1,99 €
"Der blonde Engel" - so wird die bildhübsche Chorsängerin Sanne von den Bewohnern des kleinen Dorfes Himmelberg genannt. Zu unzähligen Gelegenheiten hat das Madel die Dörfler bereits mit wundervollen Melodien erfreut, und für manch einen ist es tatsächlich so etwas wie der Schutzengel des Ortes.
Doch nur wenige ahnen, dass Sanne nicht glücklich ist - denn nach mehreren Missernten steht der Hof ihres Vaters vor dem Ruin. Zu gerne möchte die Tochter den Eltern helfen, aber sie weiß nicht, wie.
Da erfährt sie eines Tages vom Vater, dass der reiche Viehhändler Kasimir Wagner, der den Hof retten könnte, um ihre Hand angehalten hat. Sanne beschließt, den um viele Jahre älteren Mann zu heiraten, obwohl sie weiß, dass sie ihn nie lieben wird ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 109
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Der blonde Engel vom Himmelberg
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Bastei Verlag/Anne von Sarosdy
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-5228-3
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Der blonde Engel vom Himmelberg
Roman um Glück und Leid eines schönen Dirndls
Von Monika Leitner
„Der blonde Engel“ – so wird die bildhübsche Chorsängerin Sanne von den Bewohnern des kleinen Dorfes Himmelberg genannt. Zu unzähligen Gelegenheiten hat das Madel die Dörfler bereits mit wundervollen Melodien erfreut, und für manch einen ist es tatsächlich so etwas wie der Schutzengel des Ortes.
Doch nur wenige ahnen, dass Sanne nicht glücklich ist – denn nach mehreren Missernten steht der Hof ihres Vaters vor dem Ruin. Zu gerne möchte die Tochter den Eltern helfen, aber sie weiß nicht, wie.
Da erfährt sie eines Tages vom Vater, dass der reiche Viehhändler Kasimir Wagner, der den Hof retten könnte, um ihre Hand angehalten hat. Sanne beschließt, den um viele Jahre älteren Mann zu heiraten, obwohl sie weiß, dass sie ihn nie lieben wird …
Das Dorf Himmelberg lag hoch über dem Tal, eingebettet zwischen den Bergen, von denen der Reiting mit seinem höchsten Gipfel, dem Gößeck, alle anderen überragte.
Direkt vor einem der steilen Hänge des mächtigen Gebirgsstockes auf einem kleinen Plateau trotzte seit über hundert Jahren der Reitinghof Winterstürmen und Sommerunwettern.
Pankraz Schröder, der Bauer, stand an den grün gestrichenen Türstock des Wohnhauses gelehnt und ließ den Blick über seinen Grund und Boden schweifen.
Ein tiefer Seufzer stieg aus der Brust des alten Mannes, als ihn die Zweifel zu quälen begannen: War er schuld an der miserablen finanziellen Lage, in der sich der Hof befand? Wenn sich die Situation nicht bald besserte, musste alles verkauft oder versteigert werden, soviel stand fest.
Susanne, seine neunzehnjährige Tochter, war aus dem Haus getreten. Und als hätte sie die trüben Gedanken des Vaters erraten, legte sie ihm die Arme um den Hals.
„Es wird schon alles wieder gut werden“, sagte sie weich. „Du wirst sehen, diesmal werden weder Hagel noch böse Unwetter die Ernte vernichten, und ich bet jeden Sonntag in der Kirche, dass es beim Vieh keine neue Seuche gibt.“
„Bist ein gutes Kind“, gab der Bauer gerührt zurück. „Du und deine Mutter … Wenn ihr net wärt …“
Sanne lächelte, als der Vater jetzt entschlossen hinüber zum Stall stapfte. Gern nahm sie all die harte Arbeit auf sich, die auf einem Bauernhof anfiel. Freilich wäre es ihr lieber gewesen, es hätte noch einen Knecht oder wenigstens eine Magd auf dem Reitinghof gegeben, aber der Vater hatte kein Geld, um zusätzliche Arbeitskräfte zu bezahlen, das wusste Sanne nur zu gut.
Sie tröstete sich über die viele schwere Arbeit und manche Entbehrung mit ihrer Kunst hinweg: Sanne hatte nämlich eine herrliche Singstimme, die sie im Kirchenchor des kleinen Ortes nur zu gern einsetzte.
Helene Knapp, die alte Lehrerin, die gleichzeitig die Chorleiterin war, ließ Sanne nicht nur die schwierigsten Partien der Choräle singen, sie studierte mit ihr auch manches Solo ein, und noch beim Maibaum-Aufstellen hatte Susanne mit fröhlichen Volksliedern die Bewohner Himmelbergs in ihren Bann gezogen.
So mancher Bursch hätte sich gern an die hübsche Schröder-Tochter herangemacht, doch Susanne stand der Sinn nicht nach solchen Abenteuern. Ihr lag das Wohl der Eltern und des Hofes am Herzen, und sonst hatte sie eben ihre Musik.
An diesem Sonntag sollte nur eine kurze Messe gelesen werden, doch in wenigen Tagen, bei der letzten Maiandacht, würde Sannes ungewöhnliches Talent wieder zum Einsatz kommen.
Als Lina Schröder, Susannes Mutter, in die Küche herunterkam, war ihr anzusehen, dass sie während der Nacht wohl wieder die Kopfschmerzen geplagt hatten, deren Ursache der Arzt nicht finden konnte.
„Mutter, heut ist Sonntag“, meinte Susanne liebevoll. „Der Vater und ich, wir schaffen’s heut auch ohne dich. Leg dich nach dem Frühstück nur wieder hin.“
Nur zu gern nahm Lina das Angebot an. Ja, auch der Bäuerin machte die Sorge um die Zukunft des Reitinghofes mehr zu schaffen, als sie zugeben wollte.
Am Nachmittag ging es ihr dann auch tatsächlich besser, und sie ließ sich gern überreden, sich zusammen mit Mann und Tochter ein bisserl auf die Hausbank zu setzen. Auf ihren Wunsch hin sang Sanne ihr ein paar alte Lieder vor, doch Pankraz schien an diesem Tag gar nicht bei der Sache zu sein. Immer wieder stand er auf und wanderte ein paar unruhige Schritte um den Hausbrunnen herum.
Endlich meinte er: „Sanne, ich denk die ganze Zeit drüber nach … Sag einmal, hast du keinen Schatz?“
„Ich?“ Verwundert strich sich das Dirndl die blonden Haarsträhnen aus der Stirn. „Weißt doch, Vater, dass es keinen gibt …“
„Vielleicht wär’s an der Zeit.“ Pankraz murmelte die Worte so unverständlich, dass Sanne glaubte, sich verhört zu haben.
Noch ahnte sie nicht, wie ernst es ihrem Vater mit dem Gedanken an einen betuchten Schwiegersohn war.
***
Um den großen Tisch auf dem Kaltenegger-Hof in dem stattlichen Dorf Kumberg am Ende des Nachbartales saß die große Familie vollständig versammelt beim Mittagessen. Die Bäuerin brachte eine weitere Schüssel mit Erdäpfelknödeln.
„Greift nur tüchtig zu“, ermunterte sie ihren Mann, die fünf Kinder, die zwei Schwiegersöhne, die Schwiegertochter und die beiden Enkelkinder, die fünfjährige Kathrin und den kleinen Günther.
Sie alle hatten sich im Elternhaus versammelt, um den sechzigsten Geburtstag des Bauern zu feiern. Alle langten tüchtig zu, denn der riesige Schweinebraten verbreitete einen verführerischen Duft, der allen das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Außer der jüngsten Tochter Elisabeth und Markus, dem zweiten Sohn, waren alle Nachkommen der Bauersleute verheiratet und lebten bis auf den Ältesten, Gustl, der einmal den Hof übernehmen würde, mit ihren Partnern und Familien verstreut in den Dörfern der Umgebung.
Nun stieß Irmi, die erst vor einem Jahr ihre Schneiderlehre abgeschlossen hatte, Markus in die Rippen.
„Gibt’s bei euch in der Hafnerei viel zu tun?“
Markus schüttelte bedauernd den Kopf. „Jetzt im Sommer denkt niemand daran, seine Herde und Öfen herrichten zu lassen. Aber im Herbst, wenn’s kalt wird, dann kommen wir gar net nach.“
„Hafnerei?“, piepste jetzt die kleine Kathrin. „Dort werden Häferln gemacht, gell?“
Das Gelächter der großen Familie hörte man sicher noch auf dem Nachbarhof.
„Ein Hafner ist net für Geschirr zuständig, sondern für die Herde und Öfen“, erklärte der Großvater der Kleinen. „Aber das alles wirst du verstehen, wenn du ein bisserl älter bist.“
Als hätte die unschuldige Frage Kathrins die Stimmung der ohnehin nicht allzu oft vollzähligen Familie noch weiter gehoben, verlief der Nachmittag fröhlich und so harmonisch wie früher, als die fünf Geschwister noch Kinder gewesen waren. Irgendwann jedoch wurde es den Familienmitgliedern dann doch zu eng in der Stube. Rosi stand auf, um den einjährigen Günther frisch zu wickeln und mit ihm „Muh-Kuh“ schauen zu gehen. Irmi und die kleine Kathrin schlossen sich ihr an.
Markus tippte Rosis Ehemann Erwin auf die Schultern.
„Wolltest du dir net den Ofen anschauen, den ich oben in der Schlafkammer der Eltern gesetzt hab?“
„Freilich!“ Erwin war sofort einverstanden. „Die Rosi träumt auch von einem neuen Kachelofen. Aber ob das in unserer Wohnung oben passt?“
Markus kannte die Räumlichkeiten von Schwester und Schwager. Die Wohnung über dem Lebensmittelladen der beiden war zwar nicht allzu groß, doch er konnte sich schon vorstellen, dass dort ein Kachelofen Platz finden könnte.
„Na, ein bisserl größer müsst er bei uns schon sein“, meinte Erwin nachdenklich, als er den eher zierlichen Ofen oben begutachtete. „Der Günther und auch die Rosi … Sie sollen es schön warm haben.“
„Und du vielleicht net?“ Markus lachte verhalten. Er wusste ganz genau, wie fürsorglich Erwin für seine Familie sorgte.
„Wenn du willst, komm ich in der nächsten Woche einmal bei euch vorbei. Dann kann ich euch einen Plan zeichnen. Wie viel Platz ein Kachelofen braucht, der optimal wärmt, und was er kostet, das kann ich dir dann auch sagen“, schlug Markus vor.
„Bist ein tüchtiger Kerl, Markus“, meinte Erwin anerkennend. „Mir scheint, dir macht dein Beruf Spaß?“
„Freilich!“ Markus nickte eifrig. „Zwar wär ich noch lieber Bauer auf einem eigenen Hof, aber das muss ich mir wohl aus dem Kopf schlagen.“
„Wer weiß?“ Erwin zwinkerte dem Schwager verschmitzt zu. „Am End lernst eine reiche Bauerntochter kennen und hast sie auch noch lieb …“
„Hör auf!“ Markus grinste. „Die Reichen warten net grad auf einen armen Schlucker wie mich.“
Wie nahe Erwin jedoch dem kam, was sich schon ein paar Tage später anbahnen sollte, ahnte niemand.
Später fanden sich alle auf der Bank zusammen, die Franz Kaltenegger um den Stamm der uralten Linde gezimmert hatte. Die Kaltenegger-Kinder hatten das grüne, Schattenspendende Dach des alten Baumes von klein auf geliebt.
Gustl hatte seine Gitarre aus der Stube geholt, und wie es die Mutter sie gelehrt hatten, sangen die fünf Geschwister das Volkslied: „Unter der Linden bin i gesessen …“.
Dem Lied folgten noch andere, und so blieben sie draußen sitzen, bis es kühl zu werden begann.
***
In Himmelberg drüben läuteten die Glocken der Pfarrkirche zur letzten Maiandacht.
Susanne, die junge Sängerin des Kirchenchores, spähte von der Empore hinunter ins Kirchenschiff, wo sich fast alle Bewohner Himmelbergs versammelten.
Es sollte ja auch eine ganz besondere Messe werden, diese letzte Maiandacht des Jahres. Die Chorleiterin Helene Knapp hatte für diese Feier die schönsten und innigsten Marienlieder ausgesucht. Der Höhepunkt jedoch sollte das Solo Sannes bilden.
Nicht nur die Eltern des neunzehnjährigen Dirndls warteten auf diesen Augenblick, auch der Viehhändler Kasimir Wagner verrenkte sich fast den Hals, um wenigstens einen Blick auf Sanne werfen zu können.
Der Mann in mittleren Jahren träumte ernsthaft davon, Sanne, den „Engel von Himmelberg“, zu seiner Frau zu machen.
Seit er die bildhübsche Sanne vor vier Wochen beim Maibaum-Aufstellen gesehen und sie singen gehört hatte, dachte er nur noch an die engelhafte Schröder-Tochter. Obwohl er nicht viel für die Kirche übrig hatte, hatte er seither keine Messe ausgelassen, in der der Chor mitwirkte.
„Engel von Himmelberg“, formten auch jetzt seine Lippen. Wie gut dieser Beiname, den die Dörfler Susanne Schröder gegeben hatten, doch zu ihr passte: Nicht so sehr ihr herrlicher Sopran war es allerdings, der sie ihm so begehrenswert machte, es war vor allem ihr feines Gesicht, das weizenblonde, dichte Haar, das die klare Stirn umspielte, und die biegsame Gestalt des Dirndls, die ihn nicht mehr zu Ruhe kommen ließen. So sehr war er von Susanne angetan, dass er kaum noch an Magda Frühwirt, die junge verwitwete Gastwirtin drüben in Laming, dachte, der er schon vor einem Jahr die Ehe versprochen hatte.
Als jetzt Sanne zum „Meerstern, ich dich grüße …“, ansetzte, wäre Kasimir am liebsten aufgesprungen und auf die Empore gestürmt, um das Dirndl in seine Arme zu schließen. Doch sogar der vierschrötige, sonst eher ungehobelte Kasimir wusste, dass das unmöglich war.
Kaum jedoch war der letzte Orgelton verklungen, stürzte er auf Sannes Eltern zu.
„Ich lad euch in den ‚Gasthof zur Eiche‘ ein“, rief er ihnen entgegen. „Euch und natürlich die Susanne!“
„Ist lieb gemeint von dir, Kasimir“, gab Pankraz Schröder fast ein bisserl verlegen zurück. „Aber die Sanne geht mit Frau Knapp und den anderen Sängern in den Pfarrhof hinüber …“
„Hat der Pfarrer sie also eingeladen …“ Kasimirs Stimme klang enttäuscht und auch ein bisserl zornig.
Er hatte Ägydius Reiter, den Pfarrer, noch nie gemocht. Was blieb ihm aber anders übrig, als Susannes Eltern dennoch hinüberzuführen zum Eichenwirt?
Beim Wein kam er sofort auf seinen Plan zu sprechen, Sanne zu seiner Frau zu machen.
„Sie soll es gut haben bei mir“, versprach er, und „so eine gute Partie macht sie nimmer! Ich erwart keine Mitgift, weil ich selber Geld genug hab!“ Selbstzufrieden warf er sich in die Brust.
Pankraz’ Kiefer mahlten aufeinander. Am liebsten hätte er sofort und aus vollem Herzen seine Zustimmung gegeben. Wie oft hatte er sich gewünscht, ein Wunder möge geschehen. Ein Wunder, das ihn und den Hof rettete. Nun sah es aus, als wäre dieses Wunder tatsächlich eingetreten.
Die Bäuerin hatte ihren Kopf tief auf die Brust gesenkt. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihre junge und hübsche Tochter ausgerechnet dem reichen Viehhändler ihr Herz schenken konnte.
Kasimir war nicht nur an die Vierzig, sondern er hatte neben dem Bierbauch auch eine beginnende Glatze und war zudem als aufbrausender Mensch bekannt.
Pankraz jedoch dachte im Moment nur an die missliche Lage seines Hofes.
Ist einfach wunderbar, einen wie den Kasimir zum Schwiegersohn zu kriegen, ging es ihm durch den Kopf. Dann wär ich den größten Teil meiner Schulden los, und vielleicht könnten wir endlich die neue Scheune bauen.
Lina, Sannes Mutter, wiegte den Kopf und tat endlich den Mund auf.
„Sollten wir net zuerst mit der Susanne reden? Was meinst du, Vater?“
„Ich wird ihr schon klarmachen, dass sie einen Mann wie den Kasimir so schnell nimmer kriegt“, brummte der.
„Darauf stoßen wir an, Bauer!“
Jovial klopfte der Viehhändler Pankraz auf die Schulter, dann rief er zur Theke hin: „Wirt, bring uns einen Liter vom besten Wein!“
***
Als Lina tags darauf den uralten gemauerten Herd anheizte, schlug ihr gleich dichter, dunkler Qualm entgegen. Hustend lief die Bäuerin zum Fenster und riss es auf.