Berge und Sichten - Friedrich Kieteubl - E-Book

Berge und Sichten E-Book

Friedrich Kieteubl

0,0

Beschreibung

Der Donauherbst begrüßt uns, Alleen öffnen sich. Der Alpenraum wird in diesem Gedichtband häufiger vermessen. Gletscher ziehen sich immer weiter und weiter zurück. Von der Bergfahrt eines Dampflokzuges, dem Kohleschaufeln, gibt es Bericht und ein befreiendes Pfeifen. Gedanken beim Wandern bergan, ökologische Schuld lässt sich nicht abschütteln. Fjorde frieren nicht mehr zu, Wetterberichte dokumentieren auffällige Aspekte. Eine wirklich dramatische Schlagzeile würde lauten: Die Flüchtlinge kehren in Scharen zurück. Ossietzky druckte was andere verschwiegen. In der Ukraine gleichen manche Orte Ruinenzonen, Folter thematisiert ein Gedicht. Normalität befindet sich hinter unseren Bezahlschranken, utopische Wendungen werden buchstabiert. Auch Schaukelpferde können aussterben. Orcas auf hoher See bedrängen ein Boot, alle bleiben an Bord. Abgespielt wird eine Hommage an das Lichtspielhaus. Liebesgedichte finden sich ebenfalls in dieser Anthologie. Oranges Mosaik aus Zuversicht, lässt es sich setzen?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 233

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Dirk Tilsner

Epilog

im Baumwollfeld

im Unterricht

der Alte im Kastell

frisch war das Blut

malochen

ocean blues

aus den Chroniken eines Steppkes

Hoffnung

Peter Frank

Lichtspielhaus

Alter Friedhof am Meer

Zugvögel

Bei Tating

Drei Haiku im Herbst

Im Tal

Manifest der Moose

Neujahr vorbei

Niemandsland

Wracks

hinter den masken

Hundstage

letzte tage im park

Dalben

Dritte Nacht im März

Heike Streithoff

Gedankenbilder

Seeoner Klosterwiege

Wo Syra und Elster sich kreuzen

Friedrich Kieteubl

Bergfahrt

Auf der Sonnenbank am Teich

Den Mond einfangen

Der Quell, der klangvoll früht

Daubenblick

Im Wind die Fiedern zittern

Im Luv die See

DAS BLAUE RAUSCHEN

Melancholia

Herzmuschel

Blue Seven

Wolkenschiffe

Darf ich bitten?

Ralph Linde

Abschied

Stille

Haushaltsauflösung

Fortschritt

Aus

Wendepunkt

Hanna Fleiss

Phantasmen

Heine

Ein sehr alter Mann erzählt

In großer Zeit

Carl von Ossietzky

Von den Strömen

So groß die Stadt, so fremd

Mutation

Heimatkunde

Meine Beichte II

Grabgeflüster

Willi Volka

Markierungen

Update

Im Bergfrieden

Ralf Burnicki

Laut-Erkundung

Elfriede Hafner-Kroseberg

Ammersee

Ideale

Feuersommer

Vorsorge

Nach dem Beben

Deshalb

Verkehrt

Andrzej Kikał

Geradlinig 1

Geradlinig 2

Eri Krippner

Hochgebirge

Esther Horat

Der Tod vor dem Tod

Ruinen des Tages

frei

bin ich bereit?

Klingendes Blau

Carsten Rathgeber

Verhängnisse

Flackernde Lichter

Bilder-Wörter

Geordnete Maschinen

Ewige Stäube

Werde

Fliegen

Magie

Nein

Jenny Küster

Energiekrise

Später

Waldorf Astoria, danach

Frostfeld

Wenn der letzte Stoppel fällt

Susann Ensthale

Kenn mich

Föhn

Joachim Gräber

Evidenz

Monghidoro

Welsch Pirg

Ferrata am Garda

Die wir in uns tragen

Volker Teodorczyk

Besinnung

Sichtweisen

Unverhofft

Michael Matzke

Glocknerstraße

Hallstatt

Almabtrieb

Donauherbst

Wahn und Sinn

Bad Ischl

Magnus Tautz

Streiflichter

Einbruch. Nacht

An den Brücken

Entzündete Augen

Karin Unkrig

Der Strom reist nicht ab

Hans-Walter Voigt

Heimkehr

Rainer Gellermann

Hang

Goetheweg - abwärts

borkum

unentrinnbar

Tausend Tele Tips

Dorffriedhof

über den stolperstein

herbstreise

Drömling

Abende

Ich irre

Frank Maria Fischer

Die Lesbarkeit der Strömung

Rosa Denis

Erste Heimat

Thomas Steiner

nichts neues, fürchte ich,

alle reden durcheinander

Mona Dräger

Alpen

Bernd Maile

Salzburg (Alpen)

Winfried Scholten

Auf dem Sachsenweg

Heidrun Schaller

himmelblaue Gräber

Anke Ames

Diamant und Honig

Acta

Ich erkenne mich

Clanbruder Rabe

Ich bin ein Mensch

Player

Ich vernähe den

Angelika Zöllner

herbst-entwürfe

herbstfarbenes

hoffnungsblätter

mittsommer

Kurt Bott

Sachlich ist alles richtig

Eine Zeit namens Unbill

Nichts war umsonst

Wir kommen wieder

Frühlingserde

Nie

Und wieder Ich

Kurz nach der Wahl

Ich bin alternativ geworden

Gelassenheit am Rand von Schnellstrassen

Pembroli

Im Regenwald der Familie

Land

Booster

Eine neue eine Weihnacht

Stichtag

Du Fädelnde (II)

PAN ...

Der Tag

Das Lauernde

Didi Costaire

Utopische Wendung

Marko Ferst

Australische Feuer

Flußdelta

Herbstlichter

Jongleure

Kirschen

Szenario der Macht

Haiku

Schaukelpferd

Etwas in uns

Haiku

Partnachklamm

Schloßpark Charlottenburg

Erich Pfefferlen

im krieg

cherson fragt

Eugen Kluev

Foltern

Erich Spöhrer

2022

Ukraine

Park

Tasche

Krieg

Punkt

Winterlandschaft

Betrachtung

Nordsee

Anhalter B.

Juliane Meißner

Nouvellen

Orange

Ulrike Kocks

Erinnern

Glücklich

Herbst

Abend am See

Ukraine

Verstehen

Alleestraßen

Rügen

Rüdiger Hein

schwarzer schwan – oder: auf die neue zeit

himmelsnah

hoch all kreativen

lebensnarben. kintsungi eingedenk

winterbegegnungen

frühwolkenmorgens

gefühl

krähen, die auf birken sitzen

morgendämmerung der neuen zeit

nachtentschlüpft

keine kronleuchter

Alexander Walther

Epilog für Jean Paul

René Oberholzer

Für die Ewigkeit

Der mit den Mokassins tanzt

Anschauungsprinzip

Zwischenzeit

Fremd

Sonnenaufgang

Vielleicht Ladina

Kaltfront

Michael F. Panchyrz

Ein neuer Tag

Ein Schritt noch

Omas Abschied

Tagträume

Nicht jeder Tag

Шпак Любовь

Zu meinem Mann …

Helmut Blepp

Bleibe

Erwartung

Die Verstoßene

Späte Passion

Traumatisierter Optimist

Im Abonnement

Archaische Erinnerung

Das letzte Viertel

Aus Liebe

Gerwin Haybäck

Lichtgrün

Schneemärchen

Martin Görg

Schnee schlug ans Fenster

Das Tischchen

Der Pfad

Der Ast

Der Bach

Lupinen sind so

Das Waldschwimmbad

Die Rose im Hof

Nicht eindringen

Die roten Vogelbeeren

Sturmregen

Kitchissippi

Angela Mund

dunkeldeutschland

Wolfgang Rinn

Silberdistel

Am Silser See

Kurt Buschmann

Leicht is seicht

Im Weg

Sendepaus im Bregemhaus

Phönix aus der Masche

Eine Nacht in Valencia

SehArt

Grenzenlos

Durch dringen

Günther Mika

Nach dem Gewitter

Frühjahr

Sommer

Patience

In der Hitze der Nacht

Schizophren

PFAS

Die Orcas

Gewitter

Robert Minkel

Dunkeltraum

Meine Träume sind satt

Sommer?

Gewaschene Welt

Maissymphonie

Novemberwald

Januartrotz

Abendregen

Abendbrüder

Traum der kalten Wände

Asche der Träume

Jens Gottschall

Fröhliche Gesellen

Bergurlaub in den Alpen

Hoffnung

Fremde

Der Garten ist kein Fußballplatz

Miez und Mops

Überlebenskampf der Natur

Ach, was waren das für Zeiten

Ingrid Ostermann

Einstellung

Farblehre

Fliegen

Hochsitz

Sabine Reyher

Wildgänse

in den park

Sieghard Kohls

Vergehen ...?

was bleibt ...

Die Zeit, eine Seifenblase

Helga Loddeke

Gegenfeuer

Groede

Ewiger Feind

Wo ist Mama?

Kein Schritt nach rechts

Traumata

Holzhammer

Einsicht

Norderney I

Norderney II

Ilona Daniela Weigel-Benning

Wenn der Vorhang fällt

Mein Begehren

flutende Unendlichkeit

In Zimmern

Vaid Hyzoti

Darum bekomme ich graue Haare

Die Geburtstagssteine

Mein Albanien

Sie glauben mir nicht

Der Fieberwahn

Ich habe Angst vor meiner Kindheit

Die Metamorphose

Hier in der Migration

Gehen wir, mein Sohn!

Bevor es am Morgen dämmert

Nahestehende Türen

ein ins Meer geworfenes Holzstück

von der Leidenschaft des Häuserbauens

Xaver Egert

Die Hybris des Starken

Error #1492

Lauf der Dinge

Freedom through loss

Entwicklung braucht Zeit

Balance of Power

Nikolaus Luttenfeldner

Fazit

Gerhard J.S. Bunk

Depression

Querdenker

Zeitgeist

Christian Engelken

Anbetung oder Als ich katholisch wurde

Sechs Klima-Kleber

Weihnachten im Kriegsjahr 2023

Neujahrsgedichtlein

Jürgen Klaubert

Gefangen

Erinnerung

Menschenkinder

Blauhimmelherbst

Du und ich

Lebenswiese

Natalie-Christine Toussaint

Falscher Raum

Ohne noch

Hängepartie

Dyrk-Olaf Schreiber

Flaschenpost

Felix

Ameisenolymp

Mit Zebras fängt es an

Zoe Fornoff

Vorbeigezogen heute

Über die Alpen

Ferse

Fünfkommafünf

Werner Tiltz

Waldesgrauen

Frühjahrsstürme über Fanø

Freiwild

Melissa Nielsen

Gespusi

One Night Stand

Detlef Stoklossa

Abschied und Neubeginnen

Herbstwinterabendlied

Die blaue Stunde komm und sing mit mir meine Lieder

Sommerstille

Oh du düstere Nacht

S´ ist Winter und

Wenn also der Tag nun gekommen ist

Wenn doch über den Himmeln ...

Blau hingleitet und still

Kleiner Gesang im Frühling

Lykke Heine

Meeresgrund und Horizont

Hallig im März

Eine Überfahrt im Oktober

Florian Birnmeyer

Eiffelturm

Mirka Holsteinova

Die Teekanne

Weißt du?

Dietrich Krome

Wetterleuchten

Was diese Frau so an sich hat

Schritt für Schritt mit Gabi fit …

Tanz der Stare

Feuerland am Arktisrand

Bianca Cortes-Lehner

Tansania

Kathrin Ganz

Locarno 2017

Voranschreitender Sommer

Die Farbe deines Herzens

Herbst am See

Lautlose Frühherbsttage

In Kandersteg

Herta Andresen

Unverwüstlich

Über Nacht

Ignoranz

Abend

Begegnung

Unabänderlich

Wo bist du

Hilflos

Tauwetter

Klaus J. Rothbarth

Blauer Lichtblick

Ein Prato-Musik-Event

Der Schwan II

Denitza Petrova

Andere Gipfel

Engelslicht

Gerard J. Duerschke

Weltenepos – Heldenmythos

Josef Glückski

Berlin, 18. - 20.1.08

Märkische Schweiz, 3.6.11

Märkische Schweiz, 22.7.11

Berlin, 2./3.12.11

Berlin, 15.2.15

Berlin, 27./28.12.2015

Berlin, 31.12.2015

Oberpfalz, 6.8.18

Berlin, 3.9.18

Berlin, 21.9.18

Berlin, 16.10.19

Berlin, 26.+31.12.19

Berlin, 17.1.20

Berlin, 20.4.20

Berlin, 27.4.20

Berlin, 23.3.22

Berlin, 26.7.22

Berlin, 19.8.22

Berlin, 14.12.22

Berlin, 26.12.22

Reinhard Lehmitz

Rostock & Warnemünde

Grabow in Mecklenburg

Zarrentin am Schaalsee

Testorf (bei Zarrentin)

Heiter bis wolkig

Kristin Ertmer

Falsch und richtig

Elefantastisch

Sehnsucht

Tanja Elmazovic

Mittendrin

Spiegelungen

Merle Proll

Marie

Ein Tag Oase

Marlene Seiz

Versoffene Stadt

Ann-Helena Schlüter

Herbst

Baden

Abschied

Anbetracht

Freiheit

Inter Netz

Verloren

Draußen ist Nacht

Das Helle des Frühlings tropft aus mir

Skizze

Autorinnen und Autoren stellen vor

Dirk Tilsner

Epilog

Der letzte Akt. Am Himmel sinkt ein Star, der seinen Abgang glänzend inszeniert.Ein Heros, der nach Ruhm und Nimbus giert, im Edel-Kult als flammender Altar.

Sein Feuer ruft zur Schlacht. In Sturm und Drang zieht die Phalanx mit Volldampf durch das Bild. Zerfetzt sich bald im Kampf. Aus Leib und Schild ergießt sich Lichtblut über Tal und Hang.

Wer jetzt nicht schweigt, versteht die Götter nicht. Perpetuum der Kreation im Wahn.Ein Opus ohne Ton. Geheimer Plan,der sich von selbst aus tiefstem Chaos bricht.

Ein Traum, der unbeirrt ins Dunkel fließt.Der Vorhang fällt. Die Illusion verblasstund bleibt gleichwohl zurück. Als stiller Gast,der die Orangen bei Gesang genießt.

Dirk Tilsner

im Baumwollfeld

Die Hitze drückt. Das Dorf liegt irgendwo im Dunst am Horizont, dem Tagesziel. Im Takt der Peitsche eines wutentbrannten Re rückt die Kolonne vor, präzise wie ein Uhrwerk tickt, indes aus Fleisch und Blut,bei jedem Schritt und Griff. Ein Tausend-Fingerling, der unermüdlich Larven von den Blättern pflückt.

Die Hitze drückt. Ein Bausch allein ist in zwei Mondeneine Krume wert, schätzt Marik, und drei Eimer füllten sicher einen Bauch daheim im Schein der Funzel. Doch genau weiß das kein Hungerleib. Ein Stapel Hemden aber, raunte einst der Älteste, in einem fernen Mailand, sei genug fürs Jahr.Wer´s glauben will. Das Alter macht verrückt.

Die Hitze drückt. Ein kurzer Schmerz, wenn er sich bückt, im Staub, der längst wie Zapfen von den Wimpern hängt. Ein grünes Feuer, das die Kuppen schmückt. Wer denkt jetzt nicht an einen Magier, der eine Flasche Wasser zückt?

Vielleicht in einem Traum, in dem es Kinder wirklich gibt. So oft versucht, jedoch nur einmal ist er ihm geglückt.

Da flog er über die Felder.

Marik, beliebter ägyptischer Jungenname, in seiner Bedeutung: Wächterdes Pharao

Dirk Tilsner

im Unterricht

lauschen die Mädchen mucksmäuschenstill hinter geschlossenen Fenstern wispert ganz allein die Stimmeder Lehrerin: von Knallgas und Explosionen mit Radikalen ohne Gewehr, von der Physik des Himmels und dem Sturm auf die Bastille, der Kraft winziger Teilchen, von den Regeln der Potenzgesetze, von Hypothesen, Beweisen und Schlüsseln in ihrem Notenheft (heute leider ohne Klavier, erklärt Umida, man könnte es von der Straße aus hören)

im Unterricht schweigen die Mädchen und träumenvon Robe, Arztkittel und einem Mikrophon in der Hand ein Leben vor dem Paradies, von ihrem täglichen Gang ins Licht heraus aus dem Schatten der Bärte, von den Gebeten der Blumen in den Gärten Kabuls, von der Allmächtigkeit der Farben ihrer Kleider, vom unumstößlichen Gebot freier Zweifel und dem Recht auf ein Nein! jedoch wie man Wissen und Glauben vereinbart, fragt Ellaha

die Rosen vor dem Fenster, als ich sie pflanzte, glaubte ich an den Frühling, antwortet Umida

afghanische Mädchennamen und ihre Bedeutung: Umida (Hoffnung), Ellaha (die Schöne, die Göttin)

Dirk Tilsner

der Alte im Kastell

Ein Balken knarrt. Zwei Tauben gurren scheu.Der Wind im Turm vollendet diesen Chor. Ein Schatten gähnt und rekelt sich am Tor. Auch dieser Tag blieb allen vor ihm treu.

Der Himmel leiert mit Gelassenheit wie jeden Abend seinen Epilog.Im Schoß der Mauern, die er dereinst zog, versäumt, in sich gekehrt, ein Greis die Zeit.

Die Erben ziehen lärmend irgendwodurch eine Landschaft, die er nicht mehr schaut. Der Pfad zum Horizont ist längst verbaut,doch macht ihn ohnehin kein Weg mehr froh,

kein Aufstieg zu den Zinnen und kein Blick zu den Gestirnen in der klaren Nacht.Ihm reicht sein Reich, das er allein bewacht, und dass es bröckelt, hält er für Geschick.

Erst gestern aber traf die Burg ein Spuk. Ein Balken krachte und das Tor flog auf. Nur kurz sah er die Welt in ihrem Lauf.Dann schloss er fest die Augen und schrie „Trug!“

Dirk Tilsner

frisch war das Blut

im Schatten zerschlissener Fahnenflohen unsere Herzen in eine bessere Zeit gärten in der Knochenschale neue Wappen im eigenen Saft, dem Sudaus zwei Farben mit der Süße der Vergeltung

dann endlich waren wir reif undzogen hinaus, um das Fürchten zu lehren der Welt, die uns röchelnd zu Füssen lag kämpften sogar für sie nach der Vorlesung entdeckten fast alle Kontinente, predigten Ungläubigen unsere Thesen am Tresen und verpflichteten uns irgendwann für eine gute

Gesellschaft (lächerlich der erste Sold!) erlernten die Kunst des Krieges ohne Waffen wurden Gesandte, verschenkten Glasperlen predigten weiter (jetzt mit Schlips), eroberten die Märkte und erbauten reihenweisekleine Häuschen vor denen wir neuerdings Elektroautos parken, wir wollen schließlich

sauber bleiben, kreuzen deshalb nur einmal pro Jahr übers Meer, reichen den Wilden stets Trinkgeld und halten am Ende happy

den alten Fahnen die Treue

Dirk Tilsner

malochen

kurz nach Sonnenaufgangwenn im hereinbrechenden Licht der Staub der Halle sein unergründliches Menetekel verkündeteerkannte trotzdem jeder gleich den allgegenwärtigen Feind – die Uhr über dem Portal

drakonisch wachten ihre Zeiger überdie Erfüllung unserer Pläne, ein erstickender Dunstin dem jeder ein Monster zu zähmen hatte, funken-speiend die einen, Meißelzahn-knirschend die anderenund in der Stanzerei nebenan nahmen sie es offenbar sogar mit Kerberos‘ Hunden auf

dennoch blieben wir allzeit unversehrt unter der Rüstung des blauen Kittels, tanzten im Innern auf den Wellen neuer deutscher Folklore oder vibrierten bei jedem Schlagder Schwermetalle, im Schlamm der Späne flossen dabei stets Träume von einem Sabinchen

endlich fehlte schon wiederirgendein Rädchen im großen GetriebeZeit für eine Kippe und den Witz des Tages

ach, wir Helden der Arbeit!

Dirk Tilsner

ocean blues

das Blinzeln der Sonne im närrischen Spiel doch wie klingen Lieder der Meerjungfrauen?

Gesänge, die mystischen Tiefen entsteigen dem Fischbeinpalast hinter Schleiern aus Tang unendliche Formen und Farben im Reigenin Kreisen, ein Opus in Schwebe gebracht

und wenn du hinabsteigst ins Reich der Medusen begleiten dich Boten, wie Perlmutt ihr Glanz indesnicht krillische Wolken, nicht schwärmende Musen Nein! – lebloser Kot silikonischer Macht

ihr Fluch treibt in alles verschlingenden Netzenerdrosselten Drachen und Elfen der Seeam Riff, das fäkalische Säfte zersetzenein Grabfeld als Vorhof der ewigen Nacht

verstummt sind die Lieder der Meerjungfrauen

Dirk Tilsner

aus den Chroniken eines Steppkes

Die Straße hatte damals eine Längevon etwa sieben Lederstrumpfgeschichten.Wir konnten jagen, stromern ... ohne Zwänge und wenn es hart kam, auf Bonbons verzichten.

Am Strand im Urlaub sammelten wir Muscheln und ihrer Schönheit wegen(!) Kieselsteine.Im Schilfgras hörten wir die Nymphen tuscheln:„Der See birgt alte Schätze und Gebeine.“

Im Kirschkern-Spucken warn wir echte Meister, bei Sauriern in jedem Streit die Schlausten.Wir glaubten an die Kraft der Poltergeister und dass Zyklopen nur in Märchen hausten.

Der Kuchen Omas ließ uns stärker werden. Wenn Opa nieste, wackelten die Wände.Ihr Garten galt als Paradies auf Erden:die Himbeerstaude nahm und nahm kein Ende.

Den Becher Milch trank ich stets bis zur Neige. Ich war Korsar, ein guter, mit Gewissen.Mitunter leider auch ein wenig feige –ich habe nie in einen Frosch gebissen.

Dirk Tilsner

Hoffnung

Mein Nachbar beschneidet die Hecke und beschwert sich über die Schmarotzer.

Ein Schmarotzer leidet an der Ecke undbeklagt sich über die Politiker.

Ein Politiker verkleidet sich als Rocker undsagt den Lobbyisten den Kampf an.

Ein Lobbyist meidet die Diskussion und lacht heimlich über die Blinden.

Ein Blinder weidet sich im Park an schönen Beinen und schimpft auf die Benzin-Preise.

Der Benzin-Preis entscheidet hier leider überhaupt nichts.

Vor meinem Fenster gießen Kinder Blumen.

Peter Frank

Lichtspielhaus

Wie die Schallplatte totgesagt, totgeschrieben, immer irgendwie geblieben,weil Menschen sehen, hören, fühlen, weil Menschen Träume haben,weil sie im Eiswinter 97 auf Schlittschuhen kamen.

Der Junge mit der Chipstüte,die drei Mädchen vor dem schon halbleeren Popcorneimer,das leise, graue Paar,zwei Sektgläser dazwischen, Händchen haltend in der immer gleichen Reihe.

Die Plakate im Foyer, Bogart, Dean, der Pate, der warme, weiche Duft, nie gezählte erste Dates, im Saal Fremde,die wie alle Fremdenlachen, weinen.

Hinter reglosen Köpfen das kleine Viereck,aus dem der Lichtstrahl fällt, Lichtstrahl, darin Staub tanzt, Lichtstrahl, auf dem die Bilder ins Wunder des Vergessens reisen,in die andere Welt.

Peter Frank

Alter Friedhof am Meer

Schatten wie löchrige Netze.Die rostigen Kreuze, trotzend dem Schädelwind, der die Stätte streift. Ins Eisen geschlagen die Schrift, Die kein Krähenschnabel schleift. Unerbittlich der Stundenschlag, Die Schreie der großen Möwen.Die Steine, in Gruppen stehend, Manche tiefer in die Luft gelehnt, Schmal, grau, den Tauben vertraut. Roh die Giebel. Schorf der Flechten. Die Zeichen, die Namen, die Worte, Versunken, überdauert, bewahrtWie alle Toten der See.

Peter Frank

Zugvögel

Wir hören sie,bevor wir sie sehen.

Ihre Zeichen über uns, zerfallende,immer wieder neu zusammenfindende Zeilen, schwindende Schrift,die keiner entziffert.

Warum halten wir inne, sehen zu ihnen auf, blicken ihnen hinterher?

Peter Frank

Bei Tating

Hier ist alles Horizont. Nur der Wasserwagen,als rückte eine Raupe überdie Schneide eines Messers.

Zäune, strohbärtig, verschlammt, manche zerfallen.

Pfähle,Grenzmarken der Zeit, gemartert im Wind,der von Norden kommt.

Bäume,den Schafen zugeneigt, die Landstraße seewärts, Wolken die Wegweiser.

Peter Frank

Drei Haiku im Herbst

In Nebelnetzenzittern leise Krähenfeder, Mädchenhaar.

*

Warm & sanft rollt die Kastanie in der Hand.

*

In Kinderaugen schaukeln Laternen. Groß der Mond.

Peter Frank

Im Tal

Im Gras der Helm,von Schrapnells zerlöchert,der Schädel daneben,keine Wolke, kein Mondin den fleischleeren Höhlen, der Oberschenkelknochen, aus der Uniformhose ragend, das andere Bein etwas rechts.

In der schusssicheren Weste, was vom Oberkörper blieb, vom Vater, vom Sohn, Bisswunden eines Fuchses,in den Klettverschlüssen der süße, von Fliegen gesuchte Geruch, weiter unten die Hände,von Hausschweinen verschleppt.

Im Tal ist es sehr still.

Peter Frank

Manifest der Moose

Euer Kleingärtnerhass. Euer Menschenleiden.Wir passen uns an, mehren unsere weichen Matten. Vegetativ. Gametophyt. Wir sind gekommen, um zu bleiben.Geduldig, unseren Brüdern gleich, den dunkelkühlen Schatten.Eure alte, blaue Erde wird uns untertan, wenn Ihr erst tot. Wir leuchten weit in Wäldern, Steppen, Spalten, Mooren, Siedeln jenseits Eurer Gärten, auf Dung, Gewöllen, Kot, Blätter, Regen, Wind, Aasfliegen versprühen unsere Sporen. Wir sahen Krieger, Könige, das gurgelnde Gebräu der Hexen,Wir hörten Hämmer, grünten unter den Gebilden Eurer Hand, Zitterten im Donnern, im Atem der schrecklichen Echsen, Sahen die Kathedralen der Kadaver sinken in den Sand.Wir sind unter Euch! Lauern unter Asphalt, Steinen, Schilf. Wir warten, wachsen, trinken des Nebels frühe Milch.

Peter Frank

Neujahr vorbei

für Marie Luise Kaschnitz

Geflecht kahler Ästegewunden in die alte,graue Haut des Himmels.

Tief die Nebelsonne über der gelben Stille klaffender Gräber.

Lange sinkt der Blick. Licht, spätgeboren, versickert früh im Ried.

Vergangendas raue Dutzend dämonischer Nächte.

Gegangendie goldgelockten Engel, sargschwer der Schritt.

Das Land,leer & starr auf einemweißen Katafalk.

Peter Frank

Niemandsland

Eine Handvoll Ärzte, ein Kinderarzt, ein Fußballtor ins Abseits gestellt von gelben, hitzetoten Gräsern.Räder rauschen ein Leben lang.

Im Niemandsland hinter dem Rewe, Wickelfalzrohre, Lieferwagen, Rostschlieren am Geländer, Graffito, der Betonaufgang zum Parkdeck.

Am Morgen Erbrochenes,darin Tauben picken, Pommespappen, Styroporboxen von Möwen übers Pflaster gezerrt.

Abend saugt die Wunde aus, legt Gaze der Leere über Eineuroläden, Aldimärkte,einen verwaisten Einkaufswagen.

Schwärme flattern heran, Ghettofaust gegen Ghettofaust, Restwärme im Kreisen der Flaschen, in den Wodka Zisternen der Sterne.

Peter Frank

Wracks

Zerbrochen der Bleistift, geschlossen das Buch, in Fetzen das harte,knarrende Tuch.

Glaube der Kurs, Gebete die Frauen,der Kompass geborsten, die Rose zerfallen,der Mast gebrochen, gestürzt, gesplittert, triefend in den Tauen.

Zerschmettertdie Back,der Rum versenkt, das Salz verweht, Brot, Mehl, Essig, meerdurchtränkt, ein letztes Mahl, roh, still,von den Möwen verschmäht.

Kein Stein.Kein Wort.Kein Gesang.Keinerdreht das Spill.

Peter Frank

hinter den masken

war leben eine lüge ein leeres blatt glichen sich die tage die jahrewie streichhölzer

hinter den masken lasen menschen bücher lachten liebten sprachen leisetranken folterknechte bier

als die erste maske fiel es könnte an einem donnerstag gewesen sein sahen die mächtigenwie jeden morgenin die goldenen spiegel

sie erblickten ihre totenschädel

Peter Frank

Hundstage

Wenn wir reinkamen, nickte der Wirt uns zu, das war viel,eine Idee von Glück.

Wir hockten in dieser braunen, erkalteten, abgestandenen Kneipe, leer wie der Vormittag,verirrten uns in Gesprächen, machten Pläne, pinkelten, drückten denselben Song, während draußen der Sommer, einem anderen Leben gleich, zu Staub zerfiel.

Wir warteten auf etwas, den Sonnenuntergang, suchten nach etwas,den Highway zum Meer.

Als uns dämmerte,dass alle Klischees wahr sind, wurden wir älter.

Peter Frank

letzte tage im park

die frau auf der bank blättert zwischen zwei wolken mutig um

vor dem kioskheben die schachspielerdie großen figuren

ihre gedanken tief wie das laub versunken

der minigolfplatzdas liebespaar verlachtden letzten schlag

der mann am see wirft brot in den nachmittag

die möwen wievom wind entwendetenotenblätter

der junge auf dem hügel blickt ernst & ruhigin den himmel

sein roter drachen zertanzt die luft wie einen schuh

Peter Frank

Dalben

Als wir sie nicht sahen im weißblauen Rondo der Wellen, als wir sie nicht hörten,ihr Flüstern am Ohr der Makrele, als wir nicht über sie sprachen, ihre Geduld, den Gezeiten gleich, schrieben sie weiter an der großen Chronik der See,ihr Gedächtnis gut & grün.

Viele Leben, Tode später, versunken die Zeichen, unerbittlich der Richtspruch des Windes, des Sandes, stehen sie da, sichtbar, pockenzernarbt, tangumflort,von Möwen umschrien.

Peter Frank

Dritte Nacht im März

Fernerdie Namen imbereiften Stein.

Wannwird die Erdeunserer müde.

Schneerest, schwarzgeädert, Eichenblätter,

zerrissenwie verworfene Entwürfe.

Ein paar Freunde, Überlebende der Zeit,

blieben eine Weile in den Gesprächen, den Liedern.

Heike Streithoff

Gedankenbilder

Wie begraben eine Seele sein kann.Herbst bunt verblasst meine Liebe zur Luft. Die Erde feucht, Föhn in den Höhen,mein Ankommen im kalten Stadionlicht.

Der Körper will fliehen, „draußen“ schreit es. Lauer Hall lauter Nachhall, Schallwellen, friedliche Wälder, Rosen, Hosenzeit,dem tagelangen Gebrüll ausweichen.

Fluch der Städter, Weg der Geräuschlosen. Immer wieder Dauergebrüll aus den Arenen. Heimat ruft in der Stille das Einsame.Ein Frösteln, die Birkenalleen sind karg.

Hier diktieren die Laute die Natur,die Wirklichkeit stinkt in den Himmel, beichte ich dem Wind mit Herbstaugen. Tiefenfrequenzgewühle, lauterer Nachhall.

Der Winter ordnet die Heimat östlich. Zukünftig fährt der Alex nur noch nach Prag, das Spektral ins Vogtland gleitend endet.Durch die Oberpfalz kurvt neue Substanz.

Mir schwanen auf dieser Route lautere Tritte.

Heike Streithoff

Seeoner Klosterwiege

Kraftvoll quellt der Mais, entlanggleitet die Alz, Serpentine. Korso zu entfernteren Hügeln, Schotterstaub mit Obstzweigen, karge Flora an Wegesrändern.

Die Kirche ragt über dem Tal. Acker gemähtes frisch aufgerollt. Waldhänge spenden Muße, Erinnerungsaltäre im Gesäß, blütenreich gestylt Vorhöfe.

Bruthitze am Nachmittag,der See schimmert azurblaues. Am Kiosk gibt’s Cola auf Eis. Grüne Linden, kühlen Flügel ab, wisperndes halblaut wiegend.

Rebe an Rebe, Wiesen senke, Benediktiner drehten ihre Runde, Mozart inspiriert bei einer Eiche. Kratzer unter gefälteltem Satin, Abendröte fällt zart auf die Insel.

Heike Streithoff

Wo Syra und Elster sich kreuzen

Fichtenweiher schlängeln entlang der Moore Endlosschneisen weiten Tannenband, Wanderwege, Forste führen ins Tal,sanfte Hügel heben Schlote ins Firmament.

Rehe flüchten in Schieferhänge, Schneewinde zischen ums Gebinde, verlassene Zäune noch verlassener scheinen, Waldeinsamkeit mit Stromanlagen vernetzt.

Züge schweben über Ziegelbrücken,Schilder verwischen, bedeckte Karossen greifen wie Lagunen nach Industriestandorten, alles sich biegt und hingibt dem Frost.

Sprechanlagen erwärmen zwischen den Zeiten, Komtureien, Rittergüter, Kriege, Hunger, Bauern, Schlachten, Königliche Post,Achs, Aberglaube, heile, heile!

Jahrhunderthäuser bis zu den Sternen kreisen Erinnerungsfloskeln im hüben und drüben zu den Flüsschen zur Talweitunghinab Hohelieder pfeifen.

Friedrich Kieteubl

Bergfahrt

Bernhard Neuhart zugeeignet

Ein Feuerschlund, weit aufgerissen, giert nach Kohle. Radgestänge treibt mit Druck den Tross bergan, Naturgewalt im Kolbentakt, den Dampf im Bann, Hinauf mit Zischen, Schnaufen aus der Fumarole

Auf dem Kesseldach, schon glüht die Eisensohle, Rauchen, Stampfen, Fauchen, Bangen im Gespann, Der Manometerzeiger schwankt, die Lok hält an.Nicht hier! Nicht hier im Kehrtunell! Der Qualm, als hole

Er die Lunge aus der Brust, er raubt die LuftUnd Schweiß versprüht mit jedem Schaufelwurf, Ventile Heulen. Komm! Das Stahlross schnaubt, Geschmauch verpufft.

Am Bersten fast baumt es sich auf, es zieht und viele Räder rollen an, der Berg verschluckt ihr Stöhnen, Tunnelausfahrt – Pfeifen überschallt das Dröhnen …

Friedrich Kieteubl

Auf der Sonnenbank am Teich

Für Mireille

Vertraut erfüllt das laute Sirren der Zikadendie sommerschwere Mittagsluft. Die Bank am Teich, sie lädt zur Rast, zur Einkehr ein. – Und überreich beregnet Licht die Kronen, trieft von Laubkaskaden.

Der Weiher sonnt sich ausgestreckt im Binsenbett. Umgarnt vom Tanz und Flirren feiner Feuerfunken, bespiegelt seine Wasserhaut, von Bläue trunken,den Himmel über ihm. Ein Windhauch neckt kokett.

Libellen jagen, träge schnappt ein Karpfen Luft. Im Röhricht leises Knistern, Glucksen. Eine Grille bekundet schrill ihr Werben, Ahnung ging voraus.

Ein Schillerfalter breitet seine Flügel aus.Er wärmt sich auf der Sonnenbank. Er harrt in Stille. Reich blüht das Seifenkraut, betörend lockt sein Duft …

Friedrich Kieteubl

Den Mond einfangen

Helmut & Gertraud Wehhofer zugeeignet

Und wieder mischt das Leben gründlich seine Karten. Wir heben ab, reihum wird allen zugeteilt,bedacht, verdeckt und gleich. Es aufgenommen weilt der Blick gebannt im Blatt. Wir ordnen und wir warten,

bis unsre Vorhand endlich unsren Partner ruft.Inzwischen wägen wir es ab und überdenkendie Möglichkeiten, die uns manche Trümpfe schenken. Wir sagen an im Kreis. Das Spiel beginnt. Was stuft

uns ab, was auf? Es liegt in unser aller Händezu stechen, zuzugeben. Und wir hoffen, bangen, erträumen viel zu oft Valat und Märchenstich.

Das Leben spielt für uns den Sküs. Er nimmt für dich und mich im allerletzten Stich den Mond gefangen.Was jetzt zusammenzählt, ist ewig, kennt kein Ende …

Friedrich Kieteubl

Der Quell, der klangvoll früht

(Die vierte Lotosblüte)

Maria Neuhart zugeeignet

An Tau betropften Blütenköpfen glüht, Vibriert im Freudentaumel neu erwachter Erinnerung das Sonnenfeuer – sachter Smaragd umspülter Traum, der übersprüht,

Paillettentanz, ein Zauber grell entfachter Insignien, der Quell, der klangvoll früht, Regiert, den Doppelschlag erweckt, Geblüt Im Sternenschwall verpocht, ein ungedachter

Titan, der zwölfgestirnt für alles Ort Und Mitte ist, der nimmt und wiedergibt, Stellarer Atem, Ätherflut, ein Hort

Dualen Augenblicks, der nie zerstiebt,Er stetig Morgen wird – auch ohne Wort, Indem der Geist allein das Blühen liebt.

Friedrich Kieteubl

Daubenblick

Willi Neuhart zugeeignet

Noch einmal bannt der Blick das Ziel: die Daube, verschmelzen Absicht, Wille, holen auszum Schwung, ein Ausfallschritt, den Schuss voraus begleitet unerschütterlich mein Glaube.

Der Stock durchmisst die Bahn metallen schwer auf weicher Sohle; aus der Scheibenmitteein hochgereckter Stiel, so als durchschnittedie Orcafinne spiegelglattes Meer

nach Beute. Nicht mein Sinn, ihn stillt nur Nähe,Distanz verringern, nah, ganz nah an sie heran in jeder Kehre, bloß berühren,

mitunter mit ihr gleiten, sie entführen zu Grenzen, die nur eng gezogen, niedas Feld verlassen – still vor ihr, ich stehe.

Friedrich Kieteubl

Im Wind die Fiedern zittern

Für ZaunköniG (Sonettist)

Die Luft sie trägt, der Sog, die Fiedern zitternim Wind, der Kopf, gestreckt, im Strom durchsticht ein spitz gebogner Bug die Flut von Licht,die zwischen Schwingen bricht, Konturen splittern

zerreißen in den Klüften, stürzen tief,so tief hinunter, bis zum Grund, verlierensich dort im Dunkeln, stumm, tief unten, ihren zerfurchten Rumpf im Sturz befreit, sie rief

und ruft, die Weite, Kreis um Kreis und Zinne für Zinne, die im Rund vorüberziehn, erscheinen, schwinden, Rufen hält nicht inne,

die Fiedern zittern, Licht, der Strom, es fliehn der Grund, die Rinnen, Brüche, Stürze, Klüfte, und höher tragen Sog, der Ruf, die Lüfte.

Friedrich Kieteubl

Im Luv die See

Gerhard & Marianne Blaboll zugeeignet

Und wieder, immer wieder, fluten Gischt gekrönt Gedankenwogen durch ein stumm gesprochnes Wachen. Sie tosen an ein Kliff, das aus azurnem Rachen rhetorisch in das Leise sticht, wo ausgesöhnt

im Bilderschein das Lachen einer Möwe schwebt.Wenn Böen Wortgebilde auseinandertreiben und Stilfiguren sich in Dunst auflösen, bleiben verklärtes Blau und weiße Zeichenbausche, lebt

Gehauchtes Eigendasein und der Himmel spiegelt sich wieder frei im Auf und Ab der off ’nen See.Beredt erwacht im Flug die Träumerei, im Leedas Kliff, im Luv das Meer – die Leere neu besiegelt.

Aus Bild wird Ton, der über alle Wasser trägt.Was bleibt, ist Lachen – Klang, der wieder Wellen schlägt.

Friedrich Kieteubl

DAS BLAUE RAUSCHEN

In Memoriam Emanuel Bialonczyk

Das Meer – in tiefem Blau als Buch auf meinem Schoß. Am Einband, silbern aufgeprägt, sein Gott als Wächter,Sein Blick durchdringt, sein Dreizack mahnt: Halt ein, Verächter! Mit Wucht wird jeder Frevler weggespült! Und groß

Ist meine Furcht gewesen, die, beim Blättern bloß, Chaotisch irreal die Flut (und manch Gelächter) Heraufbeschwor, ins Bild mich sog, verschlang – als rächt’ er Es, mein Begehr nach Meer. Die Sehnsucht schien Verstoß.

Respekt wuchs mit der Tide, Kinderangst versank. Frei tauche ich in blaues Rauschen ein, die WelleÜbt nun den wahren Zauber aus, sie steigt, bricht blank,

Laviert zum Tal, entspringt erneut aus tiefer Quelle,Leicht schwebt mein Geist im Wogentanz, befreit und bloß. Treib’ fort, weit fort – vertieft ins Buch auf meinem Schoß.

Friedrich Kieteubl

Melancholia

Mit weißen Zungen leckt die See an Lavaköpfen in heller wie in dunkler Nacht und sie begrub sie langsam tiefer noch mit jedem Tidenhubdurch Scheingedanken, die aus trüber Tiefe schöpfen.

Wie aufgefädelt hocken sie da, fahl, umspültvom Tränenmeer, versteinert, schwingenlos geboren, geschöpft, bestimmt als Wächter an den Seelentoren verschlingen sie jedweden Hauch und alles fühlt