Ausdrucksvolles Sprechen - Rolf Bindel - E-Book

Ausdrucksvolles Sprechen E-Book

Rolf Bindel

0,0

Beschreibung

Ausdrucksvolles Sprechen ist wichtiger Teil der Selbst-Präsentation und Beurteilung durch andere. Der eigene Sprech-Stil wird unbewusst erworben und intuitiv verwendet und führt zu Sicherheit oder Unsicherheit. Wie kann man Stärken oder Schwächen beurteilen? Wie kann man sich eventuell kreativ verbessern? Wie kann man andere instruieren und unterrichten? Das ausführliche Übungs-Programm ist aufgebaut nach den Stufen: - gut artikulieren - sinnhafte Atemverwendung - emotionaler Ausdruck - gesamt-körperlicher Ausdruck. Der angebotene Weg zum ausdrucksvollen Sprechen ist eine Begegnung mit dem Ich in Atmung, Selbst-Erleben, Imagination und Selbst-Ausdruck und führt zu Sozial- und Selbst-Kompetenz.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 156

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Wie man sich im Sprechen präsentiert, wird von anderen beurteilt. Ausdrucksvolles Sprechen bedeutet, interessant zu sprechen und aufmerksam beachtet zu werden. Wichtig sind klare Aussprache, klare Sinn-Markierung im Satz, illustrierende Sprechweise, die anteilige Körper-Sprache sowie die Führung der Sprech-Atmung. Der Erwerb eines ausdrucksvollen Sprechens verläuft als Übungs-Folge über die vier Stufen: konturiertes – sortiertes – illustratives – szenisches Sprechen. Die Aussteuerung basiert jeweils auf der Imagination von Erleben, der dynamischen Atmung und dem Körperausdruck. Kompetenz-Bereiche sind dann: Klares Sprechen – Vorlesen – Rezitieren – Darstellen.

Das Programm ist geeignet für alle, die sich im öffentlichen Sprechen verbessern wollen, für Lehrende als Sprech-Modell, für den Unterricht, für den sonderpädagogischen Bereich (Artikulation, Stottern, Poltern, Mutismus, Autismus) und den psychotherapeutischen Bereich (Drama-Therapie und Resilienz-Erfahrungen bzw. Ich-Stärkung, katathymes Selbst-Erleben.

Nur die Aufzählung und Beschreibung der Komponenten, die ausdrucksvolles Sprechen ausmachen, würde nicht zu effektiver Anwendung und Übernahme führen. Notwendig für eine Verinnerlichung sind ausführliche Übungen mit den vorgeschlagenen Texten. Erst dann kommt es zu einer bewussten Wahrnehmung von Ablauf, Wirksamkeit und kreativem Ich-Ausdruck.

Die Übungen zu Themen und Texten sind Angebote. Wichtig ist die Selbst-Überprüfung zu den verschiedenen Sprech-Anforderungen, dann folgt eventuell die Selbst-Korrektur, bzw. die Kompetenz-Erweiterung. Die effektivsten Übungs-Einheiten sind je 20 Minuten. Übungen können allein, günstiger mit einem Ansprech-Partner, notwendiger im Rollenspiel in der Gruppe durchgeführt werden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ausdrucksvolles Sprechen?

Das Kommunikationsmodell

Wie ist ausdrucksvolles Sprechen zu erreichen?

Das konturierte Sprechen

1.1 Das Sprech-System

1.2 Die Klaviatur der Atmung

1.3 Die Phonation

2 Das sortierte Sprechen

2.1 Akzent-Pausen

2.2 Denk-Pausen

3 Das illustrierende Sprechen

3.1 Der Körperausdruck

3.2 Die emotionale Palette

3.3 Figuratives Sprechen

3.4 Bewegtes Sprechen

4 Das inszenierte Sprechen

4.1 Der gesamt-körperliche Ausdruck

4.2 Präsentation von Bilderschichten

4.3 Präsentation von Erzählungen / Körper-Ausdruck herstellen!

4.4 Präsentation von Lyrik

4.5 Rollenwechsel

4.6 Rollenspiele in der Schule

Bewusstheit im Alltag

Literatur

Was ist ausdrucksvolles Sprechen?

Shakespeare sagt die Welt ist eine Bühne. Die Alltags-Begegnungen sind Charakter-Darstellungen, wobei die Akteure bei jeder Begegnung ein Eindrucks-Management betreiben unter der Perspektive: wie sollen andere mich sehen? Öffentliches Sprechen ist eine hervorgehobene Situation zur Selbst-Präsentation und einem Sich-aussetzen zur Beurteilung durch andere. Als besondere Qualität gilt ausdrucksvolles Sprechen – eine Sprechweise, welche die Aufmerksamkeit und das Interesse Zuhörender erreicht.

In der Schule ist ausdrucksvolles Sprechen erwünscht beim Vorlesen, beim Referat-halten, beim Erklären, beim Diskutieren, beim Rezitieren von Gedicht und Literatur oder beim Rollen-Spiel. Hohe Ansprüche haben Schul-Wettbewerbe zum Vorlesen oder zur Projekt-Präsentation. Eine Ausbildung zu ausdrucksvollem Sprechen ist in der Schule allenfalls rudimentär, eine besondere Fertigkeit wird eher dem persönlichen Talent zugeschrieben. Von Einfluss kann die Sprechweise der Lehrperson sein, als positives Modell oder als Belastung etwa durch falsche Stimmlage, Monotonie oder Sprech-Hast. Obwohl die sprachliche Mitteilung ein wesentliches Medium der Kommunikation im Unterricht ist, kommt allenfalls das „richtige Betonen“ als Ermahnung an die Schüler vor. Aber Vormachen, Zuhören und Nachmachen vermitteln nicht eine persönliche Ausdrucks-Kompetenz. Lehrbücher zur Sprecherziehung geben Beispiele zur Sprechweise bei ausgewählten Text-Typen; dies führt aber nicht zu einer Erfahrung, wie der persönliche Sprech-Ausdruck auf der Basis eigener Kreativität entstehen und sicher präsentiert werden kann. Ausdrucksvolles Sprechen muss eindrucksvolles Sprechen sein: Wie etwas gesprochen wird, soll die Aufmerksamkeit Zuhörender erreichen und sie in ihrer inneren Vorstellung führen. Ein „lebendig“ gesprochener Text macht keine Mühe beim Zuhören und der Herstellung der inneren Vorstellung des Gehörten. Das eigene Sprechen, wie auch die Präsentation von Texten muss dabei authentisch wirken – als der eigenen Persönlichkeit entsprechend, frei im Ausdruck, spontan und temperamentvoll. Wie aus eigenem Erleben oder Miterleben sollen Texte zur Unterhaltung oder Instruktion vorgetragen sein. Die Individualität soll sich dabei als interessantes Momentum abbilden. Ausdrucksvolles Sprechen ist implizit an authentisches Sprechen gebunden.

Sprechen ist mehr als das Produzieren von Worten. Bei einem Brief gibt es nur die Worte (als verbale Information) – beim Telefonieren sind Worte ergänzt durch den stimmlichen Beiklang und den persönlichen Rhythmus (als paraverbale Information) – beim präsenten Sprechen ist der Ausdruck vervollständigt durch die Körpersprache (als nonverbale Information). Wichtig ist die Nuancierung und Ergänzung des rein Verbalen durch paraverbale und nonverbale Signale. Erst Stimmklang und Stimmführung (paraverbal) und Körpersprache (nonverbal) offenbaren emotionale und interaktive Haltungen des Sprechers – sie vervollständigen die Signale zur Information, vermitteln aber daneben auch die Art der persönlichen Beziehung. Paraverbal kann dabei konträr zu verbal sein, wie in der Bemerkung das hast du toll gemacht!

Das Kommunikationsmodell

Häufig zitiert, aber auch diskutiert, wird das Kommunikations-Modell von Mehrabian (diskutiert in Amsel 2019); es ist das Ergebnis einer experimentellen Studie zur Glaubwürdigkeit von Aussagen in der Kommunikation. Demnach hat die rein sprachliche Aussage nur eine Glaubwürdigkeit von 7%; die paraverbalen Anteile (die Prosodie – wie etwas gesprochen wird) haben einen Anteil von 43% und die Körpersprache hat einen Anteil von 50%. Ob dieses 7:43:50-Modell für jede Kommunikation gültig ist, wird bezweifelt. Unbestritten ist aber, dass nonverbale und paraverbale Merkmale grundlegend für das ausdrucksvolle Sprechen sind für das Erreichen des anderen (Wharton 2016). Einige Aspekte sind nachfolgend ausgeführt.

Die nonverbale Kommunikation bezeichnet die Körpersprache. Dazu gehören die Körper-Atmung, das Verhalten in Position, Bewegung und Gesten, der Gesichts-Ausdruck und das Blick-Verhalten. Nonverbale Signale regulieren stark die Konversation, sie bestimmen die Grundeinschätzung der Beziehung von Sprecher und Hörer, sowie den zeitlichen Rahmen, Geduld oder Ungeduld (z.B. signalisiert Aufstehen das Gesprächs-Ende). Fortwährend ergeben sich gegenseitige Beurteilungen nach Dimensionen wie:

/ zugewandt – abgewandt / gelassen – verspannt / aufmerksam – desinteressiert /

/ präsent – unsicher / beteiligt – unbeteiligt / dynamisch – passiv /.

Insgesamt kommt es im Rahmen der Kommunikation zwischen Personen zu einer beidseitigen Bilanz in der Beurteilung auf der Grund-Dimension: emotionale Nähe bis zu Ablehnung.

Die paraverbale Kommunikation: Der akustische Beiklang der Worte, wirkt tief innerlich. Der Mensch ist Teil der biologischen Natur, und er ist geprägt von dem primären Bedürfnis der Zugehörigkeit durch Kommunikation in der Gruppe. Die lautsprachliche Evolution des Menschen hat ihre Vorläuferstruktur in den akustischen Signalen der Tiere (Wharton 2016). Diese Signale entstehen als Schallwellen durch Modifikation des Luft-Stroms bei der Aus-Atmung. Bei den Vögeln sind es die Vibrationen von Segmenten der Luftröhren-Wand; Frösche haben zur Lautverstärkung innere und äußere Schallblasen ausgebildet; bei Säugetieren erfolgen die Schall-Vibrationen durch eine muskuläre Kehlkopf-Membran (den Stimm-Lippen) und es gibt weitere Schall-Modulation durch Artikulations-Bewegungen im Maulbereich. Diese Strukturen sind die organischen Grundlagen zur artspezifischen Kommunikation. Laut-Signale bei Vögeln sind emotionale Schlüsselreize und sie haben eine differenzierende Bedeutung: Eine Alarm-Phonation vor Gefahren zu Flucht oder Angriff, Revier-Markierungen, Rufe bei der Schwarmbildung, Hungersignale der Jungtiere, Beiklang zum Balzverhalten. Die Akustik vermittelt eine Information über die Stärke und den emotionalen Zustand des Senders; sie kann weiter hinweisend auf das Umfeld sein: Gefahr aus der Luft (Adler!), dem Boden (Schlange!) oder dem Busch (Leopard!). Bestimmte Tonfolgen der Vögel dienen dem Anlocken bei der Partnersuche. Hier deutet sich schon „im Lied“ die spätere Funktion der Abstraktion und der Satzbildung beim Menschen an. Bei Fröschen quaken die Männchen während der Paarungszeit. Die Lautbildung bei Säugetieren informiert noch differentieller über die interaktive Situation: die Tongebung ist maßgeblich für das Rollenverhalten, signalisiert Paarungswille oder Kampfbereitschaft, unterscheidet zwischen Dominanz oder Unterwerfung, Rivalität und Triumph, Kooperation oder Konkurrenz, Abstimmung beim Fress-Verhalten, Nähe und Distanz, Spannung oder Entspannung. Im biologischen Bereich besteht so eine artspezifische Präpariert für die Übermittlung des Empfindungs-Standes von einem Organismus zu einem anderen Organismus.

Die zusätzliche Besonderheit bei der menschlichen Kommunikation ist die symbolische Funktion der Sprache: Worte repräsentieren körperliche Erfahrungsmuster, die im Denken fiktive Handlungen und im Gegenwärtigen die Kooperation untereinander erlauben. Dazu bestimmen Emotionen den Ton einer Mitteilung, illustrieren die Bedeutung wie auch die aktuelle soziale Beziehung. Diese Übertragung funktioniert über die Spiegel-Neuronen. Spiegel-Neuronen sind Nervenzellen im Gehirn, die bei der Wahrnehmung der äußeren und inneren Aktivität eines Gegenübers das parallel gleiche innere Aktivitätsmuster auslösen und so ein inneres Mitempfinden erzeugen. Es besteht die artspezifische Präpariertheit für die Wahrnehmung des körperlich-emotionalen Mitschwingens beim Vortag als paraverbale und nonverbale Information. Je stärker das innere Erleben des Sprechenden mitschwingt, umso stärker kann das Sprechen emotional gefärbt sein und umso stärker kann das innere Mit-Erleben der Zuhörender erregt werden. Je stärker die positive Bewertung des Sprechenden, umso stärker wird die Kooperation erreicht. Maßgeblich für die Kommunikation ist die artspezifische Präpariertheit für das akustische körperlich-emotionale Mitschwingen beim Vortag - die paraverbale (sprachbegleite) Information.

Die verbale Information: Die sprachliche Mitteilung im engeren Sinne ist der Text mit artikulierten Worten und Formulierungen in Satzgefügen. Die sprachliche Formulierung will ein Verstehen der Mitteilungsabsicht bewirken und orientiert sich intuitiv an den Verstehens-Möglichkeiten vom Gegenüber: Angenommene Interessen, Vorkenntnisse und seine Perspektive bestimmen Argument, Ausführlichkeit und Akzentuierung. Sprechen zu einem Kind oder einem Erwachsenen ist intuitiv völlig verschieden. Wie die Qualität eines Textes hergestellt werden kann, ist hier nicht das Thema. Wohl aber der Aspekt der Selbst-Präsentation in einer sprachlichen Mitteilung. Sie vermittelt eine Struktur des Denkens – angepasst an das Vorwissen der Adressaten zu einem gemeinsamen Thema – möglichst geordnet in Kontext und Mitteilungs-Essenz. Unterschiedlich explizit kann die Formulierung sein. In der Alltags-Begegnung ist der emotionale und kommunikative Anlass unmittelbar gegeben: der Kontext und der Bezug sind klar; der Sprechausdruck ist wesentlich eine situative emotionale Botschaft. In der beschleunigten Sprache Jugendlicher sind alle Wörter wie zu einem Riesenwort verbunden. Expliziter und ruhiger ist eine öffentliche Mitteilung: Der Kontext und die Episode müssen aufgebaut werden. Zuhörende müssen dann erst zu einem gleichen intensiven Erinnern und Erleben gebracht werden wie bei dem Vortragenden. Grund-Voraussetzung ist zunächst die gute Verstehbarkeit: die Sprechweise soll 1. klanglich und artikulatorisch klar konturiert sein und 2. nach Sinneinheiten klar markiert sein. Dazu kommen dann die paraverbalen und nonverbalen Merkmale der Kommunikation.

Wie ist ausdrucksvolles Sprechen zu erreichen?

Die Qualität einer Mitteilung beruht auf innerem Erleben und Bewerten der Zuhörenden – was „lebhaft“ in Worten übertragen, sie erfasst. Ein monoton vorgetragener Text wirkt einschläfernd – ein zu hastig vorgetragener Text ist anstrengend beim Zuhören. Gutes Sprechen jenseits der Monotonie ist ein prosodisches Sprechen, das die Mitteilung klanglich zu illustrieren vermag. Je mehr beim Sprecher ein körperlicher Zustand mitschwingt, umso aufmerksamer und wirksamer wird die Mitteilung aufgenommen. Entscheidend ist dabei die Selbst-Belebtheit mit präsenter Stimme, eine gute Atem-Pausierung zu Sprech-Einheiten, klarer Klang, klare Wort-Kontur, Emotionalität und Illustration durch imaginative Effekte. Die Präsentations-Atmosphäre signalisiert auch das Ausmaß der Beziehung zum Adressaten, zu seiner Beachtung und eventuell auch der möglichen Übereinstimmung.

Zur Einübung eines ausdrucksvollen Sprechens sind alle sprachherstellenden Strukturen zu beachten und zu aktivieren. Bemerkenswert ist, dass schon Überlieferungen aus der Antike zur Selbst-Therapie von Demosthenes (384 – 322 v. C.) auf eine gesamt-körperliche Ausdrucks-Therapie schließen lassen. Obwohl er als Stotternder zunächst verlacht wurde, wird er später als der größte Redner und Staatsmann der Antike in die Geschichte eingehen. Über den Weg seiner Selbst-Heilung sind nur wenige Komponenten überliefert, die sich aber zur Gesamtheit ergänzen:

Berichtet wird ein Zuruf bei einer seiner frühen Reden:

Atme nicht in den Kopf, sondern in die Brust

. Erklärung: Der Rat betrifft die Rachen- und Mund-Weitung zur Atem-Führung aus der Körper-Mitte und Klang-Weitung beim Sprechen.

Er wurde beobachtet beim Sprechen mit Kieselsteinen oder einem Messer zwischen den Zähnen. Erklärung: Diese Methode entspricht der Trainings-Methode „Korken-Sprechen“ für die Theater-Sprache. Eine weite Unterkiefer-Öffnung ist der Rahmen, zur Artikulation, indem die Zähne einen Korken halten und dadurch den Unterkiefer „abschalten“. Der Rachen ist geweitet und es soll klar nur mit Zunge und Lippen artikuliert werden. Diese Trainings-Methode wird heute auch als „Demosthenes-Methode“ bezeichnet.

Er wurde beobachtet beim Anreden gegen das tosende Meer. Erklärung: Dies formte die Prosodie – das ausdrucksvolle Sprechen, bei der die freie Atem-Führung wesentlich ist. Die Phase des Zurückzugs der Welle am Strand entspricht der tiefen Einatmung, als Zeit der inneren Besinnung und Einstellung zum Übertönen der nächsten anrollenden Welle. Dieses Übertönen mit starker emotionaler Stimmführung kommt aus einer festen Körper-Position mit weiter gestischer Begleitung um im „Brustton der Überzeugung“ zu sprechen.

Er wurde beobachtet bei Übungen vor dem Spiegel. Erklärung: Er lernte sich von außen zu sehen, körperlich-gestisch zu agieren und Aktionen und Gefühle über Blick. Mimik und Gestik beim Sprechen zu illustrieren, um Zuhörer in ihrer Vorstellung „eindringlich“ zu erreichen.

Neue Körper-Positionen und Darstellungen müssen erfahren werden und führen dabei zu einem neuen emotionalen Erleben, neuem Ausdruck in Gestik und modulierter Atem-Führung beim Sprechen. Voraussetzung ist die Aufnahme-Bereitschaft für sinnliche Wahrnehmung von äußeren Reizen und inneren Impulsen, sowie Zulassen von Assoziation und Imagination. Die freie Atmung verbindet Körpererfahrung, Erleben und Imagination, gestaltet das Sprechen prosodisch und erlaubt den authentischen Selbst-Ausdruck.

Die Wirkweise moderner Theater-Ausbildung demonstriert z.B. eine Video-Darstellung des schauspielerischen Agierens von Robin Williams: Bei der Stimmgebung zu der Verfilmung des Zeichenfilms „Der König der Löwen“ agierte der Schauspieler gesamtkörperlich, dynamisch und mit großen Gesten in der Sprecher-Rolle des Löwen. Die „Synchronsprecher“ zu fremdsprachlichen Filmen sehen sich als „Synchron-Darsteller“ – die körperliche Aktivierung und Situation spiegelt ich in der Aussage. Weitere aktuelle Beispiele sind Videos aus den USA zur Förderung der Grundschul-Kinder im Erzählen: Die Kinder sollen vor der Schulklasse ihr Bilderbuch vorstellen, dabei jede Aussage mit Körper und Gesten begleiten. Die Erzählung ist dann klar in Atemgruppen unterteilt, lebhaft und interessant präsentiert. Die eigene Kreativität wirkt ein; dies zu beobachten macht allen in der Schulklasse Spaß. Auch Wiederholungen des gleichen Themas durch andere sind dann interessant durch die Variation im persönlichen Auftreten. Damit ergeben sich neue Selbst-Erfahrungen zur Selbst-Kompetenz.

Im Schulbereich ist das Modell-Verhalten der Lehrpersonen von großer Bedeutung; ein gut gestaltetes Sprechen erfährt große Aufmerksamkeit und erleichtert den Unterricht. Und auch das Unterrichts-Thema “ausdrucksvolles Sprechen“ führt zu anwendbaren Fertigkeiten:

Beim Vorlesen: Texte sind gedanklich sortiert, klarer artikuliert und markiert.

Beim Vortrag: Poesie, Literatur, Referate sind dynamischer gestaltet und präsentiert; die Bewertung von Qualität wird differenzierter.

Beim Schreiben: Eigene Geschichten und Erlebnisse sind kreativer und emotionaler.

Beim Rollenspiel: Es entsteht eine Kompetenz, frontal zu agieren und aus der Fantasie Rollen zu kreieren.

Im sonderpädagogischen Bereich werden die Aspekte Artikulation und Präsentation vorrangige Aspekte sein, die dann in weiteren Unterrichts-Interaktionen anzuwenden sind.

Bei Erwachsenen haben Übungen, die zu ausdrucksvollem Sprechen führen, den allgemeinen Effekt eines Resilienz-Trainings: Übungen zur Atmung, Sinneswahrnehmung, Übungen in Imagination zu emotionalem Erleben und kreativem Ausdruck bewirken neues Erleben von persönlicher und sozialer Bedeutung und führen zu einer positiven Selbst-Wahrnehmung.

Im mehr psychotherapeutischen Bereich kann die bewusste Selbst-Erfahrung von Atem-Regulierung, körperlichem und emotionalem Ausagieren, zu einer besseren Selbst-Annahme beitragen. Eine Verbesserung der Selbstpräsentation im Sprechen bedeutet auch eine persönliche Weiterentwicklung. Nach Damasio (2000) agieren in uns unwillkürliche Reaktions-Muster zur Stress-Verarbeitung, welche sich in der Biographie des Körpers fest abgebildet haben. Dabei sind die Luft-Einlass und Luft-Auslass-Strukturen betroffen – und diese Strukturen stehen in enger Beziehung zur Emotionalität. Bei der Einübung von ausdrucksvollem Sprechen führt der Weg über die intensive sinnliche Wahrnehmung und dem Zulassen von Assoziation und Imagination. Es kommt dabei zu neuem emotionalem Erleben, Erfahrung in Körper-Positionen und im Ausdruck mit Gestik sowie bewusst modulierter Atem-Führung beim Sprechen. Aus der Verbindung von innerem Erleben, freier Atmung, Körper-Ausdruck und prosodisch gestalteten Sprechen entsteht ein authentischer Selbst-Ausdruck. Es handelt sich um ein katathymes Selbst-Erleben: Äußerlich inszeniertes emotionales Erleben wirkt positiv auf das innere Empfinden.

Das konturierte Sprechen

Die erste Grundlage für ausdrucksvolles Sprechen ist eine gute Verstehbarkeit des Sprechens in Phonation und Artikulation – Laute sollten klar hergestellt und konturiert zu Silben und Worten gefügt werden. Längere Sätze benötigen eine geordnete Atmungs-Unterteilung. Dabei wird sich ergeben, dass manch eine ungünstige Sprechgewohnheit zu korrigieren ist, um gutes Sprechen zu erhalten (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Beispiele für ungünstige Sprechgewohnheiten

Sprech-Merkmale

Klang-Merkmale

nonverbale Merkmale

Sprechpausen-Füller:

1

äh / eh ee / gell / nicht wahr?/ he? /ne? / also / häufiges kurzes Lachen / Stottern

Sprech- Hast

1

Sprechen mit Restluft

1

Schnappatmung

1

Mundschluss zu Sprech-Halt

1

undeutliche Pausierung

1

Wortwahl zu abstrakt weitschweifiges Reden

dröhnendes Sprechen

2

zu leises Sprechen

2

monotones Spreche

2

verwaschenes Sprechen

2

klanglose Vokale

2

nasalierend

2

verspannte Stimmlage

2

enge Kieferhaltung

2

gepresste Stimme

2

undeutliche Wortkontur

2

zu hohe Stimmlage

2

zu weiter Abstand zu geringer Abstand gebeugte Körperhaltung unruhiger Stand übertriebene Gestik enge Armhaltung Augenschließen verspannte Stirn Blickabwendung ständiges Kopfnicken mimische Eigenheiten

Der problematischste Bereich im Alltag ist die Artikulation; eine undeutliche Lautbildung ist schon ein hauptsächliches Thema von Logopädie im Kindesalter. Eine unreife Sprechweise aus der Kindheit hat weitere Effekte im Erwachsenalter, wie die enge Kinnhaltung, die flache Zungen-Haltung und die nachlässige Artikulation beim Sprechen. Die weiteren Probleme betreffen paraverbale und nonverbale Sprechmerkmale. Ungünstig sind etwa das weit verbreitete Schnellsprechen und evtl. das „Verschlucken“ von Wort-Teilen, eine zu hohe zerquetschte Stimmlage (als Reste der lieben Kinderstimme), „eee“ zu Denk-Pausen, nasale Vokal-Klänge, Jammer-Ton, ständiges Kopfnicken als Betonung usw. Solche Gewohnheiten werden selbst kaum wahrgenommen, erregen aber die Aufmerksamkeit Zuhörender, werden fälschlicherweise als Interesse an der Mitteilung gedeutet und haben sich so als feste Gewohnheit herausgebildet und erhalten. Solche Fehl-Gewohnheiten entstehen schon in der Kindheit durch schlechte Sprech-Modelle der Eltern: Kinder-Therapie ist immer Eltern-Therapie! Späte Korrekturen können nur als Erfahrung und Identifikation mit besseren Ausdrucks-Formen dauerhaft wirken.

1Fehler der Sprechatmung

2Artikulationsfehler

1.1 Das Sprech-System

Das System der Lautproduktion beruht auf drei Komponenten, die zunächst in ihrer Struktur vorgestellt werden. Erst nachfolgend wird die sprachliche Modulation beschrieben.

1. Das Atem-System: Sprechen ist eingebettet in den ständigen Atem-Kreis von Einatmen und Ausatmen. Dies ist ein lebensnotwendiges System des Gas-Austausches. Es wird von der Geburt bis zum Tod durch den Hirnstamm in Gang gehalten und je nach körperlicher Anstrengung geregelt. Man kann nicht beschließen, nicht mehr zu atmen. Die Atmung ist das entscheidende Element des Lebens-Bewusstseins. Jede innere Erregtheit spiegelt sich in der Atmung unwillkürlich wider – umgekehrt kann eine willkürliche Atmungs-Steuerung die Körper-Signale beruhigen. Das Instrument und die Energie zum Sprechen ist die willkürlich verwendete und modulierte Atmung. Zunächst erfolgt die Luft-Aufnahme (die Einatmung) durch den Sog in die Lunge als Folge der Straffung des Zwerchfells und Vergrößerung des Brustraumes durch Bauch- und Rippen-Muskulatur. Die Ausatmung entsteht durch zurückführende, teils elastische Kräfte und ist der Energieträger für den Ton. Zur spezifischen Tonerzeugung wird die Ausatmung durch differentiell eingefügte Engstellen im Kehlkopf getrieben. Dabei können hochfrequente Töne erzeugt werden. Sprechen ist intensive körperliche Arbeit: Tiefe Einatmung durch den Mund und ein dauerhaft gleicher Luftdruck durch die Brustmuskulatur bei der Ausatmung sind notwendig, um das Sprechen in gleicher Lautstärke für eine längere Wortfolge zu erhalten.