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Die Banshee oder Todesfee ist fest in der irischen Folklore verankert. Für all diejenigen, die mehr darüber erfahren wollen - wann, warum und wo sie auftaucht, und insbesondere wer sie ist - hat Elliott O'Donnell, ein bekannter Viktorianischer Geisterjäger und Autorität des Übernatürlichen, im Jahre 1907 ein Werk geschaffen, das als unbestrittener Klassiker in dieser Hinsicht gilt. Abergläubischer Humbug oder nicht? Wir wissen es nicht, denn eine Banshee gibt es nur in den uralten irischen Familien mit entsprechendem Stammbaum, und näher als in diesem Buch werden wir anderen Sterblichen wohl selten kommen. Kein reines Gespensterbuch, sondern eine Mischung aus Geschichten mit Banshee-Erscheinungen und Hintergrundinformationen, die uns dieses seltsame Phänomen aus der keltischen Mythologie und dem irischen Volksglauben näherbringen. Der Originalautor, Elliot O'Donnell entstammt selbst einer der uralten irischen Familien, die bis in die auf 'Niall of the Nine Hostages' (Niall der neun Geiseln) zurückgeht, Sohn von Eochaid Mugmedon und einer der tapfersten und legendärsten Hochkönige Irlands aus den Urzeiten Irlands. Er weiß also, wovon er redet, und hat sich in Sachen Übernatürliches mit vielen Büchern und Publikationen einen Namen gemacht. Die Beschreibungen von Erscheinungen, auch vergleichenderweise mit solchen Phänomenen anderorts, sind mal länger, mal kürzer - oft nur kurz skizziert. Egal in wie sie Gestalt annehmen, schön und freundlich oder hässlich und böse - Todesfeen sind sie alle. Ein Muss für die Büchersammlung paranormaler Erscheinungen. Wenn Sie an Gespenster glauben, dann haben Sie hier Gelegenheit, ihr Fachwissen zu vertiefen. Wenn nicht, vielleicht lassen Sie sich - zumindest was die irische Banshee betrift - überzeugen. Wenn nicht anderweitig vermerkt, basiert alles auf Eigenerfahrungen, verbrieften Tatsachen oder äußerst vertrauenswürdigen Quellen - wie wir es von Elliot O'Donnell gewohnt sind ...
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INHALT
Definition und Ursprung der Banshees
Einige historische Banshees
Die bösartige Banshee
Die Banshee außerhalb Irlands
Fälle von Verwechslungen
Doppelte und dreifache Banshee-Erscheinungen
Ein ähnlicher Fall aus Spanien
Die Banshee auf dem Schlachtfeld
Die Banshee auf See
Angebliche Ebenbilder der Banshee
Die Banshee in Poesie und Prosa
Die Banshee in Schottland
Meine eigenen Erfahrungen mit der Banshee
Nachträge
Bunworth Banshee, entnommen aus dem Buch 'Fairy Legends and Traditions of the South of Ireland' [Feen-Legenden und Traditionen des irischen Südens] von Thomas Crofton Croker, 1825
In einem Land wie Irland, das sich durch eine fesselnde und wild-schöne Landschaft auszeichnet, ist es nicht verwunderlich, dass es etwas in der Art eines Gespenstes gibt, das mit der allgemeinen Atmosphäre und Umgebung harmoniert, und dieses Etwas, das für Irland so natürlich erscheint, ist die Banshee.
Der Name Banshee scheint eine Kombination der irischen Wörter Bean* und Sidhe* zu sein, das von einigen Schriftstellern als Frau vom Feenhügel interpretiert wird, während es bei anderen die Frau des Todes, die Frau des Kummers, der Geist der Luft und die Frau des Grabhügels bedeuten soll.
Es ist ein reines Familiengespenst, und die meisten Autoritäten sind sich einig, dass es nur Familien aus einem sehr alten irischen Geschlecht heimsucht. Mr McAnnaly, zum Beispiel, bemerkt in dem Kapitel über Banshees in seinem 1888 erschienenen Buch 'Irish Wonders' [Irische Wunder]: 'Die Banshee besucht nur die alten Familien und selbst wenn ihre Nachkommen durch Unglück von ihrem einst hohen Stand in die Reihen der Bauern herabgestuft wurden, verlässt sie oder vergisst sie diese nicht, bis das letzte Mitglied sich mit seinen Vorvätern auf dem Friedhof versammelt hat.'
Ein Autor zitiert im Journal of the Cork Historical and Archaeological Society (Vol. V., Nr. 44, Seiten 227-229) einen Auszug aus einem Werk mit dem Titel Kerry Records, in dem die folgende Passage vorkommt, die sich auf ein elegisches Gedicht von Pierse Ferriter über Maurice Fitzgerald bezieht: 'Aina, die Banshee, die nie für irgendwelche Familien jammerte, die nicht von milesianischem* Blut waren, außer den Geraldines**, die irischer als die Iren selbst wurden'; und in einer Fußnote (auf Seite 229) sind es nur die mit echtem Blut, die eine Banshee zu Hause haben können. Geschäftsleute haben heutzutage manchmal auch etwas so Gutes wie edles Blut – sie haben Köpfchen und Schneid, wodurch sie mit den ältesten Familien Englands und Irlands konkurrieren und in diese einheiraten können. Nichts jedoch kann in der Einschätzung eines Iren das blaue Blut ersetzen.'
Auch Sir Walter Scott unterstreicht diesen Punkt und ist sogar noch spezifischer und eigenwilliger.
Er beschränkt die Banshee auf Familien rein milesianischer Abstammung und erklärt, dass sie niemals mit den Nachkommen der zahlreichen englischen und schottischen Siedler in Verbindung gebracht werden kann, die von Zeit zu Zeit nach Irland eingewandert sind, und auch nicht mit den Nachkommen der normannischen Abenteurer, die Strongbow im zwölften Jahrhundert auf die Grüne Insel begleiteten.
Lady Wilde* geht ins andere Extrem und lässt einen großen Spielraum zu. Sie behauptet, dass die Banshee nicht nur bestimmten Familien mit historischem Stammbaum angehört, sondern auch Personen, die mit Gesang und Musik begabt sind.
[* in ihrem Buch: 'Ancient Legends, Mystic Charms and Superstitions of Ireland' (Alte Legenden, Mystischer Zauber und Aberglaube in Irland)]
Ich für meinen Teil neige dazu, einen Mittelweg zu wählen und glaube nicht, dass die Banshee davon abgehalten würde, eine Familie von historischem Ruhm und milesianischer Abstammung – wie die O'Neills oder O'Donnells – heimzusuchen, nur weil in dieser Familie gelegentlich sächsisches oder normannisches Blut fließt.
Andererseits denke ich aber, dass die Banshee niemals eine Familie heimsuchen würde, die nicht ursprünglich zumindest keltisch-irisch war, wie zum Beispiel die Fitz-Williams oder Fitz-Warrens – auch wenn in dieser Familie vielleicht gelegentlich milesianisches Blut fließt.
Ich widerspreche in toto Umfang der Theorie von Lady Wilde, dass die Banshee gelegentlich einen Menschen heimsucht, der äußerst poetisch und musikalisch ist, einfach weil er zufällig eine solche Begabung zeigt. Um von der Banshee heimgesucht zu werden, muss man meiner Meinung nach einer irischen Familie angehören, die mindestens tausend Jahre alt ist; wäre dies nicht der Fall, so müsste die Banshee gewiss einige musikalische und poetische Genies aller Rassen auf der ganzen Welt heimsuchen – schwarze und gelbe, vielleicht aber auch nur die weißen – was aber gewiss nicht der Fall ist.
Jedoch reist die Banshee gelegentlich, wie Mr McAnnaly sagt; sie reist dann, und nur dann, wenn sie eine der ältesten irischen Familien ins Ausland begleitet; ansonsten bleibt sie in Irland, wo ihre Auftritte immer seltener werden, weil es nur noch wenige der wirklich alten irischen Familien gibt.
Man kann vielleicht erwähnen, dass man in Dublin, Cork und anderen irischen Städten immer noch einen sehr hohen Prozentsatz an O's und Macs antrifft. Das ist zweifellos richtig, aber gleichzeitig muss man bedenken, dass diese Vorsilben nicht immer den wahren Iren bezeichnen, da viele Familien, die Thompson, Walker und Smith heißen, lediglich aufgrund der Tatsache, dass sie zwei oder drei Generationen lang in Irland gelebt haben, einen irischen – und in einigen Fällen sogar einen keltischen – Namen angenommen haben, wobei sie sich auf die Kenntnis einiger keltischer Wörter aus Büchern oder aus dem Besuch eines der zahlreichen Fortbildungskurse stützen, die heute in fast allen großen Städten abgehalten werden und von Lehrern geleitet werden, die größtenteils ebenfalls nur Pseudo-Iren sind, um ihrem Anspruch Farbe zu verleihen. Eine solche Täuschung beeindruckt jedoch weder die echten Iren noch die Banshees, und Letztere, da bin ich mir ganz sicher, würden sich niemals dazu überreden lassen, den Geschicken irgendeines hergelaufenen Angelsachsen oder Schotten zu folgen, ganz gleich, wie geschickt und überzeugend ihre Tarnung sein mag. Also nochmals: Die Banshee beschränkt sich ausschließlich auf Familien mit bona-fide alter irischer Abstammung.
Was ihren Ursprung betrifft, so weiß das niemand so genau, trotz der willkürlichen Behauptungen einiger Leute, von denen übrigens keiner irischer Abstammung ist. Die Banshee hat mehrere Ursprünge, denn es gibt nicht nur eine Banshee – wie so viele Leute zu glauben scheinen – sondern viele; jeder Clan besitzt eine eigene.
Die Banshee der O'Donnells zum Beispiel, d. h. die Banshee, die zu unserem Zweig des Clans gehört [der Originalautor ist ein O'Donnell] und über die ich aus persönlicher Erfahrung berichten kann, unterscheidet sich meines Erachtens in ihrem Aussehen und in der Art und Weise, wie sie sich zu erkennen gibt, sehr von der Banshee der O'Reardons, wie sie Mr McAnnaly beschreibt.
Die Banshee eines bestimmten Zweigs der O'Flahertys unterscheidet sich nach derselben Quelle wesentlich von der eines Zweigs der O'Neills.
Mr McAnnaly sagt, 'die Banshee ist in Wirklichkeit eine körperlose Seele, die einer Person gehört, die zu Lebzeiten stark mit der Familie verbunden war oder die guten Grund hatte, alle ihre Mitglieder zu hassen'.
Diese Definition mag natürlich in einigen Fällen zutreffen, aber sicher nicht in allen, und es ist absurd, ein Dogma über ein Thema aufzustellen, bei dem es unmöglich ist, sehr viele Informationen zu erhalten.
Mr McAnnaly kann mit Sicherheit nur über die vergleichsweise wenigen Fälle von Banshees sprechen, die er beobachtet hat; es gibt aber, so meine ich, eine ganze Reihe von Fällen, von denen er noch nie gehört hat.
Ich selbst kenne mehrere Banshee-Spukfälle, bei denen das Phantom mit Sicherheit nicht ein Mitglied der menschlichen Rasse sein kann; seine Merkmale und Proportionen schließen eine solche Möglichkeit absolut aus, und ich würde nicht zögern, zu behaupten, dass in diesen Fällen das Phantom das ist, was man gemeinhin als wesenhaft oder, wie ich es in früheren meiner Werke genannt habe, als Neutrarianer bezeichnet, d. h. ein Geist, der nie einen materiellen Körper bewohnt hat und der zu einer vom Menschen völlig verschiedenen Spezies gehört.
Andererseits lassen mehrere Fälle von Banshee-Spuk, auf die ich gestoßen bin, zweifellos die Möglichkeit zu, dass es sich bei dem Gespenst um das einer Frau handelt, die zur menschlichen Rasse gehört, wenn auch zu einer uralten und längst vergangenen Gattung; während nur einige wenige die Wahrscheinlichkeit zulassen, dass es sich bei dem Gespenst um das einer Frau handelt, die ebenfalls menschlich ist, aber zeitlich sehr viel später einzuordnen ist.
Wie Mr McAnnaly richtigerweise feststellte, lassen sich die Banshees in zwei Hauptklassen einteilen, die Freundlichen Banshees und die Hasserfüllten Banshees, wobei Erstere bei ihrem Erscheinen Trauer zeigen und Letztere in Jubel ausbrechen. Aber diese Klassen lassen sich fast endlos unterteilen; das einzige gemeinsame Merkmal ist ein vages Etwas, das stark auf das weibliche Geschlecht hinweist.
In den meisten Fällen kann man über die Ursache des Spuks nur Vermutungen anstellen. Für einige mögen Zuneigung oder Verbrechen verantwortlich sein, aber für den Ursprung anderer muss man meiner Meinung nach in eine ganz andere Richtung schauen.
Zum Beispiel könnte man vielleicht eine Lösung in Zauberei und Hexerei sehen, denn es muss viele Familien geben, die sich in früheren Zeiten mit diesen Dingen beschäftigten und jetzt von Banshees heimgesucht werden.
Oder auch, wenn man annimmt, dass einige Wahrheit in der Theorie von Atlantis steckt, die Theorie, dass ein ganzer Kontinent aufgrund der Schlechtigkeit seiner Bewohner unterging, die alle mehr oder weniger in der Geisterbeschwörung bewandert waren – dann könnten die ältesten Iren, die sogenannten Milesianer, von denen bekannt ist, dass sie Zauberei betrieben, durchaus mit den Überlebenden dieser großen Katastrophe identisch sein und Geister auf die Grüne Insel mitgebracht haben, die seither an ihren Nachkommen hängen.
Ich denke, man kann die Behauptung von Mr C. W. Leadbeater und anderen Autoren (allesamt vom gleichen Schlag vermeintlicher Autoritäten) als absurd abtun, dass Familiengeister entweder eine Gedankenform oder ein ungewöhnlich lebhafter Eindruck im Astrallicht sein können. Spiritualisten und andere, die blindlings hochtrabende Phraseologie verehren, wie leer sie auch sein mag, mögen mit einer solchen Erklärung zufrieden sein, nicht aber diejenigen, die tatsächliche Erfahrungen mit dem fraglichen Geist gemacht haben.
[ Buch: The Astral Plane (Die Astralwelt)]
Was auch immer eine Banshee sonst noch sein mag oder nicht, sie ist ganz sicher ein Bewohner einer Welt, die sich von der unseren unterscheidet; sie ist außerdem ein Wesen, das prophetische Kräfte hat (was nicht der Fall wäre, wenn sie eine bloße Gedankenform oder ein Eindruck wäre), und sie ist keineswegs ein reiner Automat.
Einige Banshees stellen sehr schöne Frauen dar – Frauen mit langen, üppigen Locken, entweder von rabenschwarzer Farbe oder von glänzendem Kupfer oder Gold, und deren sternförmige Augen, voll zärtlichen Mitleids, entweder dunkel und tränenreich oder von dem erlesensten Blau oder Grau sind.
Andere wiederum sind hagere, wilde, zerzauste Kreaturen, deren Aussehen den größten Schmutz, die größte Verkommenheit und Verzweiflung suggeriert; während einige wenige – zum Glück, wie ich meine, nur wenige – die Form von etwas ganz und gar diabolischen, schrecklichen und im höchsten Grade erschreckenden annehmen.
In der Regel sieht man die Banshee jedoch nicht, man hört sie nur, und sie kündigt ihr Kommen auf verschiedene Weise an; manchmal durch Stöhnen, manchmal durch Wimmern und manchmal durch die markerschütterndsten Schreie, die ich nur mit den Schreien vergleichen kann, die eine Frau ausstößt, wenn sie auf sehr grausame und brutale Weise zu Tode gebracht wird.
Gelegentlich habe ich von Banshees gehört, die in die Hände klatschen, an Wände und Fensterscheiben klopfen und kratzen, und nicht selten haben sie ihre Ankunft durch schreckliches Krachen und Klopfen angekündigt.
Ich bin auch einer Banshee begegnet, die einfach nur kichert – ein tiefes, kurzes, aber furchtbar ausdrucksstarkes Kichern, das zehnmal mehr Eindruck auf das Gemüt des Zuhörers macht als jedes andere geisterhafte Geräusch, das er je gehört hat, und das keine Zeitspanne jemals aus seinem Gedächtnis zu löschen vermag.
Ich für meinen Teil habe das Geräusch gehört, und während ich hier sitze und diese Zeilen schreibe, glaube ich, es wieder zu hören – ein satanisches Kichern, ein Kichern voller Spott, als ob es von jemandem stammte, der in voller Kenntnis der kommenden Ereignisse war, die Ereignisse, die eine äußerst unangenehme Überraschung darstellen würden. Und in meinem Fall kam die unangenehme Überraschung auch.
Ich habe immer an eine Geisterwelt geglaubt – an das Unbekannte – aber wenn ich vorher noch so skeptisch gewesen wäre, dann hätte mich dieses Kichern, nachdem ich es gehört hatte, ganz sicher eines anderen belehrt.
Zum Abschluss dieses Kapitels muss ich noch einmal auf Mr McAnnaly verweisen, der in seinem Buch 'Irish Wonders' [Irische Wunder] über einen sehr bemerkens-werten Fall berichtet, in dem sich mehrere Banshees gleichzeitig offenbart haben. Er sagt, dass sich dieses Auftreten vor dem Tod eines Mitglieds der O'Flahertys aus Galway vor einigen Jahren ereignete [ Buchveröffentlichung 1888].
Die Verstorbene, so sagt er, war eine Dame von ungewöhnlicher Frömmigkeit, die zwar krank war, aber nicht dachte, dass dies ernsthaft sei.
In der Tat ging es ihr so gut, dass mehrere ihrer Bekannten in ihr Zimmer kamen, um sie bei ihrer Genesung zu unterstützen, und als sie dort waren und sich fröhlich unterhielten, hörte man plötzlich Gesang, scheinbar außerhalb des Fensters.
Sie lauschten und hörten deutlich einen Chor von sehr süßen Stimmen, die eine außerordentlich klagende Melodie sangen. Sie wurden blass und sahen sich gegenseitig besorgt an, denn sie alle spürten intuitiv, dass es sich um einen Chor von Banshees handelte.
Ihre Vermutungen waren nicht falsch, denn die Patientin entwickelte unerwartet eine Rippenfellentzündung und starb innerhalb weniger Tage, wobei derselbe Chor von Geisterstimmen im Moment des körperlichen Entschwindens wieder zu hören war.
Aber wie Mr McAnnaly feststellt, war die unglückliche Dame von einzigartiger Reinheit, was zweifellos den Grund dafür erklärt, dass ich bei meinen Nachforschungen nie auf einen ähnlichen Fall gestoßen bin.
Einer der bekanntesten Fälle von Banshee-Spuk unter denen, die sowohl veröffentlicht, als auch unveröffentlicht sind, ist der, von dem uns Ann, Lady Fanshawe, in ihren Memoiren berichtet. Es scheint, dass Lady Fanshawe diesen Spuk erlebte, als sie Lady Honora O'Brien, die Tochter von Henry, dem fünften Earl of Thomond, besuchte, die damals höchst-wahrscheinlich auf der alten Burg Lemaneagh in der Nähe des Inchiquin-Sees, etwa dreißig Meilen nordwestlich von Limerick, residierte.
[ in den Ergänzungen am Ende dieses Bandes findet man einen Stammbaum, der die Abstammung des Autors von den Thomond O'Briens zeigt]
Als sie sich in der ersten Nacht ihres dortigen Aufenthalts zur Ruhe begab, wurde sie gegen ein Uhr von einer Stimme geweckt, und als sie die Vorhänge des Bettes beiseitezog, sah sie durch das Fenster das Gesicht einer Frau auf sich zukommen.
Da das Mondlicht sehr stark war und voll darauf schien, konnte sie jedes Merkmal mit verblüffender Deutlichkeit erkennen; aber gleichzeitig war ihre Aufmerksamkeit offenbar auf die außergewöhnliche Blässe der Wangen und die intensive Röte der Haare gerichtet.
'Dann', um ihre eigenen Worte zu zitieren, 'sprach die Erscheinung laut und in einem Ton, den ich nie gehört hatte, dreimal Ahone', und dann verschwand sie mit einem Seufzer, der mehr an Wind als an Atem erinnerte, und für mich sah ihr Körper mehr wie eine dicke Wolke aus als eine stoffliche Substanz.'
Sie fuhr fort: »Ich war so erschrocken, dass mir die Haare zu Berge standen und meine Nachtkleider herunterfielen. »Ich zog und zwickte deinen Vater, der während dieser Unordnung, in der ich mich befand, nicht aufwachte, aber schließlich sehr überrascht war, mich in diesem Schreckenszustand zu finden, und noch mehr, als ich ihm die Geschichte erzählte und ihm das geöffnete Fenster zeigte; aber er lenkte mich ab, indem er mir erzählte, wie viel mehr solche Erscheinungen in diesem Land üblich seien als in England.«
Am nächsten Morgen teilte Lady Honora, die anscheinend noch nicht im Bett gewesen war, Lady Fanshawe mit, dass ein Cousin von ihr gegen zwei Uhr morgens im Haus gestorben sei, und äußerte die Hoffnung, dass Lady Fanshawe keinen Störungen ausgesetzt gewesen sei.
»Wenn jemand aus dieser Familie stirbt«, sagte sie zur Erklärung, »erscheint jede Nacht die Gestalt einer Frau in diesem Fenster, bis sie tot sind.« Sie fügte hinzu, dass es sich bei der Erscheinung um die einer Frau handeln soll, die vor Jahrhunderten vom Schlossherrn verführt und ermordet worden war und deren Leiche unter dem Fenster des Zimmers, in dem Lady Fanshawe geschlafen hatte, vergraben wurde. »Aber, glaube mir«, bemerkte sie entschuldigend, »daran habe ich nicht gedacht, als ich dich hier untergebracht habe.«
Ein weiterer bekannter Fall einer Banshee ist der in Verbindung mit den O'Flahertys aus Galway, auf den Mr McAnnaly in seinem Werk 'Irish Wonders' hinweist.
In den Tagen, in denen in Irland viele Kämpfe zwischen den Clans stattfanden, als die O'Neills regelmäßig zu Kreuzzügen gegen ihre die immer wieder mal zwischen Freund und Feind wechselnden O'Donnells zu Felde zogen und die O'Rourks zu ähnlichen Kreuzzügen gegen die O'Donovans aufbrachen, geschah es, dass eines Nachts das Oberhaupt der O'Flahertys, in einer neuen glänzenden Rüstung und mehr als sonst fröhlich und fit, an der Spitze einer großen Schar von Gefolgsleuten aus seiner Burg marschierte, die wie ihr Anführer gut gelaunt waren und fröhlich redeten und sangen.
[ In den Ergänzungen am Ende des Buchs findet man einen Stammbaum, der die Abstammung des Autors von den ='Rourks of Brenfi zeigt]
Sie waren jedoch noch nicht weit gekommen, als eine plötzliche und völlig unerklärliche Stille eintrat – eine Stille, die abrupt durch eine Reihe von qualvollen Schreien unterbrochen wurde, die scheinbar direkt über ihren Köpfen zu hören waren.
Sofort waren alle ernüchtert und blickten natürlich nach oben, in der Erwartung, etwas zu sehen, das die außergewöhnliche und furchterregende Störung erklären würde; doch nichts war zu sehen, nichts als eine weite, wolkenlose Himmelsfläche, unzählige funkelnde Sterne und der Mond, der in seiner ganzen heiteren Herrlichkeit im Zenit erstrahlte.
Doch, obwohl nichts zu sehen war, spürten alle eine ebenso traurige wie unheimliche Präsenz, von der jeder instinktiv wusste, dass es sich um die Banshee handelte – der die O'Flahertys begleitende Geist, der gekommen war, um sie vor einer bevorstehenden Katastrophe zu warnen. In der nächsten Nacht, als der Anführer und seine Gefolgsleute erneut aufbrachen, geschah dasselbe, aber danach ereignete sich etwa einen Monat lang nichts Ähnliches mehr.
Dann hatte die Frau des O'Flaherty während der Abwesenheit ihres Mannes auf einem dieser Streifzüge ein Erlebnis. Sie war eines Abends zu Bett gegangen und wälzte sich unruhig hin und her, denn sie konnte nicht schlafen, als sie plötzlich von einer Reihe schrecklicher Schreie aufgeschreckt wurde, die anscheinend direkt von unter ihrem Fenster kamen und wie die Schreie einer Frau in größter Not oder Schmerz klangen. Sie schaute sich um, aber wie sie instinktiv geahnt hatte, konnte sie niemanden sehen. Da wusste sie, dass sie die Banshee gehört hatte.
Am nächsten Morgen erfüllten sich ihre Vorahnungen nur zu genau. Mit dem Wissen um die Bedeutung der Banshee sah sie eine Kutsche mit einer Bahre in der Mitte, die sich langsam und traurig auf die Burg zubewegte, und es war nicht nötig, ihr zu sagen, dass der Suchtrupp zurückgekehrt war und dass die überlebenden Krieger den leblosen und verstümmelten Körper ihres Mannes mitgebracht hatten.
Die Kenealy-Banshee ist ein weiteres Beispiel für diese äußerst faszinierende und bis heute völlig rätselhafte Art des Spuks. Dr Kenealy, der bekannte irische Dichter und Schriftsteller, wohnte in seinen früheren Jahren in einem wildromantischen und malerischen Teil Irlands.
Unter seinen Brüdern gab es einen, der noch ein Kind war und wegen seines süßen und sanften Wesens von allen geliebt wurde, und es war für die ganze Hausgemeinschaft, ja für die ganze Nachbarschaft, ein großer Kummer, als dieser Junge in ein Siechtum geriet und die Ärzte an seinem Überleben verzweifelten.
Mit der Zeit wurde er immer schwächer, bis schließlich der Moment kam, in dem es offensichtlich war, dass er keine weiteren vierundzwanzig Stunden überleben würde.
Um die Mittagszeit herum wurde das Zimmer, in dem der Kranke lag, von einem Strom von Sonnenlicht durchflutet, der vom wolkenlosen Himmel über ihm durch die Fenster strahlte. Das Wetter war in der Tat so prächtig, dass es fast unglaublich erschien, dass der Tod jetzt so nahe um das Haus schweben konnte. Ein Familienmitglied nach dem anderen schlich sich in die Kammer, um einen letzten Blick auf den kranken Jungen zu werfen, solange er noch lebte.
Als der Arzt eintraf und sich alle leise über den Zustand des armen, ausgezehrten und dem Tod geweihten Kindes unterhielten, hörten sie jemanden singen, der sich offenbar im Garten direkt unter dem Fenster befand. Die Stimme schien die einer Frau zu sein, aber nicht die einer Frau von dieser Welt. Sie war göttlich, sanft und lieblich und mit einem Mitleid und einer Trauer aufgeladen, die kein irdisches Wesen je hätte ausdrücken können; mal laut, mal leise, dauerte sie einige Minuten an und schien dann allmählich zu verklingen, wie das Plätschern einer Welle an einem goldenen, sonnengeküssten Strand oder das Säuseln des Windes, der sich sanft seinen Weg durch ein Feld nach dem anderen mit gelbem, wippendem Korn bahnt.
»Was für eine herrliche Stimme!«, rief einer der Zuhörer aus. »Ich habe noch nie etwas Vergleichbares gehört.«
»Wahrscheinlich nicht«, flüsterte ein anderer, »es ist die Banshee!«
Alle waren so sehr von dem Gesang gefesselt, dass sie erst, als der letzte Ton des klagenden Liedchens ganz verklungen war, gewahr wurden, dass ihr geliebter Patient unbemerkt von ihnen fortgegangen war. In der Tat schien es, als hätte sich die Seele des Jungen mit den letzten flüsternden Tönen des Klagelieds der schönen, mitleidigen Banshee angeschlossen, um von ihr in das Reich des allseits gefürchteten und so unduldsamen Unbekannten begleitet zu werden. Dr. Kenealy hat dieses Ereignis in einem seiner Gedichte festgehalten.
Die Geschichte eines weiteren Spuks durch die freundliche Banshee wird in Kerry erzählt, und zwar im Zusammenhang mit einer bestimmten Familie, die dort lebte. Meiner Informationsquelle zufolge bestand die Familie aus einem Mann (einem Gentleman-Farmer), seiner Frau, ihrem Sohn Terence und einer Tochter namens Norah.
Norah, eine irische Schönheit des dunklen Typs, hatte schwarzes Haar und blaue Augen; sie besaß zahlreiche Verehrer, doch keiner von ihnen gefiel ihr so sehr wie ein gewisser Michael O'Lernahan.
Michael stand zwar bei keinem von Norahs Elternteilen besonders hoch im Kurs, aber Terence mochte ihn, und er galt als reich – reich für diesen Teil Irlands. Dementsprechend wurde er ziemlich offen auf das Anwesen eingeladen, und es wurden ihm keine Steine in den Weg gelegt. Im Gegenteil, er wurde mehr als nur ermutigt.
Endlich machte er ihr, wie schon lange erwartet, einen Antrag, und Norah nahm ihn an; aber kaum hatte sie ihr Jawort gegeben, da hörten beide über ihre Köpfe hinweg ein tiefes, verzweifeltes Wehklagen, wie von einer Frau in der allergrößten Not und Angst. Obwohl sie damals sehr erschrocken waren, weil sie mit Sicherheit dachten, dass die Geräusche von keinem menschlichen Wesen stammten, schien keiner von ihnen das Phänomen als eine Art Warnung betrachtet zu haben, und beide setzten ihr Liebeswerben fort, als ob der Vorfall nie stattgefunden hätte.
Einige Wochen später bemerkte Norah jedoch eine plötzliche Veränderung an ihrem Geliebten: Er war kälter und distanzierter, und wenn er bei ihr war, fand sie ihn immer mit sich selbst beschäftigt.
Schließlich kam es zum Eklat. Eines Abends erschien er nicht im Haus, obwohl er wie üblich erwartet wurde, und da er weder am nächsten Morgen noch an den darauffolgenden Tagen eine Erklärung abgab, stellten die Eltern Nachforschungen an, aus denen hervorging, dass er sich mit einem anderen Mädchen verlobt hatte, das nur wenige Gehminuten von der Farm entfernt war.
Dies erwies sich als zu viel für Norah. Obwohl sie offenbar weder ungewöhnlich empfindlich noch besonders nervös war, wurde sie krank und starb kurz darauf an gebrochenem Herzen. Doch erst in der Nacht vor ihrem Tod stattete die Todesfee ihr einen zweiten Besuch ab.
Sie lag auf einer Couch in der Stube des Farmhauses, und ihre Mutter saß neben ihr, als ein Geräusch zu hören war, das wie das sanfte Schlagen von Blättern gegen die Fensterrahmen klang, und fast unmittelbar danach ertönte ein lauter Gesang, offensichtlich von einer Frau, der von großem Kummer und Mitleid erfüllt war.
»Es ist die Banshee«, flüsterte die Mutter, die sich sofort bekreuzigte und dabei in Tränen ausbrach.
»Die Banshee« wiederholte Norah. »Ich höre nichts als das Klopfen am Fenster und den Wind, der plötzlich stärker geworden zu sein scheint.«
Aber die Mutter gab keine Antwort. Sie saß nur da, das Gesicht in den Händen vergraben, schluchzte bitterlich und murmelte vor sich hin: »Banshee! Banshee!«
Sofort nachdem der Gesang verstummt war, stand die alte Frau auf und trocknete ihre Tränen. Ihre Angst war jedoch nicht verflogen; die ganze Nacht hindurch hörte man sie noch immer ab und zu leise weinen und flüstern: »Das war die Banshee! Banshee!«; und am Morgen verstarb Norah, die plötzlich höchst besorgniserregend krank wurde, bevor ärztliche Hilfe herbeigerufen werden konnte.
Ein ziemlich ungewöhnlicher, dramatischer Fall von Banshee-Spuk wurde mir einmal in Verbindung mit einem Dubliner Zweig des einst mächtigen Clans der McGraths berichtet.
Er ereignete sich in den 50er-Jahren [1850er], und die Familie, bestehend aus einer jungen Witwe und zwei Kindern, Isa und David, bewohnte damals ein altes, verfallenes Haus, keine fünf Minuten Fußweg von Stephen's Green entfernt.
Isa schien der Liebling der Mutter gewesen zu sein. Sie war zweifellos ein sehr hübsches und attraktives Kind. David hingegen erhielt mehr als nur seinen gerechten Anteil an Schelte, möglicherweise aufgrund seiner ausgeprägten Ähnlichkeit mit seinem Vater, mit dem Mrs McGrath – das war ein offenes Geheimnis – nie gut zurechtgekommen war.
Das kann natürlich wahr sein oder auch nicht. Sicher ist, dass er sehr viel sich selbst überlassen und gezwungen war, sich ganz allein in einem großen, leeren Raum im oberen Teil des Hauses, so gut es ging, zu beschäftigen.
Gelegentlich schaute eines der Dienstmädchen aus Mitgefühl herein, um zu sehen, wie es ihm ging, und brachte ihm ein Spielzeug, das sie von ihren eigenen mageren Ersparnissen gekauft hatte. Das Los der Dienerschaft in jenen Tagen, besonders wenn sie unter einer der so strengen und anspruchsvollen Herrinnen wie Mrs McGrath diente, war nicht gerade rosig.
Hin und wieder steckte Isa, die sich ein teures neues Kleid angezogen hatte, ihren Kopf zur Tür herein, um ihm entweder eine Nachricht von ihrer Mutter zu bringen oder einfach nur »Hallo!« zu rufen.
Sonst sah er niemanden, wenigstens niemanden, der zu dieser Erde gehörte; er sah nur, wie er beteuerte, manchmal seltsam aussehende Leute, die einfach dastanden und ihn anstarrten, ohne zu sprechen, Leute, von denen die Dienerschaft – Mädchen aus Limerick und der Westregion – ihm versicherte, dass sie entweder Feen oder Geister waren.
Eines Tages fand Isa David in großer Aufregung vor. Sie war nach oben geschickt worden, um ihm zu sagen, er solle in sein Schlafzimmer gehen, um sich zurechtzumachen, da er sofort im Salon gebraucht werde.
»Ich habe eine so schöne Frau gesehen«, rief er aus, »und sie war kein bisschen böse. Sie kam und stand am Fenster und sah aus, als ob sie mit mir spielen wollte, aber ich traute mich nicht, sie zu fragen. Glaubst du, sie wird wiederkommen?«
[ In der Regel wird die Banshee von der Person, deren Tod sie voraussagt, weder gehört noch gesehen. Es gibt jedoch einige besondere Ausnahmen]
»Woher soll ich das wissen? Ich nehme an, du hast wie immer geträumt«, lachte Isa. »Wie war sie denn so?«
»Oh, groß, viel größer als Mutter«, antwortete David, »mit sehr, sehr blauen Augen und einer Art rötlich-goldenem Haar, das nicht ganz auf dem Kopf zusammengebunden war, sondern in Locken auf den Schultern hing. Sie hatte sehr weiße Hände, die vor ihr gefaltet waren, und ein hellgrünes Kleid. Ich habe sie weder kommen noch gehen sehen, aber sie war sehr lange hier, etwa zehn Minuten.«
»Das ist wieder eine deiner Fantasien, David«, lachte Isa wieder. »Aber komm jetzt, beeil dich, sonst wird Mutter böse.«
Wenige Minuten später wurde David, der sehr schüchtern und unbeholfen aussah, im Salon einem Herrn vorgestellt, der, wie man ihm mitteilte, sein zukünftiger Papa war.
David schien von Anfang an eine starke Abneigung gegen ihn empfunden zu haben und sah in dem kommenden Bündnis nichts als Ärger und Elend für sich selbst voraus. Seine Befürchtungen waren nicht unbegründet, denn unmittelbar nach der Heirat wurde er der strengsten Disziplin unterworfen. Morgens und nachmittags musste er intensiv mit seinen Büchern beschäftigen, und jede Langsamkeit oder Unfähigkeit, eine Lektion zu meistern, wurde als Müßiggang betrachtet und entsprechend bestraft. Die Momente, die er in seinem geliebten Kinderzimmer für sich hatte, wurden immer seltener, denn kaum hatte er seine abendlichen Vorbereitungen beendet, bekam er sein Abendessen und wurde ins Bett gebracht.
Die ein oder zwei Bediensteten, die sich mit ihm angefreundet hatten, konnten das neue Regime nicht mehr ertragen, kündigten und gingen, und bald gab es niemanden mehr im Haus, der auch nur das geringste Mitgefühl für den armen einsamen Jungen zeigte. So ging es einige Wochen lang, und dann kam der Tag, an dem er es wirklich für unmöglich hielt, weiterzuleben.
Seit einigen Wochen war er ziemlich niedergeschlagen, und dies, zusammen mit der Tatsache, dass er geistig völlig gebrochen war, machte seine Aufgabe zu lernen, fast unmöglich. Er flehte jedoch vergeblich; seine Bitten wurden nur als Ausreden aufgefasst, und als er in einem unbedachten Moment irgendeine Anspielung auf unfreundliche Behandlung fallen ließ, wurde er von seiner Mutter sofort der Unhöflichkeit beschuldigt und auf ihre Bitte hin kurzerhand gezüchtigt.
Die Belastungsgrenze war erreicht. In dieser Nacht wurde er wie üblich gleich nach dem Abendessen zu Bett geschickt, und Isa, die etwa eine Stunde später zufällig an seinem Zimmer vorbeikam, war sehr erstaunt, ihn scheinbar in ein Gespräch vertieft zu hören. Als sie heimlich zur Tür hereinschaute, um herauszufinden, mit wem er sich unterhielt, sah sie ihn, wie er im Bett saß und sich scheinbar an den Raum oder an die Mondstrahlen wandte, die durch das Fenster direkt auf ihn fielen.
»Was machst du da?«, fragte sie, »und warum schläfst du nicht?«
In dem Moment, in dem sie sprach, schaute er sich um und sagte in einem Ton der größten Enttäuschung:
»Oje, sie ist weg. Du hast sie verscheucht.«
»Verscheucht! Was für ein Unsinn!«, rief Isa aus. »Leg dich sofort hin, oder ich gehe und hole Mama.«
»Es war meine grüne Dame«, fuhr David atemlos fort, viel zu aufgeregt, um sich über Isas Drohung ernsthaft Gedanken zu machen. »Meine grüne Dame, und sie hat mir gesagt, dass ich nicht mehr einsam sein soll, dass sie mich heute Abend abholen kommt.«
Isa lachte und sagte ihm, er solle nicht so albern sein, sondern sofort schlafen gehen, woraufhin sie sich schnell zurückzog und nach unten zu ihren Eltern in den Salon ging.
In dieser Nacht, gegen zwölf Uhr, wurde Isa durch lauten, klagenden Gesang einer Frauenstimme geweckt, der offenbar aus dem Flur kam. Erschrocken stand sie auf, und als sie die Tür öffnete, sah sie ihre Eltern und die Dienerschaft, alle im Nachthemd, auf dem Treppenabsatz zusammengekauert und lauschend.