Baccara Exklusiv Band 204 - Sara Orwig - E-Book

Baccara Exklusiv Band 204 E-Book

Sara Orwig

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Beschreibung

ALLEIN MIT DEM GRIECHISCHEN TRAUMMANN von KAT CANTRELL Kris’ sexy Akzent geht V J direkt unter die Haut. Plötzlich muss sie an heiße Küsse denken - eine verlockende Vorstellung während ihrer gemeinsamen Autofahrt nach Dallas! Aber wie viel Zeit bleibt ihr noch mit diesem griechischen Traummann? Denn an ihrem Ziel wartet bereits Kris’ Verlobte … LÜGEN, LIEBE, LEIDENSCHAFT von KATE CARLISLE Bis jetzt konnte Grace nur von der Liebe träumen, doch als sie auf einer exotischen Insel den Besitzer eines Luxus-Resorts trifft, werden ihre Träume wahr: Logan ist der Mann ihres Lebens! Dann erfährt Grace, dass der Millionär sie von Anfang an hintergangen hat … IN DEN ARMEN DES MILLIONÄRS von SARA ORWIG Dass Jake Benton wütend über ihr Auftauchen sein würde, hat Caitlin erwartet. Schließlich sind ihre Familien seit jeher verfeindet. Mit dem Knistern zwischen ihnen hat sie allerdings nicht gerechnet. Dabei ist sie nur zu Jake gekommen, um das Haus ihrer Großmutter von ihm zurückzukaufen!

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Kat Cantrell, Kate Carlisle, Sara Orwig

BACCARA EXKLUSIV BAND 204

IMPRESSUM

BACCARA EXKLUSIV erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Erste Neuauflage in der Reihe BACCARA EXKLUSIVBand 204 - 2021 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2013 by Kat Cantrell Originaltitel: „The Things She Says“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Susanne Mewe Deutsche Erstausgabe 2015 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1871

© 2011 by Kathleen Beaver Originaltitel: „An Innocent in Paradise“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Edigna Hackelsberger Deutsche Erstausgabe 2013 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1768

© 2011 by Sara Orwig Originaltitel: „Texas-Sized Temptation“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Christian Trautmann Deutsche Erstausgabe 2014 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1805

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751501750

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Allein mit dem griechischen Traummann

1. KAPITEL

Es gab nichts Schlimmeres, als sich in Texas zu verirren.

Und das auch noch im August.

Kris Demetrious lehnte sich im Fahrersitz seines leuchtend gelben Ferrari zurück, zog sich das durchgeschwitzte Hemd aus und klappte sein Handy auf. Er hatte eine neue Straßenkarten-App auf sein Handy geladen, doch die Linien auf dem Bildschirm hatten keinerlei Ähnlichkeit mit der Straße vor seinen Augen. Lektion des Tages – digitale Straßenkarten halfen nur, wenn sie genau waren.

Der Ferrari verfügte zwar über einen MP3-Anschluss, aber über kein GPS-System. Entweder verfuhren sich italienische Autobauer nie oder es war ihnen egal, wo sie ankamen.

Die Landschaft war in jede Himmelsrichtung von Bergen umschlossen, doch anders als in L. A. gab es keine Straßenschilder, keine Villen, kein Riesenschriftzug von „HOLLYWOOD“, nichts, woran man sich hätte orientieren können.

Am Filmset fand er sich zurecht. Dort besaß er einen sicheren Platz hinter der Kamera, und wenn die Szene nicht so lief, wie er es wollte, musste er bloß „Cut“ rufen und konnte von vorn beginnen.

Wie zum Teufel war er auf den Gedanken gekommen, nach Dallas zu fahren statt zu fliegen?

Eine Verzögerungstaktik, darauf lief es wohl hinaus.

Zwar verspürte er keinen dringenden Wunsch, in der Wüste zu sterben, doch seinen Zielort wollte er auch nicht erreichen. Wenn er nur Wasser und Essen auftreiben könnte, dann hätte er nichts dagegen, noch eine Weile verschollen zu bleiben. Denn sobald er Dallas erreichte, musste er seine Verlobung mit Publikumsliebling Kyla Monroe bekannt geben.

Er schob sein Handy in die Tasche zurück. Die Nachtmittagssonne brannte erbarmungslos auf ihn nieder, und das tausendmal heißer, zumal er auch noch Schwarz trug. Die Hitze flimmerte auf dem Asphalt und ließ den Horizont vor seinen Augen verschwimmen.

Genau in diesem Moment wirbelte eine Staubwolke hoch. Es war die erste Bewegung, die er in den letzten fünfzehn Minuten wahrgenommen hatte. Ein rostiger, orangefarbener Pick-up-Truck fuhr mitten durch die Staubwolke und kam dicht hinter dem Ferrari zum Stehen. Sand peitschte Kris ins Gesicht. Er strich sich das Haar zurück und ging seinem Retter entgegen.

Tatsächlich hätte er, wenn ihm das Benzin ausging, tagelang hier festsitzen können. Mit nichts als einem Smartphone und einer spiegelnden Sonnenbrille, um die Geier in Schach zu halten. Er hatte sich wirklich gründlich verirrt, doch mit ein bisschen Glück würde der Truckfahrer Kris erklären können, wie er zurück auf den Highway kam.

Einen Moment später öffnete sich die Fahrzeugtür mit einem Quietschen, und Licht fiel auf den verblassten Schriftzug des orange lackierten Trucks. Big Bobbys Autowerkstatt, seit 1956 zu Ihren Diensten. Zuerst sah er rissige, staubige Stiefel, dann legte sich der Staub, und die schmale Gestalt eines Mädchens kam zum Vorschein. Sie wirkte kaum alt genug zum Fahren und war aller Wahrscheinlichkeit nach nicht Big Bobby.

„Probleme mit dem Wagen, Chef?“, fragte sie, während sie auf ihn zukam. Beim Sprechen dehnte sie die Vokale. Ihr Texasdialekt war schwer wie der Straßenstaub, trotzdem hatte ihre Stimme einen melodischen Klang. Sie nahm ihre Sonnenbrille ab, und einen Moment lang stand die Welt still. Die erbarmungslose Hitze, die fehlenden Straßenschilder und die Probleme, die ihn in Dallas erwarteten, schwanden aus seinem Kopf.

Klare, blaue Augen blickten aus einem herzförmigen Gesicht zu ihm auf. Volles, zimtbraunes Haars lockte sich um ihre Porzellanwangen. Auf ihrer Haut war keine Spur von Make-up zu sehen. Das Sonnenlicht tauchte ihr Gesicht in einen warmen Glanz. Wie eine lebende Sonnenblume sah sie aus. Frisch, unschuldig und atemberaubend schön. Am liebsten hätte er sie gefilmt.

Sie sah ihn fragend an. „Problema con el coche, Señor?“

Kris klappte den Mund wieder zu und räusperte sich. „Ich bin Grieche, kein Spanier.“

Eine schlagfertige Antwort, wenn auch nicht ganz zutreffend – er hatte im Alter von sechzehn Jahren auf seine griechische Staatsangehörigkeit verzichtet und betrachtete sich durch und durch als Amerikaner. Wie hatte eine so kleine Person seinen Verstand in weniger als dreißig Sekunden lahmlegen können?

„Wow. Das müssen Sie sein. Bei Ihrem sexy Akzent. Sagen Sie noch etwas“, bat sie ihn. Ihre blauen Augen bekamen einen sinnlichen Glanz. „Sagen Sie, Ihr Leben hat keine Bedeutung ohne mich, und dass Sie alles dafür geben würden, mein Herz zu gewinnen.“

Und wieder stand ihm vor Verblüffung der Mund offen. „Im Ernst?“

Sie lachte klar und hell, ein Klang, der ihm direkt in die Magengrube fuhr. Sinnlichkeit hüllte sie ein wie ein Parfüm.

„Nur wenn Sie es auch so meinen“, sagte sie.

Ihre ganze Haltung wirkte zu selbstbewusst für einen Teenager. Sie musste mindestens Mitte zwanzig sein. Doch andererseits, wie erfahren konnte ein Mädchen aus der texanischen Einöde schon sein? Besonders in Anbetracht ihres offensichtlichen Hangs zu romantischem Melodram und ihres entschiedenen Mangels an Selbsterhaltungstrieb. Soweit sie es wusste, konnte er ebenso gut der nächste Charles Manson sein wie der neue Scorsese.

Lächelnd hob sie ihr Kinn. „Ich lasse Sie schon in Ruhe, Kumpel. Sie können sprechen, worüber sie wollen. Hier in der Gegend bekommen wir nicht allzu viele interessante Fremde in so schicken, ausländischen Wagen zu sehen. Ich würde Sie gerne genauer unter die Lupe nehmen. Ich meine, ihn.“ Sie schüttelte den Kopf und schloss für einen Moment die Augen. „Das Auto. Ich schaue es mir gerne für Sie an.“

Den Wagen? Folglich musste sie als Mechanikerin für Big Bobby arbeiten. Die meisten Frauen, die er kannte, fanden ohne Hilfe nicht einmal den Benzintank.

„Er ist nicht kaputt. Ich hab mich bloß verirrt“, gestand er. Im Kopf malte er sich bereits aus, wie sie ihn unter die Lupe nahm, mit viel Einsatz ihrer geschickten Händen. Verlangen durchfuhr ihn, heftig und unerwartet.

Vielleicht wurde es Zeit, sich zu erinnern, dass er keine siebzehn mehr war. Frauen machten ihm die ganze Zeit eindeutige Angebote, aber sie taten das meistens mit der Feinfühligkeit eines startenden Düsenjets, und er war nie in Versuchung geraten, sich darauf einzulassen. Überhaupt hatte er wenig Erfahrung mit Liebesbeziehungen, wenn sie sich nicht gerade auf der Leinwand abspielten.

Diese Frau hatte es geschafft, ihn mit wenigen Sätzen hinter der Kameralinse hervorzulocken. Es war nervenaufreibend. Aber auch aufregend.

„Verirrt, ja?“ Sie musterte ihn langsam von oben bis unten. „Dann war es eine glückliche Fügung, dass ich Sie gefunden habe. Heißt das, Sie stehen jetzt in meiner Schuld?“

Ihr Tonfall hatte etwas leicht Anzügliches. In Kombination mit ihrer Unbefangenheit und ihrem frischen, jungen Gesicht war die Wirkung überwältigend. „Nun, Sie haben bislang nichts für mich getan. Noch nicht.“

Sie hob eine Augenbraue. „Was möchten Sie denn gerne, dass ich für Sie tue?“

Er beugte sich vor und roch den Duft ihres Haares. Kokosnuss und Schmierfett, eine Mischung, von der er bis jetzt geschworen hätte, dass er sie nicht im Geringsten erotisch fand. Dasselbe galt für das weite T-Shirt mit dem gehörnten Frosch vorne drauf, dem Logo der Texas Christian University, und den billigen Jeans. An ihr sah es aus wie Haute Couture.

Er lockte sie mit dem Finger näher zu sich heran, und sie gehorchte. Es fühlte sich seltsam natürlich an, als hätten sie schon oft Verschwörungen zusammen ausgeheckt.

„Genau jetzt gibt es nur eine einzige Sache, die ich von Ihnen will“, sagte er.

Sein Blick wanderte zu ihren Lippen, und was als harmloser Flirt begonnen hatte, geriet plötzlich in gefährliches Fahrwasser. Er brannte darauf, diese namenlose Wüstenschönheit zu küssen, seinen Mund auf ihre rosafarbenen Lippen zu pressen und das heiße Innere ihres Mundes zu erforschen.

Doch Fremde zu küssen, war nicht sein Stil, und mit einem Mal fand er das schade.

„Ja? Was soll ich denn für Sie tun?“ Sie befeuchtete ihre Lippen mit der Zungenspitze, und er spürte, wie ihm das Blut bis hinunter zu den Zehen schoss.

„Sagen Sie mir, wo ich bin.“

Wieder gab sie ihr erregendes, melodiöses Lachen von sich. „Little Crooked Creek Road. Auch bekannt als das Ende der Welt.“

„Es gibt einen Fluss in all diesem Sand hier?“ Wasser – kühl und erfrischend und perfekt zum Nacktbaden.

Nein. Kein Nacktbaden mit Fremden. Was war nur mit ihm los?

„Nein.“ Sie rümpfte die Nase und verzog niedlich das Gesicht. „Er ist irgendwann um Achtzehnhundert ausgetrocknet. Uns fehlt die Fantasie, uns einen neuen Namen für die Straße einfallen zu lassen.“

„Ist es hier immer so heiß?“ Ehrlich gesagt, hatte er lange aufgehört, sich um seine durchgeschwitzten Klamotten zu scheren, aber er wollte das Gespräch unbedingt am Laufen halten.

„Nein, normalerweise ist es heißer. Deswegen laufen wir bei über 40 Grad im Schatten auch nicht in Schwarz herum“, sagte sie und musterte ihn mit einem Blick, der ebenso heiß war wie der Asphalt unter ihren Füßen. „Obwohl es mir an Ihnen gefällt. Was hat sie überhaupt so weit vom richtigen Weg abgebracht?“

„Ich wünschte, ich könnte Ihnen eine interessantere Geschichte erzählen. Aber es war leider nur eine falsche Abzweigung.“ Er grinste und konnte beim besten Willen keine Reue darüber empfinden, dass er die Interstate verlassen hatte. Überraschenderweise fühlte es sich gar nicht so schlimm an, mitten im Geschehen zu sein. „Ich war aus El Paso raus und dachte, ich sei auf dem richtigen Weg, aber ich habe schon lange kein Schild für Dallas gesehen.“

„Sie haben sich wirklich verirrt. Diese Straße verläuft südlich des Rio Grande. Er ist nicht besonders groß und verdient den Namen Rio nicht wirklich. Als Ausflugsziel kann ich ihn nicht empfehlen. An Ihrer Stelle würde ich wieder in Richtung Van Horn fahren und die Zehnte nach Osten nehmen.“

„Van Horn. Ich erinnere mich vage, dass ich da durchgekommen bin.“

„Da gibt’s nicht viel zu erinnern. Ich komme gerade aus der Stadt, und da ist nicht viel los. Apropos, ich muss mich langsam wieder auf den Weg machen. Das Ersatzteil, das ich abgeholt habe, wird sich leider nicht von selbst in Gus’ Truck installieren.“ Sie seufzte und wies mit dem Daumen über ihre Schulter. „Van Horn ist da lang. Viel Glück und behalten Sie die State Troopers im Auge. Die lieben es, schnelle Autos anzuhalten.“

Sie grinste. „Oder“, fuhr sie fröhlich fort, „fahren sie da lang und biegen rechts ein. Die Straße führt ins Zentrum von Little Crooked Creek und zum Diner mit dem besten frittierten Hähnchen im ganzen Staat.“

Er hatte noch nicht annähernd genug vom harmonischen Klang ihrer Stimme. Oder der charmanten Art, wie sie über nichts plaudern konnte und trotzdem sein Interesse gefangen hielt. Die harte Realität drohte am Horizont. Doch auch wenn er Dallas erst in einem Monat erreichte, würde er noch immer nicht glücklich sein mit dem Finanzierungsplan für Visions of Black. Kyla würde immer noch Kyla sein – untreu, egoistisch und künstlich – und es würde ihn viel zu viel Energie kosten, gleichgültig zu bleiben.

Doch das war es wert, wenn er Visions machen durfte. Seine Exfreundin hatte nicht nur einen Oscar gewonnen, sondern war auch ein Publikumsliebling. Eine Verlobung mit ihr würde dem Film eine Menge kostenlose Publicity bringen. Eine falsche Verlobung.

„Frittiertes Hähnchen ist mein Lieblingsessen“, sagte er. Und er war wirklich am Verhungern. Was konnten ein paar Stunden schon schaden? Schließlich war er deswegen mit dem Auto gefahren, um seine Ankunft in Dallas möglichst hinauszuzögern. „Was ist Little Crooked Creek?“

„Das armseligste Exemplar einer Kleinstadt, das man sich vorstellen kann“, sagte sie trocken und verzog das Gesicht. „Dort lebe ich.“

Der griechische Gott folgte ihr. VJ warf einen unauffälligen Blick in den Rückspiegel. Ja, der muy amarillo Ferrari war direkt hinter Daddys Truck. Gott hatte einen Traummann mitten in der Wüste ausgesetzt, und er folgte ihr.

Sie hatte Schmetterlinge im Bauch. Lange hatte sie auf ihren Ritter in schimmernder Rüstung gewartet, doch nicht in einer Million Jahre hätte sie damit gerechnet, dass sie ihn fand, bevor sie Little Crooked Creek verließ. In Ewigkeit, Amen. Aber er war da. Ein Mann aus Fleisch und Blut, 1,80 groß, fantastisch aussehend, und er folgte ihr zu Pearl’s.

Sie bog in den Parkplatz des Diners ein; beim Anblick des weißen Tiefladers in der Parklücke neben ihr verzog sie das Gesicht. Na toll, Lenny und Billy waren auch hier. Es musste später sein, als sie gedacht hatte. Ihre Brüder kamen nie vor drei Uhr aus dem Bett und auch dann nur, wenn sie die Jungs aus dem Bett schmiss und drohte, dass sie kein Frühstück mehr bekommen würden, wenn sie ihre faulen Hintern nicht sofort bewegten.

Hoffentlich waren sie noch nicht bei ihrer zweiten Tasse Kaffee angelangt und würden den Fremden nicht bemerken, der durch Pearl’s spazierte. Das Letzte, was sie wollte, war, ihren kostbaren Ritter der Gesellschaft der zwei dämlichsten Jungs in West Texas auszusetzen.

Der Ferrari rollte in die Lücke auf der anderen Seite von Daddys Truck, und der griechische Gott glitt geschmeidig aus der Tür. Er war der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte, und er gehörte ganz ihr. Für den Moment. Sie war nicht so blauäugig zu denken, dass so ein eleganter, kultivierter Mann bei ihr bleiben würde, aber war es ein Verbrechen, sich ein wenig in seinem Glanz zu sonnen, bis er wieder aus ihrem Leben entschwand? Seufzend warf sie sich ihren Rucksack über die Schulter und ging ihm entgegen.

Pearl’s war beinahe leer. Ihr Fremder wirkte deplatziert wie ein Maikäfer im Januar, und innerhalb weniger Sekunden waren alle Augenpaare im Raum auf ihn gerichtet. Sie führte ihn an den zerkratzten Tischen vorbei zu einer Sitznische, die im Schatten der Küche lag – diese Nische war, wie jeder wusste, für Paare reserviert, die sich Privatsphäre wünschten. Sie wählte für sich die Sitzbank, die notdürftig mit Isolierband repariert war, und überließ ihm den besseren Platz.

Er setzte sich, und seine schmalen Pianistenfinger fuhren über das Herz, das in die Resopaltischplatte eingekerbt war. L und St stand in der Mitte des Herzens. Laura und Steve waren mittlerweile fast zwanzig Jahren verheiratet, ein typisches Kleinstadtehepaar. Der Gegensatz zu diesem Mann, der sonst zweifellos in schicken Sushi-Bars und eleganten Nachtclubs verkehrte, hätte nicht größer sein können.

Was hatte sie sich dabei gedacht, ihn hierher einzuladen?

„Interessant hier“, sagte er.

Es war heruntergekommen, dunkel und roch nach ranzigem Fett. Interessant war sicher keine zutreffende Beschreibung für das Pearl’s. „Hier gibt es die beste Küche meilenweit. Und die einzige“, fügte sie hinzu.

Er lachte und sie versuchte sich fieberhaft eine weitere, lustige Bemerkung einfallen zu lassen, um diesen tiefen, grollenden Klang noch einmal zu hören. Doch als der Blick aus diesen unglaublich warmen, braunen Augen sie durchbohrte, gab sie auf. Seine Züge waren fein und wie in Marmor gemeißelt. Eine Statue, die so perfekt gelungen war, dass der Künstler ihr Leben eingehaucht hatte, damit sie unter den Sterblichen wandeln konnte.

„Ich heiße übrigens Kris.“ Er streckte die Hand aus. „Ich komme aus Los Angeles.“

Verstohlen wischte sie sich den Ruß und den Schweiß ab, bevor sie seine glatte Hand ergriff. Energiewellen flirrten zwischen ihnen, und ein Schlag durchfuhr sie.

„Entschuldigung. Elektrische Aufladung. Es ist sehr trocken um diese Jahreszeit.“ Sie legte ihre Hand in den Schoß und strich mit der anderen verstohlen darüber. War es übertrieben, diese Hand nie wieder zu waschen? „Ich bin VJ aus der Pampa. Und ich werde weiter in der Pampa bleiben, wenn ich mich jetzt nicht an die Arbeit mache. Ich spare jeden Cent, um hier wegzukommen.“

Sie sprang auf, obwohl sie es hasste, ihn allein zu lassen. Doch es war beinahe vier Uhr.

„Kannst du nicht bleiben?“ Kris warf den Kopf in den Nacken und eine seidige Strähne seines schulterlangen Haares fiel ihm in die Stirn. Sie ballte ihre Hand zu einer Faust, damit sie dem Impuls nicht nachgab, ihm die Strähne aus dem Gesicht zu streichen. Das Berühren des Kunstwerks war verboten, auch wenn es nicht hinter Glas war.

„Keine Chance. Leider“, sagte sie. „Ich muss meine Uniform anziehen, dann kann ich wieder Wünsche von dir entgegennehmen.“ Sie blickte zu den anderen Gästen, die den Fremden in ihrer Mitte mit unverhohlener Neugier anstarrten.

„Du arbeitest hier?“

Sein Akzent war unglaublich. Die Worte waren auf Englisch, eine Sprache, die sie ihr Leben lang kannte, doch bei ihm klang jede Silbe exotisch und außergewöhnlich. Es war wie der Unterschied zwischen Detroit und Italien – beide Länder stellten Autos her, doch das Endergebnis hatte nicht mehr gemeinsam als vier Reifen und ein Lenkrad.

Sie musste endlich aufhören, ihn anzugaffen. „Äh, ja. Fünf Tage die Woche.“

Polternd erhoben sich ihre Brüder von ihren Hockern.

„Wer ist das Weichei?“, fragte Lenny und beugte sich verächtlich über ihren Tisch.

VJ stieß ihn mit der Schulter gegen die Brust, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. „Er ist nur auf der Durchreise“, sagte sie. „Er ist keine Bedrohung für euch, also lasst ihn in Ruhe.“

Lenny schubste sie mit Leichtigkeit aus dem Weg, als ob sie nicht mehr wog als eine Feder.

Bevor sie ihr Gleichgewicht wiedergewonnen hatte, war Kris schon aufgesprungen und an ihrer Seite. Ohne mit der Wimper zu zucken, starrte er Lenny und Billy nieder. Okay, vielleicht musste sie ihn nicht verteidigen. Ihr Herz rutschte ihr in die Hose, als er sich schützend vor sie stellte, völlig unbeeindruckt von den fünfhundert Pfund schweren Lewis-Jungs, die ihn wütend anfunkelten. Niemand in Little Crooked Creek wagte es, auch nur einem ihrer Brüder Paroli zu bieten, geschweige denn beiden. Er war ein echter Held.

„Kristian Demetrious. Und wer sind Sie?“ Sein Gesicht war hart und herrisch geworden – wie ein Krieger, kurz davor, sich mit gezücktem Schwert in die Schlacht zu stürzen. Als ob sie noch mehr Anstoß gebraucht hätte, sich ihn als Ritter ihrer Träume vorzustellen.

Dann wurde ihr sein voller Name bewusst.

Sie blinzelte ein paarmal schnell hintereinander, aber es war kein Traum. Kristian Demetrious stand mitten im Pearl’s. Das würde ihr niemand glauben. Gott, er hielt sie wahrscheinlich für eine totale Hinterwäldlerin, dass sie ihn nicht erkannt hatte. Sie musste sofort Pamela Sue anrufen.

Sobald sie sichergestellt hatte, dass Lenny und Bill nicht vorhatten, mit Kyla Monroes Verlobtem den Boden aufzuwischen.

„Das hier sind meine Brüder. Sie spielen gerne die harten Kerle, aber sie sind harmlos“, sagte sie. „Ich muss mich für sie entschuldigen. Sie kriegen nicht oft Ausgang aus der Irrenanstalt.“

Sie verpasste ihren Brüdern einen harten Stoß gegen die Brust und sagte: „Setzt euch wieder hin und trinkt noch einen Kaffee. Der geht auf mich. Und um Gottes willen regt euch ab. Mr. Demetrious ist nicht hier, um sich mit euch herumzuschlagen.“

Sobald sie seinen vollen Namen ausgesprochen hatte, verwandelte sich Kris für sie in eine ferne, unerreichbare Gestalt. Das Herz wurde ihr schwer. Er war mit Kyla Monroe verlobt. Natürlich. Männer wie er waren immer mit Frauen wie Kyla zusammen – sie war wunderschön, elegant, berühmt und hatte noch dazu ein Regal voller Filmpreise.

Zwar war VJ klar gewesen, dass ihr griechischer Ritter in einer anderen Liga spielte, aber dass er dermaßen unerreichbar war, hatte sie nicht geahnt. Tatsächlich hatte sie das Gefühl gehabt, dass er ein klein wenig mit ihr flirtete – aber das konnte nicht sein. Sie musste seine unschuldigen Bemerkungen missverstanden haben.

Lenny und Billy zogen ab, nicht ohne Kris ein paar gehässige Blicke über die Schulter zuzuwerfen. Dann nahmen sie wieder ihre Plätze an der Theke ein und starrten Kris über den Rand ihrer Kaffeebecher hinweg argwöhnisch an. Kretins.

„Ich fürchte, Sie haben meine geheime Superkraft entdeckt. Ich bin ein Idioten-Magnet.“ Sie sah Kris direkt in die Augen. „Danke, dass Sie sich für mich eingesetzt haben, Mr. Demetrious.“

Wie unangemessen. Aber wie konnte sie ausdrücken, was für ein unglaubliches Gefühl es gewesen war, dass ein Mann wie Kristian Demetrious sie verteidigt hatte? Für ihn war es nur eine Kleinigkeit, aber ihr bedeutete es alles.

Er zuckte verlegen die Achseln, ihm war offensichtlich unbehaglich zumute. „Also heißt es ab jetzt Sie und Mr. Demetrious?“ Er setzte sich auf die Bank und lachte trocken, als sie stehen blieb. Aber sie konnte sich unmöglich einfach so mit ihm an den Tisch setzen. „Ich bin kein Freund von Förmlichkeit. Es hatte einen Grund, dass ich mich dir als Kris vorgestellt habe. Können wir nicht einfach wieder locker miteinander umgehen?“

Sein Lächeln war so ansteckend und bezaubernd, dass sie nicht anders konnte, als zurückzulächeln. „Meine Mutter hat mir beigebracht, dass ich höflich sein soll.“

„Mir gefielst du respektlos besser.“ Er seufzte. „Offensichtlich weißt du, wer ich bin. Ich nehme an, es ist wegen Kyla und nicht weil du meine Filme gesehen hast.“

„Sorry. Wir können von Glück sagen, wenn wir eine Handvoll Premieren ins Kino von Van Horn bekommen. Für diese Ecke sind die Filme, bei denen Sie Regie führen, einfach zu … wie sagt man?“ Sie schnipste mit den Fingern. „Kosmopolitisch.“

„Obskur“, sagte er gleichzeitig, und ein entschlossener, leidenschaftlicher Ausdruck trat in seine Augen. „Das wird sich ändern. Und zwar bald.“

„Ich muss einstempeln“, sagte sie. Und ein bisschen Abstand zwischen sie bringen, bevor sie anfing, ihn auszufragen. Nach seiner Arbeit, seinen Plänen, seinen Träumen. Sie hätte ihm die ganze Nacht zuhören können. Sie hatte nicht oft die Chance, an kultivierten Unterhaltungen dieser Art teilzunehmen.

Sie wandte sich zum Gehen. Da hielt er sie fest, und sie spürte den sinnlichen Druck seiner Finger um ihren Arm. Wie aufregend wäre es, seine goldbraune Hand zu halten – zu fühlen, wie beide Hände über ihren Körper glitten, sie auszogen, liebkosten … Genug jetzt.

„Zieh dich schnell um. Ich bin völlig ausgehungert“, sagte er, und seine Augen bekamen einen seltsamen Glanz. Bevor sie gewusst hatte, dass er vergeben war, hätte sie diese Bemerkung sicher missverstanden und in seinem leidenschaftlichen Gesichtsausdruck eine Aufforderung gelesen.

„Sie sind der Boss.“ Sie machte sich davon, voller Angst, er könnte sich in Luft auflösen, sobald sie ihn aus den Augen ließ.

Und wenn schon. Er war vergeben, und das auch noch an die blonde Leinwandgöttin Kyla Monroe.

Der Gedanke verursachte ihr Übelkeit. Sie kamen aus verschiedenen Welten. Er war nur hier, weil er sich verfahren hatte, nicht weil das Schicksal ihn zu ihr geführt hatte.

Kristian Demetrious gehörte einer anderen Frau. Für einen flüchtigen Augenblick war er in Little Crooked Creek aufgetaucht und würde schon bald wieder verschwinden.

2. KAPITEL

Kris lehnte sich in seiner harten Bank zurück und sah seiner Wüstenschönheit zu, wie sie ein Dutzend alltägliche Dinge erledigte. Sie schob ihre Stempelkarte in die alte Maschine an der Wand. Dann machte sie einen Telefonanruf von einem waschechten Münztelefon aus, das man zwischen dem Videospielautomaten und den Toiletten platziert hatte.

Die lebhafte Anmut, mit der sie sich bewegte, erinnerte ihn an eine aufblühende Blume. Von einem Moment auf den anderen war alles voller Farbe und Leben, überwältigende Schönheit, wo eben noch nichts Bemerkenswertes gewesen war. Wo war die Kamera, wenn man sie wirklich brauchte? Eine solche natürliche Schönheit musste er für die Nachwelt festhalten.

Nein, nicht für die Nachwelt, für sich selbst. Künstlerische Kreativität statt Gewinnstreben. Vielleicht lag hier auch der Schlüssel für das Konzept von Visions of Black, über dem er schon seit Wochen brütete.

Das Licht im Diner war fahl und trüb. Völlig falsch. Er würde sie draußen filmen, wo die Nachmittagssonne ihr ins Gesicht schien und sich die Berge hinter ihr als natürliche Kulisse erhoben. Vielleicht würde er ein Interview mit ihr führen, damit er diesen honigsüßen, schweren Dialekt einfangen konnte und ihre rückhaltlose Ehrlichkeit. Bei VJ war alles an der Oberfläche, in ihren Augen, auf ihren Lippen. Er selbst hingegen steckte bis zum Hals in Hollywoodspielchen.

Er hatte sein Appartement in L. A. an diesem Morgen noch vor Sonnenaufgang verlassen, um direkt nach Dallas durchzufahren. Dort hatte er sich mit Kyla treffen wollen, um mit der Vorproduktion von Visions zu beginnen.

Doch im Moment erschien ihm ein weiterer Abend ohne Kyla weniger wie eine Gnadenfrist als eine Notwendigkeit.

Er wollte einfach nur Filme machen, sich nicht mit der Finanzierung, Werbung oder endloser Hollywoodbürokratie herumschlagen. Visions of Black war der perfekte Film, um seine Karriere auf die nächste Stufe zu befördern. Eine ideale Mischung aus sympathischen Figuren, fesselnder Dramatik und spannungsgeladener Action. Die Zuschauer würden Kyla in der Hauptrolle lieben, ihre Ausstrahlung auf der Leinwand war einfach unvergleichlich. Sie war von Anfang an ein wesentlicher Teil des Pakets gewesen, in erster Linie weil der Hauptproduzent Jack Abrams darauf bestanden hatte. Und auch Kris erkannte den doppelten Vorzug von Kyla als Kassenmagnet und erstklassiger PR.

Der Drang, aus seiner Geschichte einen Film zu machen, brannte stark genug in ihm, dass er gewillt war, sich mit seiner Exfreundin und jedem anderen Hindernis herumzuschlagen, das man ihm in den Weg stellte.

Morgen.

VJ ging um die Tische herum und trat mit einem erwartungsvollen Lächeln auf ihn zu. „Frittiertes Hähnchen?“

„Absolut.“ Niemand in L. A. aß frittiertes Hähnchen, aber der herzhafte Geruch hatte ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen, seit er den Diner betreten hatte. „Und ein Bier.“

„Erstklassige Wahl. Leider sind wir mitten im Bibelgürtel und nehmen das Alkoholverbot in der Öffentlichkeit ernst. Lieber eine Cola stattdessen?“, schlug sie vor.

„Ihr verkauft keinen Alkohol?“ Als er sich im Diner umblickte, konnte er sich die Frage selbst beantworten. Jedes Glas war mit einer dunkelbraunen Flüssigkeit gefüllt. Jede Wette, dass es sich um unglaublich süßen Tee handelte.

„Sorry, ich fürchte, hier ist es trocken wie in der Wüste.“ Sie beugte sich zu ihm herunter und hob die Augenbrauen. „Wir sind hier alle gute Baptisten. Außer hinter geschlossenen Türen natürlich.“

Er verstand. Wo er herkam, war man streng griechisch-orthodox. Außer hinter geschlossenen Türen. Anderes Etikett, dieselbe Heuchelei. „Cola ist prima.“

„Kommt sofort, Sir.“

Er stöhnte entnervt auf. „Kannst du bitte mit diesem Sir-Quatsch aufhören? Leiste mir ein bisschen Gesellschaft“, sagte er.

„Das geht nicht. Ich muss arbeiten.“

Er sah sich im Speiseraum. „Aber es ist praktisch leer hier.“

Ihr Blick glitt prüfend über sein Gesicht, als ob sie nach etwas suchte. Und er spürte das seltsame Verlangen in sich, es ihr zu geben, was immer es war.

„Okay“, sagte sie. „Aber nur ein paar Minuten.“

Sie ging an den Tischreihen vorbei und reichte ihren Bestellblock an eine Frau mittleren Alters weiter, die in der Küche stand. Aller Wahrscheinlichkeit nach Pearl.

Ihre beiden grobschlächtigen Brüder, zweifellos adoptiert, warfen ihm weiterhin böse Blicke zu, rührten sich aber nicht.

Eine schlanke junge Frau mit einem runden, frischen Gesicht stürmte in den Diner und eilte an VJs Seite. Sofort begannen die beiden lebhaft miteinander zu tuscheln und warfen ihm verstohlene Blicke von der Seite zu. Amüsiert verschränkte er die Arme vor der Brust. Auf diese nette Art angestarrt zu werden, machte ihm nichts aus, im Gegenteil. Besonders von einer Frau, die ihn so faszinierte wie VJ. Ein paar Minuten später stolzierte die andere Frau zur Bar.

„Eine Freundin von dir?“, fragte er, als VJ auf den Tisch zutrat.

VJ blieb auf Abstand. Normalerweise schätzte er das, aber nicht heute und nicht bei ihr. Es hatte vorhin eine Leichtigkeit und Vertrautheit zwischen ihnen gegeben, doch seit sie von seiner Verbindung zu Kyla wusste, hatte sie sich verkrampft.

„Ja, praktisch von Geburt an. Das ist Pamela Sue. Sie ist nur hier, um dich unter die Lupe zu nehmen.“

Er lachte. „Ich bin so viel Ehrlichkeit nicht gewöhnt. Gefällt mir. Wofür steht VJ?“ Er stützte sein Kinn auf die Hand und ließ seinen Blick über ihr ausdrucksvolles Gesicht schweifen. Wo er herkam, waren Frauen manipulativ und voller Hintergedanken. Sie war anders.

„Victoria Jane. Zu schick für die Gegend hier, deswegen nennen mich alle VJ.“ VJ passte zu ihr – es war kurz, frech und originell. „Die meisten. Aber nicht alle?“

„Dir entgeht nichts, was? Meine Mutter hat mich nicht so genannt. Aber sie ist schon fast ein Jahr tot.“

Autsch. Der Schmerz in ihren Augen traf ihn direkt ins Herz. Bevor er darüber nachdachte, ergriff er ihre Hand. „Das tut mir leid“, sagte er. Nach einem harten, bösen Wortgefecht mit seinem Vater vor sechzehn Jahren hatte Kris einem gesicherten Posten bei der Demetrious-Rederei, dem Demetrious-Vermögen und Griechenland den Rücken gekehrt. Die Beziehung zu seiner Mutter war eins der Opfer gewesen. „Das muss hart gewesen sein. Ist es wahrscheinlich immer noch.“

„Versuchen Sie mich zum Weinen zu bringen?“ Sie schluckte schwer.

Vernehmliches Geschirrklappern ertönte aus der Küche.

„Pearl hat eine subtile Art, mir zu sagen, dass ich meinen Hintern bewegen und mich wieder an die Arbeit machen soll.“ VJ rollte mit den Augen, doch er sah, dass Tränen in ihnen glänzten. „Ehrlich, sie sollte Ihre Rechnung übernehmen. Das Lokal ist nicht mehr so voll gewesen seit Old Man Smiths Beerdigung.“

Während seines Gesprächs mit VJ hatte sich der Diner mit Leuten gefüllt. Die meisten Tische waren nun von Kleinfamilien besetzt, erschöpften Männern mit staubverkrusteten Stiefeln und pickelgesichtigen Jugendlichen.

„Du willst mir sagen, ich bin genauso beliebt wie ein toter Mann?“ Er musste sich das Lachen verkneifen.

VJ entzog ihm ihre Hand und erhob sich. „Ich muss jetzt arbeiten.“ Sie machte einen Schritt zurück, und ihr Gesicht wurde ausdruckslos. „Es war nett, Sie kennenzulernen, Mr. Demetrious. Ich wünsche Ihnen und Ms. Monroe alles Gute für ihre bevorstehende Hochzeit.“

Er blickte grimmig. „Kyla und ich sind nicht verlobt.“

Die Gerüchte über seine bevorstehende Verlobung waren also bereits an die Öffentlichkeit gesickert. Das hatte er zweifellos Kyla zu verdanken.

Warum störte ihn das so? Er hatte sich freiwillig auf den Handel eingelassen. Was Liebe und Ehe anging, hegte er ohnehin keinerlei romantische Illusionen. Natürlich hatte er nicht die Absicht, Kyla zu heiraten. Er hatte sie nicht mehr gesehen, seit sie vor ein paar Monaten ihre Beziehung mit einem tränenreichen, theatralischen Auftritt beendet hatte. Danach war sie wahrscheinlich direkt wieder mit Guy Hansen ins Bett gesprungen.

„Na gut, dann wünsche ich Ihnen eben ein schönes Leben.“ VJ lächelte und eilte in die Küche zurück.

Zumindest hatte er es geschafft, ihre Laune zu heben.

VJ grinste, als sie später am Abend die Stufen zum Haus hochstieg; sie übersprang die kaputte Stufe und zog leise die Fliegengittertür auf.

Kris und Kyla Monroe waren nicht verlobt.

Im Grunde machte es keinen Unterschied, trotzdem konnte sie nicht aufhören zu lächeln. Er war einfühlsam, unglaublich heiß und eine Spur weniger unerreichbar, als sie gedacht hatte.

Hatte er irgendeinen Fehler? Falls es so war, wollte sie es nicht wissen. Für den Moment war ihr Traummann ohne Fehl und Tadel.

Es machte Spaß, sich auszumalen, wie Kris eines Tages zu ihr zurückkehren würde, in seinem Ferrari mit offenem Verdeck und einer Handvoll roter Rosen. Und es war deprimierend zu wissen, dass dies niemals geschehen würde.

Sie schlich auf Zehenspitzen den Flur entlang und blieb wie versteinert stehen, als sie das Dielenbrett unter ihren Füßen knarrte.

„Mädchen, bist du das?“, tönte die schleppende Stimme ihres Vaters aus dem Wohnzimmer.

Stockbesoffen. Was war diesmal der Anlass gewesen?

Ihr Magen krampfte sich zusammen. Das Ersatzteil. Sie hatte das Ersatzteil von Gus’ Truck ganz vergessen, es lag noch immer im Führerhaus von Daddys Truck. Sie hatte den Kopf zu voll mit Kristian Demetrious gehabt, um an irgendetwas anderes zu denken.

Ihr Vater saß zusammengesunken in seinem Fernsehsessel, auf dem er sich schon am frühen Nachmittag niedergelassen hatte. Seine rot geschwollenen Augen waren blutunterlaufen.

„Sieh mal an.“ Er nahm einen Schluck Bier und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „Hast dich endlich entschieden, deinen Hintern wieder nach Hause zu bewegen, ja?“

Sie alle waren mit dem Tod ihrer Mutter auf ihre eigene Weise umgegangen, doch ihr Vater hatte seinen Kummer in Alkohol ertränkt.

„Das mit dem Ersatzteil tut mir leid, Daddy. Ich bin erst spät in die Stadt gekommen. Ich musste direkt zur Arbeit.“

„Gus braucht seinen Truck. Und du gehst jetzt rüber und reparierst ihn“, befahl er, indem er den Rest seines Biers in einem Zug austrank und rülpste. Ohne hinzusehen stellte er die Bierflasche auf den Tisch neben sich.

Einen Moment lang stand sie schwankend am Rand, bevor sie mit einem Klirren zu Boden fiel. Bier lief schäumend über den massiven Holzfußboden. Noch mehr Chaos, das sie später aufräumen musste.

„Es ist spät. Bobby junior kann ihn morgen reparieren.“ Neben all seinen anderen Pflichten, denn er hatte die Autowerkstatt ihres Vaters übernommen.

Schuldgefühle stiegen in ihr auf.

Anklagend zeigte ihr Vater mit der Fernbedienung auf sie. „Ich habe dir gesagt, dass du es tun sollst. Undankbares Luder. Bring mir noch ein Bier, ja?“

Wut stieg in ihr auf und verdrängte alle Schuldgefühle. „Daddy, du bist betrunken und musst jetzt ins Bett. Deswegen verzeihe ich dir, wie du mich eben genannt hast.“

„Sprich nicht in diesem Ton mit mir, Missy!“ Torkelnd erhob er sich und schwenkte drohend die Fernbedienung. „Ich bin nicht betrunken. Ich bin hungrig, weil du mir kein Essen gemacht hast. Das ist dein Job.“

„Ich will nicht respektlos sein, Daddy.“ Sie biss sich auf die Lippe, zwang sich aber weiterzusprechen. „Aber ich ziehe bald nach Dallas. Du und die Jungs müsst lernen, allein zurechtzukommen.“

Jenny Porters Cousine hatte eine Wohnung gekauft und angeboten, ihr zusätzliches Schlafzimmer an VJ zu vermieten, aber die Wohnung würde erst im September fertig renoviert sein. Sie konnte den Herbst kaum abwarten.

Ihr Vater schüttelte den Kopf. „Gott hat die Frauen erschaffen, damit sie kochen, putzen und Babys kriegen. Das kannst du alles auch hier in Little Crooked Creek tun.“

„Ich bleibe nicht hier, bloß damit du dich in Ruhe zu Tode saufen kannst.“ Ihre Augen waren trocken und brannten. „Ich bin müde. Die Sache mit Gus’ Truck tut mir leid und dass ich vergessen habe, dir Essen zu machen. Aber ich bin hier fertig.“

Sie wandte sich ab, um auf ihr Zimmer zu gehen.

Die Fingernägel ihres Vaters gruben sich in ihren Oberarm. Er riss sie herum und zog sie nah zu sich, bis sein Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt war. Sein Atem war abgestanden und stank nach Alkohol. „Du kündigst deinen Job. Und du wirst nicht abhauen, um in diesem Sündenpfuhl zu leben.“

Bei jedem Wort schüttelte er sie heftig. Tränen schossen ihr die Augen. Zum ersten Mal seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie wirklich Angst vor ihrem Vater.

Wenn sie es schaffte, in ihr Zimmer zu entkommen, konnte sie sich vielleicht ein paar Klamotten schnappen und zu Pamela Sues Haus hinüberlaufen.

„Kamst dir wohl ziemlich schlau vor, das ganze Geld unter deinem Bett zu verstecken“, sagte er.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie seine Worte begriffen hatte. „Du hast in meinem Zimmer herumgeschnüffelt?“

Sie entriss ihm ihren Arm, Panik kroch in ihr hoch. Sicher hatte er nicht in die Tamponschachtel geschaut. Ihre Brüder hätten sich eher eine Hand abgehackt, als sie anzurühren.

„Das hier ist mein Haus, also gehört alles darin mir. Ich brauchte einen neuen Truck. Tackle hat ihn mir heute in El Paso besorgt.“ Grinsend wies ihr Vater auf die Rückseite des Hauses.

Schwindel überkam sie, als sie aus dem Rückfenster blickte. In der Einfahrt stand ein brandneuer Truck mit einem Nummernschild aus Pappe.

„Du hast mein Geld gestohlen? Alles?“ Sie bekam keine Luft mehr.

„Es ist mein Haus, also auch mein Geld.“

Sie hätte ein Sparkonto bei der Sweetwater Bank eröffnen können. Schließlich arbeitete Tante Mary dort. Dann hätte ihr Vater zwar von dem Geld erfahren, aber er hätte es ihr nicht einfach wegnehmen können.

Was sollte sie tun? Das meiste Geld war von ihrer Mutter gewesen. Als ihre Prognose schlechter wurde, hatte sie es VJ heimlich zugesteckt. Es würde mindestens eine Woche dauern, bis sie im Pearl’s genug verdient hatte, um sich auch nur ein Busticket leisten zu können. Geschweige denn Essen oder Miete.

Die Worte platzten einfach aus ihr heraus: „Es ist mein Geld, also auch mein Truck! Gib mir den Schlüssel.“ Sie streckte die Hand aus und versuchte sich daran zu erinnern, wie ihr Daddy gewesen war, bevor ihre Mutter starb, doch dieser Mann war lange verschwunden.

Er lachte wiehernd. „Die Schlüssel sind gut versteckt, und der Truck ist diebstahlgesichert, also denk nicht einmal daran, ihn kurzzuschließen. Wo du jetzt siehst, wie die Dinge von nun an laufen werden, kannst du deinen Hintern gleich in die Küche schwingen und mir Essen machen.“

„Nein, Daddy. Du bist zu weit gegangen. Mach es selbst.“

Der Schlag traf sie seitlich und warf sie fast um. Ihre Wange brannte von tausend winzigen Nadelstichen. Sie hatte den Schlag nicht kommen sehen.

„Ich habe dein Mundwerk gründlich satt, Mädchen. Und warum räumst du nicht gleich ein bisschen auf, wenn du schon in der Küche bist?“ Er ließ sich in seinen Fernsehsessel fallen, als wäre nichts vorgefallen.

Sie rannte in ihr Zimmer, ohne auf das Brüllen ihres Vaters zu achten. Ihre Glieder fühlten sich so schwer an, dass sie sich kaum rühren konnte. Sobald sie im Zimmer war, warf sie sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Tür. Nach zwei gescheiterten Versuchen schaffte sie es endlich, den Stuhl unter die Türklinke zu klemmen. Es hielt, aber dem betrunkenen Zorn ihres Vaters würde er nicht standhalten.

Benommen stolperte sie in ihrem Zimmer umher und schmiss Sachen in ihre Tasche.

Hastig zog sie sich die Kellnerinnenuniform aus, dabei riss ihr ein Ärmel ab, doch es spielte keine Rolle, denn sie würde die Uniform nie wieder tragen. Ihr Vater hatte recht gehabt – sie würde ihren Job kündigen, aber nicht weil er es ihr befahl, sondern weil sie gehen würde. Wahllos zerrte sie ein T-Shirt und eine Jeans aus ihrem Schrank und zog beides an. Sie musste heftig blinzeln, um die Tränen zurückzuhalten.

Es brach ihr das Herz, die Liebesromansammlung ihrer Mutter zurückzulassen, doch es standen mindestens fünfhundert Taschenbücher im Regal. Nur Embrace the Rogue konnte sie unmöglich dalassen, sie quetschte es in ihre vollgestopfte Tasche. Es war das Lieblingsbuch ihrer Mom gewesen.

Ein Krachen ertönte von der anderen Seite der Tür. Hastig zerrte sie das Fliegengitter beiseite und schwang ihr Bein über das Fensterbrett, ohne einen Blick in das Zimmer zurückzuwerfen, das seit dem Tag ihrer Geburt ihr Zufluchtsort gewesen war. Sie hatte einfach zu viel Angst, dass ihre Vernunft wieder die Oberhand gewinnen würde.

VJ rannte zur Hauptstraße und war fast auf dem halben Weg zu Pearl’s, als die Tränen sie zu überwältigen drohten. Sie holte zweimal tief und zitternd Luft und schluckte die Tränen herunter. Trauer war ein Luxus, den sie sich nicht leisten konnte.

Sechsundzwanzig Dollar Trinkgeld lagen gefaltet in ihrer Tasche. An jedem anderen Tag wäre dies ein unverhoffter Geldsegen gewesen.

Doch sie würden kaum ausreichen, selbst wenn sie sich einen Tag lang nur von billigem Fast Food ernährte und durch irgendein Wunder einen Autofahrer fand, der sie nach Van Horn mitnahm.

Sie kam an der Schule vorbei, die sie zwölf Jahre lang besucht hatte. Erinnerungen an diese Jahre tanzten im schwachen Mondlicht, das den Spielplatz erhellte. Das nächste Gebäude in der Straße war die Autowerkstatt. Bei ihrem Anblick hätte sie beinahe ihre Meinung geändert. Lenny und Billy würden sie nur zur Essenszeit vermissen, aber Bobby junior und Tackle waren darauf angewiesen, dass sie im Geschäft aushalf, wenn Not am Mann war.

Andererseits hatte Tackle den Truck für ihren Vater verkauft. Mit Sicherheit hatte er ihn gefragt, wo das Geld herkam. Vielleicht hatte ihr Dad gelogen, doch die Möglichkeit, dass ihr eigener Bruder sie hintergangen hatte, bohrte sich ihr ins Herz.

Sie ging am MacIntyre’s Drugstore vorbei. Nie wieder würde sie gemeinsam mit Pamela Sue an der Snackbar abhängen.

Glücklicherweise gab es auf der Hauptstraße hinter dem Drugstore keine weiteren Gebäude. Endlich hatte sie das einzige Motel in Little Crooked Creek erreicht und übte im Kopf die Zeilen, die ihr den Weg zu einem kostenlosen Zimmer ebnen sollten. Etwas Gelbes leuchtete in der Dunkelheit auf und der Anblick verscheuchte alle anderen Gedanken aus ihrem Kopf.

Das Mondlicht lag schimmernd auf dem gelben Ferrari, der einsam unter einer Straßenlaterne parkte. Ihr Herz schlug schneller. Kris war nicht auf dem Weg nach Dallas, er war immer noch hier.

Es war Schicksal.

Vielleicht würde er sie in seinem Auto mitnehmen, wenn sie ihm den Weg beschrieb.

Aber dann musste sie ihm erklären, was mit ihrem Geld geschehen war und warum sie es so eilig hatte, aus der Stadt zu verschwinden. Sie biss die Zähne zusammen. Sie musste Kris nicht mit ihren persönlichen Dramen belasten.

Warum ließ sie es nicht so aussehen, als ob sie ihm einen Gefallen tat? Was, wenn mysteriöserweise etwas mit seinem Auto nicht stimmte?

Oh, er springt nicht an? Lassen Sie mich einen Blick daraufwerfen. Nein, ich würde nichts dafür nehmen. Höchstens eine Fahrt nach Dallas vielleicht.

Ein idiotischer Plan. Es ist ein Ferrari, Dummie, kein Ford. Und wenn nun der Motor anders war als die amerikanischen, die sie kannte?

Es gab nur einen Weg, es herauszufinden.

Sie spähte ins Innere des Autos, sorgsam darauf bedacht, nicht die Scheibe zu berühren, für den Fall, dass der Alarm ansprang. Am Armaturenbrett sah sie keine rot blinkenden Lichter, was hoffentlich bedeutete, dass es überhaupt keinen Alarm gab. Sie fischte eine Nagelfeile aus ihrer Handtasche und runzelte die Stirn. Sie war nicht lang genug, um das Schloss von außen zu knacken. Vielleicht konnte sie das Verdeck ein wenig zurückziehen und die Feile durch den Spalt schieben.

Auf gut Glück probierte sie den Türgriff. Es war nicht abgeschlossen.

Hastig öffnete sie den Kofferraum. Zumindest wusste sie, dass der Motor hinten war, nicht vorn. Aber er war schlicht und einfach fremd, ein Motor, der eher zu einem Raumschiff als zu einem Auto zu gehören schien. Nur ein Mechanismus war derselbe. Sie griff hinein und wackelte am Zündkabel, bis es sich löste.

Jetzt würde dieses Auto niemals von allein anspringen. Sie schloss den Kofferraum mit einem leisen Klicken und nahm ihre Tasche wieder in die Hand. Nun, wo sollte sie auf Kris warten?

Naserümpfend ließ sie sich auf dem Beton nieder, in der Lücke zwischen dem Mülleimer und der Eismaschine, und versuchte sich zu entspannen.

Ihr Plan musste funktionieren. Er musste es einfach. Die schwere, schwüle Luft legte sich drückend auf sie in der stillen Dunkelheit. Grillen zirpten auf dem Feld neben dem Motel, doch auch dieser Klang konnte ihre Panik nicht lindern.

Was, wenn Kris doch nicht ihr Ritter in schimmernder Rüstung war?

3. KAPITEL

Kris untersuchte den Motor von Kylas Wagen. Warum musste er ausgerechnet hier und jetzt den Geist aufgeben?

Die Strafe für seine Verspätung. Das war der Grund. Kyla hatte ihn zuerst verhext und ihn dann per SMS gebeten, den Wagen in tadellosem Zustand zurück nach Dallas zu bringen. Er hätte den Wagen überführen lassen sollen, aber er hatte ja unbedingt selbst fahren müssen. Im Geiste verfluchte er italienische Autobauer und zog sein Handy aus der Hosentasche.

„Probleme mit dem Wagen, Chef?“, hörte er VJs honigsüße Stimme hinter sich.

Grinsend wandte er sich zu ihr um, doch sein Lächeln erstarb bei ihrem Anblick.

Er stieß einen Fluch aus und strich mit dem Daumen über die Schwellung unter ihrem Auge. „Was ist mit deinem Gesicht passiert?“

Sie wollte sich schon abwenden, doch er hielt ihr Kinn fest und drehte ihr Gesicht ins Sonnenlicht. Die Verletzung war nicht so schlimm, dass sie einen Arzt gebraucht hätte, dennoch flammte heftiger Zorn in ihm auf.

„Wer war das?“, wollte er wissen. „Einer deiner Brüder?“

„Niemand. Ich bin hingefallen.“ Sie senkte den Blick zu Boden und machte sich los. „Es war dunkel.“

„Ja, klar.“

Die Dienstmädchen haben die Möbel umgestellt, Liebling, so hatte die Ausrede seiner Mutter immer gelautet. Ein anderer Kontinent, doch dieselbe schwache Entschuldigung. Als wäre er gleichzeitig blind und blöd.

Seine Eltern waren früher einmal leidenschaftlich ineinander verliebt gewesen, doch irgendwann war ihre Beziehung hässlich geworden. Kris wollte das um nichts in der Welt noch einmal erleben.

Also hatte er Strategien entwickelt und gelernt, sich zu beherrschen. Er ging Auseinandersetzungen ebenso aus dem Weg wie ernsten Beziehungen und blieb emotional auf Distanz. Die meisten Frauen hatten ziemlich schnell genug davon.

Aber nun war es zu spät, auf Abstand zu gehen, VJ brauchte seine Hilfe. Ob es ihm gefiel oder nicht, seine Rolle in dieser Geschichte war noch nicht vorbei.

„Ehrlich“, sagte sie und mied seinen Blick. „Es war ein Unfall. Kann ich dir bei dem Wagen behilflich sein?“

„Ein Unfall.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte auf sie herunter. „Worüber bist du gestolpert?“

„Äh, die Couch.“

Er wies mit dem Kinn auf den hässlichen blauen Fleck, der sich auf ihrem Oberarm gebildet hatte. Er hatte die Form einer Hand, man sah die Abdrücke der violetten Finger und im Halbkreis angeordnete Schnitte. „Hatte die Couch zufällig Hände mit Fingernägeln?“

VJ verzog ihr Gesicht zum Weinen, und er stieß einen Fluch aus. Hastig schlang er die Arme um sie. Er würde alles tun, um ihr zu helfen.

Dann erinnerte er sich daran, dass er für VJ praktisch ein Fremder war. Wahrscheinlich würde sie ihm gleich eine Ohrfeige verpassen.

Doch das tat sie nicht. Stattdessen schmiegte sie sich schluchzend an seine Brust, und VJs schlanker Körper weckte seinen Beschützerinstinkt. Er schloss seine Arme fester um sie und atmete den Kokosnussduft ihres warmen, zimtfarbenen Haares ein.

Nach einer Weile hörte sie auf zu weinen. Sie löste sich aus der Umarmung und holte tief Luft. Dann wischte sie sich mit dem Saum ihres T-Shirts über ihr tränenüberströmtes Gesicht. „Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was mit mir los ist.“

„Ich schon“, sagte er grimmig. „Du hattest einen schlimmen Abend, und eine Nacht auf der Straße hat es nicht besser gemacht. Lass mich dich irgendwohin bringen, nur nicht zu dem, der dich geschlagen hat.“

„Ich habe nicht auf der Straße geschlafen“, widersprach sie heftig. „Ich bin auf dem Weg zur Arbeit.“

„Du hast etwas Sand auf der Wange. Auf der anderen Seite“, setzte er hinzu, als sie vorsichtig mit der Hand über die Prellung fuhr. Sie hatte offensichtlich keine Ahnung, wie geübt er darin war, die Lügen einer Frau zu durchschauen.

„Steig in den Wagen.“ Er fluchte, war aber zumindest geistesgegenwärtig genug, es auf Griechisch zu tun. „Ach, hab ich ja vollkommen vergessen. Etwas stimmt nicht mit dem Wagen. Kannst du mir die Nummer von deiner Autowerkstatt geben?“

Mit einem Mal brach sie wieder in Tränen aus.

Er streichelte beschwichtigend ihre Schulter. „Das sollte kein Angriff auf deine technischen Fähigkeiten sein. Ich wäre sehr froh, wenn du dir den Wagen für mich ansehen würdest.“

„Bitte entschuldige dich nicht“, murmelte sie und schniefte. „Das macht es nur schlimmer.“

Ohne ein weiteres Wort ging sie um ihn herum und beugte sich über die Motorhaube. Mit ein paar geschickten Drehungen hatte sie den losen Draht wieder befestigt und sagte leise: „Ich habe ihn gestern Abend gelöst. Versuch es jetzt.“

Es hatte ihm die Sprache verschlagen. Verwirrt ließ er sich auf den Fahrersitz sinken und startete den Wagen. Mit einem lebhaften Röhren erwachte der Motor zum Leben.

Er sprang aus dem Auto und ging auf sie zu, bevor sie fliehen konnte. „Jetzt steig ein.“

„Ich kann nicht.“ Sie sah ihn unglücklich an. „Das ist alles nicht richtig. Es tut mir leid. Ich hatte diesen blöden Plan. Ich wollte dein Auto reparieren und mich dafür von dir mitnehmen lassen. Aber dann musstest du auch noch so nett und wunderbar und verständnisvoll sein und … Ich bin ein furchtbarer Mensch, aber ich will die Situation nicht ausnutzen.“

Kris biss sich auf die Lippe, um sich das Lachen zu verkneifen. „Du willst dich nicht von mir mitnehmen lassen, weil du die Situation nicht ausnutzen möchtest?“

„Deine Gastfreundschaft“, verbesserte sie sich rasch. „Ich möchte deine Gastfreundschaft nicht ausnutzen. Nicht dass du abstoßend wärst oder so. Ich meine, ich würde die Situation auf jeden Fall ausnutzen, wenn ich die Gelegenheit bekäme. Du bist total heiß.“ Sie stieß einen tiefen Seufzer aus, und sofort wollte er diesen Seufzer noch einmal hören. „Kann ich mich bitte in einem Erdloch verkriechen?“

„Nein.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen seinen Wagen. War es schlimm, wie sehr ihn ihre Art bezauberte? „Es ist zu spät. Du hast schon zugegeben, dass meine Tugend bei dir nicht in guten Händen ist.“

Sie funkelte ihn an, doch dann änderte sich der Ausdruck in ihrem Gesicht. „Ich bin weit über Little Crooked Creek hinaus berühmt-berüchtigt. Mütter sperren ihre Söhne weg, wenn sie mich kommen sehen.“

„Nun, meine Mutter ist sechstausend Meilen weit weg. Warum machen wir es nicht so: Ich verzeihe dir, dass du den Wagen manipuliert hast. Und du verzeihst mir, wenn ich dir nicht glaube, dass du gefallen bist.“ Sanft ergriff er ihre Hand und zog VJ zur Beifahrertür.

Sie stieg nicht ein, sondern blickte auf ihre ineinander verschlungenen Hände. „Gestern hast du noch nicht einmal gewusst, dass es mich gibt. Warum willst du dich in das hier verwickeln lassen?“

Eine gute Frage, aber die falsche. Er war von dem Moment an verstrickt gewesen, als sie am Highway rechts heranfuhr, mit ihm flirtete und ihn mitten ins Geschehen zog.

Die Frage war nur, wie lange er verstrickt bleiben würde.

„Wird irgendjemand mit der Schrotflinte hinter uns her sein?“

„Ich bezweifle es.“ Sie schnaubte verächtlich. „Bobby junior und Tackle vielleicht, aber sie sind zu beschäftigt. Die Schwachköpfe … sorry. Meinen anderen Brüdern müsste erst mal auffallen, dass ich weg bin.“

„Was ist mit deinem Vater?“

Ein Schatten huschte über ihr Gesicht, und sie umklammerte seine Hand fester. Jetzt wusste er, wer der Schurke war, der sie geschlagen hatte.

„Ich kann ehrlich nicht sagen, was Daddy tun würde. Das ist der beste Grund, mich zu vergessen und wegzufahren, so schnell du kannst.“

„Steig in den Wagen, VJ.“

„Bist du wirklich echt?“ Prüfend betrachtete sie sein Gesicht. „Es ist, als hätte ich mir den perfekten Mann zusammengeträumt und puff, hier bist du.“

Es sollte verboten sein, so naiv zu sein. Er ließ ihre Hand los. „Ich bin weit davon entfernt, perfekt zu sein. Wenn du in diesen Wagen steigst, wirst du das schnell merken.“

Sie zögerte kurz und nickte dann. „Okay. Ich fahre mit, aber nur unter der Bedingung, dass ich dich wenigstens heimlich anhimmeln darf. Sonst kommen wir nicht ins Geschäft.“

Die Prellung in ihrem Gesicht bildete einen scharfen Kontrast zu ihrer zarten Haut, doch als sie ihre Lippen zu einem leichten Lächeln verzog, musste er einfach zurücklächeln. „Wie könnte ich da Nein sagen?“

Er half ihr in den Beifahrersitz, und sie ließ sich gegen den ledernen Rücksitz fallen. Sogar durch die getönte Scheibe war ihre Ausstrahlung atemberaubend.

Gefährlich, das war sie. Wann war er das letzte Mal bereit gewesen, seinen Vorsatz, auf Abstand zu bleiben, zu brechen?

Sobald er hinter dem Steuer saß, setzte er seine Sonnenbrille auf und wandte sich ihr zu. „Ich habe schon ausgecheckt, also, wo soll ich dich hinbringen? Zum Haus deiner Freundin?“

Sie starrte aus dem Fenster und mied seinen Blick. „Ich fürchte, es ist ein bisschen komplizierter.“

VJ kämpfte mit sich. Wie sollte sie ihm erklären, dass sie mit ihm nach Dallas fahren wollte, ohne als Schnorrerin dazustehen oder, noch schlimmer, als Stalkerin?

Ihr einziger Plan war in der Sekunde gestorben, als sie sich an Kris’ Fünfzig-Dollar-Hemd ausgeweint hatte. Wie sollte sie ihn überzeugen, sie mitfahren zu lassen, wenn sie ihm nichts dafür geben konnte?

„Kompliziert ist mein Spezialgebiet“, sagte er sanft und fuhr zum Ausgang des Motelparkplatzes. Seine eleganten Hände ruhten lässig auf dem Lenkrad. Er wirkte so sehr im Einklang mit dem Wagen, dass es schien, als könne er ihn allein mit seinem Willen steuern. „Rechts oder links?“

Sie sog scharf die Luft ein und atmete den starken Duft nach neuem Leder ein. Eine sehr passende Mischung für einen Neuanfang.

„Du musst an der Tierhandlung rechts abbiegen und die nächsten fünfhundert Meilen immer geradeaus fahren. Dann sind wir ungefähr am Ziel.“

„Aha.“ Er nickte, als wäre ihm nun endlich alles klar. „Du läufst von zu Hause weg. Warum hast du das nicht gleich gesagt?“

Weil weglaufen so unreif klang, besonders aus seinem Mund.

„Bin ich so leicht zu durchschauen?“

„Ja.“ Das sexy Lächeln breitete sich wieder auf seinem Gesicht aus. „Mach dir keine Sorgen, ich mag das.“

„Hm. Ich wäre lieber eine mysteriöse Frau voller Geheimnisse.“

„Nein, das wärst du nicht.“ Er richtete seinen Blick wieder auf den Highway. „Das denkst du nur.“

Er meinte etwas Bestimmtes. Ihre Neugier war geweckt, doch der Anblick seiner angespannten Mundpartie hielt sie davon ab weiterzufragen. Schnell rasten sie an Little Crooked Creek vorbei, und sie war heilfroh, es los zu sein.

Früher oder später würde sie möglicherweise etwas anderes vermissen als Pamela Sue, Bobby junior und Tackle. Moms Grab. Wahrscheinlich Pearl. Den Sonnenuntergang in den Bergen. Doch für den Moment übertönte der Ruf des Abenteuers das Flüstern der Vergangenheit.

Kris wies mit dem Kinn auf eine abgewetzte, schwarze Ledertasche unter dem Armaturenbrett. „Nimm meinen MP3-Player und such dir irgendeinen Song aus. Die Fahrt bis nach Dallas ist lang.“

„Du nimmst mich mit?“

„Du sitzt im Auto, und ich fahre nach Dallas. Darauf scheint es hinauszulaufen.“

Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Neun Stunden zusammen mit Kris. Neun Stunden in einem tollen Auto dahinbrausen an der Seite ihres griechischen Gottes. Es würde nicht annähernd genug sein, aber es war viel mehr, als sie verdiente. „Du bist nicht sauer auf mich? Ich meine, ich habe dich praktisch gezwungen, einen blinden Passagier mitzunehmen.“

Einen Moment lang schwieg er und trommelte einen unruhigen Takt auf das Lenkrad. „Ich trinke meinen Kaffee schwarz, ich schraube nie den Deckel auf die Zahnpastatube, und niemand – wirklich niemand – kann mich zu etwas zwingen, das ich nicht will.“ Eine Menge Schmerz schwang in seinen Worten mit, und sein Gesichtsausdruck war düster geworden. „Das nächste Mal frag einfach anstatt Mutmaßungen anzustellen.“

Ihr Traummann gewann allmählich an Tiefe. Und sie sehnte sich danach, mehr zu erfahren.

„Oh, nein. Du hast unser Geschäft kaputt gemacht. Ich kann niemanden anhimmeln, der nicht den Deckel auf die Zahnpastatube schraubt.“ Sie schüttelte missbilligend den Kopf.

Und sofort breitete sich sein Eine-Million-Dollar-Lächeln wieder auf seinem Gesicht aus. Von nun an würde sie dafür sorgen, dass es dort blieb.

Die Sehnsucht wurde heftiger. Sie nahm die Tasche auf ihren Schoß, kramte darin herum und untersuchte jeden einzelnen Gegenstand aufmerksam. Das gehörte alles Kris. Die grüne Zahnbürste. Der Deoroller. Die Bürste, um deren Griff ein schwarzes Gummiband gewunden war.

„Findest du ihn nicht?“, fragte er, und es klang eine Spur sarkastisch.

„Ich gebe es zu. In Wahrheit berichte ich für ein Starmagazin und schreibe einen Enthüllungsbericht über Regisseure von Independent Filmen.“ Sie sagte das Erste, was ihr in den Sinn kam, denn ihre Finger hatten sich um eine kleine, viereckige Schachtel mit einem Klappdeckel geschlossen, die jede Frau auf diesem Planeten sofort erkannt hätte. Blind.

Sie hatte diesen Mann eben erst kennengelernt. Warum ließ ein Verlobungsring in seiner Tasche einen Kloß in ihrem Hals aufsteigen? Also war er zwar noch nicht mit Kyla verlobt, doch es war offensichtlich nur eine Frage der Zeit.

Er blickte sie über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg an. „Was ist los?“

„Nichts.“ Sie zog das einzige elektronische Gerät hervor, das sie in der Tasche hatte finden können, und hoffte, dass es sich nicht um einen ultramodernen Garagenöffner handelte. „Ich hab ihn gefunden. Wie stelle ich ihn an?“

„Du hast noch nie einen MP3-Player benutzt?“ Sein Tonfall klang amüsiert. „Berühre den Bildschirm. Du musst ihn aufwecken.“

„Schläft er?“ Fasziniert drehte sie das Ding in ihrer Hand. „Schnarcht er auch und zieht die Decke weg?“

Lachend nahm er ihr das Gerät aus der Hand. Geschickt ließ er seine Fingerspitzen über den Bildschirm gleiten und brachte ihn zum Aufleuchten. Sie spürte seinen Arm sanft gegen ihre Schulter drücken, während er weiter geschickt auf den Bildschirm des MP3-Players tippte.

Es war eine vollkommen unschuldige Berührung. Dennoch löste sie ein heftiges Verlangen in ihr aus.

„Such dir ein Lied aus“, sagte er ungerührt.

Sie blickte auf das Display. „Ich kenne keinen dieser Musiker.“ War das ihre Stimme? Sie räusperte sich und hoffte, dass es die Heiserkeit verscheuchen würde. „Kein Kenny Chesny, keine Miranda Lambert?“

Mist, sie klang noch immer wie die Werbung für eine 0190-Nummer im Nachtprogramm.

„Da drin gibt es keine Countrymusic, und es wird auch nie welche geben.“ Er nahm ihr das Gerät aus der Hand und steckte es in die Halterung am Armaturenbrett. Kurz darauf erklang der klagende Ton eines Saiteninstruments durch die Lautsprecher. Die Melodie war so herzzerreißend, dass es ihr den Atem nahm. Sie hatte nie gewusst, dass man so viel Leidenschaft in einen Song legen konnte.

„Gefällt dir die Musik?“, fragte er.

„Sie ist wunderschön. Es ist verrückt, aber ich möchte am liebsten heulen.“

Er nahm seine Sonnenbrille ab und warf ihr einen intensiven Blick aus seinen warmen, braunen Augen zu. „So geht es mir auch.“

Sie konnte den Blick nicht von ihm lösen. Eine ganz andere Welt lebte in diesen Augen, und sie wollte sich kopfüber hineinstürzen.

„Es bleibt unser Geheimnis“, flüsterte er. Abrupt wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu und verbarg seine Augen hinter seiner Sonnenbrille.

Ihr Herz klopfte heftig, und sie wunderte sich, dass er es nicht hören konnte. Was war gerade geschehen?

Sie mochte aus einem Kaff am Ende der Welt kommen, aber sie konnte sich an Anweisungen halten. „Anstatt wieder Mutmaßungen anzustellen, werde ich einfach fragen. Warum habe ich das Gefühl, dass du manchmal mit mir flirtest?“

„Weil ich es tue.“

„Warum?“ Mehr Worte, Sätze, Gedanken brachte sie nicht zustande.

Er zuckte die Achseln. „Ich mag dich. Ich hab Spaß mit dir. Du bist schön.“

Er fand sie schön? Die Schmetterlinge begannen wild in ihrem Bauch durcheinanderzuflattern.

Sachen wie diese hier passierten ihr nicht. Oh, sie hatte einige Freunde gehabt – Kleinstadtjungs mit Kleinstadthorizont, für die Romantik ein Fremdwort war.

Der Unterschied zwischen ihnen und diesem faszinierenden, charmanten Mann neben ihr war der Unterschied zwischen einem Ford und einem Ferrari.

„Ich meine, was schadet es schon? Es ist harmlos und macht Spaß. Außerdem flirtest du zurück.“

Harmlos. Nichts weiter als ein Zeitvertreib für die Reichen und Schönen. Ja, Kristian Demetrious war genau wie sein Auto. Glatt, exotisch und ebenso rätselhaft.

Ihr Herz sank. „Natürlich flirte ich zurück. Du bist der Fahrer. Ich würde ungern am Straßenrand ausgesetzt werden.“

Er zögerte eine Sekunde, lachte aber nicht. „Frauen flirten nicht mit mir. Sie stecken mir Zimmerschlüssel zu und folgen mir auf die Toilette. Wenn ich mit dir flirte, ist das ganz anders. Es macht mir Spaß. Es gibt keine Erwartungen. Keine Gefahr.“

Sie war keine Gefahr. Wie schmeichelhaft.

Sie musste schleunigst Abstand gewinnen.

„Erzähl mir von Kyla. Wie hast du sie kennengelernt?“

Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich. „Ich möchte nicht über Kyla reden.“

Die Erwähnung seiner glamourösen Fast-Verlobten wirkte wie eine kalte Dusche, und die Atmosphäre im Wagen kühlte merklich ab.

„Nun, ich möchte auch nicht über Kyla reden. Erzähl mir von deinem nächsten Film.“ Dieses Thema sollte unverfänglich genug sein.

„Ich würde lieber eine Weile nicht reden.“

Sein schneidender Tonfall ließ sie zusammenzucken. „Sicher. Kein Problem.“

Es war ohnehin besser, wenn sie nicht sprachen. Dann konnte sein erotischer Akzent ihr auch keine heißen Schauer den Rücken herunterjagen.