsächlich um Familien, um Tiere, und auch um Freunde und andere Begegnungen.

Geschichten

Aus Familien

Schönes für Mama

Blockflötenspiel

Mittagsruhe

Überzeugungsversuch

Gelbes Mehl

Die Wut des Kindes

Kinderlandverschickung

Theorie und Praxis

Verbotene Wege

Eines Nachts

Alptraum

Schutzschild

Das Gespräch

Die Eiche

Schränke umräumen

Eine Nacht in Lissabon

Wer glaubt noch an Wunder?

Im Ausland

Ein Frühstück

Memphis / Tennessee

An einem versteckten See

Karneval

Jeans-Hosen

Von Freunden und anderen Begegnungen

Schilder für den Kommers

Geschenke für Auftraggeber

So kann Freundschaft sein

Gedanken bei einer Bahnfahrt

Mein Fingerschutz

Der Vortrag

Menschen im Freudenrausch

Von Begegnungen mit Tieren

Gartenmärchen

Entlaufene Katze

Straßenköter

Wellness für Ihren Hund

Katze und Schlange

Katzen-Schauspiel

Gedichte

Menschenbegegnungen

Die Kette

Kinderhände

Ein jeder meint

Lebenskreislauf

Zeit

Ansprechen

Ehealltag

Begegnung

Bedingungslos

Das Eichengehölz

Teilen

Vertrauen

Ruhige Wasser

Im Krankenhaus

Freunde

Vogelrevier

Kraniche

Aus Familien

Menschenbegegnungen

Begegnung

ist manchmal

oberflächlich und flüchtig.

Manchmal tief, nachhaltig sogar

für mein Wesen, meine Gedanken;

erfrischend oder auch niederdrückend.

Leben wäre eintönig

ohne menschliche

Begegnungen.

Schönes für Mama

Der Sechsjährige hielt eine wunderschöne Rose in den Händen, kaum erblüht, zart gelb mit roten Rändern. Strahlend stand er vor seiner Mutter: „Die schenke ich dir."

Wie sollte Margret darauf reagieren? Solch eine Rose wächst nicht wild am Straßenrand. Niemand schien den Jungen beim Abpflücken erwischt zu haben, sonst könnte er nicht derart unbeschwert vor ihr stehen.

Sie sagte: „Die Rose ist herrlich! Ich danke dir", und knuddelte sein Haar. „Aber mach das nicht so oft. Die wilden Blumen von den Wiesen gefallen mir auch. "Berni nickte nur verständnisvoll lächelnd.

Jahre später. Bernd war mit seiner Mutter zum Einkaufen gegangen, um ihr beim Tragen zu helfen. Plötzlich stupste er Margret an und zeigte auf einen Vorgarten: „Sieh mal, sie blühen wieder! Hier hatte ich die Rose für dich gepflückt."

Jetzt ist die Mutter alt, ihr Sohn ein gestandener Mann. Die tiefe Zuneigung des Kindes hat sich altersgemäß verändert.

Manchmal, wenn es seine beruflichen Wege zulassen, kommt Bernd zu Besuch, und wenn es nur ein halber Tag ist. Er nimmt sie nicht mehr wie einst kraftstrotzend in die Arme und hebt sie dabei hoch. Der stattliche Mann umarmt sie immer noch, doch in der Art, dass sie sich Wärme suchend an seine Brust schmiegen kann. Noch ist es nicht zu mitfühlendem Streicheln über ihr Haar gekommen.

Margret träumt davon, wieder einmal die Liebe eines Kindes erleben zu dürfen, eine bedingungslose und kompromisslose Zuneigung.

Blockflötenspiel

Lange Zeit konnte sich ihr Gehirn gar nicht mit den alltäglichen Dingen in der Familie befassen. Es war zu sehr damit beschäftigt, den Schock des Unfalls zu verarbeiten. Sie musste mit dem langsamen Wiederaufbau ihrer Persönlichkeit nach der schweren Gehirnprellung fertig werden.

Wenn Monika etwa zwei Stunden außerhalb ihres Bettes verbracht hatte, folgten anschließend bis zu drei Stunden Tiefschlaf. Das besserte sich nur langsam über Wochen. Sie konnte sich zwar an Vieles aus der Vergangenheit erinnern, es aber nicht mit der aktuellen Wirklichkeit verbinden. Sie dämmerte zeitlos durch die Gegenwart. Was zur Vorbereitung des nahen Weihnachtsfestes gehörte, drang nicht in ihre Gedankenwelt ein.

Erst Wochen später konnte sie ihrem dreizehnjährigen Sohn für seinen Einsatz im Haushalt danken: Er hatte mit seinem kleinen Bruder eine Menge Weihnachtsplätzchen gebacken. Nur ein Erlebnis vom Fest schaffte es, tief unter ihre Haut zu gehen, so dass es als Erinnerung präsent blieb.

Ja, da hatte ein geschmückter Weihnachtsbaum mit brennenden Wachskerzen gestanden. Darunter lagen nett eingepackte Geschenke. Auf dem Tisch standen bunte Teller voller Leckereien. Das hatte der große Sohn zusammen mit ihr arrangiert.

Ja, ihr Mann und die Söhne fingen an zu singen - ohne sie selbst, weil ihr gebrochener Kehlkopf ausheilen musste.

Mitten in einem Lied sprang Berni auf, rannte ins Kinderzimmer und kam mit seiner Blockflöte zurück. Bei der nächsten Strophe spielte er die Melodie, fehlerfrei; die anderen hörten zu. Danach wurde wieder gesungen. Nicht nur bei einem Lied, bei allen anderen auch, die Monika immer mit ihren Kindern gesungen hatte. Sie weinte vor Freude.

Im Januar erst wusste sie, Berni könnte diese Melodien noch gar nicht im Flötenunterricht gelernt haben. Sie fragte ihn, wo er die Noten dazu gefunden habe. Entrüstet kam die Antwort:

„Dazu brauchte ich keine Noten! Ich kannte die Lieder doch. Und Du konntest nicht mitsingen ...."

Die Kette

Fand mein Junge eine Kette,

nahm sie mit nach Haus.

Er beschenkte mich, die Mutter,

weil ich's sicher gerne hätte!

Und der Schmuck sah golden aus!

Diese kleine dünne Kette

trug ich jahrelang

um den linken Arm gewickelt;

Handgelenk war ihre Stätte,

welches viermal sie umschlang.

„Du erinnerst dich an dein Geschenk?“

fragt ich ihn nach dreißig Jahren.

„Weiß ich gar nicht!" lachte er.

Gesten, die ich gern bedenk,

ihm schon längst vergangen waren.

Mittagsruhe

Es ist wunderschönes Sommerwetter. Die beiden Kleinen sind draußen, der Große sitzt noch bei Hausaufgaben in seinem Zimmer. Sein Fenster zur Loggia hin ist weit geöffnet.

Seine Mutter möchte sich in die Sonne legen und ausruhen, bis der Papa nach Hause kommt. Also zieht sie sich aus und geht mit einer Decke zur Loggia. Die Familie wohnt in der ersten Etage im ersten Haus, direkt am Wald.

Als sie sich auf der Bank ausstreckt, bittet sie ihren Ältesten, zur Tür zu gehen, wenn es schellen sollte. Denn je nachdem, wer hinauf käme, müsste sie sich schnell wieder ihr Kleid überziehen.

Das helle Licht der Sonne stört ihre Augen. Sie steht wieder auf, bricht sich zwei Blätter von dem Blumenstrauß im Wohnzimmer und räkelt sich erneut auf der Bank. Zuletzt legt sie die kleinen frischen Blätter auf ihre Augenlider.

Ihre Gedanken schweifen ab. Es ist schön hier. Sie fühlt sich wohl. Sie gleitet ins Träumen. Die Mütter unten im Ort müssen ihre kleinen Kinder draußen ständig begleiten. Hier macht das keine Mutter. Die Siedlung liegt außerhalb am Wald, die Straße ist nur eine Sackgasse. Es gibt zwei große Sandkästen, und immer findet sich eine Gruppe von Kindern zusammen.

Es klingelt. Wortlos steht der große Sohn auf. „Kannst liegen bleiben. Es ist der Lütte." „Wo ist Mama?" ruft der. „Auf dem Balkon."

Noch ehe sie erfährt, was der Junge möchte, fragt er ganz entgeistert: „Wieso hast du Blätter auf die Augen?" Sie lacht. Nicht nur über die Fragestellung, auch über ihre spontanen Erinnerungen: ihre eigenen Eltern hatte sie niemals nackt gesehen. Und ihren Vater kannte sie noch nicht mal in Unterwäsche!

Ihr Jüngster möchte etwas zu trinken haben und verschwindet wieder. „Rabenmutter!", denkt sie, „du lässt dein zweieinhalbjähriges Kind alleine draußen herum laufen ..." Sie döst wieder vor sich hin. Die Zeit steht still.

„Huhu, Mama!"

Entsetzt schnellt sie empor. Das ist die Stimme ihres dreieinhalbjährigen Sohnes. Kann er sie sehen? Es klang so nah ...

„Hier bin ich!"

Da steht das Kind in der großen Eiche, gerade sechs Meter von ihr entfernt.

Bilder jagen durch ihre Vorstellung:

Wer sollte es auch anders sein als dieser Sohn? Er hatte sie schon einmal fast zur Panik gebracht, als sie ihn nirgendwo in der Wohnung fand. Er war vielleicht neun Monate alt gewesen und konnte nur krabbeln, nicht laufen. Wie sollte sie dann auf die Idee kommen, dass senkrecht eine Leiter hochzukrabbeln für ihn nichts anderes wäre als sich waagerecht auf dem Fußboden zu bewegen! Der Kleine hatte oben auf dem Etagenbett seines Bruders gesessen und ihr entgeistert zugeschaut. Es schien ihn zu wundern, warum sie ihn überall am Boden suchte, dass sie ihn überhaupt suchte! Er sah doch sie. Wieso sah sie denn nicht auch ihn?

Und nun steht dieser Sohn hier in der Eiche!

Es ist ein Urbild von Eiche: gerade gewachsen, weit ausladend, eben stattlich. Sie kann diesen Baum mit ihren Armen nicht umfassen. Sie kann nicht im Stand den untersten Ast ergreifen, ein Ast, zweimal so dick wie ihr Arm.

Fast wie gelähmt versucht sie, keinen Schrecken, keine Angst zeigen! Sie darf das Kind jetzt nicht verunsichern! Irgendwie gelingt es ihr, beinahe unbefangen zu fragen: „Bist du ganz allein da rauf geklettert?"

„Klar!", kommt die Antwort aus einem stolz lachenden Kindergesicht.

„Kannst du auch alleine wieder runter? Was meinst du? Ich könnte raus kommen und dir etwas helfen."

„Alleine!"

Inzwischen steht sein großer Bruder neben der Mutter und flüstert: "Ich gehe runter und passe auf. Sag's ihm aber nicht."

Ob ein Neunjähriger einen Dreieinhalbjährigen auffangen kann?

„Kommst aber gleich hoch, ja? Und wenn du den Lütten siehst, bring ihn bitte mit. Papa kommt in Kürze nach Hause."

„O.K."

Der Junge beginnt den Abstieg. Wie mit Katzenkrallen halten sich die kleinen Finger in der rauen Eichenrinde fest. Gebannt schaut die Mutter zu, wenn die Sandalen immer wieder einen tieferen Spalt in der Rinde ertasten. Wie ein Eichhörnchen klebt das Kind am Baumstamm. Unglaublich, diese Akrobatik ...

Sie ist immer noch geschockt, als sie dem Papa das jüngste Abenteuer erzählt.

Fünfundzwanzig Jahre später ist dieser Sohn Hubschrauber-Pilot.

Überzeugungsversuch

„Dieser Sohn hat schon immer gewusst, wie er andere von seinen Ideen, Vorstellungen und Wünschen überzeugen kann. Lass dich bloß nicht mit ihm in Diskussionen ein! Du ziehst den Kürzeren."

„Das glaube ich nicht. Wenn ich mich mit ihm unterhalten habe, war er kein bisschen rechthaberisch."

„Das ist es ja gerade. Meistens sind seine Argumente logisch aufgebaut. Du denkst gar nicht mehr daran, eine Alternative zu suchen. Das konnte er schon als Kind. Damals wusste ich noch dagegen zu halten, weil der Erfahrungshorizont von Erwachsenen einfach größer ist. Aber als er Teenager war, brach ich so manche Diskussion mit der Entschuldigung ab, ich müsste mich auf dem und dem Gebiet erst kundig machen, ehe ich weiter darüber reden könnte."

„Jetzt, wo du das sagst, fällt mir auf: nach Gesprächen mit ihm veränderte sich irgendetwas in meiner Weltsicht."

„Er setzte sich nie gewaltsam durch; immer mit aus seiner Sicht überzeugenden Darstellungen. Ich hatte lange nicht bemerkt, dass er auch seine Brüder so zu behandeln wusste. Sie erledigten Dinge für ihn, ohne sich dazu gezwungen zu fühlen. Einmal ist ihm ein Versuch misslungen, aber da war er noch sehr klein und ich in Panik."

„Das möchte ich hören!"

„Das war in dem Ort, wo wir zwei mal die Wohnung wechselten, immer dann, wenn ein Kind mehr da war. Als Frieder schon eineinhalb Jahre alt war, bekamen wir endlich eine Vier-Zimmer Wohnung.

Das war Oktober, und es wurde schnell kalt draußen. Darum war ich mit den beiden Kleinen selten auf den Spielplätzen. So kannte ich nur sehr wenige der anderen jungen Mütter aus der Siedlung.

Es war im Frühjahr darauf. Die Kinder mussten schon keine Mützen mehr tragen. Frieder war noch keine zwei Jahre alt und Berni ist ja nur 13 Monate älter als er.

Ich hatte den langen Sportkinderwagen aus dem Keller gezogen, dann erst die schwere Haustür geöffnet und die zwei Kleinen mit mir raus gehen lassen. Draußen kam zuerst Frieder in seinen Sitz. Als ich Berni nahm, um ihn auf den aufgesetzten Zweitsitz zu heben, stammelte er: ,lch muss noch Pipi.' Was blieb mir anderes übrig, als die Abfahrt zu verschieben?

Ich redete also auf meinen Jüngsten ein, er müsse nun für einen Augenblick allein im Wagen sitzen bleiben, wir kämen ganz schnell wieder. Es ging auch zügig, schließlich war Berni fast drei Jahre alt.

Als wir beide aus der Haustür kamen, war der Kinderwagen leer."

„Hattest du keinen Gurt, ihn anzuschnallen?"

„Nein. Selbst der zusätzliche Aufsatzsitz hatte keinen. Ich nahm an, mein kleiner Junge sei hier ganz nah bei den Häusern, vielleicht im Sandkasten. Damit ich schneller laufen konnte, befahl ich Berni, auf seinem Kindersitz zu bleiben, bis ich zurück sei. Dieser ruhige Sohn blieb artig da sitzen, auch noch, als ich mein Fahrrad aus dem Keller geholt hatte, um kurz eine Runde um die Siedlung zu machen. Meine Aufregung grenzte an Panik, als ich den Kleinen immer noch nicht gefunden hatte. Jetzt packte ich Berni auf den Fahrradgepäckträger, weil ich eine noch größere Runde drehen wollte. Beim Aufsteigen sah ich eine meiner neuen Nachbarinnen mit einem kleinen Kind auf dem Arm ganz vorne auf unserer Straße.

,lhre Kinder sind doch schon groß', dachte ich. ,Könnte das Frieder sein?' Tatsächlich! Ich hörte auch sein Weinen. Das Fahrrad an die Wand lehnen, Berni runter heben und auf die Frau zuzurennen geschah fast gleichzeitig. Das schluchzende Kind streckte sich mir entgegen. Ich weiß nicht, wer von uns beiden mehr erleichtert war!

Die Nachbarin meinte, sie habe den Jungen an der Post getroffen. Das waren etwa 300 m von zu Hause weg, nach zwei Straßenanbindungen und einer Straßenüberquerung! Sie habe ihn gefragt, wo die Mama sei. Ganz selbstbewusst hätte er geantwortet: ,Eintaufen'.

Ihre Antwort: ,Das glaube ich nicht. Die Mama geht nicht ohne dich einkaufen. Mama ist noch zu Hause und sucht dich jetzt überall. Komm mit mir! Ich bringe dich heim.' Er wäre nicht umzustimmen gewesen. Als sie das Ganze noch einmal erklärt hatte, habe er sehr bestimmt gerufen: ,Nein! Ich – Mama – eintaufen!'

Vor ihm in der Hocke sitzend habe sie versucht, das Kind doch noch zu überzeugen. Weißt du, was er daraufhin geantwortet hat?"

„Kinder erfinden so Manches."