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In Frankreich gab es zum Erscheinen der Gedichte Spekulationen darüber, ob dies der Schwanengesang des meistgelesenen, aber auch umstrittensten Autors des Landes sei. Doch wenngleich es in ihnen auch um die letzten Dinge des Lebens geht, markieren diese Gedichte zunächst einmal Michel Houellebecqs furiose Rückkehr nach seinem drei Jahre zurückliegenden, mit dem Prix Goncourt ausgezeichneten Bestseller ›Karte und Gebiet‹. Michel Houellebecq, der sich hier mal nüchtern und abgeklärt, dann wieder geradezu zart und schutzlos zeigt, steht dabei seinen erklärten Vorbildern Mallarmé und Baudelaire in nichts nach. ›Gestalt des letzten Ufers‹ ist die kompromisslose poetische Selbstentblößung eines radikalen Außenseiters, der nichts mehr zu verlieren hat. Die einfache Sprache trifft unvermittelt ins Herz der Wahrheit. Nie waren wir Houellebecq so nah.
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Seitenzahl: 51
Michel Houellebecq
Configuration du dernier rivage
Gestalt des letzten Ufers
Gedichte Französisch – Deutsch Übertragen von Hinrich Schmidt-Henkelund teilweise von Stephan Kleiner
Die französische Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel »Configuration du dernier rivage« bei Flammarion, Paris. © Michel Houellebecq et Flammarion, 2013
eBook 2014
© 2014 für die deutsche Ausgabe: DuMont Buchverlag, Köln
Alle Rechte vorbehalten
Übersetzung: Hinrich Schmidt-Henkel Stephan Kleiner (Seite 19, 27, 29, 31, 33, 35, 37, 39, 41, 77, 91, 141, 143, 151 ,155, 159, 161, 163, 169)
Umschlag: Nurten Zeren · zerendesign.com
eBook-Konvertierung: CPI books GmbH, Leck
ISBN eBook:
Gestalt des letzten Ufers
l’étendue grise
Par la mort du plus pur
Toute joie est invalidée
La poitrine est comme évidée,
Et l’œil en tout connaît l’obscur.
Il faut quelques secondes
Durch den Tod des Reinsten
Wird jegliche Freude zunichtegemacht
Wie ausgeweidet ist die Brust,
Und das Auge sieht in allem nur Dunkles.
Es dauert einige Sekunden,
Disparue la croyance
Qui permet d’édifier
D’être et de sanctifier,
Nous habitons l’absence.
Puis la vue disparaît
Verschwunden der Glaube,
Der zu erbauen erlaubt
Zu sein und zu heiligen
Wir bewohnen die Leere.
Dann verschwindet der Anblick
Je n’ai plus d’intérieur,
De passion, de chaleur;
Bientôt je me résume
À mon propre volume.
Vient toujours un moment où l’on rationalise,
Vient toujours un matin au futur aboli
Le chemin se résume à une étendue grise
Sans saveur et sans joie, calmement démolie.
Ich habe kein Innenleben mehr,
Keine Leidenschaft, keine Wärme;
Bald bin ich nichts mehr als
Ein leerer räumlicher Körper.
Stets kommt der Moment, in dem man rationalisiert,
Stets kommt ein Morgen mit zerstörter Zukunft
Der Weg ist nichts mehr als eine graue Fläche
L’arc aboli de tristesse élancée
Dans une lutte imperceptible, ultime
Se raffermit conjointement, minime;
Der zerstörte Bogen aus schlanker Traurigkeit
Verfestigt sich zugleich, verschwindend klein,
In unmerklichem, äußerstem Kampf;
L’épuisement central d’une nuit sans étoiles
Adornée de néant
(L’oubli compatissant a déposé son voile
Sur les choses et les gens).
L’élément bizarre
Dispersé dans l’eau
Réveille la mémoire,
Remonte au cerveau
Die zentrale Ermattung einer sternlosen
Vom Nichts gezierten Nacht
(Das gnädige Vergessen hat seinen Schleier
Über die Dinge und die Menschen gelegt).
Die bizarre Substanz,
Im Wasser aufgerührt,
Weckt die Erinnerung,
Steigt zu Kopf
Dans le matin, chaste et tranquille,
L’espoir suspendu sur la ville
Hésite à rejoindre les hommes.
(Une certaine qualité de joie
Au milieu de la nuit
Am Morgen, unschuldig und still,
Zögert die über der Stadt hängende Hoffnung,
Sich wieder zu den Menschen zu gesellen.
(Eine gewisse Art von Freude
Mitten in der Nacht
Mon ancienne obsession et ma ferveur nouvelle,
Vous frémissez en moi pour un nouveau désir
Paradoxal, léger comme un lointain sourire
Et cependant profond comme l’ombre essentielle.
(L’espace entre les peaux
Quand il peut se réduire
Ouvre un monde aussi beau
Meine alte Obsession und meine neue Glut,
Ihr bebt in mir für ein neues Begehren,
Paradox, leicht wie ein fernes Lächeln
Und dabei doch tiefgründig, dem essentiellen Schatten gleich.
(Der Abstand zwischen Haut und Haut,
Wenn er sich verringern kann,
Öffnet eine Welt, so schön
Un champ d’intensité constante
Balaie les particules humaines
La nuit s’installe, indifférente;
La tristesse envahit la plaine.
Où retrouver le jeu naïf?
Où et comment? Que faut-il vivre?
Et à quoi bon écrire des livres
Dans le désert inattentif?
Les serpents rampent sous le sable
(Toujours en direction du Nord)
Rien dans la vie n’est réparable,
Rien ne subsiste après la mort.
Chaque hiver a son exigence
Et chaque nuit sa rédemption
Et chaque âge du monde, chaque âge a sa souffrance,
S’inscrit dans la génération.
Ein Feld von konstanter Intensität
Fegt die menschlichen Teile hinweg
Die Nacht senkt sich, ganz Gleichgültigkeit;
Die Trauer erobert die Ebene.
Wo das unverdorbene Spiel wiederfinden?
Wo und wie? Wie soll man leben?
Und wozu soll es gut sein, Bücher zu schreiben
In der achtlosen Wüste?
Die Schlangen kriechen unterm Sand
(Immer in Richtung Norden)
Nichts im Leben ist wiedergutzumachen,
Nichts bleibt übrig nach dem Tod.
Jeder Winter hat seine Notwendigkeiten
Und jede Nacht ihre Erlösung
Und jedes Alter der Welt, jedes Alter hat sein Leiden
Ainsi, générations souffrantes,
Tassées comme des puces d’eau
Essaient de compter pour zéro
Les capteurs de la vie absente
Et toutes échouent, sans trop de drame,
La nuit va bien recouvrir tout
Et l’épuisement monogame
Und so trachten leidende Generationen,
Zusammengepfercht wie Wasserflöhe,
Die Sensoren des abwesenden Lebens
Für null und nichtig anzusehen.
Und alle scheitern sie ohne großes Drama,
Die Nacht deckt bald all das gut zu
So auch die monogame Erschöpfung
ABSENCES DE DURÉE LIMITÉE
I.
Dresser un bilan de la journée d’hier me demande un réel courage, tant j’ai peur en écrivant de mettre au jour des choses peut-être terribles qui feraient mieux de rester au vague dans mon cerveau.
J’ai envie de faire n’importe quoi pour me sortir ne serait-ce que quelques heures de ce trou où j’étouffe.
Mon cerveau est entièrement imprégné de ses vapeurs cruelles, fer de lampe et basses besognes sous le clignotement incertain d’un signal d’alarme.
Tout le reste est bien fade comparé à ce jeu de mort.
Devant le paysage blanc je me sens abstrait, fils vidés de la tête, yeux mous et clignotants comme des phares de sirène.
Le 18: j’ai franchi un nouveau palier de l’horreur. Je n’ai qu’une hâte, c’est de quitter tous ces gens. Vivre autant que possible en dehors des autres.
ABSENCEN VON BEGRENZTER DAUER
I.
Ein Fazit des gestrigen Tages zu ziehen verlangt mir wirklichen Mut ab, so sehr fürchte ich mich davor, beim Schreiben schreckliche Dinge zutage zu bringen, die besser in der Vagheit meines Hirns geblieben wären.