Berge des Wahnsinns - H. P. Lovecraft - E-Book

Berge des Wahnsinns E-Book

H. P. Lovecraft

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das Meisterwerk des Cthulhu-Mythos. Inhalt: Berge des Wahnsinns – mit 32 Illustrationen von Timo Wuerz Anhang: Will Murray: Das Problem mit den Shoggothen David A. Oakes: Eine Warnung an die Welt: Der Appell in Berge des Wahnsinns Das berühmte Meisterwerk des US-amerikanischen Kultautors, in der Übersetzung von A. F. Fischer. Michael Chabon: 'Berge des Wahnsinns ist eine der großartigsten Novellen der Amerikanischen Literatur. Durch sie habe ich erstmals begriffen, welche Wirkung Literatur haben kann.' Stephen King: 'Der größte Horrorautor des 20. Jahrhunderts ist H. P. Lovecraft – daran gibt es keinen Zweifel.' Michel Houellebecq: 'Wir beginnen gerade erst, Lovecrafts Werk richtig einzuordnen, auf gleicher Ebene oder sogar höher als das von Edgar Allan Poe. Auf jeden Fall als ein absolut einzigartiges.' Clive Barker: 'Lovecrafts Werk bildet die Grundlage des modernen Horrors.' Markus Heitz: 'Die zahlreichen Geschichten rund um den Cthulhu-Mythos beinhalten für mich bis heute enorme Kraft und Wirkung, ebenso Lovecrafts Schauer- und Traumweltgeschichten. Nicht zuletzt war er Inspiration für viele andere Kreative.'

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 238

Veröffentlichungsjahr: 2015

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Aus dem Amerikanischen von A. F. Fischer

Illustriert von Timo Wuertz

Impressum

1. Auflage Oktober 2015

© dieser Ausgabe 2015 by Festa Verlag, Leipzig

Alle Rechte vorbehalten

eISBN 978-3-86552-423-2

www.Festa-Verlag.de

Berge des Wahnsinns

I

Ich muss mein Schweigen brechen, weil Männer der Wissenschaft sich geweigert haben, meinem Rat zu folgen, ohne das Nötige zu wissen. Nur mit größtem Widerwillen lege ich die Gründe dar, aus denen ich mich gegen die geplante Invasion der Antarktis stelle – gegen die damit einhergehende Fossilienjagd und das übermäßige Anbohren und Abschmelzen der uralten Eiskappen. Und ich zögere umso mehr, als meine Warnung auf taube Ohren stoßen könnte.

Unvermeidlich werden Zweifel an den Tatsachen aufkommen, die ich enthüllen werde; doch ließe ich all das aus, was fantastisch und unglaubhaft erscheinen wird, so bliebe nichts mehr übrig. Die bislang zurückgehaltenen Fotografien, gewöhnliche Aufnahmen wie auch Luftbilder, werden zu meinen Gunsten sprechen, denn sie sind erschreckend deutlich und aussagekräftig. Gleichwohl wird man ihre Echtheit anfechten, wenn man bedenkt, was geschickte Fälschung alles zu erreichen vermag. Ganz sicher wird man die Tuschezeichnungen als offensichtlichen Betrug brandmarken, ungeachtet ihrer sonderbaren Technik, die Kunstsachverständigen auffällt und Anlass zum Grübeln geben sollte.

Letzten Endes muss ich mich auf die Urteilskraft und das Renommee der wenigen führenden Köpfe der Wissenschaft verlassen, deren Denken einerseits unabhängig genug ist, um mein Beweismaterial anhand seiner schrecklichen Überzeugungskraft und auch im Lichte gewisser urzeitlicher und überaus erstaunlicher Sagenkreise zu beurteilen; und die andererseits genügend Einfluss besitzen, um die Zunft der Wissenschaftler generell von jedem übereilten und allzu ehrgeizigen Forschungsvorhaben im Reich jener Berge des Wahnsinns abzuhalten. Es ist ein Unglück, dass vergleichsweise unbekannte Männer wie ich selbst und meine Kollegen, die nur mit einer kleinen Universität in Verbindung stehen, wenig Aussicht haben, wirkungsvoll Gehör zu finden, wenn es um Angelegenheiten äußerst bizarrer oder umstrittener Natur geht.

Zu unseren Ungunsten spricht zudem, dass wir genau genommen keine Spezialisten auf jenen Fachgebieten sind, um die es letztendlich geht. Meine Aufgabe als Geologe und Leiter der Expedition der Miskatonic University bestand ausschließlich in der Gewinnung tiefer Gesteins- und Bodenproben aus verschiedenen Teilen des antarktischen Kontinents, unterstützt durch den bemerkenswerten Bohrer, den Professor Frank H. Pabodie aus unserem Fachbereich für Ingenieurwesen entwickelt hatte. Ich hegte keineswegs den Wunsch, Pionierarbeit auf anderem Gebiet als diesem zu leisten. Allerdings hoffte ich, dass der Einsatz dieses neuartigen technischen Gerätes an verschiedenen Punkten entlang bereits zuvor erforschter Routen Material zutage fördern würde, das mit herkömmlichen Methoden bisher unerreichbar blieb.

Pabodies Bohrgerät war, wie die Öffentlichkeit bereits aus unseren Berichten weiß, einzigartig und revolutionär, da es leicht und tragbar war und das gewöhnliche artesische Bohrverfahren dergestalt mit dem Prinzip des kleineren runden Gesteinsbohrers verband, dass man sich in kurzer Zeit durch Schichten wechselnder Härte vorarbeiten konnte. Der stählerne Bohrkopf, das Gelenkbohrgestänge, der Benzinmotor, der zerlegbare hölzerne Bohrturm, die Sprengausrüstung, die Seile, der Schneckenbohrer zum Auswurf des Bohrschutts sowie die Rohrteilstücke für Bohrlöcher von zwölf Zentimetern Durchmesser und bis zu dreihundert Metern Tiefe bedeuteten mit allem notwendigen Zubehör keine größere Last, als drei mit jeweils sieben Hunden bespannte Schlitten befördern konnten. Erreicht wurde dies durch die ausgeklügelte Aluminiumlegierung, aus der die meisten der Metallteile gefertigt waren. Vier große Dornier-Flugzeuge, konstruiert eigens für die enormen Flughöhen, die im antarktischen Hochland notwendig sind, und ausgestattet mit zusätzlichen, von Pabodie ersonnenen Treibstoffwärme- und Schnellstart-Vorrichtungen, konnten unsere gesamte Expedition von einem Basislager am Rande der großen Packeisgrenze zu verschiedenen geeigneten Punkten im Binnenland befördern, und von dort aus würde uns ein ausreichendes Kontingent an Schlittenhunden weiterbringen.

Wir beabsichtigten, ein so großes Terrain zu erschließen, wie es uns ein ganzer antarktischer Sommer gestatten würde – oder, falls unbedingt nötig, auch ein längerer Zeitraum. Hauptsächlich wollten wir in den Gebirgszügen und im Tafelland südlich des Ross-Meeres arbeiten; Regionen, die in unterschiedlichem Ausmaß von Shackleton, Amundsen, Scott und Byrd erforscht worden waren. Mittels häufiger Stützpunktwechsel mithilfe der Flugzeuge und über genügend große Entfernungen hinweg, um geologisch von Belang zu sein, erwarteten wir, dem Boden eine nie dagewesene Menge an Material abzugewinnen – vor allem den präkambrischen Formationen, die bis dahin nur eine karge Auswahl antarktischer Proben hergegeben hatten. Ebenso wollten wir eine größtmögliche Vielfalt an Proben aus den oberen fossilienhaltigen Gesteinslagen holen, da die Urgeschichte des Lebens in diesem unwirtlichen Reich des Eises und des Todes von höchster Bedeutung für die Kenntnis der Erdvergangenheit ist. Dass der antarktische Kontinent einstmals eine gemäßigte und sogar tropische Klimazone war, mit einer reichen Pflanzen- und Tierwelt, von der nur die Flechten, Meerestiere, Arachniden und Pinguine des Nordrandes überdauert haben, ist allgemein bekannt. Wir hatten die Hoffnung, dieses Wissen erweitern, spezifizieren und vertiefen zu können. Sollte eine einfache Bohrung Hinweise auf Fossilien ergeben, wollten wir das Loch durch Sprengung vergrößern, um Proben von geeigneter Größe und Beschaffenheit zu erhalten.

Unsere Bohrungen, deren Tiefe jeweils davon abhing, welche Hinweise die oberen Gesteins- oder Bodenschichten hergaben, sollten sich auf freie oder annähernd freiliegende Stellen beschränken – wobei es sich unweigerlich um Gebirgshänge und -kämme handeln musste, da die tieferen Landebenen unter einer bis zu eineinhalb Kilometer dicken, massiven Eisdecke liegen. Wir hatten zu wenig Zeit, um uns durch starke Schichten bloßen Eises hindurchzubohren, obwohl Pabodie eine Methode ersonnen hatte, die vorsah, Kupferelektroden in eine Vielzahl dicht nebeneinandergesetzter Bohrlöcher zu versenken und begrenzte Eismengen mittels elektrischen Stroms aus einem benzinbetriebenen Dynamo wegzuschmelzen. Ebendiese Methode – die wir auf einer Expedition wie der unseren nur versuchsweise anwenden konnten – gedenkt die geplante Starkweather-Moore-Expedition einzusetzen, ungeachtet der Warnungen, die ich seit unserer Rückkehr aus der Antarktis erhoben habe.

Die Öffentlichkeit kennt die Einzelheiten der Miskatonic-Expedition durch unsere regelmäßigen Funkberichte an den Arkham Advertiser und an Associated Press sowie durch später erschienene Zeitungsbeiträge von Pabodie und mir. Unsere Mannschaft zählte vier Angestellte der Universität – Pabodie, Lake vom Fachbereich Biologie, den Physiker Atwood, der zugleich Meteorologe war, und mich, den Vertreter der Geologie und offiziellen Expeditionsleiter – außerdem sechzehn Hilfskräfte: sieben graduierte Studenten der Miskatonic University sowie neun qualifizierte Mechaniker. Von diesen sechzehn waren zwölf ausgebildete Piloten, die bis auf zwei von ihnen zudem hervorragende Funker waren. Acht von ihnen beherrschten die Navigation mittels Kompass und Sextant, was auch für Pabodie, Atwood und mich galt. Darüber hinaus waren selbstverständlich unsere beiden Schiffe – ehemalige Walfänger, deren Holzrümpfe für Fahrten ins Eismeer verstärkt und die zusätzlich mit dampfgetriebenen Hilfsmotoren ausgestattet worden waren – vollzählig bemannt.

Die Nathaniel-Derby-Pickman-Stiftung, unterstützt durch einige wenige Sonderzuwendungen, finanzierte die Expedition; daher waren unsere Vorbereitungen überaus gründlich, wenn sie auch wenig öffentliches Interesse erhielten. Die Hunde, die Schlitten, die Maschinen, das Lagerzubehör und unsere in Einzelteile zerlegten fünf Flugzeuge wurden in Boston übergeben, und dort belud man auch unsere Schiffe. Wir waren glänzend ausgerüstet für unser besonderes Vorhaben, und in allen Belangen des Nachschubs, Proviants, Transports und Lagerbaus profitierten wir von den hervorragenden Erfahrungen zahlreicher und überaus brillanter Vorgänger aus jüngster Zeit. Gerade die ungewöhnlich große Zahl und Berühmtheit dieser Vorgänger bewirkten, dass unsere eigene Expedition – groß angelegt, wie sie war – in der weiten Welt so wenig Beachtung fand.

Wie die Zeitungen berichteten, stachen wir am 2. September 1930 vom Bostoner Hafen aus in See, segelten gemächlich die Küste hinab und durch den Panamakanal, legten in Samoa und Hobart, Tasmanien, an, wo wir letzte Vorräte aufnahmen. Kein Mitglied unserer Expedition war je zuvor in polaren Gefilden gewesen, daher verließen wir uns ganz auf unsere Schiffsführer – J. B. Douglas, der die Brigg Arkham befehligte und das Oberkommando über unsere Zweier-Flotte besaß, sowie Georg Thorfinnssen, den Kapitän der Bark Miskatonic –, beides altgediente Waljäger in antarktischen Gewässern.

Je weiter wir den bewohnten Teil der Welt hinter uns ließen, desto tiefer sank im Norden die Sonne und desto länger stand sie mit jedem Tag über dem Horizont. Auf etwa 62° südlicher Breite sichteten wir unsere ersten Eisberge – tafelförmige Objekte mit lotrechten Seitenflächen –, und kurz bevor wir den Polarkreis erreichten, den wir am 20. Oktober unter Begehung der entsprechenden wunderlichen Seemannsbräuche überquerten, plagten wir uns beträchtlich mit einem Eisfeld. Die sinkenden Temperaturen machten mir nach unserer langen Reise durch die Tropen sehr zu schaffen, doch angesichts der weit schlimmeren Unbilden, die uns noch bevorstanden, versuchte ich mich dagegen abzuhärten. Häufig wurde ich von den seltsamen atmosphärischen Erscheinungen in Bann gezogen; unter anderem einer verblüffend lebensechten Luftspiegelung – der ersten, die ich je erblickte –, wobei ferne Bergformationen sich in die Zinnen unvorstellbarer kosmischer Schlösser verwandelten.

Wir bahnten uns den Weg durch das Eis, das zum Glück weder weitflächig noch dicht gepackt war, bis wir bei 67° südlicher Breite, 175° östlicher Länge wieder offene Gewässer erreichten. Am Morgen des 26. Oktober schimmerte im Süden ein starker Landblink auf, und noch vor der Mittagsstunde erfasste uns alle eine prickelnde Erregung, als wir eine gewaltige, hoch aufragende und schneegekrönte Bergkette sahen, die sich vor uns ausbreitete und bald über unser gesamtes Blickfeld erstreckte. Endlich waren wir einem Außenposten des großen unbekannten Kontinents und seiner geheimnisvollen Welt eisigen Todes begegnet. Offenbar handelte es sich bei diesen Gipfeln um die von Ross entdeckten Admirality-Berge, und unsere Aufgabe bestand nun darin, Kap Adare zu umrunden und entlang der Ostküste von Victoria-Land bis zur Position unseres geplanten Stützpunkts zu segeln, der auf 77° 9‘ südlicher Breite am Ufer des McMurdo-Sunds, zu Füßen des Vulkanes Erebus, errichtet werden sollte.

Der letzte Teil der Reise war eindrucksvoll und beflügelte die Fantasie. Mächtige kahle Gipfel türmten sich geheimnisvoll drohend ohne Unterbrechung im Westen auf, während die tief stehende nördliche Mittagssonne oder die noch niedrigere, den Horizont streifende südliche Mitternachtssonne ihre diesigen roten Strahlen über die weißen Schneefelder ergoss, über bläuliche Eisflächen und Wasserrinnen und über die schwarzen Flecken nackter Granithänge. Um die öden Bergkämme fegten in Abständen wütende Stöße des furchtbaren antarktischen Windes, in dessen Heulen ich zuweilen vage Andeutungen eines wilden, halb wahrnehmbaren melodischen Pfeifens mit einem großen Tonumfang heraushörte, das mir aus irgendeiner unterbewussten Erinnerung heraus beunruhigend und irgendwie sogar furchterregend vorkam. Etwas an dieser Szenerie gemahnte mich an die seltsamen und verstörenden asiatischen Gemälde von Nicholas Roerich und an die noch seltsameren und noch verstörenderen Beschreibungen der von bösen Sagen umrankten Hochebene von Leng, die in dem gefürchteten Necronomicon des wahnsinnigen Arabers Abdul Alhazred enthalten sind. Ich sollte es noch bereuen, jemals einen Blick in dieses monströse Buch aus der Universitätsbibliothek geworfen zu haben.

Am 7. November, der westliche Gebirgszug war zeitweise außer Sicht geraten, passierten wir die Franklin-Insel, und am folgenden Tag erblickten wir vor uns auf der Ross-Insel die Kegel des Mount Erebus und des Mount Terror, und dahinter die lang gezogenen Kämme der Parry-Berge. Gen Osten erstreckte sich jetzt die niedrige, weiße Linie der großen Eisbarriere, die senkrecht bis zu einer Höhe von sechzig Metern emporstrebte, gleich den Felsklippen von Quebec, und das Ende der Seefahrt in südlicher Richtung markierte. Nachmittags liefen wir in den McMurdo-Sund ein und ankerten vor der Küste leeseits des rauchenden Mount Erebus. Der von Schlacke bedeckte Gipfel ragte gut dreitausendfünfhundert Meter vor dem östlichen Firmament auf wie ein japanischer Holzschnitt des heiligen Fudschijama, während dahinter die weiße, geisterhafte Erhebung des Mount Terror emporwuchs, fast dreitausend Meter hoch und heute als Vulkan erloschen.

In Abständen stieß Erebus Rauchschwaden aus, und einer der Studenten – ein brillanter junger Bursche namens Danforth – wies auf lavaartige Krusten an dem schneebedeckten Abhang hin und bemerkte, dass dieser Berg, der 1840 entdeckt worden war, zweifellos Edgar Allan Poes dichterische Einbildung inspiriert habe, als jener sieben Jahre später schrieb:

… die Laven, die ruhelos fließen

Den Yaneek hinab in schwefligen Strömen

Und die in die Eiswelt des Pols sich ergießen –

Die ächzen, während sie dem Berg Yaneek entströmen,

Um sich am nördlichen Pol zu ergießen.

Danforth war ein großer Liebhaber bizarrer Literatur und sprach viel über Poe. Ich interessierte mich selbst dafür, weil Poes einzige lange Erzählung – der verstörende und rätselhafte Arthur Gordon Pym – teilweise in der Antarktis spielt.

Auf der öden Küste und der hochragenden Eisbarriere im Hintergrund kreischten Myriaden grotesker Pinguine und schlugen mit ihren Stummelflügeln, während sich im Wasser fette Seehunde tummelten, die umherschwammen oder über große Schollen langsam treibenden Eises robbten.

Mithilfe kleiner Boote gelang es uns kurz nach Mitternacht am Morgen des 9. November unter schwierigen Bedingungen, auf der Ross-Insel an Land zu gehen. Dabei spannten wir von jedem der beiden Schiffe ein Tau und trafen Vorbereitungen, um mittels einer Behelfskonstruktion aus Hosenbojen Vorräte und Ausrüstungen überzusetzen.

Unsere ersten Schritte auf antarktischem Boden wurden von erregenden und vielfältigen Empfindungen begleitet, obwohl uns an genau dieser Stelle bereits die Expeditionen von Scott und Shackleton vorausgegangen waren. Unser Lager auf der Eisküste unter dem Vulkanhang sollte nur vorläufig sein, das Hauptquartier sollte an Bord der Arkham bleiben. Wir brachten alle unsere Bohrgeräte an Land, ebenso die Hunde, Schlitten, Zelte, Proviantkisten und Treibstoffvorräte, die Anlage für die Schmelzversuche, die Kameras für normale Aufnahmen und für Luftbilder, die Flugzeugteile und anderes Ausrüstungsmaterial, einschließlich dreier kleiner, tragbarer Funkgeräte – zusätzlich zu jenen in den Flugzeugen –, die in der Lage waren, die Verbindung zur Funkzentrale auf der Arkham von jedem Teil des antarktischen Kontinents zu halten, den wir erreichen würden. Die große Funkanlage des Schiffes, die unseren Kontakt zur Außenwelt gewährleistete, sollte Pressemitteilungen an die leistungsstarke Sende- und Empfangsstation des Arkham Advertiser auf Kingsport Head in Massachusetts durchgeben. Wir hofften, unsere Arbeit in einem einzigen antarktischen Sommer abschließen zu können; doch falls sich dies nicht bewerkstelligen ließ, würden wir auf der Arkham überwintern und noch vor dem Zufrieren des Seewegs die Miskatonic nach Norden senden, um Vorräte für einen weiteren Sommer zu beschaffen.

Ich brauche nicht zu wiederholen, was über unsere ersten Arbeitsschritte bereits in den Zeitungen stand: unsere Besteigung des Mount Erebus; unsere erfolgreichen Mineralbohrungen an verschiedenen Punkten der Ross-Insel und die einzigartige Schnelligkeit, mit der Pabodies Erfindung dabei selbst massive Felsschichten überwand; die Erprobung der kleinen Schmelzausrüstung; unsere gefahrvolle Ersteigung der großen Eisbarriere mitsamt Schlitten und Vorräten – und schließlich die Montage fünf großer Flugzeuge im Lager auf der Barriere. Der Gesundheitszustand unserer an Land operierenden Gruppe – zwanzig Mann und fünfundfünfzig Alaska-Schlittenhunde – war gut, allerdings hatten wir bis dahin natürlich auch noch keine wirklich vernichtenden Temperaturen oder Sturmwinde erlebt. Die meiste Zeit zeigte das Thermometer Temperaturen zwischen –18° und –5° an, und solche Kältegrade waren wir von den Wintern in Neuengland gewöhnt. Das Lager auf der Barriere war auf mittlere Dauer angelegt und sollte als Nachschubdepot für Treibstoff, Proviant, Dynamit und anderen Bedarf dienen.

Vier unserer Flugzeuge genügten, um die eigentliche Forschungsausrüstung zu befördern, sodass wir die fünfte Maschine mit einem Piloten und zwei Mann aus der Schiffsbesatzung beim Depot zurückließen, damit man uns von der Arkham aus erreichen konnte, falls unsere Erkundungsflugzeuge alle verloren gingen. Später, wenn nicht mehr jede dieser Maschinen für den Transport unserer Gerätschaften benötigt wurde, wollten wir eine oder zwei davon für ständige Pendelflüge zwischen diesem Depot und einem dauerhaften Basislager auf dem neun- bis zwölfhundert Kilometer weiter südlich gelegenen großen Tafelland jenseits des Beardmore-Gletschers abstellen. Trotz der fast einmütigen Berichte über schreckliche Winde und Stürme, die von dem Plateau herabwehten, entschlossen wir uns, zugunsten von Wirtschaftlichkeit und Effizienz das Risiko einzugehen und keine Zwischendepots anzulegen.

Unsere Funkberichte zeugten von dem atemberaubenden, vierstündigen Nonstop-Flug unserer Staffel über hohes Schelfeis am 21. November. Im Westen ragten gewaltige Gipfel auf und die unermessliche Stille hallte vom Brummen unserer Motoren wider. Der Wind machte uns kaum zu schaffen, und die Funkkompasse brachten uns sicher durch das einzige dichte Nebelfeld, das wir durchflogen. Als sich zwischen dem 83. und 84. Breitengrad vor uns eine riesige Erhebung drohend auftürmte, wussten wir, dass wir den Beardmore-Gletscher erreicht hatten, den größten Talgletscher der Welt, und dass das eisbedeckte Meer nun einer unregelmäßigen, gebirgigen Küstenlinie wich. Schließlich drangen wir vollends in die weiße, seit Ewigkeiten tote Welt des äußersten Südens ein. Gerade als wir uns dessen bewusst wurden, sahen wir weitab im Osten den Gipfel des Mount Nansen zu seiner Höhe von fast fünftausend Metern aufragen.

Die erfolgreiche Errichtung des südlichen Stützpunktes oberhalb des Gletschers auf 86° 7‘ südlicher Breite und 174° 23‘ östlicher Länge sowie die ungeheuer schnellen und ergiebigen Bohrungen und Sprengungen an verschiedenen Punkten, zu denen uns unsere Schlittenfahrten und kurzen Erkundungsflüge führten, gehören bereits der Geschichte an; ebenso die schwierige und triumphale Besteigung des Mount Nansen durch Pabodie und zwei der Studenten – Gedney und Carroll – vom 13. bis 15. Dezember. Wir befanden uns knapp dreitausend Meter über dem Meeresspiegel, und als Probebohrungen an bestimmten Punkten nur vier Meter unter der Schnee- und Eisoberfläche auf festen Untergrund stießen, machten wir ausgiebigen Gebrauch von der kleinen Schmelzvorrichtung und brachten Bohrer und Dynamit an zahlreichen Stellen zum Einsatz, wo kein früherer Forscher es auch nur erträumt hätte, Mineralproben zu gewinnen. Die präkambrischen Granite und Beacon-Sandsteine, die wir auf diese Weise fanden, bestärkten uns im Glauben, dass dieses Tafelland homogen war mit der westwärts sich ausdehnenden Hauptmasse des Kontinents, sich jedoch von dessen östlichen Teilen unterhalb Südamerikas leicht unterschied – welche wir zu jenem Zeitpunkt für einen eigenständigen, kleineren Kontinent hielten, getrennt vom größeren durch eine Eisbrücke zwischen dem Ross-Meer und dem Weddell-Meer, eine Hypothese, die Byrd inzwischen allerdings widerlegt hat.

In manchen der Sandsteine, die wir durch Bohrungen sondiert und anschließend hervorgesprengt und ausgemeißelt hatten, entdeckten wir einige hochinteressante Spuren und Überreste von Fossilien; vornehmlich Farne, Algen, Trilobiten, Seelilien und molluske Formen wie zum Beispiel Lingulata und Gastropoda – denen im Zusammenhang mit der Urgeschichte dieses Gebiets allesamt beträchtliche Bedeutung zukam. Außerdem fanden wir einen sonderbaren dreieckigen, gekritzten Abdruck, dessen Durchmesser an der breitesten Stelle etwa dreißig Zentimeter betrug und den Lake aus drei verschiedenen, einem tiefen Sprengloch entnommenen Schieferbruchstücken zusammensetzte. Diese Bruchstücke stammten von einer Fundstelle, die westlich, in der Nähe des Queen-Alexandra-Gebirges, lag. Aus biologischer Sicht schien Lake ihre sonderbare Struktur außerordentlich rätselhaft und spannend zu finden, obwohl sie sich für meinen Geologenblick nicht wesentlich von den Riffelungen unterschied, die in Sedimentgesteinen recht häufig vorkommen. Da Schiefer nichts anderes ist als eine metamorphe Formation, die aus der Zusammenpressung einer Sedimentschicht hervorgeht, und da der dabei entstehende Druck seltsame Verzerrungen bei sämtlichen darin eingelagerten Strukturen hervorruft, war ich nicht besonders verwundert angesichts dieses Abdrucks.

Am 6. Januar 1931 überflogen Pabodie, Daniels, alle sechs Studenten, vier Mechaniker und ich selbst in zwei unserer großen Flugzeuge den Südpol, wobei uns ein plötzlicher Höhenwind, der sich glücklicherweise nicht zu einem richtigen Sturm auswuchs, zum Niedergehen zwang. Es war, wie die Zeitungen es nannten, einer von mehreren Erkundungsflügen, die dem Versuch dienten, neue Landschaftsmerkmale in Gebieten auszukundschaften, wohin frühere Entdecker nicht vorgedrungen waren. Unsere anfänglichen Flüge verliefen in dieser Hinsicht enttäuschend, wenngleich sie uns mit einigen großartigen Eindrücken von den überaus fantastischen und trügerischen Luftspiegelungen der Polargebiete belohnten, auf die wir während unserer Seereise bereits einen kleinen Vorgeschmack erhalten hatten. Weit entfernte Berge schwebten am Himmel wie verzauberte Städte und oft verschwamm die ganze weiße Welt unter dem magischen Schein der tief stehenden Mitternachtssonne zu einem goldenen, silbernen und scharlachroten Land dunsanianischer Träume und abenteuerlicher Verheißung. An bewölkten Tagen wurde das Fliegen ausgesprochen schwierig, weil dann allzu leicht der schneebedeckte Boden und der verschneite Himmel zu einer einzigen mystisch gleißenden Leere verschmolzen, in der keine sichtbare Horizontlinie beides voneinander trennte.

Endlich beschlossen wir, unseren ursprünglichen Plan durchzuführen und mit unseren vier Erkundungsmaschinen achthundert Kilometer weit nach Osten zu fliegen und ein neues Nebenlager an einer Stelle zu errichten, die auf dem kleineren Teilkontinent lag – davon gingen wir damals irrtümlich noch aus. Dort gewonnene geologische Proben würden zu Vergleichszwecken nützlich sein. Unser guter Gesundheitszustand hielt an – Limonensaft glich unsere einseitige Ernährung mit Konservenkost und Pökelfleisch hinreichend aus und dank Temperaturen, die –10° selten unterschritten, konnten wir meistens auf die dicksten Pelze verzichten. Jetzt herrschte Hochsommer, und wenn wir zügig und umsichtig vorgingen, mochte es uns gelingen, die Arbeiten bis zum März abzuschließen und um eine ermüdende Überwinterung während der langen antarktischen Nacht herumzukommen. Mehrfach brachen von Westen her wütende Sturmwinde über uns herein, doch überstanden wir sie unbeschadet, dank Atwoods Geschick, aus schweren Schneeblöcken behelfsmäßige Flugzeugunterstände und Windbrecher zu errichten und die wichtigsten Lagergebäude mit Schnee zu verstärken. Dass wir bisher so viel Glück und Erfolg gehabt hatten, war fast schon unheimlich.

Die Außenwelt war natürlich über unsere Forschungen unterrichtet und erfuhr auch von Lakes befremdlichem und hartnäckigem Beharren auf einer Exkursion in westlicher – oder eher nordwestlicher – Richtung, ehe wir endgültig in das neue Basislager umziehen würden. Anscheinend hatte er lange, und mit halsstarriger Kühnheit, über jenen dreieckigen, gekritzten Abdruck im Schiefer nachgegrübelt und dabei in Bezug auf dessen Beschaffenheit und erdgeschichtlichen Zeitraum gewisse Unstimmigkeiten hineingelesen, die seine Neugier aufs Höchste anstachelten und den Wunsch in ihm weckten, weitere Bohrungen und Sprengungen im Gebiet jener westwärts verlaufenden Formation vorzunehmen, zu der die zutage geförderten Bruchstücke offensichtlich gehörten. Er war der merkwürdig festen Überzeugung, dass der Abdruck von irgendeinem massigen, unbekannten und absolut unklassifizierbaren Organismus mit einem erstaunlich hohen Evolutionsgrad stammte, obzwar das Gestein, das ihn beherbergt hatte, einem so unendlich alten Erdzeitalter angehörte – dem Kambrium, wenn nicht sogar Präkambrium –, dass nicht nur das Vorhandensein hoch entwickelten, sondern überhaupt allen Lebens oberhalb des Stadiums der Einzeller oder bestenfalls der Trilobiten mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen war. Diese Bruchstücke samt ihrem rätselhaften Abdruck mussten zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Jahre alt sein.

II

Die Öffentlichkeit reagierte mit Interesse und Fantasie auf unsere Funkberichte über Lakes Abflug nach Nordwesten in Gefilde, die bisher nie eines Menschen Fuß berührt oder menschliche Vorstellung ermessen hatte. Seine abenteuerlichen Hoffnungen auf eine Umschreibung der gesamten biologischen und geologischen Wissenschaften ließen wir dabei unerwähnt. Seine vorausgegangene Schlittenexpedition zu Testbohrzwecken, die er mit Pabodie und fünf anderen vom 11. bis zum 18. Januar unternahm, hatte mehr und mehr des urzeitlichen Schiefers zutage gefördert – leider wurde die Reise vom Verlust zweier Schlittenhunde überschattet, die bei der Überquerung einer der großen Druckwulste im Eis ums Leben kamen – und die einzigartige Fülle offenkundig fossiler Spuren in dieser unvorstellbar alten geologischen Schicht weckte sogar mein Interesse. Dennoch, diese Abdrücke stammten von sehr primitiven Lebensformen und hatten wenig Rätselhaftes an sich, bis auf die Tatsache, dass überhaupt Spuren von Leben in Gesteinsschichten vorkamen, die derart ins Präkambrium zu verweisen schienen. Ich vermochte daher noch immer keinen vernünftigen Sinn in Lakes Forderung nach einer Unterbrechung unseres auf Zeitersparnis ausgerichteten Programms zu erkennen – einer Unterbrechung, die den Einsatz sämtlicher vier Flugzeuge, vieler Männer und der gesamten technischen Ausrüstung der Expedition erforderte.

Letztendlich unterband ich das Vorhaben nicht, entschied mich jedoch selbst gegen die Teilnahme an dem nordwestlichen Vorstoß, so ungern Lake auch auf mein geologisches Fachwissen verzichtete. Während er unterwegs war, wollte ich mit Pabodie und fünf Männern im Lager bleiben und abschließende Vorkehrungen für dessen Verlegung nach Osten treffen. Zur Vorbereitung dieser Verlegung war eines der Flugzeuge im Einsatz gewesen, um vom McMurdo-Sund einen reichlichen Treibstoffvorrat heranzuschaffen; doch dies konnte vorübergehend unterbrochen werden. Ich behielt einen Schlitten und neun Hunde für uns zurück, da es unklug gewesen wäre, in einer völlig unbewohnten Welt äonenalten Todes auch nur zeitweilig ohne Beförderungsmöglichkeit zu bleiben.

Lakes Sonderexpedition ins Unbekannte gab, wie man sich erinnern wird, mithilfe der Kurzwellensender an Bord der Flugzeuge ihre eigenen Berichte durch; diese wurden von unserem Funkgerät im Südlager und gleichzeitig von der Arkham am McMurdo-Sund aufgefangen, die sie anschließend an die Außenwelt weitergab. Lakes Mannschaft flog am 22. Januar um vier Uhr morgens los, und nur zwei Stunden später erreichte uns der erste Funkbericht, in dem Lake mitteilte, an einer knapp fünfhundert Kilometer von uns entfernten Stelle zwischengelandet zu sein und damit begonnen zu haben, in bescheidenem Umfang Eis abzuschmelzen und Bohrungen vorzunehmen. Sechs Stunden später meldete eine zweite und überaus erregte Funkbotschaft, man habe in emsiger, fieberhafter Arbeit einen Schacht von geringer Tiefe gebohrt und ausgesprengt und sei als Krönung des Ganzen auf Schieferbruchstücke gestoßen, die fast ebensolche rätselhaften Abdrücke aufwiesen wie jener erste Fund.

Drei Stunden später meldete ein kurzer Funkspruch, dass die Flugzeuge inmitten eines heftigen, beißenden Sturmes erneut starten würden. Als ich mit einem Protest gegen weitere Waghalsigkeiten antwortete, erwiderte Lake knapp, dass seine neuen Proben jedes Risiko rechtfertigten. Mir wurde klar, dass seine Erregung ihn bis zur Meuterei treiben würde und dass ich nichts unternehmen konnte, um diese leichtsinnige Gefährdung unserer Expedition zu verhindern. Zugleich war es erschreckend, sich vorzustellen, wie Lake tiefer und tiefer in jene trügerische und unheilvolle weiße Unendlichkeit der Stürme und unergründeten Geheimnisse vordrang, die sich beinahe zweitausendfünfhundert Kilometer weit bis zum halb bekannten, halb vermuteten Küstenstreifen von Queen-Mary- und Knox-Land erstreckte.

Dann, nach vielleicht weiteren eineinhalb Stunden, erreichte uns jene doppelt aufgeregte Meldung aus Lakes in der Luft befindlicher Maschine, die meine Vorbehalte fast ins Gegenteil verkehrte und mich wünschen ließ, ich hätte mich ihm angeschlossen:

»22:05 Uhr. Unterwegs. Schneesturm überstanden, voraus Gebirgskette gesichtet, höher als alle bisher entdeckten. Vielleicht so hoch wie der Himalaja, die Plateauhöhe einberechnet. Vermutlich auf Breite 76° 15‘, Länge 113° 10‘ Ost. Reicht zu beiden Seiten, so weit man blicken kann. Glauben zwei rauchende Bergkegel zu erkennen. Alle Gipfel schwarz und schneefrei. Von dorther wehender Sturm behindert Navigation.«

Ab jetzt hockten Pabodie, die Männer und ich mit angehaltenem Atem neben dem Funkempfänger. Der Gedanke an diesen titanischen, über tausend Kilometer entfernten Gebirgswall erregte unsere ganze Abenteuerlust; und wir waren begeistert, dass unserer Expedition, wenn schon nicht uns persönlich, diese Entdeckung zu verdanken war.

Nach einer halben Stunde meldete sich Lake erneut:

»Moultons Maschine zu Landung auf Plateau im Vorgebirge gezwungen, aber niemand verletzt und Reparatur vielleicht möglich. Werden wichtigste Ladung für Rückflug oder nötigenfalls Weiterflug auf übrige drei Maschinen verteilen, augenblicklich jedoch keine größeren Flüge vonnöten. Gebirge übertrifft alles Vorstellbare. Werde in Carrolls Maschine ohne allen Ballast auf Erkundungsflug gehen.

Könnt euch so etwas einfach nicht vorstellen.

Höchste Gipfel müssen zehntausend Meter übertreffen. Everest aus dem Rennen. Atwood will Höhe mit Winkelmesser ermitteln, während Carroll und ich aufsteigen. Vermutlich im Irrtum bezüglich Kegeln, denn Formationen anscheinend geschichtet. Vielleicht präkambrischer Schiefer vermischt mit anderen Schichten. Gipfelumrisse seltsam – regelmäßige Ansammlungen von Quadern an höchsten Spitzen. Fantastisch anzusehen im rot-goldenen Licht der tief stehenden Sonne. Wie geheimnisvolles Traumland oder Tor zu verbotener Welt nie erschauter Wunder. Wünschte, ihr wäret hier, um mit eigenen Augen zu sehen.«

Obwohl es eigentlich Schlafenszeit war, dachte nicht einer von uns Zuhörern auch nur einen Moment lang daran, sich hinzulegen. Ganz ähnlich musste es sich am McMurdo-Sund verhalten, wo das Nachschubdepot und die Arkham Lakes Mitteilungen ebenfalls auffingen, denn Kapitän Douglas funkte allseits Glückwünsche zu der bedeutenden Entdeckung und Sherman, der Funker des Depots, schloss sich ihm an. Natürlich kam uns der Flugzeugschaden ungelegen, doch hofften wir, dass er sich leicht würde beheben lassen.

Dann, es war gegen 23 Uhr, traf Lakes nächster Funkspruch ein:

»Befinde mich mit Carroll über den höchsten Vorbergen. Scheuen bei diesem Wetter die richtig hohen Gipfel, nehmen sie uns aber später vor. Höhe zu gewinnen ist furchtbar mühsam und hier oben zu fliegen schwierig, aber lohnend. Hauptgebirgszug ziemlich kompakt, daher unmöglich, zu sehen, was dahinter liegt. Höchste Gipfel übertreffen Himalaja, wirken sehr eigentümlich. Gebirgskamm sieht nach präkambrischem Schiefer aus, mit deutlichen Spuren zahlreicher anderer aufgeworfener Schichten. Lag falsch bezüglich Vulkantätigkeit. Erstreckt sich zu beiden Seiten weiter, als das Auge reicht. Oberhalb von etwa sechstausendfünfhundert Metern von Winden schneefrei gefegt.

Seltsame Gebilde an Hängen der höchsten Berge. Große, flache, quadratische Blöcke mit vollkommen senkrechten Seitenflächen und rechtwinklige Verläufe niedriger, lotrechter Mauern, ähnlich den an steilen Bergflanken klebenden alten asiatischen Burgen in Roerichs Gemälden. Von Weitem sehr eindrucksvoll. Flogen nah an einige heran, und Carroll glaubt, sie bestehen aus kleineren Einzelstücken, aber das sind wohl eher Verwitterungsspuren. Kanten meist abgebröckelt und rund geschliffen, so als seien sie über Millionen von Jahren Stürmen und klimatischen Veränderungen ausgesetzt gewesen.

Teile davon, vor allem die oberen Abschnitte, scheinen aus hellerem Gestein als alle sichtbaren Schichten der eigentlichen Berghänge, daher augenscheinlich kristallinen Ursprungs. Dichtes Anfliegen offenbart zahlreiche Höhleneingänge, manche ungewöhnlich regelmäßig geformt, viereckig oder halbkreisförmig. Ihr müsst kommen und das erforschen. Glaube, Mauer direkt auf einer der Bergspitzen gesehen zu haben. Höhe scheint mindestens neun- bis zehntausend Meter zu betragen. Bin selbst auf sechstausenddreihundert Metern in höllischer, schneidender Kälte. Wind heult und pfeift durch Pässe und um Höhleneingänge, aber Fliegen bislang ohne Gefahr.«