Bäume am Abend im Gegenlicht - Markus Zosel - E-Book

Bäume am Abend im Gegenlicht E-Book

Markus Zosel

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Beschreibung

Der Autor fügt aus Gedichten und Texten ein thematisches Mosaik zu den Grundthemen des Seins im 21. Jahrhundert, indem er sich auf eines der Orakel im antiken Griechenland beruft und dieses in der von ihm beschriebenen Landschaft entstehen lässt. Dodona war, neben Delphi, eine der berühmtesten Orakelplätze des Altertums. Dort wurde mit Hilfe des Rauschens der Blätter einer alten Eiche geweissagt. In einem Nachbau dieses antiken Dodona in unserer Landschaft mischt sich der alte Kult mit der Eiche mit dem hier beheimateten Glauben, in dem neben der Eiche auch ein zauberhafter Garten ist, der von den in der Umgebung Lebenden oft und gern frequentiert wird. Er steht in einer Landschaft, die von weiten hügeligen Ebenen umgeben ist und daher immer abends den Blick auf die Bäume im Gegenlicht ermöglicht, die dort etwas entfernt und erhöht stehen.

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Buchbeschreibung:

Der Autor fügt aus Gedichten und Texten ein thematisches Mosaik zu den Grundthemen des Seins im 21. Jahrhundert, indem er sich auf eines der Orakel im antiken Griechenland beruft und dieses in der von ihm beschriebenen Landschaft entstehen lässt. Dodona war, neben Delphi, eine der berühmtesten Orakelplätze des Altertums. Dort wurde mit Hilfe des Rauschens der Blätter einer alten Eiche geweissagt. In einem Nachbau dieses antiken Dodona in unserer Landschaft mischt sich der alte Kult mit der Eiche mit dem hier beheimateten Glauben, in dem neben der Eiche auch ein zauberhafter Garten ist, der von den in der Umgebung Lebenden oft und gern frequentiert wird. Er steht in einer Landschaft, die von weiten hügeligen Ebenen umgeben ist und daher immer abends den Blick auf die Bäume im Gegenlicht ermöglicht, die dort etwas entfernt und erhöht stehen.

Über den Autor:

Markus Zosel. Singer-Songwriter und Schriftsteller. Man benötigt schon ein wenig Mut seine Texte zu lesen, denn man begegnet sich selbst auf die eine oder andere Weise darin. Er ist Autor einer neu und tief empfundenen, umfassenden Menschlichkeit und einer frischen Empfindsamkeit in den immer aktuellen Themenbereichen seiner Werke.

Markus Zosel ist aber auch ein stimmungsvoller sowie einfühlsamer Erzähler, dem es jederzeit gelingt, Spannung unerwartet intensiv und plötzlich in seinen Geschichten aufleben zu lassen, um mahnend und klar vorausschauend ein Morgen zu zeichnen. Er ist Autor von mittlerweile sechs Romanen, mehreren Erzählungen, Kurzgeschichten, einer Novelle und außerdem von drei Gedichtbänden. Ein Roman, eine Erzählung und eine Sammlung von Kurzgeschichten sind in englischer Sprache erschienen.

Markus Zosel ist vor allem aber ein in den USA und Deutschland mehrfach prämierter Musiker, bei dem Literatur und Musik eine einzigartige Symbiose in Entstehung und späterer Wirkung eingehen.

Agape

»Einer wird sich erinnern, sag ich,

manch anderer noch an uns!«

Sappho, Fragmente

»Er sagte, Odysseus sei nach Dodona gegangen,

um dort aus der Eiche des Gottes mit ihrem hohen Wipfel

den Ratschluss des Zeus zu erfahren,

wie er wohl nach Ithaka, seiner blühenden Heimat,

zurückkehren könne.«

Homer, Odyssee XIV 327-329

»(...) for this prophetic seat is accounted

to be the most ancient of the Oracles

which are among the Hellenes,

and at that time it was the only one (...)«

Herodot, Historien II. Buch (Euterpe)

Inhaltsverzeichnis

Prólogos

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Epilogos

Prólogos

Vergang und Fortbestand

Im späten Herbst eines fast vergangenen Jahres stand ich vor dem Haus, welches ein wenig entfernt vor dem Ortsrand zu finden war.

Ein scheinbar noch immer häufig genutzter Pfad führte durch das vom Sommer verbrannte Gras seitlich entlang der Straße dorthin. Schräg gegenüber lag das Landgasthaus Heckenrose. Es wirkte mit seiner Betriebsamkeit selbst zu dieser Jahreszeit einladend und gastlich. Welch ein Kontrast zu dem Grundstück, vor dem ich mich gerade befand. Dieses schien von der Ruhe des Herbstes umhüllt und doch mehr einem leisen Vergang anheimgefallen, als irgendeiner Form des Fortbestandes.

Vergang und Fortbestand lagen immer eng beieinander und sie waren schon seit Anbeginn an unzertrennlich enge Freunde. Nur ein erster Blick auf sie vermag dabei nicht genau zu unterscheiden, was an sich erfreulich oder geringwertig sei. Und in dieser Betrachtung hatte ich schon für mich selbst begriffen: Alles ist in diesem Vergehen und es erfährt eben dadurch seinen Bestand.

Der Wille, das zu ändern, musste lächerlich erscheinen und führte letztlich, wenn man einmal ehrlich zu sich selbst war, nur in die Absurdität und aus aller Ästhetik heraus.

Es mischte sich Traurigkeit in meinen Blick. Bäume waren ein Symbol für Beständigkeit und ihre Jahre trugen nicht nur die Blätter einer weit ausladenden Krone, sondern auch die Erinnerungen und die Hoffnung eines Betrachters in sich. Wenn ein Baum fiel, dann erschien das als Drama einer nicht nachzuvollziehenden Gerechtigkeit. Es war etwas, das in einer anderen Wirklichkeit passieren musste, um akzeptiert werden zu können.

Zwei große alte Bäume, eine Lärche und eine Fichte, waren bei einem der letzten Stürme umgefallen. Sie hatten dabei seitlich die Fassade des Hauses mitsamt dem Dach gestreift. Die Spuren waren deutlich und nicht zu übersehen. Die Wurzeln der Bäume reckten ihre Finger in Richtung des an das Gebäude Herantretenden. Sie schienen in ihrer Verzweiflung nach ihm zu greifen und waren sich dabei doch längst schon bewusst, dass auch ein interessierter Besucher an diesem Zustand nichts mehr ändern konnte. Denn der mangelnde Zufluss der dringend benötigten Feuchtigkeit durch das kühle Erdreich hindurch, würde diesen Bäumen ihren weiteren Bestand nicht mehr ermöglichen und sichern. Sie lebten jetzt noch eine Weile von ihren Reserven im Stamm und es war absehbar, dass diese eines nicht mehr so fernen Tages aufgebraucht sein würden.

Betrachtete man es einmal genauer, so hatten sich diese beiden Bäume mit dem Vergang jetzt bereits abgefunden und der Weg dahin war ein Warten und Akzeptieren. Mehr nicht.

In dem von einer Mauer umgebenen und verwucherten Garten stand ein mächtiger alter Baum. Dieser musste schon vor dem Bau des Hauses dort gestanden haben. Es war eine Eiche. Lediglich einige der kräftigen Äste waren wohl von dem gleichen Sturm mit unglaublicher Rohheit und Gewalt gebrochen worden wie auch die anderen Bäume am Haus. Die Äste lagen ungeordnet auf dem Boden unter der noch erstaunlich vollen Krone, die zu dieser Jahreszeit herrlich gelb, rot und hellbraun leuchtete. Diese Farbmischung reflektierte die helle Herbstsonne wie keine andere rundherum. Und obwohl alles verwachsen schien, lag doch der Hauch einer tiefen Liebe wie ein unsichtbarer Dunst darüber. Eine Leidenschaft, mit welcher dieser Garten von einer oder mehreren Personen über lange Zeit einmal gepflegt worden war. Man konnte das zumindest erahnen.

Die Geschichte dieses Ortes kannte ich bis dahin nicht. Ich sollte sie später im gegenüberliegenden Landgasthaus erfahren. Sie wird uns einige Zeit zurückführen. Es mögen gut und gerne zwei oder drei Jahre sein - und diese Geschichte möchte ich hier nun erzählen.

*

Menschsein

Gehen wir zunächst von der folgenden These aus: Jeder Mensch ist einzig auf dieser und allen anderen Welten, die existieren mögen.

Er ist wertvoll und existiert genau so nicht noch einmal. Es gibt ihn in gleicher Art nicht wieder.

Er ist nicht vergleichbar. So, wie der Abdruck seiner Finger oder der Klang seiner Stimme. Er ist zu einem Menschsein befähigt, welches ihn aus der Masse all der anderen Kreaturen durch das persönliche und bewusste Denken heraushebt.

Ein Dasein, das so leicht oder schwer sein kann. Es kommt darauf an, welchen Rahmen man der eigenen Existenz bemisst und in wieweit man bereit ist, Kompromisse für die Durchsetzung persönlicher Ausprägungen für sich durch die Zeiten hinweg zu beanspruchen.

In diesen Tagen mochte es daher vielen Personen genügen, ein schlichtes Nachahmen anderer im Sinne des Zeitgeistes zu vollziehen. Es kann durchaus sein, dass ein so geartetes Nichtauffallen in der Menge ein gewisses Maß an Sorglosigkeit und Beständigkeit mit sich brachte. Zumindest so lange, bis dieser Zeitgeist sich wieder änderte und einen erneuten Wechsel herbeiführte.

Raphael war ein Mensch, der seit seiner frühesten Jugend immer eigen handelte und für sich individuell entschied. Mit Beginn der neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts hatte er ein Grundstück erworben, auf welchem eine Eiche stand, die ihre Krone weit über den darunter liegenden Grund ausbreitete. Astwerk, das vielmehr ein eigener Kosmos war, wie nur Blattwerk eines erhabenen Baumes im Wind. Klangwerk, welches von entfernten Gedanken und Gestaden zu berichten im Stande schien. Windklang, der die Vergangenheit mit der Zukunft in der Gegenwart verband. In ganz besonderen Momenten konnte es dem darunter Sitzenden so erscheinen, als ob sich der reguläre Fluss der Zeit zu verwischen schien.

Magdalene war seine Tochter und sie war zum Weiterführen seines Gedankens unausgesprochen bestimmt. Lange, nachdem ihm die Kraft dazu ausgegangen war und er nur sporadisch und nicht mehr so intensiv diesem Ort beiwohnen konnte. Denn das, was er dort geschaffen, wuchs nun längst weiter als Allgemeingut und in anderen Händen als den seinen.

So war im ganzen Menschsein immer etwas, das stetig weitergegeben und uns dann nicht mehr allein gehören wird. Weitergeführt von anderen Händen und anderer Sorgsamkeit, in deren individueller Sorgfalt dann der Fortbestand liegt. Es ist nicht schwer zu begreifen, dass sich darin der Kern des Menschseins zeigt.

In der Weitergabe ist das Leben, nicht im Ansichreißen oder einem erzwungenen Verweilen. Die Plätze, die wir schaffen, sie werden dereinst von anderen übernommen. Ob gewollt, oder nicht: Schaffen wir Orte, die es wert sind übernommen zu werden. Dann sind sie wertvoll für die Menschen.

Harlekin

Tänzer des Mondes

in schlaflosen Nächten.

Sie kommen immer mal wieder selbst zu denen,

die denken unberührt zu bleiben,

in ihrem Sinnen, ihrem Verkleiden

einem Grund gegenüber

und nur der Wirklichkeit verpflichtet.

Tor ist nur der, der sich dann bevollmächtigt,

verantwortlich zu sein an den Dingen,

die geschehen.

Die in Windeseile einfach so vorübergehen,

ohne eigenes Handeln einzufordern.

Und im Mondlicht

mit dem Harlekin verbleiben.

Kapitel 1

»Denn es ist der Schöne, wenn man ihn sieht,

schön:

Doch der Gute,

auch unbesehen,

wird er ein Schöner sein.«

Sappho, Lieder und Strophen aus 9 Büchern

Ein Abend im April (Reminiszenz)

Die Stimmen klangen immer wieder leicht ineinanderfließend durch den weiten Raum der Cafeteria dieses schwedischen Möbelhauses. An- und abschwellende Lautechos, die ihren Widerhall in sich selbst und immer wieder in vielen anderen Stimmen über dem glatten und gründlich gereinigten Boden fanden, auf dem in den letzten Minuten schon eine beachtliche Anzahl von Personen gelaufen waren. Vorbei an Magdalenes Tisch, der seitlich zu dem Weg der Vielen stand.

Sie saß auf der weißen Plastiksitzfläche an einem langen Tisch, der in der Sitzhöhe eines Barhockers gehalten war und an dem viele einen Platz gefunden hätten. Ein Platz, den bis auf sie in diesen Moment nur zwei weitere Personen am äußeren Ende besetzten, die sich lachend und gestikulierend miteinander unterhielten.

Ein Platz mit Blick hinaus auf das Vorfeld des dreistöckigen Gebäudes, in welchem sie sich an diesem Abend befand und das mit dieser Cafeteria unter dem Dach nach oben hin abschloss.

Nichts Spektakuläres, nur ein großzügiger und hallenartiger Raum, den man während des Möbeleinkaufs aufsuchte. Ein Bereich, den man den vielen Besuchern zum Erholen anbot.

Aber es war nicht nur der Widerhall der unzähligen und a-rhythmisch gesprochenen Worte. Laute, die an den vielen an ähnlichen Tischen stattfindenden Gesprächen immer wieder den Weg zu ihren Ohren fanden. Kulminierende Lautereignisse, die bald zu Geräusch wurden, dann wieder zu Laut- oder Wortfetzen.

Da war ein fast unmerkliches Surren, welches diese ganze akustische Situation bereicherte. Es klang durchgehend und schien niemals zu enden. Man musste genau darauf achten, ansonsten war es nicht zu hören. Es war das einzig Beständige in dem Moment, denn selbst das Wetter außerhalb wurde im Dunkelwerden an diesem Abend unerwartet dramatisch.

Ein plötzlicher Schneeschauer entlud sich. Ohne Ankündigung so unverhofft, als ob sich das Wetter dem Durcheinander der ganzen Resonanzen in diesem Gebäude anzuschließen schien.

Das eigentümlich feine Surren trug Magdalenes Gedanken weiter. Immer wieder schaute sie zu den eintretenden Personen am Eingang der Cafeteria.

Ein plötzlicher Krach aus der völlig entgegengesetzten Richtung durchbrach diese Generalatmosphäre abrupt. Sie erschrak, wie die meisten der hier anwesenden Personen. Einzelne Erwachsene und Familien mit Kindern, die ebenfalls mit einem Schlag still wurden und Sekunden später schon wieder in den vorherigen Gesprächsmodus übergingen.

Jetzt sah sie, woher das leise Surren und auch das Geräusch kamen. Eine eher unscheinbar wirkende Frau hatte ihr Tablett an dem Förderband für das benutzte Geschirr unabsichtlich fallen gelassen und entschuldigte sich mit einer leicht erhobenen Hand, während sich der gesamte andere Teil ihres Körpers hinab beugte.

Sie trug eine Jeansjacke, die bequem aussah. Während sie die zerbrochene Keramik aufhob, sah man nur ihren Rücken, der schlank und von der Statur her normal wirkte.

Erst als die Frau erneut ihren den Kopf hob und etwas verlegen die Überbleibsel ihres Missgeschicks auf das monoton surrende Förderband legte, da hatte Magdalene das Gefühl, diese Person zu kennen.

Dieses Förderband surrte beständig weiter, als die Frau schon längst nicht mehr dort war. Sie kam den Weg entlang, hin zum Ausgang, nur ein paar Meter entfernt. In diesem Moment passierte sie den Platz, an welchem Magdalene saß, und beide Blicke trafen sich in gegenseitigem Erstaunen.

»Bist du das Eirene?«

»Das darf nicht wahr sein, oder?«