Ausritt in unbekannte Welten - Luzie Irene Pein - E-Book

Ausritt in unbekannte Welten E-Book

Luzie Irene Pein

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Beschreibung

Geschichten über Liebe, Leidenschaft, Intrigen und Hoffnung. Eine unendliche Reise, in der Wirklichkeit und Fantasie die Zügel führen. .

Das E-Book Ausritt in unbekannte Welten wird angeboten von Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Träume, Fantasie, Liebe, Leidenschaft, Erinnerungen

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INHALT

Assoziationen

Abschied von Oma

Alpenglühen

Anmutiger Liebestanz

Auf der Flucht

Ausritt in unbekannte Welten

Bibbis Herzenswunsch

Chantalle

Der Hut steht ihr gut

Durchbruch

Ehrlich währt (wehrt sich) am längsten

Eine Seefahrt, die ist lustig

Eine Tür fiel zu

Einsam

Fata Morgana?

Feinde oder Freunde

Frau ohne Namen

Frohe Weihnachten

Hugo war sein Name

Mit Speck fängt man Mäuse

Not – Lüge?

Österreichischer Humor

Pillen vom Heiligen Geist

Stranderlebnisse

Vernebelt

Wer anderen eine Grube gräbt

ASSOZIATIONEN

Wenn das entfärbte Laub

tänzelnd im Windhauch zu Boden fällt

Wenn die Sonnenglut

den Tag nicht mehr erhellt

Wenn schillernde Farben

vom Dunstschleier eingehüllt sind

Wenn Äcker und Wälder

unbestellt brach liegen

Dann rütteln Reflexionen dich wach

die vorher an dir abgeprellt

ABSCHIED VON OMA

„Luzchen, mein Mädchen, kannst du mir bitte noch mal meine Haare kämmen?“

„Ja, Oma.“

Sie saß, mir die Rückseite zugewandt, an meinem Bett.

Ich richtete mich auf und nahm die kleinen Kämme aus ihrem hochgesteckten Haar, das über ihre Schultern hinunterfiel und ihren Rücken bedeckte.

Behutsam kämmte ich ihre Haarpracht.

Sie sagte: „Danke mein Mädchen, jetzt ist alles gut, ich habe dich lieb“, und ich schlief ein.

Damals verstand ich den Traum nicht….

***

Ich stand, 15-jährig, vor dem geöffneten Sarg in der Leichenhalle und zitterte am ganzen Körper. Tränen liefen unaufhörlich über mein Gesicht, ich konnte sie nicht unterdrücken. Meine über alles geliebte Oma war gestorben.

Sie sah so friedlich aus – aber wer hatte nur ihre, schönen, langen Haare gekämmt? Es tat mir weh, sie so anschauen zu müssen. Ihr geliebtes langes Haar, das sie immer so gepflegt hatte, sah unordentlich aus. Ich fühlte mich irgendwie schuldig, warum konnte ich ihr nicht mehr die Haare kämmen?

Jahrelang beschäftigte mich das Bild von der Leichenhalle in meinen Träumen.

***

Am 22. März 1945 nachmittags kam meine Oma mit ihren Töchtern in einem Treck aus Westpreußen in Schönemoor an. Der war Ende Januar 1945 aus dem Ort Bliesen, Kreis Graudenz, aufgebrochen. Bis zu diesem Tag auf der Flucht wurden sie von einer sehr freundlichen Familie aufgenommen. Aber auch an diesem Ort gab es Fliegeralarm und Bomben. Die Kriegswirren verschonten in dieser Zeit nur wenige.

Meine Mutter zog dann auf Anraten Verwandter von Schönemoor nach Lippstadt in Westfalen, wo sie eine Arbeit fand. Hier lernte sie meinen Vater kennen und heiratete 1946. Sie hatten zwei Söhne, als ich 1950 geboren wurde.

Aus diesem Grund kam meine Oma im Herbst 1950 mit ihrer jüngsten Tochter auch nach Lippstadt um meine Mutter zu unterstützen.

Von da an war ich OMAS MÄDCHEN und blieb es auch.

Aus Platzmangel musste ich mit meiner Oma und ihrer jüngsten Tochter in einem Bett schlafen. Ihrer Tochter, meiner Tante, war es nicht recht. So vergingen die Jahre.

Mutter ging morgens um vier Uhr zum Bauern Kühe melken und hatte sehr viel mit Haus, dem großen Garten, uns Kindern zu tun. Und die Eltern meines Vaters, in dessen Haus wir alle wohnten, waren auch zu versorgen.

Aber meine Oma war für mich da, beschützte mich, wenn ich sie brauchte. Und ich brauchte sie immer – und sie mich.

Meine Oma hatte sich als junge Frau bei der Feldarbeit mit dem rechten Unterschenkel am Pflug verletzt. Diese Wunde verheilte trotz mehrerer Hauttransplantationen nie. Als ich 10 Jahre alt war – meine Tante war längst verheiratet und Mutter – zogen wir aus dem kleinen Haus meiner anderen Großmutter in unser neues Haus um. Hier schliefen meine Brüder, mittlerweile drei, in einem Zimmer, in dem anderen meine geliebte Oma und ich.

Oma schlief aufgrund ihrer Schmerzen sehr schlecht, litt still, beklagte sich nie. Nachts hörte ich sie oft leise weinen.

Wenn ich mittags aus der Schule kam und gegessen hatte, setze Oma sich an den Küchentisch. Ich nahm ihre kleinen Kämme aus ihrem langen Haar und kämmte sie.

Es dauerte nicht lange und sie schlief ein. Sie schnarchte leise, und wenn sie damit aufhörte, kämmte ich weiter. Es tat mir gut, sie so schlafend sitzen zu sehen. Die Schmerzen konnte ich ihr leider nicht nehmen.

***

Viele Jahre sind vergangen, und ich habe nicht mehr an den Traum gedacht. Dann lernte ich eine liebe Person kennen. Diese erzählte mir viel von ihren Träumen und wie sie damit umgeht.

Traumdeutung. Ein großer Begriff. Aber durch meine Freundin lernte ich, mit meinen Träumen umzugehen. „Träume, vor allem Albträume, sind die verborgenen Botschaften der Seele“, sagt sie, „und sie helfen uns, wichtige Fragen zu entschlüsseln.“

Eines Abends, als ich wieder mal an meine geliebte Oma dachte, verstand ich plötzlich meinen immer wiederkehrenden und mich so belastenden Traum in meiner Jugend …

Ich hatte meine geliebte Oma einfach nicht loslassen mögen, wollte keinen Abschied nehmen. Dadurch habe ich mich jahrelang unbewusst gequält.

Erst im Alter von 34 Jahren konnte ich es wirklich: “Ja, meine liebe Oma, jetzt ist alles gut.“

ALPENGLÜHEN

In der Höhe der azurblaue Himmel, in der Tiefe die dunkelgrünen Wälder und Auen. Ich in der Mitte. Blicke zur Bergspitze hinauf. Sie ist von golddurchfluteten Wolken der Sonne umarmt.

Das Geschrei eines Adlers, der sich von den Aufwinden tragen lässt, vermischt sich mit den Hufschlägen der Gämsen in der Steilwand. Es wird ein schwerer Aufstieg sein, das ist mir bewusst. Mit einem Stecken in der Hand betrete ich den steinigen Pfad zum Gipfel hinauf. Ich bin auf der Suche nach etwas.

Ein geweihloser Hirsch kreuzt den Weg zum Alpenpass. Murmeltiere lugen aus einer Felsspalte heraus. Schnüffeln in der Luft. Sie begleiten mich eine Weile auf dem beschwerlichen Weg.

Wie aus dem Nichts erbricht sich ein eiskalter Fluss aus dem Erdreich. Die Sprudelquelle strömt den Steilhang hinab, das Wasser des Berges vermischt sich mit meinen Tränen. Ich klettere tapfer weiter hinauf. Liebe und Sehnsucht treiben mich voran.

Eine aufkommende Brise haucht Liebkosungen auf meine Wangen, das tänzelnde Gras der Almwiesen raunt mir zu: "Geh heim!"

Doch ich steige weiter, vorbei an im Wind ächzenden Baumwipfeln.

Auf Buchenästen lassen sich Finken von der Luftbewegung schaukeln, zwitschern dessen ungeachtet ihre Melodien.

Dunstschleier ziehen auf, hängen wie ein schwerer Vorhang zwischen den Tälern. Es ist Zeit zur Umkehr – zu gefährlich, sich bei diesen Wetterkapriolen im Gebirge aufzuhalten.

Als ich mich zum Abstieg kehre, entdecke ich sie im Lawinengeröll. Golden erglüht, durch die letzten Lichtstreifen der untergehenden Sonne. Entzückt von ihrer Schönheit will ich sie pflücken, die geheimnisvolle Blume der Liebe. Die Alpenrose soll ewige Liebe prophezeien. Ich mache ein paar vorsichtige Schritte, beuge mich zu ihr hinab, rutsche im Geröll aus und falle.

Bevor ich zwischen zwei Welten entschwinde, erscheint vor mir eine schleierhafte Gestalt. Sie breitet ihre Arme aus und fängt mich auf.

Ich öffne die Augen und schaue in das liebevolle Gesicht.

„Du hast geträumt. Ich liebe dich!“, sagt er und drückt mich an seine Brust.

ANMUTIGER LIEBESTANZ

Judith hatte sich explizit für diesen Urlaubsort entschieden, abgeschottet vom Trubel der sogenannten Spaß-Touristen. Sie hatte eine Auszeit, einen Tapetenwechsel, dringend nötig gehabt. Es war der Geheimtipp ihres Nachbarn gewesen, für alle, die die Abgeschiedenheit fernab der Zivilisation suchen. Hier wollte sie Ruhe und ihre Gelassenheit wiederfinden. Ohne Smartphone, SocialWeb mit Facebook und Co. Aber das war wohl ein Irrtum ihrerseits.

Seltsame Klänge hatten Judith in der Morgendämmerung geweckt. War es ein Open-Air-Konzert? Ein Lockruf aus der nahe gelegenen Wildnis? Aber von wem? Da Judith mit gesunder Neugier gesegnet war, die Natur und Tiere liebte, wollte sie die Gegend ohnedies erkunden.

Und so stand sie um fünf Uhr im Morgengrauen vor dem Nachtportier, um sich den genauen Weg ins Moor beschreiben zu lassen. Doch der Concierge riet Judith von einer Tour am frühen Morgen ab. Es sei zu riskant. Sie könne sich verlaufen und tiefer in den Sumpf hineingeraten.

„Warum schließen sie sich nicht der geführten Wanderung am Nachmittag an, das ist sicherer.“

„Nein“, entgegnete Judith, „Ich gehe lieber allein!“ Sie wollte ja an keiner Völkerwanderung teilnehmen. Der „Geheimtipp“ ihres Nachbarn hatte sich nämlich als Tummelplatz für Anthropologen erwiesen und war von ihnen für ihre alljährliche Expedition mit anschließendem Meinungsaustausch gebucht worden. Natürlich waren einige mit ihren Partnern angereist.

Aber das wollte sie dem Hotelportier nicht gerade auf die Nase binden. Wusste Judith ja, wie schnell der Flurfunk Klatsch und Tratsch versendet.

Nur ungern händigte der besorgte Mann in der Portierloge ihr schließlich eine Wegeskizze durch das Moor aus, nicht ohne nochmals zu betonen, wie wichtig es sei, auf den befestigten Pfaden zu bleiben. Judith bedankte sich und brach sogleich auf.

Beschwingt folgte sie dem beschilderten Wanderweg zum Moor hinaus. Dichte Nebelschwaden lagen noch über den Sumpfwiesen, als sie achtsam den Steg zur Auenwiese betrat. Sie musste auf der Hut sein, denn die Holzplanken der Brücke waren vom Tau glitschig, etliche sogar morsch. Bedächtig tastete Judith sich Schritt für Schritt vorwärts.

Langsam kamen ihr doch Bedenken. Was mache ich hier eigentlich? Wäre ich um diese Zeit nicht besser noch etwas im Hotelbett geblieben? Und wie zur Bestätigung dieser Überlegung rutschte Judith, erschreckt durch plötzliche Laute wie aus einer Trompete, auf einer Planke aus, glitt mit einem Bein unter die Absperrung und plumpste der Länge nach hin.

Autsch. Das tat weh!

Sie rappelte sich auf, strich ihre durchnässte Hose glatt, betastete vorsichtig die Beule am Hinterkopf und ging trotz Brummschädel weiter auf eine Blumenwiese hinaus. Die Trompetenklänge wurden lauter. Neugierig lief sie über die Wiese, um zu sehen, wer diese hell klingenden Töne von sich gab.

Und dann sah Judith im Dunstschleier die musizierenden Darsteller. Mit weit geöffneten Fächern vollführten sie ihren rhythmischen Balztanz.

Sie hüpften und umkreisten berauscht die Begehrenswerten. Verneigten sich graziös: Warben augenfällig um die Liebesgunst der Umschwärmten. Stelzten leidenschaftlich, um auch sich selbst in Wallung zu bringen.

Auch Judiths Herz klopfte wild, als sie dem Tanz der Vögel begeistert zusah. Aufgewühlt wie kaum sonst einmal. Fasziniert von den harmonischen Bewegungen der verliebten Vögel ließ sie sich mitreißen, an ihrer Tanzveranstaltung teilzunehmen. Impulsiv zog sie ihre Schuhe aus und drehte sich barfuß im nassen Gras.

Als sich der Morgennebel zu lichten begann, stiegen einige Kranichpärchen der aufgehenden Sonne entgegen. Für dieses Erlebnis lohnt es sich früh aufzustehen, dachte Judith, zog ihre durchweichten Schuhe an und schlenderte beglückt zum Hotel zurück. Aber irgendwie fühlte sie sich auf dem Rückweg beobachtet. Waren das Schritte auf dem Steg, verfolgte sie jemand? Sie blieb stehen und lauschte. Doch außer den feiernden Trompetern nahm Judith nichts wahr. Verrückt, das Geräusch war wohl nur in ihrem Kopf. Hoffentlich habe ich keine Gehirnerschütterung!

Judith beschloss, sich bis zum Candle-Light-Dinner in ihre Suite zurückzuziehen. Um zur anschließenden Tanzveranstaltung in der Hotellounge fit zu sein. In Gedanken versunken malte sie sich den kommenden Abend aus.

***

Eine Tablette gegen ihre Kopfpinne, die nadelstichartigen Schmerzen, und die anschließende Ruhephase hatten Judiths Dickschädel wieder frei gemacht. Insgeheim hoffte sie aber, dass keiner der alleinstehenden Herren sie zum Tanz auffordern würde. Ich werde sagen, ich habe Migräne, nahm sie sich vor. Das stimmt ja auch irgendwie! Und die Beule am Kopf war ja auch nicht wegzuleugnen.

Nach dem Dinner hatte es sich Judith gerade bequem gemacht, als dann tatsächlich geschah, was sie befürchtet hatte. Sogar noch weit schlimmer, als es erwartbar war.

Habe ich Halluzinationen oder ein Schädelhirntrauma? Wer oder was ist das? Pfeilgeschwind griff Judith nach der Getränkekarte und verbarg ihr Gesicht dahinter. Denn flotten Schrittes und ohne sich sonderlich darum zu scheren, ob die Anwesenden im Raum auf ihn aufmerksam wurden, stakste ein langer dürrer Kerl geradewegs auf sie zu.

Im schwarzgrau gestreiften Frack und mit seinen streng nach hinten gekämmten Haaren sah der Mann urkomisch aus. Mit einer unbeholfenen Geste verneigte er sich vor Judith und richtete sich alsdann kerzengerade vor ihr auf.

„Was ist?“, fragte Judith gereizt, als sie aufschaute.

„Ähm ... ich ... ich ... ich wollte ...“, stammelte er, sichtlich unsicher geworden.

„Was wollten Sie?“, legte Judith abweisend nach.

Von Judiths barschem Ton irritiert, verschlug es ihm die Sprache. Er wusste offenbar nicht, was er darauf antworten sollte. Verdrießlich schaute er sich um. Die Gäste in der Lounge blickten teilnahmslos drein. Zumindest war das seine Wahrnehmung.

Nachdem der Mann sich wieder im Griff hatte, nahm er all seinen Mut zusammen und sang laut mit seiner Fistelstimme, „Wie der verliebte Kranich, bitte ich zum Tanze, Dich, Dich, unbekannte Schöne“.