Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull von Thomas Mann. Königs Erläuterungen. - Thomas Mann - E-Book

Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull von Thomas Mann. Königs Erläuterungen. E-Book

Thomas Mann

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Beschreibung

Königs Erläuterungen: Textanalyse und Interpretation mit ausführlicher Inhaltsangabe und Abituraufgaben Das spart dir lästiges Recherchieren und kostet weniger Zeit zur Vorbereitung. In einem Band bieten dir die neuen Königs Erläuterungen ALLES, was du zur Vorbereitung auf Referat, Klausur, Abitur oder Matura benötigst. Alle wichtigen Infos zur Interpretation. - von der ausführlichen Inhaltsangabe über Infos zu Leben und Werk bis zu Stil und Sprache u. v. m. - plus 4 Abituraufgaben mit Musterlösungen . findest du kurz und knapp aber auch ausführlich - Die Schnellübersicht fasst alle wesentlichen Infos zu Werk und Autor zusammen. - Die Kapitelzusammenfassungen zeigen dir das Wichtigste eines Kapitels im Überblick ideal auch zum Wiederholen. - Das Stichwortregister ermöglicht dir schnelles Finden wichtiger Textstellen. . und klar strukturiert - Ein zweifarbiges Layout hilft dir Wesentliches einfacher und schneller zu erfassen. - Die Randspalte mit Schlüsselbegriffen gibt dir bessere Orientierung beim Suchen wichtiger Textstellen. - Klar strukturierte Schaubilder zeigen dir wichtige Sachverhalte auf einen Blick. . mit weiteren extra Abituraufgaben und vielen zusätzlichen Infos zum kostenlosen Download.

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KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN

Band 456

Textanalyse und Interpretation zu

Thomas Mann

BEKENNTNISSE DES HOCHSTAPLERS FELIX KRULL

Stefan Helge Kern

Alle erforderlichen Infos für Abitur, Matura, Klausur und Referat plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen

Zitierte Ausgaben: Thomas Mann: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Der Memoiren erster Teil. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1989, 52. Aufl. 2014 (Fischer-Taschenbücher Nr. 9429).

Über den Autor dieser Erläuterung: Dr. Stefan Helge Kern, Jg. 1974, wurde 2003 mit einer Dissertation über Die Kunst der Täuschung. Hochstapler, Lügner und Betrüger im Roman nach 1945 promoviert. Er hat Deutsch, Geschichte und Philosophie an einem Gymnasium in Hannover unterrichtet und am Studienseminar Lehrkräfte für das Fach Deutsch ausgebildet. Heute ist er Direktorstellvertreter an einer Evangelischen Gesamtschule. Als Autor von Bildungsmedien, Referent und Fortbildner engagiert er sich für die Schul- und Unterrichtsentwicklung besonders im Hinblick auf die Bildung in der digitalen Welt.

1. Auflage 2021

ISBN 978-3-8044-7058-3

© 2006, 2021 by Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: Horst Buchholz als Felix Krull in der Verfilmung von 1957 © picture alliance / Sammlung Richter © Moritz Schell (Fotograf), Wien

Hinweise zur Bedienung

Inhaltsverzeichnis Das Inhaltsverzeichnis ist vollständig mit dem Inhalt dieses Buches verknüpft. Tippen Sie auf einen Eintrag und Sie gelangen zum entsprechenden Inhalt.

Fußnoten Fußnoten sind im Text in eckigen Klammern mit fortlaufender Nummerierung angegeben. Tippen Sie auf eine Fußnote und Sie gelangen zum entsprechenden Fußnotentext. Tippen Sie im aufgerufenen Fußnotentext auf die Ziffer zu Beginn der Zeile, und Sie gelangen wieder zum Ursprung. Sie können auch die Rücksprungfunktion Ihres ePub-Readers verwenden (sofern verfügbar).

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INHALT

1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht

2. Thomas Mann: Leben und Werk

2.1 Biografie

2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund

2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken

3. Textanalyse und -Interpretation

3.1 Entstehung und Quellen

3.2 Inhaltsangabe

Erstes Buch

Zweites Buch

Drittes Buch

3.3 Aufbau

Erzählsituation

Gliederung

Chronologie oder Teleologie?

3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken

Felix Krull

Vater Engelbert Krull

Pate Schimmelpreester

Mutter

Marquis Louis de Venosta

Professor Kuckuck

3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen

3.6 Stil und Sprache

3.7 Interpretationsansätze

Die Bekenntnisse als Parodie

Die Bekenntnisse als Auseinandersetzung mit der Mythologie

Autobiografische Interpretation

4. Rezeptionsgeschichte

5. Materialien

Georges Manolescus Autobiografie

Thomas Mann: Parallelen

Paralleltexte anderer Autoren

Aktuelle Bezüge

6. Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen

Aufgabe 1 ***

Aufgabe 2 **

Aufgabe 3 **

Aufgabe 4 **

Literatur

Textausgaben

Verfilmungen

Bildmaterial

Biografien

Quellen zu Autor und Werk

Lektürehilfen

Sekundärliteratur

Internet (Stand: April 2021)

1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht

Im 3. Kapitel bieten wir eine Textanalyse und -interpretation.

Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull – Entstehung und Quellen:

Mit langen Unterbrechungen hat Thomas Mann ab 1906 fast 50 Jahre an dem Roman gearbeitet. Trotz des Zuspruchs des Publikums hat er mit dem Stoff gehadert, weil er ihm würdelos erschien.

Eine Anregung für die Gestaltung von Felix’ Lebensweg ist die Autobiografie des damals in ganz Europa erfolgreichen rumänischen Hochstaplers Georges Manolescu  (1871–1908).

Inhalt:

In seiner Kindheit lernt Felix, wie er Menschen für sich einnehmen kann. Er liebt Verkleidungen und übt sich im Kontrollieren selbst unwillkürlicher Körperregungen, um wegen angeblicher Krankheit nicht in die Schule gehen zu müssen. Die Familie lebt großzügig über ihre Verhältnisse, bis die Sektkellerei des Vaters pleite ist und ihr Inhaber Selbstmord begeht.

Seine Schönheit und sein gefälliges Auftreten ebnen Felix den Weg in die höhere Gesellschaft. Nach dem Umzug der Witwe Krull mit ihren Kinder nach Frankfurt am Main besucht Felix zunächst die Liebesschule einer Prostituierten. Danach arbeitet er sich in dem Pariser Hotel Saint James and Albany vom Liftboy zum Kellner hoch; Nebeneinkünfte erzielt er, indem er gestohlenen Schmuck an einen Hehler verkauft. Seine Attraktivität wirkt sowohl auf Frauen wie auf Männer anziehend. Schließlich tauscht Felix mit einem jungen Adeligen, Marquis Louis de Venosta, die Rollen und reist in dessen Namen nach Lissabon, die erste Station einer Bildungsreise um die Welt, wo sich Mutter und Tochter des Leiters des Lissabonner Naturkundemuseums, Professor Kuckuck, in ihn verlieben.

Chronologie und Schauplätze:

Felix wächst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts in einer Weingegend am Rhein auf. Volljährig zieht er nach dem Selbstmord des Vaters mit Mutter und Schwester nach Frankfurt am Main um. Für eine Ausbildung im Hotel siedelt er nach Paris über. In der Rolle des Marquis Louis de Venosta reist er mit Anfang 20 nach Lissabon.

Die Welt von Felix ist hierarchisch und aristokratisch; die Gesellschaftsschichten haben jeweils ihre eigene Sphäre und eigenen Orte. Die getrennten Bereiche werden in dem Roman gegenübergestellt: Aus Sucht nach gesellschaftlichem Aufstieg lebt Familie Krull über ihre Verhältnisse und geht bankrott. In den Schaufenstern von Frankfurt wird Reichtum zur Schau gestellt, daneben floriert das Geschäft der Huren und Kriminellen, das Felix ebenfalls anzieht. Die Hotelgäste genießen Überfluss und Luxus, während die Angestellten in einfachsten Verhältnissen leben. Reiche Adelige halten arme Schauspielerinnen aus. Einige der Reichsten sind so dekadent, dass sie sich nach Erniedrigung sehnen.

Aufbau:

Der Schriftsteller Thomas Mann lässt seinen Protagonisten Felix Krull seine Lebenserinnerungen in der Ich-Form erzählen. Neben der Erzählung der Ereignisse besteht der Roman aus zahlreichen Reflexionen des sich erinnernden, auf sein Leben zurückblickenden, gereiften Hochstaplers. Er denkt über das Schreiben, über Schein und Sein und gesellschaftliche Hierarchien nach. „Bekenntnisse“, wie der Roman im Titel benannt wird, sind eine traditionsreiche literarische Gattung.

Das Romanfragment besteht aus drei „Büchern“/Teilen: 1. Kindheit im Rheingau bis zum Bankrott und Selbstmord des Vaters, 2. Umzug nach Frankfurt, Hotelboy in Paris bis zum erotischen Diebeserlebnis mit Diane Houpflé, 3. Aufstieg zum Kellner, Rollentausch mit Marquis de Venosta, Lissabon bis zum Liebesabenteuer mit Mutter und Tochter Kuckuck.

Personen:

Felix Krull ist als erlebendes und erzählendes Ich das Zentrum des Romans.

Zu seiner Familie gehören Vater Engelbert, Mutter, Schwester Olympia und Patenonkel Felix Schimmelpreester.

Jedem Lebensort korrespondieren unterschiedliche Figuren. Rheingau: Zimmermädchen Genovefa, Schauspieler Müller-Rosé, Geistlicher Rat Chateau; Frankfurt: Prostituierte und Geliebte Rozsa; Paris: Zimmergenosse Stanko, Diane Houpflé, Louis de Venosta; Lissabon: Professor Kuckuck, Tochter Zouzou, Ehefrau Maria Pia.

Stil und Sprache Thomas Manns:

Auch literarisch bzw. stilistisch inszeniert Thomas Mann seine Figur Felix Krull als Hochstapler: Er lässt ihn einen hohen Stil schreiben, an dem er den selbstverliebten Bekenner gelegentlich scheitern lässt, und entfaltet durch Krulls Übertreibungen und Zuspitzungen eine komisch-parodistische Wirkung.

Wortwahl und Satzbau sind der Erzählliteratur des 19. Jahrhunderts ähnlich. Der Satzbau ist durch Nebensätze und Einschübe häufig komplex. Die assoziative Verknüpfung von Erlebnissen, Erinnerungen und Reflexionen unterstützt den Eindruck, dass es sich um authentische Gedanken eines echten Hochstaplers handele.

Verschiedene Interpretationsansätze bieten sich an:

Entlarvung der Orientierung vieler Menschen am äußeren Anschein, sodass ein Hochstapler leichtes Spiel hat

Parodie der Biografie eines echten Hochstaplers sowie der literarischen Gattungen Bekenntnis und Bildungsroman

literarische Auseinandersetzung mit der philosophischen These von der „Welt als Wille und Vorstellung“ (Schopenhauer)

Verarbeitung der antiken Mythen um den vielgestaltigen Götterboten Hermes sowie den selbstverliebten Narziss

autobiografische Auseinandersetzung mit Lebensthemen Thomas Manns: Künstler-Bürger-Konflikt, Homosexualität, eigener Narzissmus des Autors

Rezeptionsgeschichte:

Begeisterung beim Publikum von den ersten Episoden des Romans an

Deutung im ideengeschichtlichen Kontext der großen Werke des Autors (Die Buddenbrooks, Der Zauberberg)

Felix Krull als Prototyp des modernen Menschen: Selbstinszenierung, Simulation

2. Thomas Mann: Leben und Werk

Thomas Mann (1875–1955) im Jahr 1928© picture alliance / akg-images

2.1 Biografie

JAHR

ORT

EREIGNIS

ALTER

1875

Lübeck

Thomas Mann wird am 6. Juni als zweiter Sohn des Kaufmanns und Senators Thomas Johann Heinrich Mann und dessen Frau Julia (geb. da Silva-Bruns) in Lübeck geboren.

1891

Lübeck

Tod des Vaters, Auflösung der Firma.

16

1893

Prosaskizzen und Aufsätze für die vom Autor mitherausgegebene Zeitschrift Der Frühlingssturm. Monatszeitschrift für Kunst, Literatur und Philosophie.

18

1894

Lübeck, München

Mann verlässt das Gymnasium in der Obersekunda, also ohne Abitur, und geht mit der Mutter und den Geschwistern nach München. Seine erste Novelle Gefallen erscheint.

19

1895

München

Aufgrund des Erfolgs seiner ersten Veröffentlichung gibt Mann seine Stellung als Volontär bei einer Versicherungsgesellschaft auf und arbeitet als freier Schriftsteller. Gasthörer an der Münchener Technischen Hochschule.

20

1896–1898

Italien (Rom und Palestrina)

Reise mit dem älteren Bruder Heinrich.

21–23

1898

München

Mann veröffentlicht die Novellensammlung Der kleine Herr Friedemann.

23

1898–1900

München

Tätigkeit als Lektor und Korrektor bei der satirischen Zeitschrift Simplicissimus.

23–25

1900

München

Seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger kann Mann vorzeitig beenden, weil er aufgrund persönlicher Beziehungen seiner Familie zu den Ärzten für untauglich erklärt wird.

25

1901

München

Manns erster großer Roman Buddenbrooks. Verfall einer Familie erscheint und wird begeistert aufgenommen.

26

1903

München

Die Novelle Tonio Kröger erscheint.

28

1905

München

Heirat mit Katia Pringsheim, der Tochter eines reichen Industriellen. Aus der Ehe gehen sechs Kinder hervor, darunter die Schriftsteller Erika, Klaus und Golo Mann.

30

1906

München

Erste Notizen zu den Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull.

31

1910/11

München

Das erste Buch der Bekenntnisse ist abgeschlossen.

35/36

1912

Die Novelle Der Tod in Venedig erscheint.

37

1912/13

München

Fortsetzung der Bekenntnisse bis zur Rozsa-Episode (2. Buch, 6. Kap.).

37/38

1918

Mann veröffentlicht die Betrachtungen eines Unpolitischen als Antwort auf die Antikriegsschrift Zola seines Bruders Heinrich, einem erklärten Demokraten. Thomas’ Verteidigung des Kaisertums und seine Kriegsbegeisterung führen zum Bruch mit dem Bruder.

43

1922

Berlin

In seiner Rede Von deutscher Republik befürwortet Mann die Republik. Aussöhnung mit dem Bruder.

47

1924

Der Zeit- und Bildungsroman Der Zauberberg, an dem Mann seit 1913 gearbeitet hat, erscheint.

49

1929

Stockholm

Literatur-Nobelpreis für die Buddenbrooks.

54

1930

Berlin

17. Oktober: Angesichts des bedrohlichen Stimmenzuwachses der NSDAP hält Mann in Berlin seine Deutsche Ansprache. Ein Appell an die Vernunft. Die Erzählung Mario und der Zauberer erscheint.

55

Ägypten, Palästina

Reisen nach Ägypten und Palästina.

1933

Sanary-sur-Mer, Küsnacht bei Zürich

11. Februar: Mann reist zuerst nach Sanary-sur-Mer, dann nach Küsnacht bei Zürich. Wegen der nationalsozialistischen Machtübernahme kehrt er nicht nach Deutschland zurück. Der erste Band der Tetralogie Joseph und seine Brüder erscheint.

58

1938

Princeton

Gastprofessor an der Universität Princeton (USA).

63

1940– 1945

Kalifornien, Pacific Palisades

Ausstrahlung seiner monatlichen Radioreden Deutsche Hörer! über den englischen Sender BBC nach Deutschland. Insgesamt werden 55 Kommentare von ihm gesendet.

65–70

1941

Pacific Palisades

Umzug nach Pacific Palisades bei Los Angeles.

66

1944

Pacific Palisades

Mann nimmt die amerikanische Staatsbürgerschaft an.

69

1945

Pacific Palisades

Nach dem Zweiten Weltkrieg vertritt Mann in dem offenen Brief Warum ich nicht nach Deutschland zurückkehre die These von der Kollektivschuld der Deutschen. Sie stößt vor allem bei den Autoren der „Inneren Emigration“ auf Widerstand.

70

1947

Zürich

Der Roman Doktor Faustus erscheint. Erste Europareise nach dem Krieg, um an der ersten internationalen Nachkriegstagung des PEN-Clubs in Zürich teilzunehmen.

72

1949

Frankfurt  a. M., Weimar

Erster Besuch nach dem Krieg in beiden deutschen Staaten aus Anlass des Goethe-Jahres.

74

1951

Pacific Palisades

Wiederaufnahme der Arbeit an den Bekenntnissen.

76

1952

Erlenbach bei Zürich

Nachdem er von einem kalifornischen Abgeordneten vor dem Kongress als „one of the world’s foremost apologists for Stalin and company“[1] denunziert wurde, verlässt Mann die USA und siedelt nach Erlenbach bei Zürich um.

77

1954

Der erste Teil der Bekenntnisse erscheint.

79

1955

Zürich

12. August: Thomas Mann stirbt in Zürich.

80

2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund

ZUSAMMENFASSUNG

Der Roman Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull spielt am Ende des 19. Jahrhunderts, dem „Fin de Siècle“, einer Epoche des Nebeneinanders von Tradition und Avantgarde, von „Décadence“ und „Belle Époque“.

Zu dieser Zeit wird Deutschland von Kaiser Wilhelm II. regiert. Der Adel hat die politische Macht. Die wilhelminische Gesellschaft war von einer Dominanz des Militärischen, von Gehorsam und Obrigkeitshörigkeit geprägt.

Durch den Sieg im Krieg gegen Frankreich (1870/71) kam es in Deutschland zu einem ökonomischen Aufschwung. Von den so genannten „Gründerjahren“ profitierten vor allem (groß-)bürgerliche Gesellschaftsgruppen. Zugleich bildete sich eine starke Arbeiterbewegung, die für bessere Lebensbedingungen für breitere Teile der Gesellschaft kämpfte.

Der Sieg über Frankreich im Krieg 1870/71 wurde mit der Proklamation des Deutschen Kaisers Wilhelm I. (1797–1888, Kaiser von 1871–1888) in Versailles im Januar 1871 besiegelt. Der gewonnene Krieg verbesserte die ökonomische Situation des Reiches enorm: Das Industriegebiet und Wirtschaftszentrum Elsass-Lothringen fiel an Deutschland, außerdem musste Frankreich fünf Milliarden Francs Kriegsentschädigung zahlen. Diese Geld- und Sachleistungen gaben den Anstoß für einen Wirtschaftsboom im Deutschen Reich, die so genannten Gründerjahre. Von 1890 bis 1914 florierten Industrie und Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung. Der Umfang der industriellen Produktion versechsfachte sich.

Die wilhelminische Gesellschaft war von Disziplin, Obrigkeitshörigkeit und einer starken Betonung und Präsenz des Militärischen geprägt. Uniformträgern begegnete man ehrfurchtsvoll. Dass auch Bürgersöhne zur Armee eingezogen wurden, wertete den zwei- bzw. dreijährigen Militärdienst auf. Angehörige der „gebildeten Stände“, Gymnasiasten, konnten sich als so genannte „Einjährig-Freiwillige“ melden.

Das Ausland sah im Deutschen Reich eine bedrohliche Hochburg des Militarismus. Obwohl Kaiser Wilhelm II. (1859–1941, Kaiser von 1888–1918) einer Modernisierung seines Reiches gegenüber aufgeschlossen war, hatte er ein antiquiertes Verständnis seiner persönlichen Herrscherrolle mit einer ausgeprägten Vorliebe für Prunk, Orden, Aufmärsche und militärische Manöver. Nationalfeiertag war der „Sedanstag“ (Tag der Kapitulation der französischen Armee am 2. September 1870), der alljährlich an Schulen und auf Plätzen volksfestartig begangen wurde. An „Kaisers Geburtstag“ wurden die Städte beflaggt, und das Volk jubelte seinem Oberhaupt zu. Die Kinder trugen die modischen Matrosenuniformen.

Die rund 24.000 Personen starke Gruppe der Aristokraten und grundbesitzenden Landadeligen bestimmte das politische Geschehen im Kaiserreich maßgeblich. In Preußen galt das Dreiklassenwahlrecht, das den Bürgern nach ihrem Steueraufkommen unterschiedliche politische Mitspracherechte zuwies. Im ganzen Reich spielte der politische Katholizismus, der sich in der Zentrums-Partei organisierte, eine große Rolle.

Auf der anderen Seite prägte die erstarkende Arbeiterbewegung die innenpolitische Debatte: Im Vergleich zu dem Wohlstand der Bürger und des Adels war die Lage der Arbeiter prekär. Gewerkschaften und Sozialisten kämpften gegen das Massenelend. Die Konfrontation zwischen Arbeitern und Kapitalisten wurde durch eine Sozialgesetzgebung Ende der 1880er Jahre beruhigt.

Die Kultur der Jahrhundertwende, des „Fin de Siècle“, ist in ganz Europa von einem Nebeneinander von Tradition und Avantgarde gekennzeichnet. Die Epoche wird zugleich als Zeit des kulturellen Verfalls, als „Décadence“, wie auch als „Belle Époque“ angesehen. Sie ist geprägt von einem Schwanken zwischen Aufbruchsstimmung und diffuser Zukunftsangst, Lebensüberdruss und Weltschmerz, Faszination für Tod und Vergänglichkeit, Frivolität und Dekadenz.

2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken

ZUSAMMENFASSUNG

Thomas Mann thematisiert in seinen Romanen das Selbstverständnis des Bürgertums. Verfall, Krankheit und Niedergang, die Dekadenz des Bürgertums sind Themen mehrerer Romane: Die Buddenbrooks. Verfall einer Familie, Der Tod in Venedig, Der Zauberberg, Doktor Faustus.

Autobiografische Themen finden sich in vielen seiner Erzählungen: der Künstler-Bürger-Konflikt um die Vereinbarkeit der freien Künstlerexistenz mit einem soliden Lebenswandel sowie die eigene Homosexualität.

In Aufsätzen, Reden und Radioansprachen wird der Wandel der politischen Haltungen des Autors entlang der historischen Umbrüche nachvollziehbar: von einem angepassten Mitglied der großbürgerlich-aristokratischen Gesellschaft wurde er nach dem Ersten Weltkrieg zum Republikaner, wandte sich früh gegen Hitler, emigrierte nach 1933 in die USA, versuchte aber nach 1945, ein intellektuelles Deutschtum zu retten.

Die Geschichte seiner eigenen Familie sowie das Großbürgertum seiner Heimatstadt Lübeck bildet unverhohlen den Stoff seines Romandebüts Buddenbrooks (1901), für das Thomas Mann 1929 den Nobelpreis für Literatur erhielt. An vier Generationen einer Lübecker Kaufmannsfamilie wird der Verfall einer Familie