Ausflug ins Jenseits - A. F. Morland - E-Book

Ausflug ins Jenseits E-Book

A. F. Morland

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Gaslicht – Neue Edition In dieser neuartigen Romanausgabe beweisen die Autoren erfolgreicher Serien ihr großes Talent. Geschichten von wirklicher Buch-Romanlänge lassen die illustren Welten ihrer Serienhelden zum Leben erwachen. Es sind die Stories, die diese erfahrenen Schriftsteller schon immer erzählen wollten, denn in der längeren Form kommen noch mehr Gefühl und Leidenschaft zur Geltung. Spannung garantiert! Die alte graugesichtige Frau wandte sich ihr zu, und Claudette merkte, wie sie schwach wurde. Mit grausamen Augen starrte die Hexe sie an. Lauf! Lauf weg! Schnell, bevor es zu spät ist! schrie es in Claudette. Die unheimliche Frau kam auf sie zu, ohne ein Wort zu sagen, ohne das geringste Geräusch zu verursachen. Mit hölzernen Bewegungen wich das blonde Mädchen zurück. Und wieder hörte sie die Stimme in ihr, die ihr zurief, sie solle fliehen. Aber es war unmöglich, sich von Agatha Bellhams Anblick loszureißen. Ein grauer Schatten kroch über die Wand, verharrte kurz und schob sich langsam weiter. Da waren Hände mit langen, dürren Fingern, die zitternd gespreizt wurden, und ein unheimliches Atmen geisterte durch den Raum. Claudette Crawford keuchte, während die Angst ihre Kehle zuschnürte. Jetzt löste sich der Schatten von der Wand und schwebte langsam auf sie zu. Bleich und vor Entsetzen erstarrt, lag das blonde Mädchen in seinem Bett. Der Tod, dachte sie bebend. Sieht er so aus? Kommt er, um mich zu holen? Der graue Schemen stand reglos im Raum, während Claudette den Schweiß über ihr Gesicht rinnen spürte. Ihr Herz schlug bis zum Hals hinauf.

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Gaslicht - Neue Edition – 11 –

Ausflug ins Jenseits

… doch eine Rückfahrt gibt es nicht, Claudette Crawford!

A. F. Morland

Die alte graugesichtige Frau wandte sich ihr zu, und Claudette merkte, wie sie schwach wurde. Mit grausamen Augen starrte die Hexe sie an. Lauf! Lauf weg! Schnell, bevor es zu spät ist! schrie es in Claudette. Die unheimliche Frau kam auf sie zu, ohne ein Wort zu sagen, ohne das geringste Geräusch zu verursachen. Mit hölzernen Bewegungen wich das blonde Mädchen zurück. Und wieder hörte sie die Stimme in ihr, die ihr zurief, sie solle fliehen. Aber es war unmöglich, sich von Agatha Bellhams Anblick loszureißen. Näher, immer näher kam die grauenerregende Alte, und immer zwingender wurde ihr Blick…

Ein grauer Schatten kroch über die Wand, verharrte kurz und schob sich langsam weiter. Da waren Hände mit langen, dürren Fingern, die zitternd gespreizt wurden, und ein unheimliches Atmen geisterte durch den Raum.

Claudette Crawford keuchte, während die Angst ihre Kehle zuschnürte.

Jetzt löste sich der Schatten von der Wand und schwebte langsam auf sie zu. Bleich und vor Entsetzen erstarrt, lag das blonde Mädchen in seinem Bett.

Der Tod, dachte sie bebend. Sieht er so aus? Kommt er, um mich zu holen? Aber, ich bin noch so jung…

Der graue Schemen stand reglos im Raum, während Claudette den Schweiß über ihr Gesicht rinnen spürte. Ihr Herz schlug bis zum Hals hinauf. Sie hatte sich noch nie so schrecklich gefürchtet.

Ich werde sterben, hallte es in ihr. Die Angst wird mich umbringen. Ich halte das nicht mehr lange aus.

Wieder bewegte sich die unheimliche Erscheinung, und Claudette biß sich die Lippe blutig. Wenn es ihr doch nur möglich gewesen wäre, zu fliehen. Aber sie konnte sich nicht rühren, sie war wie gelähmt und diesem grauenerregenden Schattenwesen hilflos ausgeliefert.

Die Erscheinung erreichte das Fußende des Bettes.

O Gott, ich bin verloren! schrie es in Claudette.

»Bitte…«, flüsterte sie mit ersterbender Stimme. »Ich flehe dich an, laß mich in Ruhe… Geh… Bitte, geh!«

Doch der Schatten kam näher. Er berührte die Bettdecke, und Claudette zog entsetzt die Beine an. Dunkelgraue Klauen krallten sich in die Decke. Ein jäher Ruck, und das blonde Mädchen war nicht länger zugedeckt. Hochflatternd flog die Decke durch den Raum und breitete sich über den Schaukelstuhl, der beim Fenster stand.

Nur mit einem Nachthemd bekleidet, lag Claudette auf dem weißen Laken. Eine fürchterliche Kälte kroch durch ihren Körper.

»Nein…«, schluchzte das verzweifelte Mädchen.

Scharfe Krallen kratzten über das Laken, und Claudette sah die Gespensterklaue unaufhaltsam näher kommen.

»Himmel, hilf…«

Aber der Himmel hatte kein Erbarmen. Wenige Zentimeter befand sich die Geisterhand noch von dem Mädchen entfernt.

Jetzt berührten die dürren Schattenfinger Claudettes Beine. Sie sehnte sich nach einer barmherzigen Ohnmacht, damit dieser Schrecken endlich aufhörte, aber sie verlor nicht das Bewußtsein.

Das unheimliche Wesen beugte sich über sie, und in diesem tiefen schattigen Grau wurde ein Gesicht sichtbar. Böse, gemein und haß­verzerrt waren die Züge, und in den Augen glomm ein grausames Feuer.

Das überlebe ich nicht, dachte Claudette von Grauen geschüttelt und schluchzte.

Erst jetzt kamen ihr die Züge bekannt vor. Es war eine Frau, die sich über sie beugte. Keine Fremde, nein, dieses Gesicht war ihr sehr vertraut. Es gehörte Virginia, ihrer Schwester.

Aber wieso erschien ihr Virginia als Geist? Sie war nicht tot. Virginia lebte!

»Claudette!« flüsterte die unheimliche Erscheinung. »Liebste Schwester!«

Böse klang Virginias Stimme, als würde sie ihre um sieben Jahre jüngere Schwester abgrundtief hassen.

»Was… was willst du von mir?« fragte Claudette stockend vor Angst.

Virginias kalte Totenhand streichelte ihre fahle Wange. »Wie schön du bist. Du warst immer schöner als ich. Ich kann das nicht mehr ertragen.«

»Um Gottes willen, Virginia, was hast du vor?«

»Es soll vorbei sein mit deiner Schönheit, liebste Schwester. Niemandem sollst du mehr gefallen. Oder hast du schon gehört, daß die Menschen Tote hübsch finden?«

Der Schatten beugte sich tiefer herab, und im nächsten Augenblick legten sich die furchtbaren Klauen um Claudettes Hals.

»Stirb, schöne Claudette«, flüsterte die Spukgestalt. Dann drückte sie erbarmungslos zu.

Claudette schlug wie von Sinnen um sich, doch ihre Fäuste trafen die unheimliche Schwester nicht. Jeder Schlag ging durch die graue Schattengestalt.

Claudette rang verzweifelt nach Luft. Heiße Tränen rannen ihr über die zuckenden Wangen, während die Todesangst ihr Herz zum Bersten bringen wollte.

Plötzlich aber löste sich der furcht-erregende Schatten auf. Claudette merkte, daß sie wieder zugedeckt war.

*

Alles war wieder wie vorher. Der Geist war verschwunden.

Es dauerte sehr lange, bis Claudette begriff, daß sie nur geträumt hatte.

Zitternd schlug sie die Hände vors Gesicht und versuchte sich zu beruhigen. Kein quälender Traum war jemals so realistisch gewesen wie dieser. Sie hatte tatsächlich geglaubt, ihre letzte Stunde hätte geschlagen. Ihr Herz schlug immer noch heftig.

Claudette warf die Decke zur Seite und stand auf. Ihre Knie waren weich und gaben nach. Das blonde Mädchen mußte sich wieder auf das Bett setzen. Nach einer Weile versuchte Claudette es noch einmal. Sie stemmte sich hoch, machte Licht und wankte ins Bad.

Sie wusch sich das Gesicht mit kristallklarem, eiskaltem Wasser und fand allmählich ihr geistiges Gleichgewicht wieder.

Dennoch kehrte sie besorgt ins Bett zurück. Sie hatte Angst vor einer Fortsetzung des schrecklichen Traums.

Ihre Gedanken schweiften immer wieder ab. Zu Virginia und deren Mann Steve, zu Anthony Howard, mit dem Claudette befreundet war…

Irgendwann fielen ihr die Augen zu. Sie wehrte sich vergeblich gegen den Schlaf. Er übermannte sie, aber der Alptraum fand keine Fortsetzung.

»Du siehst krank aus«, sagte An-thony Howard tags darauf zu Claudette. »Geht es dir nicht gut?«

Sie aßen in einem eleganten Restaurant in Mayfair. Anthony hatte angerufen und sie gebeten, mit ihm essen zu gehen. Er hatte ein lukratives Geschäft unter Dach und Fach gebracht und meinte, das müsse unbedingt gefeiert werden. Claudette wollte ihm die Freude nicht verderben, deshalb sagte sie zu, obwohl sie lieber zu Hause geblieben wäre.

Das blonde Mädchen seufzte. »Ich habe eine Nacht hinter mir, die wünsche ich nicht einmal meinem größten Feind.«

»Ein so bezauberndes, hübsches Mädchen wie du hat keine Feinde«, entgegnete Anthony.

Während sie nach dem langstieligen Weinglas griff, das vor ihr stand, fragte sie: »Hattest du schon mal einen Alptraum?«

Anthony lächelte. »Ich glaube, es gibt keinen Menschen, der davon verschont bleibt. Manche werden davon mehr, manche weniger heimgesucht. Du warst heute nacht an der Reihe, nicht wahr?«

Sie nickte.

»Erzähl mir davon.«

»Meine Schwester Virginia erschien als unheimliches Schattengespenst in meinem Schlafzimmer und wollte mich umbringen.« Sie schwieg einen Moment, da ihr die Erinnerung daran eisige Schauern über den Rücken jagte. Dann fuhr sie fort: »Du hättest sie sehen müssen. Spinnendürre Finger hatte sie und messerscharfe Krallen. Und ihre Hände waren so kalt wie die einer Toten. Sie war voller Haß auf mich.«

»Manchmal leben wir in Träumen unsere Gefühle und Befürchtungen aus. Was wir bei Tag ins Unterbewußtsein verdrängen, kann nachts wieder hochkommen und zum Alptraum werden. Hattest du jemals Angst vor deiner Schwester?«

Claudette schüttelte den Kopf, ohne nachzudenken. »Nein, noch nie. Wir liebten uns manchmal nicht gerade besonders, aber das kommt bei allen Geschwistern vor. Meinungsverschiedenheiten gibt es überall. Doch wenn es darauf ankommt, halten Virginia und ich wie Pech und Schwefel zusammen, obwohl wir nicht immer einer Meinung sind.«

Anthony Howard nahm einen Schluck Wein. Seit sechs Monaten kannten sie sich. Claudette war mit ihm auf dem Trafalgar Square zusammengestoßen. Sie war mit einer randvollen Einkaufstüte unterwegs gewesen, über die sie kaum hatte sehen können.

Nach dem Zusammenstoß rollten Apfelsinen und Konservendosen davon. Zerbrochenes Knabbergebäck lag auf dem Boden, und aus einem aufgeplatzten Becher rann träge goldbrauner Bienenhonig.

Anthony Howard hatte sich mehrfach entschuldigt. Ihren Einwand, sie wäre doch die Schuldige, ließ er nicht gelten, und er bestand darauf, wiedergutmachen zu dürfen, was er angestellt hatte.

Er sah hervorragend aus, jung und sportlich, hatte eine ungemein männliche Ausstrahlung, und sein Lächeln genügte, um das Herz einer Frau im Sturm zu erobern.

Ein Funke war damals auf dem Trafalgar Square von ihm auf sie übergesprungen. Ein Funke, der immer noch nicht erloschen war.

Er brachte sie mit dem Wagen nach Hause und ließ sie wissen, daß sie ihn sehr glücklich machen würde, wenn sie sich verabreden würden.

Und so wurde aus einem zufälligen Zusammenstoß eine Freundschaft, aus der noch viel mehr zu werden versprach.

Anthony kannte auch Claudettes Schwester und deren Mann. Die beiden hatten bis vor kurzem in London gewohnt. Jetzt lebten sie auf dem Land. Stokewich hieß der kleine Ort.

»Ich mache mir Sorgen um Virginia«, gestand Claudette. »Sie ist ein Stadtmensch. Sie kann sich auf dem Land unmöglich wohl fühlen.«

»Sie und ihr Mann könnten jederzeit nach London zurückkehren. Nichts hindert sie daran«, sagte An-thony. »Anscheinend gefällt es ihnen in dieser Abgeschiedenheit doch.«

»Eben das kann ich mir nicht vorstellen«, meinte Claudette.

Ein Kellner führte vier Personen an ihrem Tisch vorbei. Claudette blickte den Leuten gedankenverloren nach. Immer noch stand sie unter den unangenehmen Nachwirkungen des Alptraumes.

»Ich war immer hübscher als Virginia«, sagte sie leise. Es hatte den Anschein, als würde sie laut denken. »Meine Schwester litt sehr darunter. Manchmal war sie deswegen böse und gemein zu mir. Sie ruinierte meine Spielsachen, schlug mich manchmal und war sehr häßlich zu mir. Als wir größer wurden, legte sich diese Feindschaft. Virginia fand sich damit ab, daß sie nicht so schön war wie ich… In meinem Alptraum lebte diese alte Feindschaft aber wieder auf.«

»Du hast es Virginia noch nicht verziehen.«

»Doch, das habe ich«, erklärte Claudette schnell. »Ich bin nicht nachtragend.«

»Du nicht, aber dein Unterbewußtsein, auf das du keinen Einfluß hast.«

Claudette benetzte mit der Zungenspitze ihre Lippen. »In diesem entsetzlichen Alptraum wollte Virginia erreichen, daß ich nicht länger schön bin. Tote sind nicht schön, sagte sie. Es war grauenvoll, als sie mir ihre Klauen um den Hals legte. Ich möchte so etwas Häßliches nicht noch mal träumen.«

»Das glaube ich dir gern, und ich wünsche dir, daß sich dieser furchtbare Traum nicht wiederholt«, sagte Anthony. Er griff über den Tisch und legte seine Hand auf ihren Arm. Sein Blick versenkte sich in ihre veilchenblauen Augen. »Denk nicht mehr daran, Claudette. Solltest du Hilfe brauchen, ruf mich an.«

Sie lächelte. »Das ist sehr nett, daß du das sagst, Anthony. Aber wie möchtest du mir beistehen? Was kannst du gegen einen Alptraum unternehmen?«

»Ich möchte nur, daß du weißt, daß du immer auf mich zählen kannst«, meinte Anthony warm. »Wollen wir gehen?«

Claudette nickte.

Anthony leerte sein Glas, winkte dem Kellner und verlangte die Rechnung.

Er fuhr sie dann nach Hause, und sie fragte ihn, ob er noch arbeiten müsse.

»Nein«, sagte er. »Du kannst über mich verfügen.«

»Wie wär’s noch mit einer Tasse Tee?«

»Großartig«, fand Anthony.

Sie erreichten das Haus, in dem Claudette wohnte. Es war ein altes Backsteingebäude, das um die Jahrhundertwende errichtet worden war. Claudette war seit drei Jahren hier zu Hause.

Früher hatte sie in einem winzigen Apartment in der Nähe des Picadilly Circus gewohnt. Heute standen ihr vier große Zimmer zur Verfügung. Und die Miete war nur unwesentlich höher.

Als Anthony das Fahrzeug anhielt, nahm Claudettes hübsches Gesicht einen überraschten Ausdruck an. Vor dem Haustor ging ein weißblonder Mann im grauen Flanellanzug auf und ab. Er blickte immer wieder ungeduldig auf die Uhr.

»Das ist ja Steve Stanton, dein Schwager«, stellte Anthony Howard ebenso erstaunt fest.

Claudette fragte sich unwillkürlich, ob etwas mit Virginia passiert war. War sie ihr deshalb im Traum als Geist erschienen?

»Steve!«

Anthony folgte dem blonden Mädchen.

»Steve«, sagte Claudette noch einmal und umarmte ihren Schwager. Sie lächelte freundlich. »Schön, dich zu sehen.«

»Hallo, Steve«, meinte Anthony. »Wie geht’s?«

Die Männer schüttelten sich die Hand.

»Wo ist Virginia?« wollte Clau-dette wissen.

»In Stokewich«, brummte Steve.

»Warum ist sie nicht mitgekommen?«

»Ich habe sie nicht mitgenommen«, sagte Steve.

»Hat es Krach gegeben?« fragte Claudette besorgt.

»Wie wär’s, wenn wir erst mal ins Haus gingen?« schlug Anthony Howard vor, womit die anderen einverstanden waren.

In der Wohnung bekam Steve Stanton erst einmal einen Drink, denn er sah so aus, als hätte er einen nötig. Claudette bot auch Anthony einen an, doch dieser lehnte dankend ab.

Claudette wollte Steve nicht drängen, über sein Problem mit Virginia zu sprechen. Er mußte von selbst damit anfangen. Inzwischen setzte sie Teewasser auf. Als sie ins Wohnzimmer zurückkehrte, war Steves Glas leer.

Es war ungewöhnlich, daß er so schnell trank. Irgend etwas schien ihn sehr zu ärgern.

»Hast du lange vor dem Haus gewartet?« fragte Claudette, um ein Gespräch in Gang zu bringen.

»Etwa eine halbe Stunde«, antwortete Steve.

Was mochte ihn von Stokewich fortgetrieben haben?

Er war Schriftsteller, schrieb Kurzromane für Zeitschriften und Frauenromane, die in Serie erschienen. Er verdiente damit zwar kein Vermögen, aber er konnte davon gut leben. Claudette las gern, was er schrieb. Sein Stil war flüssig, und seine Stories erzeugten ein gewisses Prickeln beim Leser, hatten Aussagekraft und waren brillant konstruiert, ohne daß es einem aufgefallen wäre, daß sie konstruiert waren.

»Bist du geschäftlich hier?« fragte Claudette.

Die meisten Verlage, für die ihr Schwager arbeitete, hatten ihren Sitz in London. Aber Steve Stanton schüttelte den Kopf und sagte, er wäre nicht nach London gekommen, um sich mit Redakteuren zu treffen.

»Daß Ihnen immer wieder etwas Neues einfällt, ist schon phänomenal«, fand Anthony.

»Ich sehe mich als guten Handwerker, der weiß, worauf es ankommt. Viele Geschichten liefert mir das Leben. Man braucht nur mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und sich aufmerksam umzusehen. Da bieten sich Dutzende Stories an. Das Leben ist der beste Ideenlieferant.«

Sie wußten, daß dies alles nur ein Hin-und-her-Gerede war. Der Schriftsteller brauchte noch einen dritten Whisky. Erst dieser löste seine Zunge, und er sagte gepreßt: »Es war ein Fehler, nach Stokewich zu ziehen.«

»Ein Fehler, den man jederzeit wieder rückgängig machen kann«, sagte Claudette. Sie setzte sich in einen Sessel und schlug die Beine

übereinander.

»Anscheinend ist das nicht mehr möglich«, erklärte Steve Stanton ernst.

»Das verstehe ich nicht«, meinte Claudette erstaunt. »Als Schriftsteller bist du doch unabhängig. Ob du deine Romane in Stokewich oder in London schreibst… Dem Leser ist das egal.«

»Dem Leser schon«, sagte Steve. »Aber Virginia nicht.«

»Du willst damit doch nicht etwa sagen, sie weigert sich, Stokewich zu verlassen«, sagte Claudette ungläubig.

»Genauso ist es aber.«

»Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Meine Schwester liebt London. Ich bin sicher, sie war nicht sehr glücklich darüber, mit dir nach Stokewich zu gehen.«