Becoming Megan - Rainer Wekwerth - E-Book

Becoming Megan E-Book

Rainer Wekwerth

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Beschreibung

Wie weit würdest du gehen für die, die du liebst?

Als Kat nach sechs Jahren im Koma erwacht, eröffnet ihr ein Fremder, dass man ihr Bewusstsein in den Körper einer anderen Frau übertragen hat. Und diese ist ausgerechnet Megan Taylor, Stiefschwester von Noah Taylor, Erbe des größten Medizinkonzerns der Welt. Doch der Fremde, der sich als Dr. White vorstellt, hat einen perfiden Plan: Kat soll nahe genug an Noah herankommen, um ihn zu töten, und das immense Vermögen der Familie zu erben. Damit will White seine Forschung zum ewigen Leben finanzieren. Kat hat keine Wahl – White droht, ihre Schwester zu ermorden. Und so wird aus Kat Megan. Sie ist entschlossen, alles zu tun, um das Leben ihrer Schwester zu retten. Bis sie Noah kennenlernt und sich in ihn verliebt …

Packend und nervenaufreibend – ein Thriller der unter die Haut geht.

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Das Buch

Wie weit würdest du gehen für die, die du liebst?

Als Kat nach sechs Jahren im Koma erwacht, eröffnet ihr ein Fremder, dass man ihr Bewusstsein in den Körper einer anderen Frau übertragen hat. Und diese ist ausgerechnet Megan Taylor, Stiefschwester von Noah Taylor, Erbe des größten Medizinkonzerns der Welt. Doch der Fremde, der sich als Dr. White vorstellt, hat einen perfiden Plan: Kat soll nahe genug an Noah herankommen, um ihn zu töten, und das immense Vermögen der Familie zu erben. Damit will White seine Forschung zum ewigen Leben finanzieren. Kat hat keine Wahl – White droht, ihre Schwester zu ermorden. Und so wird aus Kat Megan. Sie ist entschlossen, alles zu tun, um das Leben ihrer Schwester zu retten. Bis sie Noah kennenlernt und sich in ihn verliebt …

Packend und nervenaufreibend – ein Thriller, der unter die Haut geht.

Die Autoren

© Privat

Anna Wekwerth wurde im Januar 2002 in Stuttgart geboren. Seit sie denken kann schreibt sie leidenschaftlich gerne und veröffentlichte bereits im Alter von fünfzehn Jahren ihren ersten Roman. »Fallen Swan – Der Mörder in dir« erschien unter dem Pseudonym Aleyna Clarke im Arena Verlag. Neben dem Schreiben studiert sie aktuell Crossmedia Publishing und Film.

© Christian Witt

Rainer Wekwerth hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und dafür Preise gewonnen. Zuletzt die Jugendbuchpreise Segeberger Feder, Goldene Leslie und Ulmer Unke. Mit seiner »Labyrinth«-Trilogie landete er zudem auf der Spiegelbestsellerliste. Die Kinoverfilmung ist in Vorbereitung. Seine »Pheromon«-Buchreihe, erschienen bei Planet!, wurde für vier weitere Buchpreise nominiert, darunter für den renommierten Buxtehuder Bullen und den Deutschen Phantastik Preis.

Mehr Infos unter: www.wekwerth.com

Der Verlag

Du liebst Geschichten? Wir bei Planet! auch!Wir wählen unsere Geschichten sorgfältig aus, überarbeiten sie gründlich mit Autor:innen und Übersetzer:innen, gestalten sie gemeinsam mit Illustrator:innen und produzieren sie als Bücher in bester Qualität für euch.

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Viel Spaß beim Lesen!

Anna & Rainer

WEKWERTH

Becoming Megan

Planet!

Prolog

Der Regen prasselte auf das Autodach und die Scheibenwischer liefen auf Hochtouren, aber das tat Kats guter Laune keinen Abbruch.

»Hey Leute, wollen wir ein Lied singen?«, schlug sie vor.

Ihr Vater schaute sie über den Rückspiegel an, während ihre Mom den Kopf ein wenig drehte.

»Welchen Song schlägst du vor?«, fragte sie.

»Vielleicht sollten wir Dad bei diesem Mistwetter nicht vom Fahren ablenken«, brummte Emily, ihre vier Jahre ältere Schwester, auf dem Sitz neben ihr, ohne vom Handy aufzublicken. Obwohl draußen über zwanzig Grad waren, trug sie eine Wollmütze.

Kat grinste. Eigentlich hat sie das Ding immer auf. Muss so eine Art Fetisch sein.

»Wie wäre es mit ›What do you mean‹?«, meinte Kat.

»Echt jetzt? Justin Bieber?«, knurrte Emily. »Du bist immer noch ein Fan von dem Typen?«

»Schwesterherz, das ist ein guter Song und wir fahren in den Urlaub, das wird eine geile Zeit.«

Emily schob eine Strähne ihres blonden Haares zurück unter die Mütze. »Schau mich an, Kat! Siehst du einen Funken Begeisterung?«

»Em«, kam es von vorn. »Wir haben darüber geredet, wohin wir in den Urlaub fahren sollen.« Kat sah im Rückspiegel, wie sich die Augen ihres Dads verengten. »Dir war egal, wohin es geht. Also haben Mom, Kat und ich beschlossen, dass es dieses Jahr ein Wanderurlaub wird und wir in die Redwoods fahren. Du hättest nicht mitkommen müssen.«

»Und wer passt dann darauf auf, dass Kat nicht in irgendwelche Schluchten stürzt oder von Bären gefressen wird?« Emily lachte.

Kat knuffte sie. »Ich bin neunzehn.«

»Auf dem Papier vielleicht, Schwesterlein, nur auf dem Papier. Wir alle kennen deine Begabung für Unfälle und Missgeschicke.«

Ihre Mutter stöhnte zustimmend. »Da ist was dran.«

»Das nennt man Mobbing«, sagte Kat. »Ist euch schon klar?«

»Oder man bezeichnet es als die Wahrheit.« Emily grinste breit. »Darf ich dich daran erinnern, dass du in den Pool gesprungen bist, obwohl Dad gerade dabei war, das Wasser abzulassen? Du hättest dir fast den Hals gebrochen.«

»Das ist schon drei Monate her, und er hat mir nicht gesagt, was er vorhat.«

»Honey, man schaut hin, bevor man irgendwo reinspringt«, meinte Emily.

Ihr Vater lachte laut auf. »War schon ein Bild für Götter. Wie unsere Kleine auf dem Boden des Pools saß, sich verwundert umschaute und den Kopf rieb.«

»Die Beule an ihrer Stirn war so groß wie ein Baseball. Sie konnte eine Woche nicht aufs College gehen«, ergänzte ihre Mom.

Kat verzog unwillig den Mund. Ihre Familie hatte ja recht, immer wieder passierten ihr »Dinge«, und bei jedem anderen, dem so viele Missgeschicke unterliefen, hätte sie mitgelacht. Dieser Spott jedoch schmerzte mehr als all die gebrochenen Knochen ihres jungen Lebens, auch wenn er nett gemeint war.

»Was ist jetzt mit ›What do you mean‹?«, versuchte Kat das Thema zu wechseln.

»Ja, lasst uns singen!« Ihr Vater stimmte an und alle stiegen ein. Der Innenraum des Fahrzeugs vibrierte bei dem lauten Gesang und es tat gut, zusammen zu sein.

Ich liebe meine Familie so sehr.

»DAD!«, schrie Emily mitten im Lied auf.

Kats Kopf ruckte nach vorn. Ein riesiger dunkler Schatten tauchte vor dem Toyota auf. Dann erklang ein Hupen wie von einer Schiffssirene. Kat sah, wie ihr Dad versuchte, dem Holztransporter auszuweichen, und das Lenkrad herumriss, aber es war zu spät.

Der Truck verwandelte sich in ein Bild aus zersplitterndem Glas und kreischendem Blech. Der Toyota wurde gegen eine alte, knorrige Fichte geschleudert.

Kat flog nach vorn. Ihr Kopf prallte gegen etwas. Neben ihr schrie Emily.

Dann war es still.

Ganz still.

1.

»Ich sehe, Sie sind wach.«

Kat hörte die dunkle Stimme, verstand jedoch nicht, was mit den Worten gemeint war. Sie versuchte die Augen zu öffnen, aber es klappte nicht.

»Nein, lassen Sie das. Ihre Lider wurden vorsorglich zugeklebt.«

Ich kann nicht richtig atmen. Warum kann ich nicht atmen?

Panik stieg in Kat auf. Was war passiert? Wo war sie? Und wer war dieser Mann, dessen Stimme sie noch nie zuvor gehört hatte?

Ihre Finger krallten sich zusammen, ohne dass sie ihnen einen Befehl dazu gegeben hatte. Kat spürte Stoff. Glatt. Fest.

Die linke Hand gehorchte ihr nicht und auch den Körper zu bewegen, war unmöglich.

»Zu Ihrer Sicherheit sind Sie angeschnallt«, sagte der Mann. »Wichtig ist, dass Sie sich nicht bewegen. Sie sind aufgeregt und verwirrt, aber Sie müssen ruhig bleiben. Ich gebe Ihnen jetzt etwas …«

Den Rest verstand Kat nicht mehr, da sich der Mann wohl abgewandt hatte und leise mit jemand anderem sprach. Kurz darauf floss Wärme durch ihren rechten Arm.

»Wir haben einen konstanten Zugang gelegt«, erklärte der Mann. »Darüber habe ich Ihnen gerade ein Beruhigungsmittel injiziert. Es wird gleich wirken. Haben Sie das verstanden?«

Da Kat ihren Kopf nicht bewegen konnte, rollte sie mit den Augen hinter den Lidern.

»Gut«, sagte der Mann. »Ich bin Dr. White. Dafür verantwortlich, den Aufwachprozess zu begleiten und zu steuern …«

Was redet er da? Habe ich geschlafen?

Das Denken fiel ihr schwer.

»… Sie lagen nach einem schweren Unfall sechs Jahre im Koma, aber …«

Die Stimme schwebte davon.

Koma? Unfall?

Die Puzzleteile wollten sich nicht zusammenfügen, doch dann rutschte eines an den richtigen Platz.

Unfall!

Kat erinnerte sich plötzlich wieder an die Fahrt, den riesigen Schatten und den unglaublichen Lärm.

Wir hatten einen Unfall … Sechs Jahre? Koma? Wer …?

Ein weiteres Teil fand seinen Platz.

Was ist mit Mom und Dad? Emily? Sind sie verletzt? Warum sind sie nicht hier? Bei mir?

Sie versuchte nach ihnen zu fragen. Eine Hand legte sich auf ihre Brust und übte sanften Druck aus.

»Nicht«, sagte die dunkle Stimme ruhig. »Nicht sprechen.«

Kat schrie innerlich. Sie spürte, dass etwas nicht in Ordnung war. Überhaupt nicht! Sie bäumte sich auf.

»Wo ist meine Familie?«, brüllte sie, aber die Worte verließen ihren Mund nicht. Etwas in ihrem Hals verhinderte es.

»Ihr Blutdruck steigt rasant. Das Herz rast«, sagte eine andere Stimme. Eine Frau, die Kat bisher nicht bemerkt hatte.

»Geben Sie ihr noch hundert Milligramm«, ordnete der Mann an, der sich Dr. White nannte.

Die Wärme und die Dunkelheit kehrten zurück.

2.

Als Kat das nächste Mal erwachte, gelang es ihr mit viel Mühe, die Augen zu öffnen. Alles, was sie sah, waren eine weiß gestrichene Decke und helles Neonlicht, das in den Augen schmerzte. Kat schloss sie wieder und holte tief Luft.

Dann versuchte sie es erneut. Es ging besser als beim letzten Mal, aber bewegen konnte sie sich immer noch nicht.

Sie drehte den Kopf zur Seite und entdeckte einen Haufen technischer Geräte, an die sie über Kabel und Schläuche angeschlossen war. Digitale Zahlen zeigten Blutdruck, Puls und alles Mögliche andere an. Ansonsten war der Raum leer, niemand außer ihr war anwesend.

Kat verstand, dass sie sich in einem Krankenhaus befand und etwas Schlimmes geschehen sein musste, doch es dauerte einen Moment, bis sie sich an den Besuch des Mannes erinnerte, der mit ihr gesprochen hatte.

Seine Stimme war dunkel und rau gewesen.

Wie war sein Name?

Dann machte es klick. White.

Er hat etwas zu mir gesagt.

Mehrere Atemzüge lang wollte es ihr nicht einfallen, aber dann kamen seine Worte zurück.

Unfall.

Sechs Jahre.

Koma.

Habe ich im Koma gelegen?

Bevor sie weiter darüber nachgrübeln konnte, ging die Tür auf und ein Mann Anfang fünfzig betrat das Zimmer. Ein weißer Arztkittel schlotterte um seinen ausgemergelten Körper. Er hatte langes schwarzes Haar, das fettig wirkte und strähnig bis auf die Schultern fiel. Ein Dreitagebart, teilweise von grauen Haaren durchzogen, unterstrich den ungepflegten Eindruck noch.

Das Gesicht mit den eingefallenen Wangen war bleich, darin glühten schwarze Augen wie Kohlestücke.

Kats Köper zuckte bei dem Anblick wie unter einer Elektrowelle, aber dann lächelte der Arzt und eine Verwandlung fand in seinem Gesicht statt. Plötzlich wirkte er freundlich und sympathisch. Nach den ersten Worten wusste Kat, wer das war.

»Gut, Sie sind aufgewacht.«

»Hallo«, krächzte Kat. Beim Sprechen schmerzte ihr Hals.

»Mein Name ist White. Dr. White.«

»Wo bin ich? Warum gibt es hier keine Fenster?«

»Oh, das ist etwas kompliziert.«

Die Worte verwirrten Kat. Warum beantwortete der Arzt nicht einfach ihre Frage?

»Wo sind meine Eltern und Emily?«

Er zögerte und Kat spürte, wie ein Schauer durch ihren Körper jagte.

»Es … es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, dass Ihre Eltern tot sind. Sie haben den Unfall nicht überlebt.«

Tot.

Nur ein Wort. Und doch riss es Kats Welt entzwei. Ein bitterer Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus.

»Emily?«, raunte sie.

»Sie lebt, ist aber seit dem Unfall querschnittsgelähmt.«

Ich träume. Ganz sicher. Das kann nur ein Traum sein. So etwas passiert nicht wirklich.

»Sie müssen gefasst bleiben …«

»Was muss ich?«, brüllte Kat. »Sind Sie verrückt? Sie erklären mir, dass meine Eltern tot sind, meine Schwester gelähmt und ich sechs Jahre lang im Koma lag. Sind Sie wirklich so unsensibel, dass Sie glauben, man könnte bei so einer Nachricht ruhig bleiben?«

Das Atmen fiel ihr plötzlich schwer. Kat schnaufte. Ihr Herz raste und in den Schläfen pochte es, als klopfte jemand mit einem Hammer dagegen.

Irgendeines dieser Scheißgeräte, an die sie angeschlossen war, piepte und dann noch eins. Und noch eins.

Der Arzt war offensichtlich von ihrer Reaktion überrumpelt. Er starrte fassungslos auf sie herab, wollte seine Hand ausstrecken, aber Kat schlug sie weg.

»Wagen Sie es nicht, mich anzufassen!«

»Kat …«

»Schicken Sie mich zurück!«

»Was?«

»Zurück ins Koma.«

Etwas ging im Gesicht des Arztes vor. Seine Züge wurden hart und die Wangenknochen traten deutlicher hervor. Der Mund schloss sich zu einer schmalen Linie, die wie mit einem Messer ins Gesicht geschnitten wirkte.

»Unmöglich«, sagte White.

»Warum? Medizinische Ethik? Scheiß drauf! Ohne meine Familie ist das kein Leben, und kommen Sie mir jetzt nicht mit dem Mist, es wäre trotz allem lebenswert und ein Wunder, dass ich nach so langer Zeit aufgewacht bin. Bla, bla, bla.«

»Nein, das hat damit wenig zu tun«, meinte White ruhig. »Es sind andere Probleme.«

Kat lachte bitter auf. »Was können das für andere Probleme sein?«

»Nun, ich weiß nicht, wie ich es Ihnen sagen soll …«

»Los jetzt. Ich will es hören.«

White fasste sich an die Nase und rieb sie. Dann sah er sie eindringlich an. Plötzlich wirkte er wie ein Raubtier, das sie belauerte. Ein mulmiges Gefühl machte sich in Kat breit und jagte ihr einen Schauer über den Rücken.

»Ihr Geist befindet sich nicht mehr in Ihrem Körper.«

»Was?«, kreischte Kat auf. »Sind Sie …?«

»Ihr alter Körper wurde vernichtet, nachdem …«

Kat ließ ihn nicht aussprechen. »Bullshit!«

Sie schaute auf ihre Hände. Der Blick wurde unscharf, dann sah sie wieder klar. Irgendetwas stimmt mit ihren Augen nicht, aber trotzdem war es eindeutig: Sie hatte Hände, also hatte sie auch einen Körper. Entweder träumte sie das alles oder der Arzt war komplett verrückt. Ein anderer Gedanke jagte ihr einen Schrecken ein.

War der Typ überhaupt Arzt?

Sein ungepflegtes Äußeres sprach nicht dafür. Überhaupt war alles an White irgendwie merkwürdig.

Bin ich entführt worden?

Sie musste den letzten Gedanken laut ausgesprochen haben, denn White nickte.

»Könnte man so sagen«, bestätigte er. »Aber anders, als Sie vermutlich denken. Ich habe Ihr Bewusstsein aus einem Körper, der dabei war zu sterben, in einen gesunden Körper transferiert, dessen Geist erloschen war.«

»Ich verstehe kein Wort!«

»Sie sind Kat Anderson, aber nicht mehr die Person, die Sie einmal waren, denn nun leben Sie im Körper von Megan Taylor.«

Kat wandte den Kopf ab. »Ich glaube Ihnen nicht.«

White fasste neben das Bett und zog einen flachen Gegenstand hervor.

»Das habe ich auch kaum erwartet«, sagte er und reichte ihr einen Handspiegel.

Kat nahm ihn nur widerwillig, wenig bereit, dieses unsinnige Spiel mitzumachen.

Zögerlich warf sie einen Blick in den Spiegel.

Dann bekam sie einen Schreikrampf.

Sie brüllte eine Stunde lang.

3.

Irgendwann war sie zu erschöpft gewesen, um weiter zu schreien. Dr. White hatte ihr diesmal kein Beruhigungsmittel gespritzt, sondern sich auf den Stuhl in einer Ecke des Zimmers gesetzt und geduldig gewartet, dass sie sich beruhigte.

Nun stand er auf und trat ans Bett.

»Können wir jetzt miteinander reden?«, fragte er ruhig.

Kat schluchzte auf. Ihre Nase lief. White reichte ihr ein Papiertaschentuch und sie schnäuzte laut hinein.

»Was wollen Sie von mir?«, fragte sie tonlos.

»Zunächst einmal, dass Sie ruhig zuhören.«

Kat nickte schwach.

»Was geschehen ist, lässt sich nicht mehr ändern, aber Sie haben eine neue Chance bekommen. Ein neues Leben. Sehen Sie es als Geschenk.«

Kat hatte keine Kraft, etwas zu erwidern, also fuhr der Arzt fort.

»Ihre Schwester lebt, Sie sind also nicht allein …«

»Wer ist Megan Taylor?«, unterbrach ihn Kat.

Er verzog den Mund, als wollte er nicht über sie sprechen, tat es aber doch.

»Eine junge Frau in Ihrem Alter, die nach einer Überdosis Heroin ins Koma fiel. Sie wurde für hirntot erklärt. Das gab uns die Chance, ihren Körper zu verwenden.«

»Ich verstehe nicht, wie das funktionieren soll. Ich im Körper einer anderen Frau?«, stammelte Kat. »So etwas habe ich noch nie gehört.«

»Das wundert mich nicht. Die experimentelle Medizin ist auf diesem Gebiet bisher nicht weit fortgeschritten. Immer wieder wird darüber spekuliert, ob es eines Tages möglich sein wird, ein menschliches Bewusstsein auf einen Computer zu übertragen, aber an die Übertragung von Mensch zu Mensch denkt keiner. Diese Idee ist zu abschreckend, denn dem Missbrauch wären Tür und Tor geöffnet. Alte oder Kranke, die über die entsprechenden Mittel verfügen, würden die Körper junger, gesunder Menschen übernehmen und viele Jahre weiterleben.«

Kat dachte darüber nach. Es fiel ihr schwer, aber sie konnte dem Arzt einigermaßen folgen.

»An der Stelle komme ich jedoch ins Spiel«, sagte White. »Wo andere Sackgassen sehen, erkenne ich Möglichkeiten. Großartige Möglichkeiten. Das ewige Leben. Können Sie sich vorstellen, was reiche Menschen dafür zu zahlen bereit wären?« Er sah sie aufmerksam an, gab sich aber selbst die Antwort. »Alles! Alles würden sie bezahlen und den Mann, der ihnen diese Chance gibt, zum reichsten Menschen aller Zeiten machen. Reicher als Gott. Mächtiger als Gott, denn wo er Leben nimmt, schenke ich neues.«

Eine Gänsehaut kroch über Kats Körper, ließ sie erschaudern.

Der Typ ist wahnsinnig. Vollkommen durchgeknallt.

»Ich weiß, was Sie denken. Sie halten mich für verrückt, aber dass Sie in einem Körper stecken, der nicht Ihrer ist, und mit mir reden, zeigt, dass ich es nicht bin.«

»Warum ich?«, krächzte Kat. »Ich habe kein Geld.«

»Oh, das weiß ich, aber durch Sie werde ich an sehr viel Geld kommen.« Er lächelte verschmitzt. »Sie sind ein Prototyp, ein Versuch, aber einer, der gelungen ist. Bevor ich meine Entdeckung, sagen wir, zur Marktreife bringen kann, ist noch viel Entwicklung nötig. Kostspielige Entwicklung, die ich allein nicht finanzieren kann, und ich stehe etwas unter Druck, da es Menschen gibt, die Ergebnisse von mir erwarten. Mächtige Leute, die für ein Versagen wenig Verständnis aufbringen.«

Kat räusperte sich. »Mal angenommen, der ganze Mist stimmt, wie stellen Sie sich meine Mithilfe vor? Soll ich in Fernsehshows oder auf Medizinerkongressen vorgeführt werden, damit Sie Sponsoren finden oder öffentliche Gelder abgreifen können?«

White lachte laut auf. »Nein, um Himmels willen. Was ich getan habe, ist im höchsten Maße illegal. Ich würde nicht nur meine Zulassung als Arzt verlieren, sondern für die nächsten zwanzig Jahre ins Gefängnis wandern. Wir sprechen hier von Entführung, schwerer Körperverletzung und was weiß ich noch alles. Nein, nein, ich dachte da an etwas Subtileres, fernab der Augen von Behörden und Öffentlichkeit.«

»Also der Privatzoo, in dem Sie mich skrupellosen, reichen Menschen als lebendes Beispiel für Ihre Forschung präsentieren.« Kat biss die Zähne zusammen. »Aber da mache ich nicht mit, und ohne meine Zusammenarbeit wird Ihnen niemand glauben, dass Sie das Bewusstsein einer jungen Frau in den Körper einer anderen übertragen haben.«

»Auch da liegen Sie falsch.« White hob beide Hände. »Wenn alles so läuft, wie ich mir das vorstelle, werden nur zwei Personen von dieser Sache wissen, Sie und ich.«

»Und das Personal dieses Krankenhauses, die Assistenzärzte und Pflegekräfte …«

»Sie befinden sich nicht in einem Krankenhaus. Das ist eine … sagen wir Privatklinik, von der niemand etwas ahnt. Und um die Leute, die mir behilflich sind, brauchen Sie sich keine Gedanken machen. Keiner von ihnen weiß mehr, als er muss, um seine Tätigkeit auszuführen, und diejenigen, die zumindest eine Ahnung haben, was hier läuft, werden es niemandem erzählen können.«

Kat schluckte schwer, als sie begriff, was ihr White offenbarte.

»Sie wollen die Leute umbringen, wenn Sie ihre Mithilfe nicht mehr brauchen?«, fragte sie entsetzt.

»Falls es nötig ist«, gab der Arzt zu. »Ich werde auch Sie töten, wenn Sie nicht tun, was ich von Ihnen verlange.«

Kat lachte bitter auf. »Sie vergessen, ich war praktisch schon tot. Das schreckt mich nicht.«

White zog ein Handy aus seiner Hosentasche, tippte auf dem Display herum und reichte es ihr. Kat verstand nicht, was das sollte, nahm es aber entgegen.

Der Arzt hatte ein Foto aufgerufen. Darauf waren eine junge Frau und ein kleines Mädchen zu sehen, beide lachten in die Kamera. Schwindel erfasste Kat. Die Frau saß in einem Rollstuhl. Es war eindeutig Emily.

»Ihre Schwester ist inzwischen Mutter geworden. Das war kurz nachdem sie zugestimmt hatte, Ihre lebenserhaltenden Maßnahmen einzustellen. Die Prognosen waren schlecht, die Kosten hoch und von keiner Versicherung gedeckt. Ihre Schwester hat alles bezahlt. Auch als das kleine Erbe Ihrer Eltern aufgebraucht war. Sie hat nichts davon für sich behalten, stattdessen Tag und Nacht trotz ihrer Behinderung gearbeitet, um für Ihre Versorgung aufzukommen. Am Schluss konnte sie es sich schlichtweg nicht mehr leisten, Sie am Leben zu lassen. Emily war pleite. Pleite und hochschwanger. Als sie ihr Einverständnis gab, die Geräte abzuschalten, hat ein Arzt, den ich bezahlte, Ihren Tod vorgetäuscht, und ich konnte Sie übernehmen. Danach ließ ich Sie weiterschlafen, bis alle Vorbereitungen abgeschlossen waren und es an der Zeit war, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen.«

»Warum erzählen Sie mir das?«

»Wenn Sie nicht tun, was ich sage, wird Emily sterben und ihre kleine Tochter auch. Sie hat sie rührseligerweise nach Ihnen benannt. Katherine. Ist das nicht nett?«

»Sie wollen zwei unschuldige Menschen umbringen?«

»Es geht um den nächsten Entwicklungsschritt der Menschheit. Ich werde ihn anstoßen und leiten. In diesem Kontext ist das Leben einer gelähmten Frau und eines Kindes bedeutungslos.« Er seufzte. »Aber so weit muss es nicht kommen, Kat. Ich bin mir sicher, Sie werden mich unterstützen.«

»Was soll ich tun?«

White lächelte und wirkte wie ein Fuchs an der Tür zum Hühnerstall.

»Sie sollen einen Mord für mich begehen …«

Kat holte tief Luft.

»… einen sehr reichen Mann töten und sein Erbe antreten.«

»Ich? Warum ich?«

»Nun, der junge Mann, um den es geht, ist der Stiefbruder des Mädchens, in dessen Körper Sie stecken. Noah Taylor. Er lebt sehr zurückgezogen, ist von ausgezeichneter Sicherheitstechnik und gut ausgebildeten Leibwächtern umgeben.« White hob grinsend einen Finger seiner rechten Hand und zeigte auf sie. »Aber das gilt nicht für seine Schwester. Megan Taylor kann ohne Probleme das Grundstück und das Haus ihrer Eltern betreten, ihren Bruder unauffällig aus dem Weg räumen und seine Stelle einnehmen. Da Vater und Mutter vor ein paar Monaten bei einem Raubüberfall erschossen wurden und es keine weiteren Erben außer Noah gibt, der nicht weiß, dass seine Stiefschwester gestorben ist, wird sie nicht nur das gesamte milliardenschwere Privatvermögen erben, sondern auch der CEO von TX, dem größten Medizinkonzern der Welt, werden. Sie erhält Zugang zu allen Mitteln, Forschungslaboren und das Fachpersonal. Also Zugriff auf alles, was ich benötige, um meinen Traum vom ewigen Leben wahr zu machen. Eigentlich recht simpel, nicht?«

Ein Würgen überfiel Kat. Sie beugte sich aus dem Bett, wollte sich erbrechen, aber es kam nur gelber Schleim hoch.

White wandte sich um. »Ich lasse Sie jetzt für einen Moment allein, damit Sie über alles nachdenken können. Sie wissen, um was es geht, und sind hoffentlich bereit, das zu tun, was ich von Ihnen verlange, oder Emily und ihre Tochter sterben noch heute.«

4.

Als White gegangen war, wartete Kat eine Weile ab, dann schlich sie zur Tür. An Flucht war nicht zu denken, denn sonst würde White seine Drohung gegenüber Emily und ihrer Tochter wahr machen, aber sie wollte wissen, wohin man sie gebracht hatte.

Kat legte das Ohr an die Tür und lauschte. Nichts.

Vorsichtig fasste sie nach der Klinke und drückte sie hinunter.

Nichts geschah. Die Tür war abgeschlossen.

Wahrscheinlich elektronisch gesichert, denn es gab kein Schlüsselloch und Kat hatte auch nicht gehört, dass White einen Riegel vorgeschoben hätte.

Frustriert ließ sie sich aufs Bett fallen und dachte über das nach, was ihr der Arzt gesagt hatte. Das Verrückte war: Sie glaubte ihm.

Er verlangte von ihr, dass sie einen jungen Mann tötete, den sie nicht kannte, der ihr nichts getan hatte, und all das nur, damit White Zugang zu Geld, Macht und Forschungsmöglichkeiten bekam, um seine wahnwitzigen Pläne umzusetzen.

Galle kroch ihren Hals hinauf und hinterließ einen bitteren Geschmack in ihrem Mund. Sie musste erneut würgen, übergab sich aber wieder nicht.

Ihre Gedanken wanderten zu Emily. Laut White hatte ihre Schwester viel auf sich genommen und große Opfer gebracht, um für die kostspielige medizinische Versorgung aufzukommen.

Es muss hart für dich gewesen sein, die Entscheidung zu treffen, die Geräte abschalten zu lassen, aber ich hätte es an deiner Stelle genauso getan. Es gab keine Hoffnung mehr. Mein Leben war vorbei.

Das Makabre an der ganzen Sache war der Umstand, dass sie ohne White nicht wieder aufgewacht wäre. Er hatte ihr Bewusstsein in einen anderen Körper transferiert und sie war am Leben. Unfassbar eigentlich und sicherlich eine medizinische Sensation, aber er hatte es nicht im Dienst der Wissenschaft getan, sondern um seine Träume von Unsterblichkeit und gottähnlicher Macht Wirklichkeit werden zu lassen.

Dafür war er bereit zu töten, aber auch sie zur Mörderin zu machen.

Die Aussichtslosigkeit ihrer Situation überrollte Kat und die nächsten Minuten starrte sie nur auf ihre zitternden Hände, dann dachte sie über das Mädchen nach, in dessen Körper sie jetzt steckte.

Kat nahm den Handspiegel auf und betrachtete sich von allen Seiten. Oder vielmehr begutachtete sie das Gesicht von Megan Taylor.

Megan war eine hübsche junge Frau mit Augen, die zu leuchten schienen. Sie hatte ebenmäßige Gesichtszüge, eine etwas zu spitze Nase. Sommersprossen tanzten auf diesem Gesicht. Kat schürzte die vollen Lippen, machte eine Schnute und probierte dann ein Lächeln. Blitzweiße Zähne kamen zum Vorschein.

Sie ist sehr schön.

Sie schlug die Bettdecke zurück und betrachtete ihren neuen Körper, dem man ein weißes Krankennachthemd angezogen hatte.

Mittelgroß, schlank, mit kleinen festen Brüsten. Kat hob die Arme an. Intensiv gebräunte Haut.

Sie muss viel Zeit in der Sonne verbracht haben.

Das Gesicht und der Körper einer Fremden. Kat konnte keine Beziehung dazu herstellen. Es war, als trüge sie die Kleider eines anderen Menschen, die ihr zwar wie angegossen passten, aber überhaupt nicht ihr Stil waren.

»Wer bist du?«, flüsterte sie. Kat beobachtete im Spiegel, wie sich die Lippen beim Sprechen bewegten, und entdeckte kleine Grübchen in den Mundwinkeln.

»Warum nimmst du Drogen? Du bist so hübsch und wie ich gehört habe, auch sehr reich. Du besitzt alles, was sich andere Menschen wünschen und doch hast du dein Leben zerstört. Was ist geschehen?«

Egal, was sie erwartet hatte, es kam nicht. Kein plötzlicher Gedanke oder ein auftauchendes Bild, kein Geistesblitz und auch keine Gefühle. Als würde man in einem verlassenen Haus stehen, rufen und keine Antwort bekommen.

Ihr altes Leben war für immer vorbei und würde nicht wiederkommen. Es gab nur noch die Möglichkeit zu sterben, entweder durch eigene Hand oder durch diesen verrückten Arzt. Oder …

… oder einen Mord zu begehen. Einen ihr vollkommen fremden jungen Mann zu töten.

Ich kann das nicht tun. Auch nicht, wenn mein Leben davon abhängt.

Aber das war das Problem. Es ging nicht nur um ihr Leben, sondern auch um das von Emily und deren kleiner Tochter.

Kat rief sich das Foto in Erinnerung.

Sie sieht noch aus wie früher, obwohl sechs Jahre vergangen sind.

Nur die Gesichtszüge wirkten härter, aber da war dieses Lachen gewesen. Bist du glücklich, Schwesterlein?

Kat wurde bewusst, dass sie nun Tante eines kleinen Mädchens war, das ihren Namen trug.

Emily und sie waren die letzten beiden Menschen, die ihr von ihrer Familie geblieben waren. Wieder stiegen ihr Tränen in die Augen, aber Kat drängte sie weg. Sie musste nachdenken. Eine Lösung finden. Doch je länger sie ihre Möglichkeiten durchging, desto klarer wurde, dass sie keine hatte.

Entweder sie tat, was White verlangte, oder sie tat es nicht.

Mit allen Konsequenzen, die daraus folgten.

Ich brauche mehr Zeit. Vielleicht finde ich später eine Lösung. Zunächst muss ich so tun, als ginge ich auf die Forderung ein. Sicherlich denkt sich White, dass ich einen Ausweg aus meiner Lage suche, aber sobald ich aus dieser Klinik rausgekommen bin, ergeben sich neue Möglichkeiten.

Kat seufzte laut auf. Es war nicht viel, aber ein Hoffnungsschimmer.

Sie drückte auf den Klingelknopf, der an ihrem Krankenbett befestigt war. Wie erwartet, erschien White umgehend. In seiner Hand hielt er ein iPad.

»Nun?«, fragte er.

»Ich denke, ich habe keine Wahl.«

»Gut, dass Sie es so sehen.«

»Angenommen, ich führe Ihren Auftrag aus und töte Noah Taylor, wer garantiert mir, dass Sie mich und Emily nicht umbringen, wenn Sie alles haben, was Sie wollten?«

»Niemand. Und wie Sie selbst festgestellt haben, bleibt Ihnen keine andere Wahl.«

»Sagen Sie mir was Nettes«, meinte Kat ironisch. »Etwas, woran ich glauben kann. Ein bisschen Hoffnung wäre schön.«

White neigte den Kopf zur Seite und lächelte. »Wie wäre es damit? Wenn ich habe, was ich will, gibt es keinen Grund mehr, Sie oder Ihre Schwester aus dem Weg zu räumen. Sie werden eine Mörderin sein, die Beweise dafür kann ich liefern. Also ist es besser, Sie schweigen. Mal abgesehen davon, würde Ihnen sowieso niemand glauben. Also lasse ich Sie leben und Emily und die kleine Katherine auch. Ich übertrage Ihnen sogar ein paar Millionen Dollar des Familienvermögens, dann können Sie in ein anderes Land gehen und das alles hier vergessen. Oder Sie bleiben hier, machen Ihrer Schwester das Leben so angenehm wie möglich, unterstützen sie und helfen ihr. Was immer Sie wollen.«

»So einfach ist das?«

»Ja, so einfach. Es geht um Zweckmäßigkeit, Mittel und Ziele. Drei Tote werfen Fragen auf, und ich möchte nicht, dass die Polizei oder sonst jemand auf mein kleines Projekt aufmerksam wird. Sie sehen also, es hat Vorteile für mich, Sie am Leben zu lassen.«

»Okay.«

White hob die Augenbrauen.

»Ich mache es.«

»Sehr gut.«

»Was muss ich dafür tun?«

Der Arzt trat einen Schritt näher. »Megan Taylor werden. Nur auszusehen wie sie, reicht nicht. Noah weiß nicht, dass seine Schwester gestorben ist, aber er würde sofort misstrauisch werden, wenn etwas nicht stimmig ist. Ihr Training beginnt morgen. Bevor es losgeht, muss ich Sie über das informieren, was in den Jahren, in denen Sie im Koma lagen, auf der Welt geschehen ist. Ich zeige Ihnen Videos und erkläre Ihnen alles. Lassen Sie uns mit der Situation in den USA beginnen.«

»Na dann, legen Sie los.«

White klappte das I-Pad auf, stellte es auf den Nachttisch und schaltete es ein. Ein Video begann. Die amerikanische Flagge war zu sehen, darüber schwebte der Titel der Sendung.

Eine gespaltene Nation.

Offensichtlich eine Dokumentation. Ein Reporter erschien, der vor einem Ortsschild irgendwo an einer Landstraße mit einem Mikrofon in der Hand stand. Neben dem Ortsnamen waren Einschusslöcher im Blech zu sehen.

Wilmerton.

Kat hatte den Namen nie gehört und keine Ahnung, wo die Stadt liegen sollte.

Unter dem Ortsnamen stand:

1277 Einwohner Republikaner

0 Demokraten

»Das hier ist Trump-Land«, sagte der Reporter. Er deutete über seine Schulter in Richtung der kleinen Stadt, die sich in seinem Rücken befand.

Die nächsten dreißig Minuten folgten mehrere Berichte über die politische Situation innerhalb der USA. Kat musste zugeben, dass White recht gehabt hatte, vieles hatte sich verändert.

Ihr Heimatland war in den letzten Jahren eine gespaltene Nation geworden. Die Gräben zwischen den Anhängern der Republikaner und den Demokraten waren so tief wie der Grand Canyon.

Kat hatte sich nie sonderlich für Politik interessiert, aber was sie hier hörte, schockierte sie zutiefst.

Als der Bericht endete, hielt White die Vorführung an. »Was sagen Sie dazu?«

»Ich kann es kaum glauben.«

»Im Rest der Welt sieht es auch nicht besser aus. Die Demokratie ist auf dem Rückzug. In vielen Ländern herrschen inzwischen Despoten. Russland hat einen Krieg gegen die Ukraine begonnen und dadurch eine weltweite Energiekrise ausgelöst. Alles ist sehr viel teurer geworden. Zahlreiche Menschen sind trotz Vollzeitjob in die Armut abgerutscht, und das ist längst nicht alles. Corona hat die Welt, uns alle verändert.«

Kat dachte darüber nach, ob sie den Namen schon mal gehört hatte. Ihr fiel nichts ein.

»Wer ist das?«, fragte sie.

»Nicht wer, sondern was ist es.«

White schaltete das iPad wieder an.

»Über sechs Millionen Tote weltweit?«, ächzte Kat nach ein paar Minuten. Das alles hatte Züge eines Albtraums.

Der Arzt nickte ernst. »Und die Krise ist noch nicht überstanden. Niemand weiß, wann die nächste Mutation auftaucht und ob wir uns davor schützen können.«

»Wollen Sie mir noch weitere Katastrophen zeigen?«

»Nein, heute nicht. Alles in Ordnung?«

»Ja.« Kat wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum. »Ist alles nur ein wenig viel.«

Er nickte nachdenklich. »Ich lasse Sie jetzt allein. Wir sehen uns morgen.«

Als er gegangen war, wollte Kat über all das Gesehene und Gehörte nachdenken, aber sie war zu müde.

Sie putzte sich die Zähne und kroch unter die Bettdecke.

Vor Erschöpfung fielen ihr die Augen zu.

5.

»Sie werden jetzt von mir in einen anderen Bereich gebracht«, sagte White am nächsten Morgen und schob einen Rollstuhl ins Zimmer.

Das Frühstück war bereits abgeräumt worden und eine Frau hatte Kat bequeme Kleidung gebracht.

Sie trug nun statt des Krankenhauskittels Jeans, ein blaues Baumwoll-Sweatshirt mit dem Aufdruck »California Republic« und weiße Sneaker. Alles passte, als hätte sie es selbst ausgesucht.

»Warum haben Sie eigentlich mich ausgewählt?«, fragte sie den Arzt.

»Liegt auf der Hand, oder?« Er kratzte sich an der Oberlippe. »Sie haben das gleiche Alter, stammen aus Kalifornien und kennen sich im Staat aus. Das heißt, Sie sprechen Englisch, wie es hier in der Gegend gesprochen wird. Es gibt vieles für Sie zu lernen, aber vieles wissen Sie schon aufgrund Ihrer Vergangenheit. Sie müssen Megan Taylor werden, aber keine Amerikanerin, keine Kalifornierin. Das hilft enorm bei unserem Vorhaben.«

Er spricht von »unserem Vorhaben«, als ob ich eine Wahl hätte.

»Warum komme ich woanders hin und was soll der Rollstuhl?«

»Dies ist der Klinikbereich, die Leute, die hier arbeiten, kennen Sie nur als normale Patientin. Außer mir weiß niemand Ihren Namen. Im neuen Bereich wiederum ahnt keiner, dass Sie im Koma lagen. Den Trainern, die dort auf sie warten, wurde gesagt, Sie seien ein Double für eine junge, reiche Frau, das hier zur Ausbildung ist.«

»Dann wissen Sie also von Megan?«