Beraten im Organisationskontext - Claudia Beutter - E-Book

Beraten im Organisationskontext E-Book

Claudia Beutter

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Beschreibung

Dieser Band ist als Orientierung für Beratende und an Beratung Interessierte gedacht, die im Kontext von Organisation Einzelpersonen, Teams und auch größere Organisationseinheiten in ihrer Entwicklung begleiten oder auch führen. Thematisiert werden Verständnisse über Organisation und über Systemtheorie-basierte Ansätze als Grundlagen von Beratungsarbeit. Weiter werden die Auswirkungen von Beratungsverständnissen in der Praxis aufgezeigt: auf Haltung und angewendete Methoden im Coaching, auf das Betrachten, Verstehen und Vorgehen in der Teamberatung und auf die Vorgehensweise in einer ganzheitlichen Organisationsentwicklung.

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Inhalt

Cover

Titelei

Vorwort zur Buchreihe

Einleitung

1 Grundverständnisse von Organisation und Beratung

1.1 Strömungen in den Theorien zu Organisation

1.1.1 Klassische Organisationstheorien

1.1.2 Neoklassische Organisationstheorien

Human-Relations-Bewegung

1.1.3 Moderne Organisationstheorien

1.2 Einfluss systemtheoretischer Ansätze auf die Organisationstheorie

1.2.1 Kybernetik, Konstruktivismus und Autopoiese

1.2.2 Bedeutung von Organisation

1.2.3 Zentrale Prämissen systemtheoretischer Erklärungsmodelle für Organisation

1.3 Erklärungsmodelle und deren Auswirkung auf die Organisationsberatung

1.3.1 Modelle zur Betrachtung von Organisationen

1.3.2 Modelle für die Betrachtung »Psychischer Systeme«

1.3.3 Rollen in der Beratung

2 Beratung im Spannungsfeld von Person – Rolle‍(n) – Organisationen: Coaching

2.1 Grundlagen des Coachings

2.1.1 Anliegen und Anlässe für Coaching

2.1.2 Typische Phasen eines Coachings

2.1.3 Evaluation von Coachingprozessen

2.2 Der Hypnosystemische Beratungsansatz

2.3 Methoden im Coaching

2.3.1 Generelle Überlegungen zum Einsatz von Methoden im Coaching

2.3.2 Methoden von A bis Z

3 Teamberatung gestalten

3.1 Wann reden wir von einer Gruppe, wann von Teams?

3.2 Formen der Teamberatung

3.3 Auftrags- und Rollenklärung

3.3.1 Auftragsklärung als Prozess

3.3.2 Rollenklärung zwischen Auftraggebern, Führung, Team und Beraterin

3.4 Kontrakte (Verträge)

3.4.1 Soziale oder auch psychologische Kontrakte in der Teamberatung

3.4.2 Soziale Kontrakte mit den Auftraggebern bzw. vorgesetzten Instanzen

3.5 Teamberatungsprozesse gestalten

3.5.1 Die Initialphase

3.5.2 Die Arbeitsphase

3.5.3 Die Abschlussphase

3.6 Ausgewählte gruppendynamische und systemische Grundannahmen für die Arbeit mit Teams

3.6.1 Bedeutung des Feedbacks für gruppendynamische Prozesse

3.6.2 Systemische Ordnungsprinzipien als zentrale Grundannahmen in der Beratung

3.7 Systemisch-lösungsorientierte Strukturaufstellungen in der Teamberatung

3.7.1 Phasen

3.7.2 Wie funktionieren Aufstellungen mit oder für Teams?

3.7.3 Aufstellungen mit Symbolen

3.7.4 Aufstellungen mit Repräsentanten

3.7.5 Aufstellungen mit den Teammitgliedern

3.8 Zusammenfassung und Quintessenz

3.9 Ausblick auf die Zukunft der Teamberatung

4 Das Feld der Organisationsberatung betreten

4.1 Wozu Organisationen und Menschen ganzheitlich betrachten und entwickeln?

4.1.1 Systemischer Ansatz als Metakonzept

4.1.2 Einführung neuer Arbeitsformen

4.1.3 Sinn und Zweck von ganzheitlicher Organisationsentwicklung

4.2 Der Fokus auf das soziale System: die Kultur als Wesenskern entwickeln und stärken

4.3 Werte als Ansatz der Kulturentwicklung: Zugang zu den mentalen Modellen finden

4.4 Systemtheoretische Ansätze der Organisationsberatung: das Handeln im Praxisfeld orientieren und begründen

4.4.1 Autonomie lebender Systeme: die Eigenart und Eigenlogik achten und würdigen

4.4.2 Strukturelle Kopplung lebender Systeme: einen gemeinsamen sprachlichen Bereich schaffen und Entwicklung fördern

4.4.3 Die Perspektive des Beobachters bestimmt sein Erleben: die gegebenen Sichtweisen erkunden und erweitern

4.5 Prinzipien der Selbstorganisation in psychischen und sozialen Systemen

4.5.1 Selbstorganisation in sozialen Systemen: sich in Bescheidenheit üben und die wirksamen Einflüsse erkennen

4.5.2 Selbstorganisation in psychischen Systemen: sich der Wirkung des emotionalen Erlebens bewusst sein

4.6 Praktisches Vorgehen systemischer Organisationsberatung

4.6.1 Schritte bei der Einführung des Entwicklungsprozesses: ganzheitlich und iterativ vorgehen

4.6.2 Struktur des Entwicklungsprozesses: kontinuierliche Verbesserung und Selbststeuerung langfristig etablieren

4.6.3 Rolle, Aufgabe und Haltung der Führung: sich dem Entwicklungsvorhaben verpflichtet fühlen und aktiv unterstützen

4.6.4 Rolle, Aufgabe und Haltung der Berater: den Blick auf vorhandene Ressourcen richten und die Selbstoptimierung fördern

4.7 Handlungsprinzipien systemischer Organisationsberatung

4.8 Zusammenfassende Kernaussagen

Literatur

Stichwortverzeichnis

Psychologische Beratung in der Praxis

Herausgegeben von Christoph Steinebach

Das Editorial Board: Markus Hackenfort, Stefan Kammhuber, Hansjörg Künzli, Frieder R. Lang, Eric Lippmann, Christoph Negri, Bernd Röhrle, Christel Salewski, Marcel Schär, Marc Schreiber, Birgit Spinath, Daniel Süss, Agnes von Wyl

Eine Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter:

https://shop.kohlhammer.de/psychologische-beratung

Die AutorInnen

Claudia Beutter ist Beraterin, Dozentin und Lehrsupervisorin. Marion Jonassen ist Beraterin und Dozentin. Prof. Dr. Volker Kiel ist Berater, Dozent und Lehrsupervisor. Prof. Dr. Eric Lippmann ist Berater, Dozent, Lehrsupervisor und ehemaliger Leiter des Zentrums Leadership, Coaching & Change Management am Institut für Angewandte Psychologie an der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Alle AutorInnen sind an der ZHAW tätig.

Claudia BeutterMarion JonassenVolker KielEric Lippmann

Beraten im Organisationskontext

Coaching, Team- und Organisationsentwicklung

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Pharmakologische Daten verändern sich ständig. Verlag und Autoren tragen dafür Sorge, dass alle gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung hierfür kann jedoch nicht übernommen werden. Es empfiehlt sich, die Angaben anhand des Beipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

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1. Auflage 2023

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-036012-9

E-Book-Formate:pdf:ISBN 978-3-17-036013-6epub:ISBN 978-3-17-036014-3

Vorwort zur Buchreihe

Über Beratung lässt sich durchaus streiten. Was ist Beratung? Wann und unter welchen Bedingungen ist sie ein professionelles Angebot? Welchen Beitrag leisten einzelne Fachwissenschaften für ein besseres Verständnis von Beratung? Wann ist Beratung eher Coaching? Wie ist sie von Training oder Therapie abzugrenzen? Und welchen Beitrag kann die Psychologie als Wissenschaft leisten, um diese und ähnliche Fragen zu beantworten?

Die Fragen sind so komplex wie ihr Gegenstand – die Beratung – selbst. Diese Buchreihe vermittelt Wissen und Kompetenzen in der professionellen, auf psychologischen Theorien und Konzepten basierenden Beratung. Dabei wird Beratung als ein bevormundungsfreier Prozess verstanden, in dem Probleme der Ratsuchenden in ihrem Verhalten, Handeln und Erleben geklärt werden. Zur Klärung der anstehenden Fragen und zur Reflexion des Beratungsprozesses werden psychologische Theorien herangezogen. Professionelle Beratung findet in einem entsprechend ausgewiesenen und damit geschützten Setting statt. Im Dialog werden Informationen ausgetauscht, Bedingungen und Möglichkeiten reflektiert und Lösungsversuche begleitet. Im Transfer von fachwissenschaftlichen und subjektiven Theorien zeigt sich die professionelle Beratungskompetenz. Dabei kommt der kritischen Reflexion der eigenen Praxis zur Entwicklung der eigenen Kompetenzen wie auch der theoretischen Grundlagen eine besondere Bedeutung zu. Mit Blick auf die sehr unterschiedlichen Praxisfelder psychologischer Beratung sollen der Buchreihe als Ganzes eher allgemeine Theorien der Beratung zugrundeliegend. Allgemeine Theorien verweisen auf übergreifende Wirkfaktoren psychologischer Beratung und erleichtern eine Abgrenzung der Beratung von der Psychotherapie.

Damit werden (1) persönliche Kompetenzen der Beratenden, (2) die Fokussierung auf Ressourcen und (3) die Förderung einer optimalen Entwicklung in der jeweils individuellen Lebenswelt angesprochen. Konkretisiert wird dies in der Orientierung auf persönliche Bedürfnisse und Stärken der Ratsuchenden in ihren Lebenswelten, auf die Kompetenzen der Beratenden und die Stärken der Beratungssettings sowie auf das Anliegen einer nachhaltigen Resilienzförderung über das Beratungssystem.

Je nach Zielgruppe mit ihren unterschiedlichen Lebenswelten und Lebenslagen gewinnen unterschiedliche Beratungskonzepte an Bedeutung. Wenn es also in den verschiedenen Bänden dieser Reihe um unterschiedliche Zielgruppen (Jugendliche, Familien, Paare, Menschen im hohen Alter), unterschiedliche Orte (Schule, Hochschule, Unternehmen), unterschiedliche Anlässe (Migration, Erkrankung) und unterschiedliche Themenfelder (Mobilität und Verkehr, Sport) geht, dann haben wir einen weiten theoretischen Rahmen, der jeweils gegenstandsbezogen konkretisiert wird. Damit Details und Ganzes sich auch über die Buchreihe stimmig zusammenfügen, wird jeder einzelne Band von zwei Herausgebern betreut. So sichern die Mitglieder das Editorial Boards, dass sich in dem von ihnen betreuten Band Theorie und empirische Befunde eine wissenschaftsbasierte Praxis verdeutlichen.

Als »Editor in Chief« möchte ich allen Mitgliedern des Editorial Bords für ihre aktive Mitwirkung danken. Im Namen des ganzen Beirats danke ich den Autorinnen und Autoren für ihre Beiträge zur Buchreihe. Sie ermöglichen einen differenzierten Blick auf Theorie und Praxis, auf Konzepte und Erfahrungen in ganz unterschiedlichen Feldern der Beratung.

Danken möchte ich Frau Annika Grupp, Verlag Kohlhammer, die mit großer Kompetenz und Tatkraft die Arbeit an der Buchreihe begleitet. Mein Dank gilt auch Frau Flurina Hefti, ZHAW Angewandte Psychologie, die als Lektorin und Redakteurin das Projekt unterstützt.

Beratung ist ein buntschillernder Begriff und damit schwer zu fassen. Es ist aber fachlich und ethisch unverzichtbar, professionelle Beratung von unprofessionellen Angeboten und von Alltagsgesprächen abzugrenzen. Dies kann nur gelingen, wenn die Beratungspraxis theoretisch und empirisch begründet ist. Mit diesem Anspruch wird jede Beschreibung von Beratungspraxis anspruchsvoll. Wir sind aber sicher, dass jeder einzelne Band der Reihe Theorie und Praxis zielführend verbindet – ansprechend und gut nachvollziehbar. Damit stehen die Chancen gut, dass jeder Band eine Hilfe ist zur Orientierung in einem für sich anspruchsvollen und herausfordernden Beratungsfeld.

Christoph Steinebach, Zürich im Januar 2020

Einleitung

Und noch ein Buch zu Organisationsberatung?

Das Institut für Angewandte Psychologie (IAP) – als Teil des Departements Angewandte Psychologie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) – hat seinen Ursprung in der Weiterentwicklung der Bürokratie-Theorie von Max Weber (1864 – 1920). Angesichts der Industrialisierung wird damals nach Antworten gesucht, um rasches Wachstum zu ermöglichen und gleichzeitig die Qualität der Arbeit der Menschen hochzuhalten. Die Suche nach der technisch und strukturell perfekten Organisation wird durch die sogenannte Human-Relations-Bewegung und deren neue Perspektive ergänzt: Bedürfnisse der Menschen müssen in der Organisation mitberücksichtigt werden, um gute Resultate zu ermöglichen. Damit werden die Fragen der Integration von Individuum und Organisation aufgenommen. In Zürich wird auf dem Hintergrund dieser Frage 1923 das damalige Psychotechnische Institut gegründet, welches 1935 zum Institut für Angewandte Psychologie unbenannt wurde. Seit 1947 bietet dieses Institut Aus- und Weiterbildungen für Verantwortliche in Organisationen: Für Führungskräfte, Coach*innen und Supervisor*innen.

Seit rund 75 Jahren haben sich in Verbindung von Psychologischen und Organisationstheorien und der Praxis in Organisationen am IAP Erkenntnisse und Erfahrungen in Organisationen reflektiert. Die Verknüpfung ist bis heute nicht nur aufgrund der Geschichte ein geförderter und praktizierter Ansatz der Dozierenden und Beratenden. So tragen die Beratungen in Organisationen zur Aktualisierung von Wissen und Erfahrung der Dozierenden bei. Andererseits wird aus dieser Verbindung auch das Weiterbildungsangebot bereichert und weiterentwickelt. Im Zentrum dieses Buches stehen deshalb Fragestellungen aus der Praxis von Organisationen. Aus der Perspektive erfahrener Beraterinnen und Berater werden Schwerpunkte der Beratung von Einzelpersonen, Teams und Organisationsentwicklung thematisiert. Für professionelle Organisationsberater*innen wird zudem ein theoretischer Rahmen zu systemischen Organisationstheorien und zum Beratungsverständnis zusammengefasst und die Herkunft der Konzepte und Ansätze aktueller, systemisch konstruktivistischer Beratung in Organisationen in einen Kontext gestellt.

Mit diesem Buchbeitrag geht es den Autorinnen und Autoren darum, grundlegende Aspekte der Beratung im Kontext von Organisationen aufzugreifen. Sie wollen damit einen Beitrag zur Orientierung für (angehende) Beratende leisten. Beratende und auch Beratene sollen hier den durch uns geprägten Einblick in ausgewählte Theorien und Verständnisse über Organisation erhalten. Weiter versuchen wir, zentrale Psychologische Schulen und daraus hervorgegangene Ansätze zu Individualberatung, zu Beratungsrollen und zu Prinzipien zugänglich zu machen.

Die Auswahl der thematisierten Grundlagen, Beratungsansätze und Methoden ist durch die Praxis der Autorinnen und Autoren geprägt. Sie sind selbst in der Individual-‍, Team- und Organisationsberatung, in angewandter Forschung und in der Aus- und Weiterbildung von Beraterinnen und Beratern tätig.

Das erste Kapitel thematisiert Grundfragen der Organisation entlang dem geschichtlichen Zeitgeschehen, wobei sich das Hauptaugenmerk auf die in unserer Arbeit genutzten Ansätze richtet. Der Abschnitt zur Systemtheorie leitet über zu ausgewählten Aspekten systemtheoretisch fundierter Beratung wie wir sie reflektieren. In den Kapiteln zwei, drei und vier stellen wir zentrale Fragen aus der Beratung von Einzelpersonen, Teams und schließlich von ganzen Organisationen oder Organisationsbereichen vor. Dabei basiert die Auswahl der Beiträge auf der Praxis der eigenen Beratungen und aus den Erfahrungen aus der Aus- und Weiterbildung in unseren Beratungsqualifizierungsangeboten.

1 Grundverständnisse von Organisation und Beratung

In diesem Kapitel werden Entwicklungsstränge von Organisationstheorien skizziert. Die Theorieansätze veranschaulichen dabei Strömungen, die sich gegenseitig beeinflusst und auch zeitlich überlagert haben. Forschungsfragen dokumentieren Fokusse, die die Entwicklung der Theorien bestimmt haben. Zentrale Elemente der Systemtheorie sind Basis für viele der heute angewandten Organisationsberatungsmodelle und der systemischen Beratung von Einzelpersonen und Gruppen. Systemtheoretische Prämissen bilden den Abschluss des Abschnitts über Theorien und führen zu Implikationen für die Beratungstätigkeit.

Ein Verständnis für Organisationsberatung setzt Kenntnisse über Organisation und Beratung voraus. Es lohnt sich deshalb, die Perspektiven der Organisationstheorie sowie jene der Beratungsansätze zu betrachten. Beratung ist als Aufgabe inzwischen in allen Arten von Organisationen und im Alltag von Individuen präsent. Die dabei zur Anwendung kommenden Beratungsarten und die genutzten Beratungsansätze sind zahlreich. Unterschiedliche Beratungsmodelle und -spezialitäten werden angeboten und zunehmend auch kombiniert. Das bezieht sich im Besonderen auf Trends zu Fragestellungen, die zu neuen, spezifischen Beratungsmodellen führen. Ein aktuelles Beispiel ist die »Agilitätsberatung«. Verschiedene Beratungsarten werden kombiniert, um Modelle für die Bearbeitung der Fragestellungen zu entwickeln. Dabei ist die theoretische Fundierung nicht immer nachvollziehbar, die Definition der verwendeten Begriffe oft kaum ausgeführt. Für professionelle Beratende (und auch für die Organisationen selbst) ist es umso relevanter, Trends und neue Begrifflichkeiten zu fassen und im eigenen Beratungsverständnis verorten zu können.

Organisationstheorien untersuchen Organisation auf unterschiedliche Weise. Sie fokussieren beispielsweise auf strukturelle Bedingungen, auf die Kultur oder auf die Strategie. Damit ermöglichen sie, Organisationen aus einer bestimmten Perspektive zu charakterisieren. Unterscheidungsmöglichkeiten ergeben sich zudem, wenn die Aufgabe der Organisation betrachtet wird, die Art und Weise der Kommunikation oder die Verteilung von Macht in der Organisation. Letztlich sind auch die Größe, bauliche Erscheinung oder finanzielle Ressourcen der Organisation mögliche Differenzierungsmerkmale. Welches auch immer die Merkmale sind, mit denen wir sie verstehen wollen, sie beeinflussen unser Bild, das wir uns von Organisationen machen.

Wie Organisationen betrachtet werden, hat Einfluss darauf, was gesehen und erkannt wird. So macht es Sinn, sich als Beraterin die ganz persönliche »Theorie« über Organisationen bewusst zu machen. Jede Wahrnehmung ist ein Ergebnis selektiver Prozesse, denn wir können nie alles wahrnehmen. Das Bewusstmachen der vorhandenen Sicht auf Organisationen deckt somit auch die Grenzen der eigenen Betrachtungsweise auf. Das ermöglicht es uns, unsere Sicht und Position zu betrachteten Ereignissen zu hinterfragen. Damit ist die Basis für eine professionelle Weiterentwicklung in der Beratung gelegt. Modelle über Organisation sind immer auch Vereinfachungen, die eine Erfassung erleichtern und gleichzeitig blinde Flecke erzeugen. Dies gilt in gleicher Weise auch für das vorliegende Kapitel: Die Auswahl und Ausführung von zitierten Beiträgen sind subjektiv. Es geht uns nicht darum, die Subjektivität auszuschalten. Wir wollen dazu beitragen, eingenommene Perspektiven auf Organisationen und Beratung zu reflektieren und sich das eigens gemachte Bild bewusst zu machen (Kiel, 2020).

Es geht in diesem Kapitel darum, Grundannahmen über Organisationen und Beratung darzustellen, um den bewussteren Umgang mit möglichen Auswirkungen einer eingenommenen Perspektive zu fördern. Dabei werden Grundfragen über »gute Organisation« aus einem von der Theorie geleiteten Standpunkt entlang der Geschichte dargestellt. Anschließend ergänzt die hier gewählte Beratungsperspektive den systemisch-konstruktivistischen Blick auf Organisationen und deren Entwicklung. Letztlich wird eine metatheoretische Perspektive vorgestellt, die ein Beobachtungsmuster für Organisationsdynamiken anstelle von Bewertungen vorschlägt. Sie scheint uns geeignet, da sie als integrativer Ansatz auch die psychischen und die Teamdynamiken (und andere mehr) integriert und sich Schlussfolgerungen für die Beratung ergeben, die der Komplexität der Welt angemessener scheinen als isolierte Modelle.

1.1 Strömungen in den Theorien zu Organisation

Wer Veränderungen und Entwicklungen von Organisationen verstehen und professionell begleiten will, ist aufgefordert, sich mit deren aktueller, entstandener Logik zu befassen. Jede Veränderung oder Entwicklung einer Organisation setzt bei einem Ist an. Zu verstehen, wie sich eine aktuelle Situation aufrecht hält bzw. bis anhin nicht verändert hat, ermöglicht Organisationen bewusster mit den Auswirkungen von angestrebten Änderungen und deren Nebenwirkungen umzugehen. Gleiches gilt für die Entwicklung einer persönlichen Organisationstheorie für Beratende. Wie Organisation definiert wird, hängt vom persönlichen Verständnis, von der eigenen »Theorie« ab. Diese persönliche Theorie in einen Kontext stellen und deren Herleitung im Rahmen von Beratungen erläutern zu können, ist Ausdruck einer vertieften Auseinandersetzung mit dem eigenen Verständnis über Organisation und Organisationsveränderung. Ohne eine solche – durchaus auch theoretische – Erarbeitung können aktuelle Organisationtheorien und Strömungen neuer Organisationsverständnisse nicht im eigenen Konzept verortet und begutachtet werden.

Die Betrachtung der Organisationen hat sich in den letzten rund 100 Jahren verändert. Wie in vielen anderen Disziplinen sind auch in der Organisationstheorie philosophische Strömungen und wirtschaftliche Entwicklungen miteinander verbunden. In den folgenden Unterkapiteln werden zentrale Themen der Organisationsforschung skizziert, die jeweils zu einer Verschiebung im Verständnis von Organisation beigetragen haben. Um die Disziplin der Organisationstheorie zu verstehen, schlagen Schreyögg und Geiger (2016) vor, die geschichtliche Entwicklung zu betrachten. Sie folgen dabei der Gliederung von Scott (1961) in die drei Phasen: klassische, neoklassische und moderne Organisationstheorien. Zeitlich überlagern sich die Theorien. Strömungen aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen wie Philosophie, Entscheidungsforschung und Biologie sind in die Weiterentwicklungen eingeflossen. Bis heute sind wesentliche Überlegungen und Organisationsprämissen in der Gestaltung von Unternehmen und Organisationen sichtbar.

Innerhalb der Disziplin der Organisationstheorie besteht kein Einheitsparadigma über Gegenstand und methodisches Grundverständnis zur Organisationstheorie. Die Forschungsperspektive ist somit maßgebend, sie basiert bereits auf einem »Weltbild« (Schreyögg & Geiger, 2016, S. 437).

Anfang des 20. Jahrhunderts interessieren Fragen, die zur Systematisierung von Organisationen beitragen. Die Industrialisierung, das Aufkommen von Großunternehmen und die Anlehnung an das technisch Machbare prägen die Theorien und Konzepte über Organisationen. Die erste der drei erwähnten Entwicklungslinien, die klassischen Organisationstheorien, stellen die Organisation und das »Organisiert-Sein« in den Mittelpunkt. Die Menschen werden in eine gut vorbereitete, nachvollziehbare und transparente Struktur guten Funktionierens eingegliedert: Einerseits gelingt dies aufgrund der Akzeptanz dieser guten Struktur, da sie Disziplin bei den Angestellten erzeugt. Andererseits wird Macht so eingerichtet, dass auch sie selbst den dafür eingerichteten Regeln folgt.

1.1.1 Klassische Organisationstheorien

Zu den klassischen Organisationstheorien zählen die Bürokratieansätze von Weber und von Fayol und der Arbeitswissenschaftsansatz von Taylor. Folgende zentrale Punkte sind allen drei Ansätzen gemeinsam:

·

Der organisatorischen Regelung als Steuerungselement wird vertraut.

·

Das Verhalten der Menschen ist vor allem regelbestimmt.

·

Leitbild der Gestaltung ist eine reibungslos funktionierende Maschine.

·

Regelabweichungen führen zu Störungen; Kontrollmechanismen helfen, diese möglichst gering zu halten.

·

Die Bedingungen und Anforderungen der Arbeit werden als gleichbleibend angenommen. Sie sind somit planbar und in Regeln darzustellen.

·

Es geht um die innere Gestaltung und Optimierung der Organisation und ihrer Strukturen. Der Bezug nach außen wird nicht besprochen.

·

Die Mitarbeitenden besiegeln mit dem Arbeitsvertrag ihre Zustimmung zu den Vorgaben.

·

Befehl und Gehorsam ist das vorherrschende Beziehungsmuster.

·

Emotionen oder emotional geladene Haltungen sind potenzielle Störfaktoren.

Max Weber (1864 – 1920) immer wieder als »Vater der Organisationstheorie« bezeichnet, hat mit seiner Untersuchung über »bürokratische Herrschaft« Grundlagen erstellt, die bis heute für das Verständnis von Großorganisationen wichtig sind. Die Industrialisierung hat rasch wachsende, große Organisationen hervorgebracht. Die Frage nach der idealen Organisationsform ist auf Effizienz, Transparenz und Spezialisierung der Mitarbeitenden ausgerichtet. Diese stark auf Aufteilung ausgelegte Strukturierung der Aufgaben ermöglicht ein rasches Wachstum durch kurze Einarbeitungszeiten für die eng definierten Funktionen. Die hierarchische Struktur sorgt dafür, dass die Einzelteile richtig erstellt und somit richtig zusammengesetzt werden können. Bereits bei Weber stellen sich damit die praktische und die theoretische Frage, wie stark Aufgaben zergliedert werden sollen und ab welcher Hierarchisierungsstufe die Hierarchie zu viel kostet beziehungsweise diese nicht mehr effizient ist. Diese technisch orientierte Erforschung ist nicht nur im Sinne der Optimierung der betrieblichen Organisation gedacht. Sie soll auch Erklärungen für ein reibungsloses Zusammenwirken der Handlungen Einzelner in kapitalistischen Großorganisationen ermöglichen. Die Idealvorstellung von Herrschaft geht hier nicht einher damit, die Person mit Macht auszustatten. Eine personenunabhängige, ideale, betriebliche Organisation ermöglicht gerade die Legitimation der Vorgesetzten. Die Funktion für die betriebliche Organisation wird mit den Kompetenzen ausgestattet, sie ist nicht aus der Position der Macht der Person entstanden. Generelle Regeln strukturieren die Organisation und die Organisationsmitglieder akzeptieren die festgelegte Ordnung. Über die Regeln werden also die Verhaltenserwartungen gegen innen und außen stabilisiert. So gelingt es gemäß Weber, auch ein Großunternehmen berechenbar und beherrschbar zu machen.

Die Bürokratie hat sich Anfang des 20. Jahrhunderts rasch ausgebreitet. Weber selbst hat auf die negativen Konsequenzen einer zu starken Verbreitung des Ansatzes hingewiesen und davor gewarnt, eine Welt von »Ordnungsmenschen« zu schaffen. Bis heute hat sich die Überzeugung der Spezialisierung (Aufgabenteilung) gehalten und lässt sich aktuell in Verwaltungen und Unternehmen als Grundlage für rasches Wachstum beobachten.

Bürokratie wird heute ja geradezu als Synonym für Ineffizienz verwendet. Die wesentlichen Einwände [...] beziehen sich auf die Dys-Funktionalitäten starrer Regeltreue, die verengte Perspektive organisationaler Beziehungen und die unterlegte stabile Welt gleichförmiger Aufgaben. (Schreyögg & Geiger, 2016, S. 442)

In einer technischen Betrachtung der Organisation als optimale, geregelte Strukturierung von Aufgaben, Abläufen und Macht, wie sie in den klassischen Organisationstheorien vorhanden ist, stellen sich die Fragen der Integration von Organisation und Individuum nicht. Es ist jedoch gar nicht so lange her, dass dem Problem der genannten Integration Beachtung geschenkt wird (Schreyögg & Geiger, 2016, S. 123). Es ist damit auch nicht gesagt, wie der Ansatz einer Integration zu werten ist.

1.1.2 Neoklassische Organisationstheorien

Human-Relations-Bewegung

Die Hawthorne-Experimente von 1924 bis 1932 begründen den Wendepunkt und die Abkehr von der klassischen Sichtweise. Die als Erforschung physikalischer Einflüsse ausgelegte Experimentalstudie führte zur Erkenntnis, dass nicht die Beleuchtungsveränderung für die Produktivitätssteigerung in den Fertigungsstätten verantwortlich war. Experimente zum Einfluss von Lohnanreizen kamen zu ähnlich unerklärlichen Ergebnissen. Als Konsequenz rückten die sozio-emotionalen Faktoren als Bedingungen für die Produktivität in den Fokus. Weitere Kritiker haben Hinweise dafür eingeführt, dass nicht die hierarchische Ordnung pauschal als Basis einer effektiven Integration des Individuums zu sehen ist. Daraus ist die Erforschung der Beziehungsfaktoren »Mensch und Arbeit« hervorgegangen.

Die Human-Relations-Bewegung hat sich auf die Einflüsse, welche die Arbeitsbedingungen auf den Menschen ausüben, konzentriert. Durch diese Forschung werden die Beiträge von Beziehung und Emotionalität nunmehr als entscheidende Produktivitätsfaktoren erkannt. Damit entsteht die neue Forschungsfrage der Integration von Individuum und Organisation. Simon (1945) behandelt die nicht im Voraus planbaren, komplexen Aufgaben. Zudem erachtet er das Erfahrungswissen der Angestellten für das Funktionieren von Organisationen als bedeutend. Kritik an den strukturellen Ansätzen basiert auch auf dem aufkommenden Wettbewerbsvorteil »Innovation«. Innovationen ergeben sich nach Deci und Ryan (1985) nicht aus Regelgehorsam oder Vertragserfüllung. Vielmehr ist dafür ein Eigeninteresse an den Problemstellungen (beziehungsweise intrinsische Motivation) notwendig.

Cherster Barnard (1938, in Roethlisberger & Dickson, 1975) knüpft mit seiner Anreiz-Beitrags-Theorie an die Human-Relations-Bewegung an. Seinen Arbeiten ist jedoch ein neuer Fokus des Interesses eigen. Der Bezug zur Umwelt wird Teil der Organisationsgestaltung. Barnard versteht die Unternehmung als System aus Handlungen, deren Aufgabe es ist, ein per se fragiles Gleichgewicht aufrecht zu erhalten: zwischen formellen und informellen Beziehungen, zwischen Ansprüchen von intern und extern und zwischen Anreizen (der Organisation) und Beiträgen (der Individuen und Gruppen). Mit seiner Beschreibung von Organisationen als kooperative Systeme löst er sich von der bisher gewählten Innenbetrachtung von Organisationen. Durch die Prämisse einer bewussten und absichtlichen Bereitschaft von Menschen und Gruppen zur Kooperation ergibt sich die Frage nach den Erwartungen, die diese erfüllen muss, um Kooperationen einzugehen. Die Idee eines sogenannten Anreiz-Beitrags-Gleichgewichts führt dazu, dass die Ziele der Kooperationspartner im Management bekannt sein müssen. Unter anderem wird der Stolz auf die Arbeit und die Einflussnahme auf die Arbeitsumgebung als wichtig erachtet.

Das Thema der Mitgliedschaften und Grenzen des Systems wird damit komplex. Wie später bei Luhmann sind nicht Personen-Systeme, sondern Handlungen Teil der Organisation.

Die 1950er Jahre können gemäß Vogel (2012) zur Fokusänderung hin zu den Verhältnissen von Individuum und Organisation erklärt werden. Sie sind damit Auslöser für die Beachtung der verhaltenswissenschaftlichen Perspektive in Managementlehre und Organisationstheorie. Die Jahre danach bringen sehr heterogene und einander konkurrenzierende Ansätze hervor.

1.1.3 Moderne Organisationstheorien

Als Weiterentwicklung der Human-Relations-Bewegung bezieht der Human-Ressourcen-Ansatz die formale Organisationsgestaltung als gestaltbaren Rahmen mit ein (Schreyögg & Geiger, 2016, S. 458 ff.). Es gilt, die Strukturen und Prozesse im Sinne der Motivation neu zu gestalten. Motivation und Selbstverwirklichung des Menschen sollen in Einklang mit ökonomischen Zielen gebracht werden. Die Humanistische Psychologie mit der Idee von Menschen, die nach persönlicher Reife streben, prägt ihrerseits die Gestaltung der Strukturen und Führungsprinzipien. Partizipation an Entscheidungsprozessen, Möglichkeiten zur Entfaltung und offene Informationswege, Arbeitsgruppen und weitgehende Selbstkontrolle sind zentrale Aspekte der Organisationsmodelle, die versuchen, individuelle Ziele mit Organisationszielen in Einklang zu bringen.

Gemäß dem Human-Ressourcen-Ansatz treten Probleme dann auf, wenn das Reifungsstreben der Menschen nicht zur Organisationsgestaltung passt. Die Folgen sind dann innerlicher Rückzug (Fehlzeiten, Tagträume), Kündigung, passiver Widerstand (sich dumm stellen, sich gegen Neuerungen wehren), Abwehrbildung (Materialverschleiß), Kampf um höhere Entlohnung. In der Folge werden die negativen Konsequenzen insbesondere durch stärkere Bürokratie und Kontrolle, durch Fragmentierung (und Standardisierung) der Arbeitsprozesse zugespitzt.

Bennis (1969) schließlich beschäftigt sich in der Folge mit dem dazu notwendigen Wandel der bürokratischen Organisationen. Unter dem Namen der »Organisationsentwicklung« werden unterschiedliche Methoden entwickelt, um Strukturen veränderbar zu machen und Angst vor Neuem zu mindern. Zu den Pionieren gehört Likert (1903 – 1981). Er entwickelt das »Survey Feedback«, das dem Wandelprozess – durch regelmäßige Befragung der Mitglieder der Organisation und durch Arbeitsgruppengespräche – die Richtung für den Prozess gibt. Nachfolgende Ansätze kommen zum Beispiel von Kotter (1996). Sie ent-psychologisieren den Wandelprozess zugunsten einer Gesamtbetrachtung der Gestaltung von Orientierungsmustern in der Organisation. Die Bedeutung des Problems von Wandel wird ein zentrales Thema der Gestaltung von Organisationen.

Mit dem Aufkommen der Human-Relations-Bewegung stehen die Mitglieder einer Organisation im Fokus. Ihre Motivation, Kreativität und Kooperationsfähigkeit werden zu Schlüsseln des Erfolgs. Ein komplexeres Menschenbild wird benötigt und die Frage der Integration von Individuum und Organisation wird zentral.

Bedürfnisse und Erwartungen der Menschen an ihre Arbeit münden in das Bedürfnis-Befriedigungs-Konzept. Damit wird es nicht nur notwendig, das Menschenbild zu revidieren, sondern auch das Verhältnis des Menschen zur Arbeit. Arbeit wird nicht mehr als Entgelt für erfahrenes Leid (Verlust an Wohlfahrt, Freizeit, Bedürfnisbefriedigung) verstanden. Arbeitsfreude wird zum zentralen Thema, der Arbeitsort wird als Gegenstand von Bedürfnisbefriedigung verstanden. In der Organisationslehre hat deshalb die Bedürfnispyramide nach Maslow (1954) großen Einfluss auf die Organisations- und Führungsliteratur, auch wenn diese aus einem sachfremden Kontext stammt und es ihr an empirischer Fundierung fehlt.

Douglas McGregor (1960) beobachtet »... dass die Gestaltung organisatorischer Maßnahmen wesentlich dadurch geprägt ist, welches Bild von Mitarbeitenden bei den Führungskräften einer Organisation vorherrschend ist« (ebd., S. 131). Damit führt die Frage weg vom Optimum der Gestaltung der Organisation hin zum Menschenbild der Führungskräfte und dessen Auswirkungen auf die Gestaltung der Organisation.

Nicht das fehlende Interesse, nicht das Streben nach Bequemlichkeit und »Opportunismus« (Drückebergerei und Betrügereien) sind der Grund für eine solche Art der Organisationsgestaltung, sondern umgekehrt, diese Art der Organisationsgestaltung und das dahinter liegende Menschenbild (Theorie X) sind die eigentliche Ursache genau dieser Verhaltensweisen. Passivität und Opportunismus sind also keine (unabhängigen) Konstanten, sondern (abhängige) Variablen, ihre Ausprägung wird wesentlich von dem organisatorischen Umfeld bestimmt, d. h. vor allem auch von der Organisationsgestaltung. (McGregor, 1960, S. 133).

Wird das unbewusste (ungünstige) Menschenbild bewusst gemacht und durch ein angemesseneres Menschenbild (Theorie Y) abgelöst, können die darauf basierenden Gestaltungsmaßnahmen den menschlichen Bedürfnissen besser gerecht werden. Die Auswirkungen zeigen sich dann im Verhalten der Mitarbeitenden: Interesse und Engagement, Verantwortungsübernahme und Freude an Herausforderungen. Unternehmensziele und persönliche Bedürfnisse der Mitarbeitenden werden gleichermaßen berücksichtigt – in diesem Zusammenhang hat sich der Begriff Integrationsprinzip etabliert. Auch wenn keine klaren Organisationsprinzipien von McGregor erstellt werden, nennt er doch Gestaltungskriterien: Selbstkontrolle fördern, Einbindung in Entscheidungsprozesse, Delegation von Verantwortung, Gruppenentscheidungen fördern, Aufgaben definieren und intrinsische Motivation ermöglichen.

Argyris (1964) postuliert ein innerliches Reifungsstreben, das er aus der menschlichen Entwicklung ableitet. Diese daraus entstehende psychologische Energie wird zur Antriebskraft für die Erfüllung von Wünschen, Zielen und Bedürfnissen. Der Reifungsprozess vom Kind zum Erwachsenen konkretisiert sich für Argyris entlang von sieben Dimensionen: Aktivität, Unabhängigkeit, Verhaltensmuster, Interessen, Zeitperspektive, Rang (Stellung) und Selbst-Bewusstsein.

In derselben Zeit ebenfalls hervorgegangenen sind weitere Ansätze, die Teil anderer Wissenschaftszweige sind und auf die hier nicht näher eingegangen wird. Sie zeigen jedoch die fehlende Kontinuität der Entwicklung zu Theorien der Organisation auf. Einige werden hier deshalb kurz erwähnt.

Der strukturalistische Ansatz ist aus den klassischen Organisationstheorien direkt hervorgegangen und erfasst die Organisationsstruktur systematisch empirisch, um Aussagen über ein Optimum machen zu können. Im Unterschied zur klassischen Organisationstheorie werden Messinstrumente für eine Naturwissenschaft nahe Forschung der Strukturdimensionen entwickelt. Die daraus hervorgegangene Kontingenztheorie der Organisation sucht nicht mehr eine universelle, »beste Organisationsstruktur«: »There is no best way of organizing« (Lawrence & Lorsch, 1969, S. 45). Der Kontext von Organisationen wird nun einbezogen. Beziehungen zwischen dem Kontext und der Struktur werden untersucht und unter anderem in Zusammenhang mit dem jeweiligen Erfolg der Organisation analysiert. Die situative Organisationstheorie (Child, 1972) untersucht im Anschluss daran die Organisationsspielräume als Aspekte der Wahlfreiheit in der Organisationsgestaltung. Entscheidungsprozessanalysen zeigen auf, wo Macht in der Struktur möglich ist und wie sie Entscheidungen beeinflusst. Der Frage nach dem Einfluss organisatorischer Aspekte auf die Entscheidungen ist die Entscheidungsforschung nach gegangen (z. B. Ressourcenbegrenzung, Kontrollspanne, parallel existierende Problemlöseprozesse). Fehlende Erkenntnisse zu Ablaufschemas führten zur Annahme, dass in den Strukturen und Prozessen liegende Aspekte die Entscheidungsabläufe überformen. Mathematische Modelle und formallogische Operationen sollen die Suche nach der optimalen Lösung bei der Bildung von Abteilungen, Kompetenzallokation etc. unterstützen: Organisation als System aus vernetzten Entscheidungen. Organisatorische Regeln und Verhaltensnormen rücken dadurch als Steuerungskräfte der Organisation in den Fokus.

Im Rahmen der Theorien zu Entscheidung ist auch Luhmanns Ansatz zu Organisation und Entscheidung (2011) zu beachten. Organisationen sind autopoietische Systeme (sich selbst immer wieder erzeugende Systeme), die sich von anderen autopoietischen Systemen durch Entscheidung unterscheiden. Daraus ergibt sich eine Struktur-›Lösung‹ die rein organisationsspezifisch ist. Organisationsmitglieder entscheiden aus dieser Betrachtung nicht autonom, sie werden in vielfacher Art und Weise von den Strukturen und Dynamiken der Organisation beeinflusst (Luhmann, 2011).

1.2 Einfluss systemtheoretischer Ansätze auf die Organisationstheorie

Simon (1945) identifiziert drei Generationen systemischer Ansätze, die Organisation als Gegenstand aus einer jeweils unterschiedlichen Perspektive beleuchten: technische Systeme, komplexe Systeme und autopoietische Systeme.

1.2.1 Kybernetik, Konstruktivismus und Autopoiese

Ausgang der Betrachtung von technischen Systemen (auch von Organisationen) ist die Frage, wie es Systemen gelingt, sich selbst zu regulieren. Diese Ansätze erwiesen sich als zu statisch. Anfänglich ist das System, seine Subsysteme (Elemente) und die Verknüpfung dieser Gegenstand der Betrachtung. Aus der Kybernetik (Wiener, 1963) wurde die Organisationstheorie insofern bereichert als sie das Verhältnis von System und Umwelt als Problem der Stabilität definierte (viable systems, s. Beer, 1974).

Dem gegenüber steht die Sicht auf Organisationen als komplexe Systeme, deren Verhaltensmöglichkeiten nicht bestimm- oder berechenbar sind. Konkret wird davon ausgegangen, dass sich der innere Zustand des Systems (der Organisation) ändert und damit ein Input nie in seiner Auswirkung bestimmt werden kann. Identische Inputs zu unterschiedlichen Zeitpunkten wirken unterschiedlich (oder auch gar nicht). Der jeweils produzierte Output hängt demzufolge vom vorherigen inneren Zustand, also von der Vergangenheit ab (von Foerster, 1962).

Organisation und Umwelt

Funktionalistische Ansätze begreifen Organisationsstrukturen als Mittel der Lösung ihres Erhaltensproblems. Strukturen helfen, Komplexität in einer Art zu reduzieren, die Handlungsfähigkeit ermöglicht. Nach Luhmann (1973) schaffen es Systeme als Handlungseinheiten auf diese Weise, die Probleme der Komplexität in einem kollektiven arbeitsteiligen Leistungsprozess zu bewältigen. Durch die Veränderungen in der Umwelt gibt es keine einmalige Lösung für Bestandserhalt des Systems. Die Theorie selbstreferenzieller Systeme nimmt die interaktionale Natur der System-Umwelt-Beziehung an. Das System nimmt Beziehungen mit der Umwelt auf und geht damit Abhängigkeiten ein. So betrachtet sind Abhängigkeit und Unabhängigkeit von der Umwelt sich nicht mehr ausschließende Merkmale eines Systems.

Systemgrenze als Konstruktion

In Verbindung mit der Philosophie (von Foerster, 1973) wird in der Systemtheorie nach der Auswirkung der konstruierten Wirklichkeiten auf Systeme gefragt. Es wird davon ausgegangen, dass Wirklichkeiten nicht objektiv sind. Vielmehr sind diese die Repräsentationen dessen, was aus der Umwelt vom Menschen subjektiv ausgewählt und verarbeitet wird. Nun wird der Bezug zur aus der Biologie stammenden Theorie der Autopoiesis (Maturana, 1985; Varela, 1987) gemacht. Systeme erzeugen sich, ihre Teile und Strukturen selbst. Damit sind auch die Möglichkeiten gegeben, mit denen das System Umweltbeziehungen eingehen kann. Luhmann (1984) überträgt das Konzept auf soziale (Gesellschaft, Organisation und soziale Interaktion) und psychische Systeme (Wirkungsgefüge der Gedanken einer Person).

Die Suche nach »optimalen« Strukturen der Organisation orientiert sich (auch heute noch) an deren Anpassungsfähigkeit an ihre relevanten Umwelten und an deren Veränderbarkeit. Henry Mintzberg begründet 1979 die Dezentralisierung und Ent-Hierarchisierung mit dem Umstand, dass auf diese Weise rascher auf lokale Bedingungen reagiert werden kann. Unter anderem versucht der Ansatz der »Agilität« eine Antwort zu geben für einen adäquaten Umgang mit der Unvorhersehbarkeit der Zukunft in einem sich zunehmend rasch ändernden Umfeld. Gemeinsam ist den Ansätzen die Delegation von Entscheidungen an die Kontaktstellen der Organisation mit dem Markt. Die Herausforderungen von Transformationen klassischer Organisationen hin zu agilen Organisationen zeigen sich damals wie heute bereits im Vorhaben selbst: Wie wird die Transformation einer Organisation entschieden, eingeführt und organisiert? – In den zu verabschiedenden Strukturen (meist hierarchisch) oder bereits in neuen, sich entwickelnden Strukturen. Häusling (2018) strukturiert die definitorische Vielfalt des Agilitätsbegriffs in der Literatur für eine orientierte, systematische Diskussion, Beratung und Forschung.

1.2.2 Bedeutung von Organisation

Wir verbinden heute in unserem Alltag den Begriff Organisation mit ganz vielen und unterschiedlich gearteten Verständnissen. So gehört im weiteren Sinn alles dazu, was in irgendeiner Art und Weise organisiert wird oder eine gewisse Struktur hat, die erkennbar wird. Wie tragend Organisationen und die Zugehörigkeit zu Organisationen für unser Leben ist, führt Kühl (2020) für alle Phasen unseres Lebens und unserer Zugehörigkeit zu Gesellschaften sehr anschaulich aus: »Aber dieser Begriff (Organisation) ist für vertiefende Analysen ungeeignet, weil damit letztlich nichts anderes bezeichnet wird als eine Ordnung, die dazu genutzt wird, um etwas zu erreichen.« (Kühl, 2020, S.5). Er schlägt in der Folge vor, im wissenschaftlichen Kontext »Organisation« enger zu fassen und diesen auf die Organisationen in der modernen Gesellschaft zu fokussieren, die Luhmann durch drei zentrale Merkmale skizziert (Luhmann, 1974): Zum einen, dass Organisationen über die Mitgliedschaft von Personen und damit auch über den Ein- und Austritt bestimmen können. Zweitens dienen Organisationen Zwecken beziehungsweise decken Bedürfnisse der Bevölkerung ab und erstellen Dienstleistungen. Drittens sind Organisationen – im Rahmen des geltenden Rechts- und Politsystems – in ihren Entscheidungen autonom (Kühl, 2020, S. 13).

1.2.3 Zentrale Prämissen systemtheoretischer Erklärungsmodelle für Organisation

Nach Luhmann (1987) sind soziale Systeme Prozesse. Systeme grenzen sich mithilfe innerer Strukturen (die diese Prozesse wiederholbar machen) gegenüber der Umwelt ab.

Autopoietische Systeme verhalten sich selbstbezogen, reproduzieren sich also innerhalb ihrer Strukturmöglichkeiten selbst. Interventionen von außen werden nur dann aufgenommen, wenn eine dafür vorgesehene Struktur vorhanden ist. Auch genetische Interventionen sind somit nur dann erfolgreich, wenn es dafür angelegte Strukturen gibt. Ein Huhn kann also nicht durch kontinuierliche Reproduktion zu einem Nilpferd werden. Autopoietische Systeme können somit nicht zielgerichtet verändert werden. Sie können jedoch zerstört werden.

Die Prozesse sind autopoietisch, das heißt, sie stellen ihre Strukturen und damit ihre Grenzen immer aus sich selbst heraus her. Am Beispiel biologischer Systeme lässt sich die Bedeutung dieses Umstands zeigen: Über die Dauer von zirka sieben Jahren ist in einem biologischen System jede Zelle neu und sieht in der Erscheinung dennoch gleich aus.

Aus Systemtheorieperspektive sind es die wiederholten Prozesse des Organisierens (Organisation), welche die Stabilität von »Organisation« herstellen. Dies geschieht durch aufeinanderfolgende Kommunikationsprozesse (Watzlawick, 2011). Organisation braucht demnach Menschen, die für die systemerhaltenden Kommunikations- beziehungsweise Entscheidungsprozesse sorgen.

Organisationen als Prozesse (Weick, 1989)

Organisationen sind keine (toten) Dinge, sie sind Prozesse (des Organisierens). Organisierende Prozesse sind immer Prozesse, die aus einer Unmenge an Möglichkeiten Auswahlen treffen. Und damit auch Nicht-Auswahlen. Etwas zu organisieren, bedeutet nicht, eine simple Selektion zu tätigen. Für das Organisieren sind Entscheidungsprozesse notwendig. Entscheidungen werden benötigt, wenn gleichwertige Alternativen vorliegen. Entscheidungsprämissen helfen, die Komplexität für die Mitglieder zu reduzieren, weil sie bestimmte Dinge als gegeben erachten. Allerdings schaffen sie damit auch innere Komplexität, in Form von Widersprüchlichkeiten und Paradoxien. Um diesen gewachsen zu sein, braucht es »das Dritte«, die Perspektive, aus der etwas beobachtet wird (u. a. Simon, 2018, S. 52). Für die Beeinflussung der Entscheidungsprozesse stellt sich also weniger die Frage nach Verbesserung oder Veränderungen, sondern die Frage: »Durch welche Entscheidungsprämissen werden die Pole (eines Widerspruchs, Gegensatzes) einer Entscheidung aktuell stabilisiert?« oder »Wie gelingt es der Organisation, die aktuelle Lage durch die Wiederholung der Prozesse aufrecht zu erhalten?«.

Organisationen als Viel-Zweck-Instrumente