Berinshall - Das Lied der Hexe - Lilah Fox - E-Book

Berinshall - Das Lied der Hexe E-Book

Lilah Fox

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Beschreibung

Pina wird vom Nachtalben Omen wie eine Verdächtige behandelt. Obwohl er sie wegsperrt, gibt es weitere Tote an der Akademie. Und jemand, der ihr viel bedeutet, wird dabei schwer verletzt.

Dann gibt es einen Angriff von außerhalb.

(Und eine Kröte, dunkle Feen - oder zumindest deren Nachfahrinnen - und einen Dornröschenschlaf.)

"Berinshall - Das Lied der Hexe" ist der 6. Teil einer Fantasy-Serie, deren Folgen monatlich erscheinen.

1 Nixenfluch und Blutcocktails

2 Wolfsherz und Silbertinkturen

3 Krähenkind und Mondlicht

4 Feentraum und Sternentanz

5 Berinshall - Die Schwestern der Nacht

6 Berinshall - Das Lied der Hexe

7 Nefertari - Das Erbe der Toten (erscheint voraussichtlich Oktober 2018)

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Lilah Fox

Berinshall - Das Lied der Hexe

Elaria81371 München

Was bisher geschah ...

Hey,

 

also, ich weiß nicht, wie Gwen das jedes Mal gemacht hat, aber ich stelle mir einfach vor, dass ich euch eine SMS schreibe.

(Ihr habt vermutlich gemerkt, dass ich ein wenig schüchterner war im Gegensatz zu ihr und mich nicht getraut habe, euch anzusprechen. Aber natürlich weiß ich, dass ihr da seid und bin super dankbar dafür!)

 

Im letzten Teil habe ich mich an einer magischen Akademie namens "Berinshall" zurechtfinden müssen, eine rothaarige Zimmerbewohnerin namens Melancholia Schrägstrich Melanie kennengelernt, die gewissermaßen von einem Geist gestalkt wird, habe die Bekanntschaft von zwei Schwestern aus New York gemacht, die von allen anderen gemieden wurden und habe mich dabei in die eine Schwester, Sherine, verliebt.

Ein paar Gedichte später wurde ein Junge tot aufgefunden (Björn) und dann später noch ein Mädchen (Eleonore).

Jemand ist verschwunden.

Ich wurde als Verdächtige eingesperrt im Büro eines Nachtalben.

Und am Ende habe ich jemand komplett anderen geküsst.

 

 

So.

Sagt mal, habe ich das jetzt alles richtig gemacht?

 

Vielleicht fehlt noch ein Abschiedsgruß. Hm. Obwohl ihr gerade erst hier angekommen seid.

Trotzdem:

 

LG. XOXO.

1

Sieben Nächte.

Alleine, im Büro von Isaak Omen.

(Oder nicht ganz so alleine, aber das brauchte er nicht zu wissen - ich bekam gelegentlich Besuch von Erich, der mich damit triezte, dass ich trotz meiner Unschuld von allen anderen für die Schuldige gehalten wurde - und von Xavier.)

Ich hätte Xavier nicht zurück küssen sollen.

Aber nun war es geschehen und er schien zu glauben, dass ich seine Gefühle erwiderte. Was ich nicht tat, leider. Trotzdem freute ich mich darauf, ihn zu sehen - damit ich nicht nur Gespräche mit einem schadenfrohen Geist führen musste.

Hin und wieder schaute auch der Nachtalb vorbei.

Heute hatte er ein Kissen und eine Bettdecke dabei, die er mir zuwarf. »Hier«, knurrte Omen, »das ist ja nicht zu ertragen, wie Sie hier jede Nacht verbringen, Miss Morgaine. Mittlerweile müssten Sie die Farbe der Wände angenommen haben - haben Sie sogar. Sie sind so bleich, als hätten Sie einen Geist gesehen.«

Ich lächelte und hütete mich davor, ihm die Wahrheit zu verraten.

Über Erich.

Er schnalzte mit der Zunge und setzte sich auf den Stuhl hinter seinem Tisch. Dort zündete er sich eine Pfeife an und schaukelte auf den hinteren Stuhlbeinen vor und zurück. »Es sieht nicht gut für Sie aus. Seit Sie hier drinnen sind, gab es nirgendwo mehr Blutgemetzel, vergiftete Dolche oder Tote. Es scheint mir ja so, als wären Sie tatsächlich die Täterin gewesen.«

Es waren nur noch drei Nächte übrig.

Die Schule hatte wieder ihren normalen geregelten Alltag übernommen, soweit mir Xavier erzählt hatte. Der Unterricht lief wieder durchgängig, es fielen keine Stunden aus - und die Schüler wussten noch immer nicht, dass Eleonore ermordet worden war.

»Ich hoffe ja, dass tatsächlich niemandem etwas passiert«, sagte ich und massierte mir die Schläfen.

In diesem Fall konnte ich einfach nicht gewinnen. Entweder jemand würde sterben - oder ich würde, weil niemandem mehr etwas zustieß, für schuldig erklärt werden.

»Sicher.« Isaak Omen gab ein lautes »Tsss« von sich und schüttelte den Kopf. »Drei Nächte, Miss Morgaine. Aber wenn ich erfahren sollte, dass Sie doch einen Weg hinausgefunden haben, dann ... sieht alles natürlich anders aus.«

2

»Meinst du, sie hat es getan?«

Xavier hatte die Arme um mich geschlungen und wir lagen auf der Tischplatte - ich hatte die Utensilien, Akten und das Mikroskop von Omen weggeräumt und die Bettdecke drüber ausgebreitet. Wenn ich den Kopf drehte, konnte ich aus dem Fenster die Sterne über Berinshall sehen.

»Nein«, wisperte ich.

Die Hoffnung blieb, dass Sherine nichts mit alldem zu tun hatte.

Er schmunzelte und stützte seinen Kopf mit der Hand ab, betrachtete mich undurchdringlich. »Du magst sie immer noch.«

»Ich habe nie aufgehört, sie nicht zu mögen.« Auch wenn ich das für kurze Zeit erzwingen wollte, aber ... nein. Etwas in meinem Inneren sagte mir, dass all das nur meine Furcht davor gewesen war, mich ihr endgültig hinzugeben. Sherine Hyatt hatte nichts mit den Morden zu tun, nicht mit dem an Lydia Black in New York, nichts mit Björns Tod und auch nichts mit Eleonores.

Ihr Verschwinden musste einen anderen Grund haben.

»Was bin ich dann?«, fragte Xavier und hob die Augenbrauen. »Der Trostpreis? Wenn ja, ist es mir gleich.«

Ich glaubte nicht, dass es ihm gleich war. Die vielen Fragen, die er über sie stellte, das seltsame Funkeln in seinen braunen Augen, wenn er über sie sprach, all das deutete darauf hin, dass er eifersüchtig war.

»Wenn du Angst davor hast, dass sie dich für schuldig erklären in drei Tagen, dann ... könnte ich jemanden umbringen, während du hier drin bist. Na? Was hältst du von der Idee? Würdest du mich dann mehr lieben als sie?«

Seine Fingerspitzen zeichneten geschwungene Linien über meinen Nacken.

Natürlich würde ich das nicht.

Aber ich lächelte nur und nickte, weil ich nicht glaubte, dass er so etwas wirklich tun würde. In den letzten Nächten hatten wir so viel Zeit miteinander verbracht, dass ich mehr über ihn wusste, als über irgendjemanden sonst da draußen - mit Ausnahme von meinen Geschwistern.

Xavier Lefevre kam aus einem kleinen Dorf in Frankreich, Barfleur, in der Normandie. Er war am 3. Dezember geboren, hatte zwei kleinere Geschwister, beides Jungen, Julien und Noah, und war von seiner Großmutter aufgezogen worden, da seine Eltern sehr früh bei einem angeblichen Autounfall gestorben waren.

»Aber das sind sie nicht«, hatte er mir in unserer zweiten Nacht in Isaak Omens Büro erzählt, »ich habe es irgendwann herausgefunden und Großmutter zur Rede gestellt. Sie sind von Jägern hingerichtet worden. Ich bin mit dem Glauben aufgewachsen, ein normaler Junge zu sein. Bis sie mich dann in die Geheimnisse unserer Ahnen eingeweiht hat. Julien und Noah ahnen immer noch nichts davon, sie denken, ich würde auf ein Business-Internat in Norwegen gehen.«

All die Geschichten über ihn bewiesen mir nur, dass er gut war. Ich brauchte ihm nicht zu misstrauen - auch wenn jetzt gerade vermutlich jeder jedem misstraute.

»Du müsstest sehen, was da draußen los ist«, bestätigte er mir, »jeder spioniert dem anderen hinterher. Es haben sich etliche Cliquen gebildet, die den Mörder fangen wollen. Dabei hat Marlin noch beim letzten Abendessen verkündet, dass das die Aufgabe von Omen sei - und die Schüler sich aus allem heraushalten sollen.«

Er lächelte schief. »Dabei weiß die Hälfte noch nicht einmal, was mit Eleonore passiert ist. Wir beide würden zusammen bestimmt herausfinden, wer der Mörder ist.«

»Was macht dich so sicher, dass ich es nicht doch bin?«, fragte ich und schmiegte mich näher an ihn.

Er roch nach Tannennadeln, Regen und - Büchern.

»Warst du vorhin in der Bibliothek?«

»Eh, ja?« Er sah mich stirnrunzelnd an. »Hast du jemanden auf mich angesetzt? Woher weißt du das?«

Ich würde den Geruch von Büchern überall wiedererkennen. Bei uns zu Hause beherrschte er sämtliche Räume. Der Duft von Papier, Leim - und Staub.

»Kannst du mir einen Gefallen tun?«

»Jeden«, sagte er voller Ernst.

»Dann bring mir dieses Buch, es heißt ... Das Hexagon der Sinfonie. Von Herman Vallentin. Machst du das?«

»Worum geht es da?«

»Das wirst du ja dann sehen.« Ich strich ihm über die Schulter und fühlte mich miserabel, denn Erich hatte mir noch kurz nach Mitternacht vorgeworfen, dass ich Xavier ausnutzte. Und jetzt wurde mir klar, dass das stimmte.

»Natürlich.« Er griff nach meiner Hand und lächelte, schloss die Augen. Wirkte seltsam entrückt und zufrieden, weil er offenbar glaubte, dass ein klitzekleiner Teil von mir vielleicht doch seine Gefühle erwiderte.

3

»Melanie macht sich wieder Sorgen um dich«, fauchte Erich und zwirbelte sein Geisterhaar um seinen Finger.

Er trug ein altertümliches Blouson und Hosen mit Pailletten dran. Seine Miene wirkte immer missmutiger, da gleich die Sonne aufgehen würde und - somit er verschwinden.

»Dann sag ihr doch endlich, wo ich bin.«

Er hatte eine merkwürdige Obsession mit mir entwickelt. Auf der einen Seite blieb er ständig bei mir, auf der anderen ärgerte er sich darüber, dass er bei mir war. Dabei hatte ich ihn doch nicht hergebeten!

»Und dann? Dann würde sie sich bestimmt in Gefahr begeben, um mit dir zu sprechen! Auf keinen Fall. Zu ihrer eigenen Sicherheit sind meine Lippen versiegelt. Was würden ihre Eltern sagen, wenn sie mich zu ihrem Schutze hergeschickt haben - und am Ende ihre Tochter vergiftet und ermordet irgendwo in einer Besenkammer liegt! Zum Glück bin ich ja schon tot, aber ... was, wenn sie mich zur Strafe für immer in den Kristall sperren? Was dann? Hast du das schon mal bedacht?«

Ich starrte das Mikroskop genervt an, das ich wieder auf den Tisch gestellt hatte.

Ich wünschte, ich hätte irgendetwas damit untersuchen können. Etwas Sinnvolles tun. Statt hier eingesperrt und nutzlos zu sitzen und mit einem Geist zu diskutieren.

»Außerdem bin ich auch nicht dein Diener oder Bote, der durch Wände rennt und anderen eine Nachricht überbringt.« Er rümpfte die kleine spitze Nase. »Was guckst du da so? Hm? Hat der Jakobiner etwas vergessen?«

Ich schüttelte den Kopf und unterdrückte ein Grinsen, da Erich Xavier gerne als Robespierrist, Jakobiner oder Napoleon Bonaparte bezeichnete - nur weil er Franzose war.

»Vielleicht seine Würde?«, fügte er mit hochgezogener Augenbraue hinzu.

Ich achtete nicht auf seine Worte, in denen er mich mal wieder dafür tadelte, dass Frauen zu seiner Zeit den Männern gegenüber unterwürfig zu sein hatten - und nicht andersherum, wie bei Xavier und mir.

»Warte.«

»Wie warte ... ich bin nur hier, weil ich Mitleid mit dir habe und Melanie das von mir verlangen würde, wenn sie wüsste, wo du bist - aber du kannst mich nicht herumkommandieren. Ich bin immer noch mein eigener Geist.«

»Trotzdem können sie dich jederzeit wieder wegsperren«, erwiderte ich, »und du erfüllst auch keine Wünsche wie manche anderen Hausgeister. Also, warum mögen dich noch mal die Flickenheims so sehr?«

Er zog empört den Atem ein, wirbelte herum und setzte sich schmollend auf die Fensterbank.

Endlich war er still. Denn nun konnte ich mich genauer auf das konzentrieren, was mir so sehr ins Auge gestochen war.

Eine Haarsträhne.

Die auf dem bronzenen Griff des Dolchs klebte. (Den Isaak Omen, als wollte er mich quälen, einfach dort auf dem Tisch zurückgelassen hatte.) Warum war diese Haarsträhne ihm vor einigen Tagen nicht aufgefallen? Es war ... silbernes Haar. Wie das von -

»Amunet«, wisperte ich.

»Ja, ich wäre viel lieber mit einem Amulett verbunden gewesen«, sagte Erich und seufzte. »Dann hätte Melanie mich immer um ihren Hals tragen können - und sie hätte mich nie verloren.«

4

Mittags brachte mir der Nachtalb immer etwas zu essen, daher wartete ich, bis die Sonne den Raum durchflutete und ich sah, wie die Türklinke heruntergedrückt wurde. Ich setzte mich gerade hin und bereitete mich darauf vor, ihm von meinem Fund zu berichten.

Doch dazu kam es nicht.

Isaak Omen hatte diesmal kein extra für mich zubereitetes Tablett mit irgendeinem schwer verdaulichen Essen für mich dabei. Nein. Er war in Blut getaucht, sein Hemd war oben aufgeknöpft, die Ärmel hochgekrempelt.

Er trat nicht ein.

Er rannte herein.

Die Tür knallte gegen die Wand und ich zuckte zusammen.

Er packte meine Schultern, presste mich gegen die Stuhllehne und fauchte: »Wie hast du das getan?«

»Was denn?«

Was war geschehen? War wieder jemand getötet worden? Wer?

»Drei«, presste er atemlos hervor und fluchte, taumelte zurück - und sah mich an, als würde er sich nun vor mir fürchten.

»Drei was?«

Ich ballte die Hände zusammen und zitterte. Dieser Blick, mit dem er mich musterte, machte mir Angst. »Ich bin die ganze Zeit hier gewesen.«

Isaak Omen sank in sich zusammen, fiel auf seinen Stuhl und presste seine Finger auf seinen Nasenrücken, als hätte er Kopfschmerzen. »Das bist du nicht. Du lügst.«

»Doch.«

Mit der Hand fing er leise an, aufzuzählen: »Björn Holmberg. Eleonore Allaire. Und nun ... Fiona Peddelham. Sofia Fatim. Xavier Lefevre.«

Als er Xaviers Namen sagte, schauderte ich. Warum nannte er seinen Namen mit den anderen? Mit den Ermordeten zusammen? Bedeutete das, dass er ... Nein. Nein.

Ich presste mir die Hand vor den Mund und versuchte, nicht zu weinen.

»Was ist mit den dreien?«, fragte ich mit zittriger Stimme.

»Das weißt du doch schon. DU hast sie erlegt. DU und deine Sippe.«

Er schlug mit der Faust auf die Tischplatte, sodass das Mikroskop zur Seite kippte.

»Nein.«

Ich glaubte, keine Luft mehr zu bekommen. Ich rannte zum Fenster und öffnete es weit - die Sonnenstrahlen drohten, mich zu verbrennen. Fühlten sich Dämonen so ähnlich, wenn sie tagsüber ihre dunklen schattigen Heime verließen und auf die Straße gingen? Es war so heiß und stickig in diesem kleinen verfluchten Zimmer.

»Noch vor wenigen Tagen hast du dich mit Xavier Lefevre im Wald herumgetrieben und jetzt -« Der Nachtalb presste die Lippen zusammen und sah mich eisig an. »Wir hätten hier viel früher Schluss machen müssen - ich habe bereits eine Nachricht ans Dezernat geschickt. In den nächsten Tagen werden meine Kollegen hier eintreffen - und dann wird diese Bude hier vorerst dicht gemacht. Und du kommst zu deinem missratenen Bruder ins Phönix-Institut.«

»Ist ihm etwas geschehen?«, flüsterte ich.

Obwohl ich es längst begriffen hatte. Das viele Blut. Die Wut in den Augen von Isaak Omen. Nein, da war nicht nur Wut. Er hasste mich, abgrundtief. Dabei hatte ich alles getan, was er von mir verlangt hatte.

Er lächelte bitter, schüttelte den Kopf und beugte sich über den Tisch zu mir vor. »Ob ihm etwas geschehen ist, fragst du ... Dann komm. Ich zeige es dir. Obwohl du es ja ohnehin schon weißt.«

Er schoss von seinem Stuhl hoch und kam um den Tisch herum, packte mich am Arm und zerrte mich aus dem Büro.

Der Griff um meinen Arm schmerzte.

Ich versuchte, mich loszureißen, aber der Nachtalb hatte keine Gnade mit mir.

Auf den Fluren war es totenstill. Alle Schüler schienen sich in ihre Kammern begeben zu haben. Noch nicht einmal Lehrer waren zu sehen. Nur einige Staubflocken tänzelten durchs Sonnenlicht, das durch die bunten Fenster ins Innere der Akademie strömte.

»Bitte«, wisperte ich.

Ich will ihn nicht sehen. Nicht so.

»Jetzt komm«, knurrte er und zog mich weiter, stieß mich dann durch die Tür, die in die Bibliothek führte.

Die Bibliothek.

Oh.

Das Buch, um das ich ihn gebeten hatte.

Isaak Omen führte mich an den Regalen vorbei, schubste mich weiter und hielt dann vor einem Tisch inne, auf dem einige aufgeklappte Bücher und Taschen lagen, als hätten die Schüler schnell, ohne ihre Sachen zu packen, das Weite gesucht.

»GEH DA DURCH«, befahl er mir.

»Nein«, widersprach ich und schloss die Augen, um es nicht sehen zu müssen.

Denn riechen konnte ich es bereits. Etwas, das nicht mehr wie Regen oder Tannenzapfen roch, wie Bücher, sondern nach heißem, getrocknetem Blut - nach Moder und Tod.

»Jetzt schau hin.« Der Nachtalb klammerte seine Hand wieder um meinen Arm und zerrte mich mit, bis zu einem Regal mit dem Buchstaben V.

Wie Herman Vallentin.

Das Buch, das er für mich besorgen sollte, lag aufgeschlagen auf dem Boden. Die Seiten waren mit Blut bespritzt.

Und Xavier ...

»Bitte nicht!« Ich schluchzte laut auf und versuchte, wegzulaufen, aber Isaak Omen ließ mich nicht los. Er beobachtete mich nur ungerührt - als würde er denken, dass ich schauspielerte.

Noch gestern Nacht hatte er gesagt: Wenn du Angst davor hast, dass sie dich für schuldig erklären in drei Tagen, dann ... könnte ich jemanden umbringen, während du hier drin bist ...

Dabei war er es nun, dem etwas geschehen war.

Haare so schwarz wie Ebenholz,

Haut so weiß wie Schnee

und Lippen so rot wie Blut.

Nur dass das Blut tatsächlich da war, es sickerte durch seine Brust, tropfte auf den Holzboden. Seine Augen waren offen, blickten ins Leere - oder zu mir. Auch sie waren blutunterlaufen. Was hatte er zum Schluss gesehen?

WEN?

»Ich hätte ihm niemals etwas getan«, flüsterte ich, »bitte, glauben Sie mir. Auf dem Dolch, auf der Klinge, da klebte ... das Haar von Amunet Hyatt.«

Isaak Omen schnaubte und ein groteskes Lächeln umspielte seine Lippen. »Bei all meiner Verachtung den Hyatt-Schwestern gegenüber, Miss Morgaine, das glaube ich nicht. Ihr Bruder hat den Sohn der Ravensteins auf dem Gewissen - und SIE scheinen auch nicht viel anders zu sein. Die Morgaines sollten wir wohl alle im Auge behalten, hm? Ob Ihre Sirenen-Schwester auch schon jemanden auf dem Gewissen hat?«

»Ich habe das nicht getan«, wiederholte ich - und verlor das Gleichgewicht, fiel auf den Boden. Meine Hände berührten versehentlich Xaviers Blut. Es war kalt und klebrig, ich versuchte, es schnell abzuwischen, doch dabei schmierte ich alles nur auf meinen Umhang.

Seine kleinen Brüder. Die in Barfleur auf ihn warteten. Die nichts von ihrem Hexensein wussten. Die ihre Eltern verloren hatten ...

»Ich habe das nicht getan.«