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Wer wollte nicht schon immer mal einen heimlichen Blick in das Notizbuch eines Autoren bzw. einer Autorin werfen? Jetzt haben Sie die Möglichkeit. Sie werden überrascht sein ob der Vielseitigkeit und Abwechslungsreiche der Texte. Von Prosa zu Lyrik und einfachen Gedanken. Nehmen Sie Teil an der Gedankenwelt von Luzie Irene Pein. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen und unterhaltsame Lesestunden. (Markus Kohler)
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Seitenzahl: 114
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Augenwischerei
Barfuß
Entfesselungskünstler
Frühjahrsputz
Gut – Achten
Lavendelsommer
Lisa – Marie
Mutter – Erde
Namenlos
Ohne Worte
Schneefall
Seh – Hilfe
Sonnenaufgang
Strickmuster
Treffpunkt
Trugbilder – Blender
Trugbilder – Spieler
Trugbilder – Träumer
Trugbilder – Verschwender
Verbindungs – Los
Vergesssen
Verschlossen
Versuch macht Klug?
Warteschleife
Wilde –Feige
Zwischen Himmel und Erde
Allein - Allein
Endlich Wochenende.
Die Wohnung ist geputzt und die Lebensmittel vom Einkauf sind im Kühlschrank verstaut. Für mich allein brauche ich nicht viel. Es sei denn, mein Sohn möchte mit mir essen, was relativ selten vorkommt. Egal, ich habe immer eine Reserve. Gemüse und Gemüsesuppen, natürlich von frischen Zutaten. Gekocht und in Portionen eingefroren. Meine Lieblingssuppe ist die Hühnersuppe. Huhn, Hohe – oder Querrippe dazu Suppengemüse, ein Lorbeerblatt, in der Pfanne geschwärzte Zwiebeln mit Schale, gibt der Brühe mehr Farbe, ein wenig Ingwer, natürlich geschält und eine Prise Muskatnussblüte. Salz darf nicht vergessen werden.
Ab und zu den Schaum abschöpfen, damit die Kraftbrühe klar bleibt.
Oh, mein Magen meldet sich.
Was esse ich denn jetzt? Eine Stulle mit Rübenkraut, die habe ich als Kind schon gern gegessen. Das weckt Erinnerungen in mir.
Ob ich wohl noch in den Garten gehe und Unkraut jäte?
Die Fenster müssten auch mal wieder geputzt werden. Nein, dann kann ich mit dem Hausputz von vorn anfangen.
Irgendetwas berührt zärtlich meine Wangen, als ich die Tür öffne und in den Garten schaue. Eine angenehme Brise fächelt mir warme Luft in mein farbloses Gesicht. Die Lichtstrahlen der Herbstsonne fallen durch die vom Wind schaukelnden Äste und tänzeln auf meiner Haut. Sie laden mich ein den Tag mit ihnen zu verbringen.
Schnell meine Jeans anziehen und eine leichte Jacke mitnehmen, falls es sich abkühlt. Vorsichtshalber lege ich mir den Regenschirm ins Auto, obwohl es gar nicht danach aussieht und auch kein Niederschlag angekündigt ist.
Ab ins Auto, die Arbeit läuft nicht weg. Schnell muss ich noch tanken. Der Tank meines alten Ford Fiesta ist fast restlos leer. Aber mein schnuckeliges, kleines, silbergraues Gefährt bringt mich noch überall hin und wenn es aus der Waschanlage kommt, glänzt es noch richtig schick. In einem größeren Auto würde ich mir wegen meiner Körpergröße auch verloren vorkommen.
Ich fahre aus der Stadt. Obwohl ich eher am Stadtrand wohne, muss ich doch fast am Zentrum vorbeifahren.
Nach ungefähr zwanzig Kilometern verlasse ich die Landstrasse und biege links ab.
Ein kleines Wäldchen an einem Hügel sieht recht einladend aus und so entschließe ich mich, dort anzuhalten und mir ein lauschiges Plätzchen zu suchen, um mich von der Hektik der Stadt und meinem Stress auszuruhen. Nur ein wenig abschalten, Landluft atmen, die Seele baumeln lassen. Einfach Eins sein mit der Natur. Gott sei Dank habe ich keine High Heels an, sondern meine flachen Schuhe mit den Einlagen vom Orthopäden - angeblich ist ein Bein kürzer ist als das andere – die Schuhe sind halt zweckmäßig. Flachlandtreter eben und für den Schotterweg zum Berg hinauf sehr geeignet.
In meiner Sturm- und Drangzeit gab es eine andere Bezeichnung für die hochhackigen Schuhe. Stöckelschuhe nannte man sie und sie waren genauso unbequem wie heutzutage. Knochenbrüche, Verstauchungen waren die kleinsten Übel, wenn man mit diesen Pumps umknickte. Zum Tanzkleid, ja, da sahen sie perfekt aus. Nostalgie überfällt mich, leise und kichernd.
Leider habe ich nie einen Tanzkurs besucht, aber das ist eine andere Geschichte.
Mir fällt gerade ein, dass wir zu meiner Schulzeit eine sehr neugierige, eifersüchtige Nachbarin hatten, die keine Kinder bekommen konnte. Vor meinem Schulabschluss fragte sie meine Mutter, als sie in unserem Vorgarten harkte, wann ich wohl meine ersten Stöckelschuhe und eine Dauerwelle bekommen würde. Meine Mutter antwortete nur mit einem Kopfschütteln und ließ sie stehen. Keine Antwort ist bekanntlich auch eine Antwort.
Die Nachbarin verschwand eingeschnappt, Po wackelnd, in ihrem Hauseingang. Meine Mutter lächelte erheitert und kam ins Haus.
Ich gehe weiter, einen kleinen Feldweg hoch und sehe eine Bank dort oben am Waldrand. Es ist ein so genannter Mischwald. Nadel-und Laubbäume haben sich hier heimisch niedergelassen, oder sind bewusst angepflanzt.
Wälder sind die grüne Lunge unserer Erde, die unser Klima regulieren, Sauerstoff produzieren, ohne den wir nicht existieren können.
Leider werden viel zu viele Ur– Regenwälder vernichtet, für die Möbelindustrie, für Papier, Kosmetika, um nur einige Beispiele zu nennen. Sie werden vermeintlich gewinnbringend verarbeitet. Riesige Flächen werden gerodet und als Rinderweiden nutzbar gemacht, damit alle Welt saftige Steaks kaufen kann. Es wird Raubbau mit unseren natürlichen, einzigartigen Schätzen betrieben. Vor Allem in den Ländern, in denen es noch Naturvölker, exotische Pflanzen und Tiere zu erkunden gibt.
Sauerstoff wird auch von Algen in den Meeren erzeugt.
Viele Aspekte verknüpfen sich mit meinen Gedanken. Ich bin doch hierher gefahren, um zur Ruhe zu kommen. Und jetzt das. Liegt es an der Landschaft, dem Frieden, den ich suche und hier finden möchte? Kehrt sich mein inneres Schweigen in unbeantwortete Fragen um, die ich mir selbst stelle? Stopp, ich zwinge meine Gedankenflüge zum Anhalten, will sie nicht in ihren Einfällen behindern, nur zu einer kurzen Pause überreden.
In meinem Kopfkino sehe ich ausgedehnte Grünflächen am Hang, auf denen Pferde und Kühe nebeneinander in Eintracht grasen. Diese Stille, kein Lufthauch weht. Ich setze meine Sonnenbrille ab, weil sie mir den Blick auf die wunderbare Schöpfung der Natur verdunkelt. In den Wipfeln der Bäume, die für sich die Farbpalette der Jahreszeit bereits in Anspruch genommen und ihre Blätter in Weinrot und Goldgelb eingetaucht haben, zwitschern Vögel um die Wette. Über ihnen strahlt die goldene Sonne am azurblauen, wolkenlosen Himmel. Gibt es was zu gewinnen? Oder sind sie einfach nur glücklich und mit sich im Reinen? Sie führen ein freies Leben, können sich von den Aufwinden tragen und in ferne Welten gleiten lassen. Im Gegensatz zu uns Menschen, die teilweise nur nach der Uhr leben, immer und überall funktionieren und stets für die Belange anderer bereit sein müssen. Ich beneide die Stars der Lüfte, träume oft, dass ich mit ausgebreiteten Armen über den Dächern fliege und mir die Menschen von oben ansehe. Manchmal komme ich aber auch nicht so hoch. Ich habe den Sinn noch nicht wirklich erkannt, aber in Traumbüchern darüber gelesen.
Natürlich gibt es, wie so oft in wissenschaftlichen Büchern, verschiedene Meinungen der Psychoanalytiker.
Egal, ich lausche dem lieblichen Klang der Melodien, meine Schritte werden leichter, meine Gemütslage passt sich ihnen beschwingt an.
So, jetzt noch um die kleine Schonung herum. Noch schöner, als ich mir die Landschaft eben ausgemalt hatte, liegt sie vor mir. Flimmerndes Licht ergießt sich auf eine sattfarbene Wiese mit vielen bunten Wildblumen. Ein Wildbach schlängelt sich in seinem Strombett den Abhang hinunter und mündet in dem Dorfweiher.
In seinem kristallklaren Wasser spiegeln sich die Umrisse der dunklen Tannen, die am Ufer stehen.
Meine Nasenflügel vibrieren bei dem Duft von frisch geschnittenem Gras auf einem angrenzenden Weideland. Ich ziehe den Geruch gierig ein. Ein Geschenk der Natur. Ich nehme es dankbar an, atme tief ein und aus. Reine Luft strömt in meine Lunge und lässt mich das erste Mal seit langer Zeit wieder frei durchatmen.
Ich darf nicht vergessen, den Rasen zu Hause dringend zu mähen. Hätte ich ein Stofftaschentuch dabei, würde ich einen Knoten darin machen. Pech. Papiertaschentuch geht nicht, wenn ich es benutze und wegwerfe, entsorge ich auch meine Gedächtnisstütze.
Was ist das? Ich höre eine sehr hoch frequentierte Stimme, die meinen Gehörsinn reizt und sogar den Tinnitus in meiner rechten Ohrmuschel übertönt. Sie ist laut und bestimmend. Auch hier gibt es scheinbar Streit zwischen Eheleuten, Eltern und Kindern. Das muss ich mir nicht auch noch antun. In den letzten Wochen, nachdem mein Exmann verstorben ist, habe ich meine Kraft völlig aufgebraucht.
Mein Akku ist leer.
Zu viele Erinnerungen, Albträume haben meine Gemütsruhe gestört.
Ich stutze. Eine zierliche Person sitzt mittig auf einer morschen, halb verfallenen Holzbank, die jeden Moment zusammenbrechen könnte. Ihr weißes, halblanges, seidiges Haar glänzt im Sonnenlicht und rahmt ihr kleines Gesicht bildhaft ein.
Ein modischer glatter Haarschnitt, keine Hausfrauendauerwelle, die ich oft bei älteren Frauen sehe, wird von einem schwarzen Samtkragen gestützt. Die Jacke ihres hellgrauen Kostüms hängt locker über ihren schmalen Schultern und dem gekrümmten Rücken. Sie sieht darin so zerbrechlich aus. Weiße, zarte Spitze, die aus den Ärmeln der viel zu großen Kostümjacke heraus schimmert, ziert ihre knöchernen Hände. Sonnenstrahlen lassen Altersflecken auf der Haut aufleuchten. In der einen Hand hält sie einen Gehstock und bewegt ihn recht schwungvoll in alle Richtungen.
Ich schätze ihr Alter auf achtzig oder neunzig Jahre.
Sie unterhält sich sehr angeregt, aber ich kann nicht erkennen, mit wem. Außer ihr und mir ist niemand anwesend. Sitzt da jemand im Gebüsch hinter der Bank? Nein, ich sehe nichts. Ist sie verwirrt? Wie kommt sie hierher?
Die betagte Dame betrachtet mich, nickt, spricht ununterbrochen weiter.
››Siehst du‹‹, sagt sie und deutet mit dem unförmigen Zeigefinger der rechten Hand auf ein großes, weiß gestrichenes Haus, welches von einer hohen Hecke aus Lebensbäumen eingezäunt ist und geradeaus unten am Ortsrand steht. So, wie es aussieht, ist es ein gepflegtes Haus mit Schieferdach und Dachrinnen aus Kupfer.
Angestrahlt, flirrend wie meine alte Kupferkanne, wenn sich die Lichtstrahlen durch die Butzenscheiben in meinem Wohnzimmer mit ihr vergnügen und bunte Bildstreifen darauf zaubern.
››Genau wie du damals, als du mit deinem Motorfahrrad ohne Kopfschutz gefahren bist. Dein Enkel ist ebenso forsch, ein Wildfang. Du wolltest mir mit deinem gefährlichen Fahrstil imponieren, nicht auf deine Eltern und schon gar nicht auf mich hören und fühltest dich mit deinen siebzehn Jahren schon erwachsen. Dann bist du gestürzt. Bruchlandung. Kannst froh sein, dass ich dich auch mit deiner krummen Nase geheiratet habe.‹‹
Ich bin irritiert. Diese liebenswerte, ältere Dame spricht … über ihre Vergangenheit.
Aber Enkelkind? Urenkel erscheint mir sinniger. Ich sehe kein Kind dort unten auf der Straße. Vielleicht ist der Junge, über den sie gerade schimpft, ja schon wieder im Haus?
Sie sieht mich an und bittet mich, neben sich Platz zu nehmen. Hoffentlich hält die von Holzwürmern oder anderen Insekten durchlöcherte Bank das aus und kippt nicht um. Ich setze mich zu ihr. Gott sei Dank. Die Bank ist fest am Erdboden verankert und wackelt nur ein wenig.
›Oh, Männer, meinen, sie hätten die Weisheit mit der Muttermilch aufgesogen. Hängen dauernd am Rockzipfel der Gebärerin . Als Kind wollen sie alles haben und wenn sie es nicht bekommen, schmollen sie. Ohne uns Frauen bleiben sie kleine Jungs, albern und hilflos. Wenn sie erwachsen sind, ändert sich auch nichts.‹‹
Ihr Blick wandert wieder zu ihrer linken Seite.
››Schau mich nicht so an. Man sagt doch, in jedem Manne steckt noch ein Kind. Im Alter wird das noch schlimmer. Das nennt man dann Altersstarrsinn. Schauen jedem Weiberrock hinterher, aus nostalgischen Gründen, falls sie sich noch erinnern können.‹‹
Die Frau dreht sich wieder zu mir und spricht mich an.
››Sind Sie neu hier, ich habe Sie noch nie gesehen?‹‹
Ich antworte, ich komme aus der Stadt, um hier an diesem schönen Fleckchen Erde ein wenig auszuspannen, mal für eine Weile Abstand von dem ganzen Trubel zu nehmen, der sich alltäglich in Firmen, Familien und überall auf den Straßen abspielt.
››Ach, ja‹‹, sagt sie und schaut auf den leeren Platz neben sich, ››siehst du, mein Herz, es kommen immer noch Leute in unser Dorf, in unsere kleine Welt, um Ruhe zu finden.
Es ist ja auch sehr idyllisch hier.
Da, jetzt ist es passiert! Nun liegt er auf der Nase. Es gibt doch Sturzhelme. Warum setzt er keinen auf? Verstehe, die neumodische Frisur sitzt dann nicht mehr. Eitelkeit ist euch Männern angeboren.‹‹
Ich sehe nichts auf der Straße, nur einen Trecker mit Anhänger, der sich langsam durch die engen Kurven der Straßen von einem Haus zum anderen quält. Die Mitarbeiter der Stadt-Gärtnerei holen den Baum- und Strauchschnitt ab, um ihn zur Kompostierungsanlage in die benachbarte Kreisstadt zu transportieren. Sie sind wohl schlecht gelaunt, denn ich höre ihr lautes Gezeter bis hier herauf.
Genervt wäre ich vielleicht auch, wenn ich am Samstag so eine Arbeit verrichten müsste. Da geht es mir ganz gut, obwohl ich zu meiner Rente auch noch hinzu verdienen muss. Naja, der Rubel muss rollen. Ab und an möchte ich mir auch mal etwas gönnen, eine Tasse Kaffee in angenehmer Atmosphäre und dabei mit netten Leuten plaudern.
Derjenige, der in dieser Zeit einen Job hat, kann froh sein. Es gibt genug Arbeitskräfte, die nur über eine Zeitarbeitsfirma in einem Betrieb arbeiten und nicht wissen, ob sie dort eine Festanstellung bekommen.
Viele befinden sich dadurch in der Warteschleife, wie bei einem Telefonanbieter. Was ist da mit Familienplanung, mit Alleinerziehenden mit Kind?
››Weißt du noch, mein Lieber, als wir hier aufgewachsen sind? Kaum Häuser, nur Felder, die von den Bauern beackert wurden. Ja, abgerackert haben sie sich alle. Geschunden für ein bisschen Speck, den sie auch auf den eigenen Rippen gebrauchen konnten. Leider hat es nicht funktioniert. Sie brauchten keine Schlankheitskur, denn die schwere Arbeit verbrannte jede Fettzelle ihres Körpers. Die Pfunde purzelten von allein herunter. Kalorien. Joule. War das eine Krankheit? Niemand hätte mit diesen Begriffen etwas anfangen können. Abends krabbelten ihre bleiernen Beine von allein ins Bett.‹‹
Ein verschmitztes Lächeln huscht über ihre eingefallenen Wangen.
››Schönes Bild, die langen Unterhosen mit dem Latz vorne zum Aufknöpfen, die nur alle paar Tage gewechselt wurden.
Montags war Waschtag. In jedem Haus roch es nach Lauge von Kernseife, die wurde bekanntlich aus Knochen von Tieren hergestellt. Igitt.‹‹
Ihr Gesicht verzerrt sich angeekelt zu einer Grimasse.