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Gustav Freytags Buch 'Ausgewählte Dramen' präsentiert eine Sammlung seiner bekanntesten Werke, darunter 'Die Journalisten' und 'Soll und Haben'. In diesen Dramen beschäftigt sich Freytag mit zeitgenössischen sozialen und politischen Themen, wobei er oft humorvolle und satirische Elemente einbezieht. Sein literarischer Stil zeichnet sich durch klare Sprache und präzise Charakterisierungen aus, die die Leser tief in die Handlung eintauchen lassen. Als einer der bedeutendsten Vertreter des Realismus im 19. Jahrhundert spielt Freytag eine wichtige Rolle in der deutschen Literaturgeschichte.
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Oberst a. D. Berg. Ida, seine Tochter. Adelheid Runeck. Senden, Gutsbesitzer.Professor Oldendorf, Redacteur der Zeitung »Union«. Konrad Bolz, Redacteur der Zeitung »Union«. Bellmaus, Kämpe und Körner, Mitarbeiter der Zeitung »Union«.Buchdrucker Henning, Eigenthümer der Zeitung »Union«. Müller, Factotum. Blumenberg, Redacteur der Zeitung »Coriolan«. Schmock, Mirarbeiter der Zeitung »Coriolan«. Piepenbrink, Weinhändler und Wahlmann. Lotte, seine Frau. Bertha, ihre Tochter. Kleinmichel, Bürger und Wahlmann. Fritz, sein Sohn.Justizrat Schwarz.Eine fremde Tänzerin. Korb, Schreiber vom Gute Adelheids. Karl, Bedienter des Obersten.Ein Kellner.Ressourcengäste. Deputationen der Bürgerschaft.
Ort der Handlung: die Hauptstadt einer Provinz.
Gartensaal im Hause des Obersten. Reiche Decoration. In der Mitte der Hinterwand eine offene Thür, dahinter eine Veranda und der Garten, an den Seiten der Hinterwand große Fenster. Rechts und links Thüren, rechts ganz im Vordergrunde ein Fenster. – Tische, Stühle, ein kleines Sopha.
Ida sitzt im Vordergrunde rechts, in einem Buche lesend; Oberst tritt zur Mittelthür herein, in der Hand eine offene Schachtel, in welcher Georginen liegen.
Oberst. Hier, Ida, sind die neuen Sorten der Georginen, welche unser Gärtner gezogen hat, du sollst Namen für sie erfinden, denke darüber nach. Uebermorgen ist Sitzung des Vereins für Gartenbau, da will ich unsere neuen Sorten vorzeigen und die Namen angeben.
Ida. Hier die helle soll »Adelheid« heißen.
Oberst. »Adelheid Runeck«, das versteht sich! – Dein eigner Name ist nicht zu brauchen, denn du bist als kleine Georgine schon lange im Blumenhandel.
Ida. Eine soll heißen wie Ihr Lieblingsdichter »Boz«.
Oberst. Vortrefflich, und das muß eine recht prächtige sein, hier die gelbe mit violetten Spitzen. – Und die dritte, wie taufen wir die?
Ida (bittend ihre Hand dem Vater hinhaltend). »Eduard Oldendorf«.
Oberst. Was? der Professor? der Redacteur? Nein, das ist nichts! – Es war schon arg genug, daß er die Zeitung übernahm; daß er sich aber jetzt von seiner Partei hat verleiten lassen, als Wahlcandidat für die Kammern aufzutreten, das kann ich ihm gar nicht verzeihen.
Ida. Da kommt er selbst!
Oberst (für sich). Sonst war mir's eine Freude, seinen Fußtritt zu hören; jetzt muß ich an mich halten, daß ich nicht unhöflich werde, so oft ich ihn sehe.
Oldendorf.
Oldendorf. Guten Morgen, Herr Oberst!
Ida (ihm freundlich entgegen). Guten Morgen, Oldendorf. – Helfen Sie mir die neuen Georginen bewundern, die der Vater gezogen hat.
Oberst. Bemühe doch den Professor nicht, solcher Tand ist nichts mehr für ihn, er hat Größeres im Kopfe.
Oldendorf. Jedenfalls bin ich nicht unfähig geworden, mich über das zu freuen, was Ihnen Freude macht.
Oberst (brummend, für sich). Das haben Sie mir nicht gerade bewiesen, ich fürchte, Sie finden ein Vergnügen darin, zu thun, was mich ärgert. – Sie haben wohl jetzt viel zu thun mit Ihrer Wahl, Herr Abgeordneter in Hoffnung?
Oldendorf. Sie wissen, Herr Oberst, daß ich selbst am wenigsten dabei zu thun habe.
Oberst. Ich denke doch. Es ist ja sonst Brauch bei solchen Wahlen, daß man einflußreichen Personen den Hof macht und den Wählern die Hand drückt, Reden hält, Versprechungen um sich streut und wie die Teufeleien alle heißen.
Oldendorf. Sie glauben selbst nicht, Herr Oberst, daß ich etwas Unwürdiges thun werde.
Oberst. Nicht? – Ich bin nicht sicher, Oldendorf. Seit Sie Journalist geworden sind, Ihre Union redigieren und dem Staat alle Tage vorhalten, wie mangelhaft er eingerichtet ist, seit der Zeit sind Sie nicht mehr der Alte.
Oldendorf (der sich bis dahin mit Ida über die Blumen unterhalten, sich zum Oberst wendend). Steht das, was ich jetzt sage oder schreibe, in Widerspruch mit meinen früheren Ansichten? Sie werden mir das schwerlich nachweisen können. Und noch weniger werden Sie in meinem Gefühl und Benehmen Ihnen gegenüber eine Aenderung bemerkt haben.
Oberst (verstockt). Nun, das wäre ja recht schön. – Ich will mir den Morgen nicht durch Streit verderben, Ida mag zusehen, ob sie besser mit Ihnen zurechtkommt. Ich gehe zu meinen Blumen. (Nimmt die Schachtel, ab nach dem Garten).
Oldendorf. Woher kommt die üble Laune des Vaters? Hat ihn wieder etwas aus der Zeitung geärgert?
Ida. Ich glaube nicht. Es ist ihm aber schmerzlich, daß Sie jetzt in der Politik auf's neue in die Lage kommen, Maßregeln anzurathen, die er haßt, und Einrichtungen anzugreifen, die er verehrt. – (Schüchtern) Oldendorf, ist es denn nicht möglich, daß Sie sich von der Wahl zurückziehen?
Oldendorf. Es ist unmöglich.
Ida. Ich würde Sie hier behalten und der Vater könnte seine gute Laune wieder gewinnen, denn er würde Ihnen das Opfer, welches Sie ihm bringen, sehr hoch anrechnen. Wir dürfen dann hoffen, daß unsere Zukunft wieder so friedlich wird, wie die Vergangenheit war.
Oldendorf. Ich weiß das, Ida, und ich habe bei der Aussicht, Abgeordneter dieser Stadt zu werden, jedes andere Gefühl, nur keine Freude, und doch kann ich nicht zurücktreten.
Ida (sich abwendend). Der Vater hat Recht, seit Sie die Zeitung redigieren, sind Sie ein Anderer geworden.
Oldendorf. Ida! auch Sie? Wenn diese Verstimmung zwischen uns beide tritt, dann werde ich sehr arm.
Ida. Lieber Eduard! – ich bin nur traurig, daß ich Sie so lange entbehren soll.
Oldendorf. Noch bin ich nicht gewählt! Werde ich Deputirter und geht es nach mir, so führe ich Sie nach der Residenz, um Sie nie wieder von meiner Seite zu lassen.
Ida. Ach, Eduard, daran dürfen wir jetzt nicht denken. – Schonen Sie nur den Vater.
Oldendorf. Sie hören, ich ertrage viel von ihm. Auch gebe ich die Hoffnung nicht auf, daß er sich mir versöhnt. Wenn diese Wahl vorüber ist, dann will ich noch einmal bei seinem Herzen anfragen. Vielleicht erobere ich einen günstigen Bescheid und unsere Vereinigung.
Ida. Sein Sie nur recht aufmerksam auf seine kleinen Liebhabereien. Er ist im Garten bei seinem Georginenbeet, freuen Sie sich über die bunten Farben. Wenn Sie recht geschickt sind, nennt er vielleicht noch eine Eduard Oldendorf. Wir haben schon darüber verhandelt; kommen Sie! (Beide ab.)
Senden, Blumenberg, Karl, Schmock.
Senden (eintretend). Ist der Herr Oberst allein?
Karl. Herr Professor Oldendorf ist bei ihm.
Senden. Melden Sie uns. (Karl ab.) – Immer noch dieser Oldendorf! Hören Sie, Blumenberg, die Verbindung des alten Herrn mit der Union muß ein Ende nehmen. Er gehört nicht vollständig zu uns, so lange der Professor hier aus- und eingeht. Wir brauchen die einflußreiche Person des Obersten –
Blumenberg. Und sein Haus ist das erste in der Stadt, die beste Gesellschaft, gute Weine und Kunst!
Senden. Außerdem habe ich meine Privatgründe, den Obersten für uns zu gewinnen; und überall ist uns der Professor und seine Clique im Wege.
Blumenberg. Die Freundschaft wird ein Ende nehmen. Ich versprechen Ihnen, daß sie ein Ende nehmen soll in diesen Wochen nach und nach. Der erste Schritt dazu ist gethan. Die Herren von der Union sind in die Falle gegangen.
Senden. In welche Falle?
Blumenberg. Die ich ihnen in unserer Zeitung gestellt habe. – (Sich umwendend zu Schmock, der an der Thür steht.) Warum stehen Sie hier, Schmock? können Sie nicht am Thor warten?
Schmock. Ich bin gegangen, wo Sie gegangen sind. Warum soll ich nicht hier stehen? Ich kenne den Obersten so gut, wie Sie.
Blumenberg. Sein Sie nicht dreist, sein Sie nicht insolent. Gehen Sie und warten Sie am Thor, und wenn ich Ihnen den Artikel bringe, so laufen Sie damit schnell nach der Druckerei. Verstehen Sie?
Schmock. Was soll ich nicht verstehen, wenn Sie schreien wie ein Rabe? (Ab.)
Blumenberg (zu Senden). Er ist ein ordinärer Mensch, aber er ist brauchbar! Jetzt sind wir allein, hören Sie. Neulich, als Sie mich hier einführten, habe ich den Obersten gebeten und gedrängt, daß er doch einmal seine Gedanken über die Zeitereignisse niederschreiben solle.
Senden. Ja leider! Sie haben ihm grob genug geschmeichelt, aber der alte Herr fing doch Feuer.
Blumenberg. Was er geschrieben hatte, haben wir ihn gebeten vorzulesen; er hat's vorgelesen, wir haben's gelobt.
Senden. Es war aber sehr langweilig.
Blumenberg. Ich habe ihn darum gebeten für unsere Zeitung.
Senden. Leider! und ich muß jetzt dicke Artikel in Ihre Druckerei tragen. Diese Aufsätze sind zu schwerfällig; für den Coriolan sind sie kein Gewinn.
Blumenberg. Ich habe sie doch mit Vergnügen abgedruckt. Wenn einer für ein Blatt geschrieben hat, so wird er ein guter Freund des Blattes. Der Oberst hat sogleich auf den Coriolan abonnirt und hat mich den Tag darauf zu Tisch geladen.
Senden (achselzuckend). Wenn das der ganze Gewinn ist!
Blumenberg. Es ist nur der Anfang. – Die Artikel sind ungeschickt, warum soll ich's nicht sagen!
Senden. Das weiß Gott!
Blumenberg. Und Niemand weiß, wer der Verfasser ist.
Senden. So verlangte der alte Herr! Ich glaube, er hat Angst vor Oldendorf.
Blumenberg. Deshalb ist es gekommen, wie ich gedacht habe. Oldendorfs Zeitung hat heute diese Artikel angegriffen. Hier ist die neueste Nummer der Union.
Senden. Zeigen Sie her. – Das wird ja eine famose Confusion! Ist der Angriff grob?
Blumenberg. Der Oberst wird ihn sicher für grob halten. Glauben Sie, daß uns das helfen wird gegen den Professor?
Senden. Sie sind auf Ehre der schlaueste Teufel, der je aus einem Tintenfaß gekrochen ist.
Blumenberg. Geben Sie her, der Oberst kommt.
Oberst.
Oberst. Guten Morgen, meine Herren! – (bei Seite) Und gerade ist Oldendorf hier, wenn er jetzt nur im Garten bliebe! – Nun, Herr Redacteur, was macht der Coriolan?
Blumenberg. Unsere Leser bewundern die neuen Artikel mit dem Pfeil. Habe ich vielleicht Hoffnung, wieder etwas –
Oberst (ein Manuscript aus der Tasche ziehend, sich umsehend). Ich vertraue Ihrer Discretion. Ich wollte es eigentlich noch einmal durchlesen wegen des Periodenbaues.
Blumenberg. Das macht sich am besten bei der Revision.
Oberst. Ich glaube, es wird angehen. Nehmen Sie; aber reinen Mund gehalten, –
Blumenberg. Sie erlauben, daß ich es sogleich nach der Druckerei schicke. (An der Thür.) Schmock!
(Schmock erscheint an der Thür, nimmt das Manuscript, schnell ab.)
Senden. Blumenberg hält das Blatt wacker, aber er hat Feinde, er muß sich tüchtig wehren.
Oberst (vergnügt). Feinde? Wer hat die nicht! Aber die Herren Journalisten haben Nerven, wie die Frauen! Alles regt euch auf, jedes Wort, das Jemand gegen euch sagt, empört euch! Geht mir, ihr seid empfindliche Leute.
Blumenberg. Vielleicht haben Sie Recht, Herr Oberst. Aber wenn man Gegner hat, wie diese Union –
Oberst. Ja, die Union, die ist auch beiden ein Dorn im Auge. Ich lobe Vieles nicht, was darin steht; aber was wahr ist, gerade im Alarmschlagen, in der Attake, im Einhauen ist sie geschickter, als Ihr Blatt. Die Artikel sind witzig; auch wenn sie Unrecht haben, man muß doch darüber lachen.
Blumenberg. Nicht immer. In dem heutigen Angriff auf die besten Artikel, die der Coriolan seit lange gebracht hat, sehe ich gar keinen Witz.
Oberst. Angriff auf welche Artikel?
Blumenberg. Auf die Ihrigen, Herr Oberst. Ich muß das Blatt bei mir haben. (Sucht und gibt ihm ein Blatt der Union).
Oberst. Oldendorfs Zeitung greift meine Aufsätze an! (Liest) »Wir bedauern eine solche Unkenntniß« –
Blumenberg. Und hier –
Oberst. »Es ist eine unverzeihliche Anmaßung« – Was, ich wäre anmaßend?
Blumenberg. Und hier –
Oberst. »Man kann zweifeln, ob die Naivetät des Einsenders komisch oder traurig ist, jedenfalls hat er kein Recht mitzusprechen« – (das Blatt wegwerfend) O, das ist nichtswürdig! Das sind Gemeinheiten!
Ida, Oldendorf (aus dem Garten).
Senden. Jetzt bricht das Wetter los!
Oberst. Herr Professor, Ihre Zeitung macht Fortschritte. Zu den schlechten Grundsätzen kommt jetzt noch etwas Anderes, die Gemeinheit.
Ida (erschrocken). Vater!
Oldendorf (vortretend). Herr Oberst, was berechtigt Sie zu diesem kränkenden Wort?
Oberst (ihm die Zeitung hinhaltend). Sehen Sie hierher! Das steht in Ihrer Zeitung. In Ihrer Zeitung, Oldendorf!
Oldendorf. Die Haltung des Angriffs ist nicht ganz so ruhig, wie ich gewünscht hätte –
Oberst (ihn unterbrechend). Nicht ganz so ruhig! Wirklich nicht?
Oldendorf. In der Sache selbst hat der Angriff Recht.
Oberst. Herr, das wagen Sie mir zu sagen?
Ida. Vater!
Oldendorf. Herr Oberst, ich begreife diese Stimmung nicht, und ich bitte Sie darauf Rücksicht zu nehmen, daß wir vor Zeugen sprechen.
Oberst. Fordern Sie keine Rücksichten. An Ihnen wäre es gewesen, Rücksicht gegen den Mann zu beobachten, dessen Freundschaft Sie sonst so sehr in Anspruch nehmen.
Oldendorf. Haben Sie vor Allem die Aufrichtigkeit, mir zu sagen, in welcher Verbindung Sie selbst mit den angegriffenen Artikeln des Coriolan stehen.
Oberst. In einer sehr zufälligen Verbindung, welche in Ihren Augen zu unbedeutend ist, um Berücksichtigung zu verdienen. Die Artikel sind von mir!
Ida. O mein Gott!
Oldendorf (heftig). Von Ihnen? Artikel im Blatte dieses Herrn?
Ida (flehend). Oldendorf!
Oldendorf (ruhiger). Die Union hat nicht Sie angegriffen, sondern einen Unbekannten, der für uns nichts als ein Parteigenosse dieses Herrn war. Sie hätten uns beiden diese peinliche Scene erspart, wenn Sie mir kein Geheimniß daraus gemacht hätten, daß Sie ein Correspondent des Coriolan sind.
Oberst. Sie werden es ertragen müssen, daß ich Sie auch ferner nicht zum Vertrauten meiner Handlungen mache. Sie haben mir hier einen gedruckten Beweis von Freundschaft gegeben, der mich nach anderen nicht lüstern macht.
Oldendorf (seinen Hut nehmend). Und ich kann Ihnen nur die Erläuterung geben, daß ich den Vorfall tief bedauere, mich aber außer aller Schuld fühle. Ich hoffe, Herr Oberst, daß Sie bei ruhiger Prüfung dieselbe Ansicht gewinnen werden. Leben Sie wohl, Fräulein. Ich empfehle mich Ihnen. (Ab bis zur Mittelthür.)
Ida (flehend). Vater, laß ihn nicht so von uns gehen!
Oberst. Es ist besser, als wenn er bleibt.
Adelheid.
Adelheid (in elegantem Reisekleid eintretend, trifft an der Thür mit Oldendorf zusammen). Nicht so schnell, Herr Professor!
Oldendorf (küßt ihr die Hand, ab).
Ida. Adelheid! (Eilt in ihre Arme.)
Oberst (zugleich). Adelheid! Und gerade jetzt!
Adelheid (Ida an sich haltend, nach dem Obersten die Hand ausstreckend). Geben Sie Ihrem Landmädchen die Hand. Die Tante grüßt und Gut Rosenau empfiehlt sich demüthig in seinem braunen Herbstkleide. Die Felder sind leer und im Garten tanzt das dürre Laub mit dem Winde. – Ah, Herr von Senden!
Oberst (vorstellend). Herr Redacteur Blumenberg!
Senden. Wir sind entzückt, unsere eifrige Landwirthin in der Stadt zu begrüßen.
Adelheid. Und wir hätten uns gefreut, unserm Gutsnachbar manchmal auf dem Lande zu begegnen.
Oberst. Er hat hier viel zu thun, er ist ein großer Politiker und arbeitet eifrig für die gute Sache.
Adelheid. Ja, ja, wir lesen von seinen Thaten in der Zeitung. – Ich bin gestern über Ihr Feld gefahren, Ihre Kartoffelernte ist noch nicht beendet, Ihr Amtmann ist nicht fertig geworden.
Senden. Die Rosenauer haben das Vorrecht, acht Tage eher fertig zu sein, als jeder Andere.
Adelheid. Dafür verstehen wir auch nichts Anderes als unsere Wirthschaft. (Freundlich) Die Nachbarschaft läßt Sie grüßen.
Senden. Ich danke. Wir gönnen Sie jetzt Freunden, die näheres Anrecht an Sie haben, aber Sie bewilligen mir noch heut eine Audienz, damit ich die Neuigkeiten unserer Gegend von Ihnen erbitte.
Adelheid (verneigt sich).
Senden. Leben Sie wohl, Herr Oberst, (zu Ida) ich empfehle mich Ihrer Gnade, Fräulein. (Ab mit Blumenberg.)
Ida (Adelheid umarmend). Ich habe dich! Jetzt wird alles gut werden!
Adelheid. Was soll gut werden? Ist etwas nicht gut? Dort hinten ging Jemand schneller an mir vorüber, als sonst seine Art ist – und hier sehe ich feuchte Augen und eine gefurchte Stirn. (Küßt sie auf die Augen) Sie sollen dir die hübschen Augen nicht verderben. – Und Sie, mein würdiger Freund, machen Sie mir ein freundliches Gesicht.
Oberst. Sie bleiben den Winter über bei uns, es ist seit langer Zeit der erste, den Sie uns schenken; wir wollen diese Gunst zu verdienen suchen.
Adelheid (ernst). Es ist der erste seit dem Tode meines Vaters, an dem ich Lust habe, wieder mit der Welt zu verkehren. Außerdem habe ich Geschäfte hier. Sie wissen, ich bin in diesem Sommer mündig geworden, und unser Rechtsfreund, Justizrath Schwarz, fordert meine Anwesenheit. – Höre, Ida, die Leute packen aus, geh' zum Rechten sehen! (bei Seite) und halte ein feuchtes Tuch über die Augen, man sieht, daß du geweint hast. (Ida ab nach rechts, Adelheid schnell zum Obersten tretend.) Was ist das mit Ida und dem Professor?
Oberst. Da wäre viel zu reden! Ich will mir jetzt die Freude nicht verderben. Es geht nicht recht mit uns Männern, die Ansichten sind zu verschieden.
Adelheid. Waren die Ansichten früher nicht auch verschieden? Und doch war Ihr Verhältniß zu Oldendorf so gut.
Oberst. So verschieden waren sie doch nicht.
Adelheid. Und welcher von Ihnen hat sich geändert?
Oberst. Hm! doch wohl er! Er wird zu Vielem verleitet durch seine schlechte Umgebung; da sind einige Menschen, Journalisten seiner Zeitung, vor allen ein gewisser Bolz.
Adelheid (bei Seite). Was muß ich hören!
Oberst. Aber Sie kennen ihn wohl selbst, er stammt ja aus Ihrer Gegend.
Adelheid. Er ist ein Rosenauer Kind.
Oberst. Ich erinnere mich. Schon Ihr seliger Vater, mein braver General, konnte ihn nicht leiden.
Adelheid. Wenigstens hat er das zuweilen gesagt.
Oberst. Seitdem ist dieser Bolz ein excentrischer Mensch geworden. Er soll unregelmäßig leben, und seine Sitten scheinen mir ziemlich frei zu sein. Er ist Oldendorfs böser Engel.
Adelheid. Das wäre traurig! – Nein, das glaube ich nicht!
Oberst. Was glauben Sie nicht, Adelheid?
Adelheid (lächelnd). Ich glaube nicht an böse Engel. – Was zwischen Ihnen und Oldendorf schlimm geworden ist, kann wieder gut werden. Heute Feind, morgen Freund, heißt es in der Politik; aber Ida's Gefühl wird sich nicht so schnell ändern. – Herr Oberst, ich habe ein prächtiges Modell zu einem Kleide mitgebracht, das neue Kleid will ich diesen Winter als Brautjungfer tragen.
Oberst. Daran ist nicht zu denken! So lasse ich mich nicht fangen, Mädchen. Ich spiele den Krieg in Feindesland. Warum treiben Sie andere Leute zum Altar, und Sie selbst müssen erleben, daß Ihre ganze Nachbarschaft Sie spottend die Dornenrose und den jungfräulichen Landwirth nennt.
Adelheid (lachend). Ja, das thut sie.
Oberst. Die reichste Erbin der ganzen Gegend! umschwärmt von einem Heer Anbeter, und so fest verschlossen gegen jedes Gefühl; Niemand kann sich das erklären!
Adelheid. Mein Oberst, wenn unsere jungen Herren so liebenswürdig wären, wie gewisse ältere – ach, aber das sind sie nicht.
Oberst. Sie entschlüpfen mir nicht. Wir wollen Sie festhalten in der Stadt, bis unter unsern jungen Männern einer gefunden ist, den Sie für würdig halten, unter Ihr Commando zu treten; denn, wen Sie auch zum Gemahl wählen, es wird ihm gehen, wie mir, er wird zuletzt doch immer nach Ihrem Willen thun müssen.
Adelheid (schnell). Wollen Sie nach meinem Willen thun mit Ida und dem Professor? – Jetzt halte ich Sie fest.
Oberst. Wollen Sie mir den Gefallen thun und diesen Winter bei uns Ihre Gattenwahl halten? – Ja? Jetzt habe ich Sie gefangen.
Adelheid. Es gilt! schlagen Sie ein! (Hält ihm die Hand hin.)
Oberst (einschlagend, lacht). Das war überlistet! (Ab durch die Mittelthür.)
Adelheid (allein). Ich denke, nein! – Wie, Herr Konrad Bolz, ist das Ihr Lob unter den Leuten? Sie leben unregelmäßig? Sie haben freie Sitten? Sie sind ein böser Engel? –
Korb.
Korb (aus der Mittelthür mit einem Packet). Wo soll ich die Rechnungsbücher und Papiere hintragen, gnädiges Fräulein?
Adelheid. In mein Zimmer. – Hören Sie, lieber Korb – haben Sie Ihre Stube hier in Ordnung gefunden?
Korb. Auf's allerschönste. Der Bediente hat mir zwei Stearinlichter hineingestellt; es ist reine Verschwendung.
Adelheid. Sie sollen heut den ganzen Tag für mich keine Feder anrühren; ich will, daß Sie sich die Stadt ansehen und Ihre Bekannten besuchen. Sie haben doch Bekannte hier?
Korb. Nicht gerade viel, es ist über ein Jahr her, daß ich nicht hier war.
Adelheid (gleichgültig). Sind denn keine Rosenauer hier?
Korb. Unter den Soldaten sind vier aus dem Dorfe. Da ist der Johann Lutz vom Schimmellutz –
Adelheid. Ich weiß. – Ist sonst Niemand aus dem Dorfe hier, den Sie kennen?
Korb. Sonst Niemand, natürlich außer ihm –
Adelheid. Außer ihm? Wer ist das?
Korb. Nun, unser Herr Konrad.
Adelheid. Richtig, der! Besuchen Sie den nicht? Ich denke, ihr seid immer gute Freunde gewesen.
Korb. Ob ich den besuche? Mein erster Gang ist zu ihm. Ich habe mich während der ganzen Reise darauf gefreut. Das ist eine treue Seele, auf den kann das Dorf stolz sein.
Adelheid (warm). Ja, der hat ein treues Herz!
Korb (eifrig). Immer lustig und immer freundlich, und wie er am Dorfe hängt! Der arme Herr, er ist so lange nicht dort gewesen.
Adelheid. Still davon!
Korb. Der wird mich ausfragen, nach der Wirthschaft –
Adelheid (eifrig). Und nach den Pferden. Der alte Falbe, auf dem er so gern ritt, lebt noch.
Korb. Und nach den Sträuchern, die er mit Ihnen gepflanzt hat.
Adelheid. Besonders der Fliederbusch, wo jetzt meine Laube steht; sagen Sie ihm das nur.
Korb. Und nach dem Teiche. Sechzig Schock Karpfen.
Adelheid. Und ein Schock Goldschleien, vergessen Sie das nicht. Und der alte Karpfen mit dem Kupferring am Leibe, den er ihm umgelegt, ist bei dem letzten Fischzug mit herausgekommen, wir haben ihn wieder eingesetzt.
Korb. Und wie wird er nach Ihnen fragen, gnädiges Fräulein!
Adelheid. Sagen Sie ihm, daß ich gesund bin.
Korb. Und wie Sie seit dem Tode des Herrn Generals die Wirthschaft führen; und daß Sie seine Zeitung halten, die lese ich nachher den Bauern vor.
Adelheid. Das brauchen Sie ihm gerade nicht zu sagen. (Seufzend bei Seite) Auf die Weise werde ich nichts erfahren! – (Pause, mit Gravität) Hören Sie, lieber Korb, ich habe allerlei über Herrn Bolz gehört, was mich gewundert hat. Er soll sehr wild leben.
Korb. Ja, das glaub' ich, ein wildes Füllen war er immer.
Adelheid. Er soll mehr Geld ausgeben, als er einnimmt.
Korb. Ja, das ist wohl möglich. Aber lustig gibt er's aus, davon bin ich überzeugt.
Adelheid (bei Seite). Bei dem werde ich mir auch keinen Trost holen! – (Gleichgültig) Er hat doch jetzt eine gute Stellung, ob er sich nicht bald eine Frau suchen wird?
Korb. Eine Frau? – Nein, das thut er nicht, das ist nicht möglich.
Adelheid. Ich habe doch so etwas gehört; wenigstens soll er sich für eine junge Dame sehr interessiren, man spricht davon.
Korb. Das wäre ja – Nein, das glaube ich nicht. – (Eilig) Das will ich ihn doch gleich fragen.
Adelheid. Er selbst wird es Ihnen am wenigsten sagen; so etwas erfährt man von den Freunden und Bekannten eines Mannes. – Die Leute im Dorfe sollten's doch wissen, wenn einer aus Rosenau heiratet.
Korb. Freilich, dahinter muß ich kommen.
Adelheid. Das würden Sie sehr klug anfangen müssen, Sie wissen, wie schlau er ist.
Korb. O, ich will ihn schon überlisten. Ich werde etwas erfinden.
Adelheid. Gehen Sie, lieber Korb! (Korb ab.) – Das war eine traurige Nachricht, die mir der Oberst entgegentrug. Konrad sittenlos, unwürdig! Es ist unmöglich. So kann sich ein edler Sinn nicht verändern. Ich glaube kein Wort von Allem, was sie mir über ihn sagen. (Ab.)
Redactionszimmer der Union. Thüren in der Mitte und zu beiden Seiten. Im Vordergrund links ein Arbeitstisch mit Zeitungen und Papieren, rechts ein ähnlicher, kleinerer Tisch, Stühle.
Bolz aus der Seitenthür rechts, darauf Müller durch die Mittelthür.
Bolz (eifrig). Müller! Factotum! Wo sind die Postsachen?
Müller (behend mit einem Pack Briefe und Zeitungen) Hier, Herr Bolz, ist die Post, – und hier aus der Druckerei das Probeblatt unserer heutigen Abendnummer zur Revision.
Bolz (am Tische links Briefe schnell öffnend, durchsehend und mit Bleistift bezeichnend). Ich habe die Revision bereits gemacht, alter Schelm.
Müller Nicht ganz. Hier unten ist noch das Mannigfaltige, welches Herr Bellmaus den Setzern gegeben hat.
Bolz. Her damit! (Liest in der Zeitung) Wäsche vom Boden gestohlen – Drillinge geboren – Concert, Concert, Vereinssitzung, Theater – Alles in Ordnung – Neuerfundene Locomotive; die große Seeschlange gesehen (Aufspringend) Alle Wetter, kommt der wieder mit der alten Seeschlange! ich wollte, sie würde ihm als Gelee gekocht und er müßte sie kalt aufessen. (Eilt zur Thür rechts) Bellmaus, Ungeheuer, komm hervor!
Bellmaus.
Bellmaus (von rechts eintretend, die Feder in der Hand). Was gibt's? Wozu der Lärm?
Bolz (feierlich). Bellmaus, als wir dir die Ehre erwiesen, dich mit Verfertigung der Nippessachen für dieses Blatt zu betrauen, da war die Meinung nicht, daß du die ewige große Seeschlange durch die Spalten unserer Zeitung wälzen solltest! – - Wie konntest du die abgedroschene Lüge wieder hineinsetzen?
Bellmaus. Sie paßte gerade, es fehlte an sechs Zeilen.
Bolz. Das ist eine Entschuldigung, aber keine gute. Erfinde deine eigenen Geschichten, wozu bist du Journalist? Mache ein kleines »Eingesandt«, z. B. eine Betrachtung über Menschenleben im Allgemeinen, oder über das Umherlaufen von Hunden auf der Straße, oder suche eine haarsträubende Geschichte heraus, vielleicht einen Meuchelmord aus Höflichkeit, oder wie ein Hamster sieben schlafende Kinder erbissen hat, oder so etwas. – Es gibt so Vieles, was geschieht, und so ungeheuer Vieles, was nicht geschieht, daß es einem ehrlichen Zeitungsschreiber nie an Neuigkeiten fehlen darf.
Bellmaus. Gib her, ich will's ändern. (Geht an den Tisch, sieht in ein gedrucktes Blatt, schneidet mit einer großen Scheere einen Zettel davon ab und klebt ihn auf die Zeitungsnummer.)
Bolz. Recht so, mein Sohn, thue das und bessere dich. – (Die Thür rechts öffnend) Kämpe, können Sie einen Augenblick hereinkommen? (Zu Müller, welcher an der Thür wartet) Fort mit der Revision nach der Druckerei! (Müller erhält von Bellmaus das Blatt, eilt ab.)
Kämpe.
Kämpe (eintretend). Ich kann doch nichts Rechtes schreiben, wenn Sie solchen Lärm machen.
Bolz. So! Was haben Sie denn jetzt geschrieben? Doch höchstens einen Liebesbrief an eine Tänzerin, oder eine Bestellung an Ihren Schneider?
Bellmaus. Nein, er schreibt zärtliche Briefe. Er ist ernsthaft verliebt, denn er führte mich gestern im Mondenschein spazieren und sprach verächtlich von allen Getränken.
Kämpe (der sich behaglich gesetzt hat). Ihr Herren, es ist unbillig, einen Menschen von der Arbeit abzurufen, um so schlechte Witze zu machen.
Bolz. Ja, ja, er verleumdet Sie offenbar, wenn er behauptet, daß Sie etwas Anderes lieben, als Ihre neuen Stiefeln, und ein klein wenig Ihre eigene Person. – Du selbst bist eine liebesprühende Natur, kleiner Bellmaus. Du glühst wie ein Räucherkerzchen, so oft du eine junge Dame siehst, du ziehst glimmend und räucherig um sie herum, und hast doch nicht den Muth, sie nur einmal anzureden. Aber man muß Nachsicht mit ihm haben, denn er ist von Haus aus lyrischer Dichter gewesen, deshalb ist er schüchtern, er erröthet vor den Frauen und ist noch schöner Wallungen fähig.