Nixenfluch und Blutcocktails - Lilah Fox - E-Book

Nixenfluch und Blutcocktails E-Book

Lilah Fox

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Beschreibung

Gwen ist 19 Jahre alt und war noch nie verliebt.

Bis ihr eines Tages ein unerhört gutaussehender Junge begegnet, von dem sie nicht ahnt, dass er nicht nur übersinnliche, sondern auch adelige Vorfahren hat.

Und plötzlich gerät sie in einen Strudel, der alles in ihrem Leben verändert.

"Nixenfluch und Blutcocktails" ist der Anfang einer Fantasy-Serie, deren Folgen monatlich erscheinen.

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Lilah Fox

Nixenfluch und Blutcocktails

Elaria81371 München

1

Mein Leben veränderte sich von einem Moment auf den nächsten.

Aber es fing alles ganz banal an der Bushaltestelle an.

Mein Seminar in Literaturgeschichte war gerade vorüber, ich saß im Bushäuschen und es regnete in Strömen. Die Welt wirkte wie ausgestorben. Es war spätabends.

Da fuhr ein Bus an mir vorüber.

Auf einem Fensterplatz saß er.

Er bemerkte mich gar nicht. Für ihn war ich nur ein Fleck in der Landschaft.

Aber ich sah ihn sofort.

Drei Sekunden, dann war er schon weg. Mit dem Bus davongefahren.

Drei Sekunden, in denen ich alles in meinem Leben in Frage stellte.

Warum, fragt ihr euch bestimmt?

Was war an diesem Jungen so besonders?

Er war der schönste Mensch, den ich je gesehen hatte. Ihn umgab eine Aura, die ich sogar aus der Ferne beinahe greifen konnte. Er schimmerte, glühte, leuchtete. Seine Haare waren hell, beinahe silbrig, seine Augen jedoch schwarz wie die Nacht. Er trug ein Parka, einen Rucksack und Kopfhörer.

Vielleicht hatte ich es da schon geahnt, dass er anders war. Dass er nicht menschlich war.

Aber diese Erkenntnis kam viel später.

Hier in diesem Moment, geschützt vor dem Regen unter dem Dach des Bushäuschens, dachte ich nur daran, dass irgendetwas in mir drinnen sich verändert hatte.

Dass ich alles dafür tun musste, diesen Jungen kennenzulernen.

2

Ein paar weitere Informationen zu mir:

Mein Name ist Gwen.

Ich war neunzehn Jahre alt, als alles passierte.

Hatte gerade das Abi bestanden, mit einer allzu mittelmäßigen Note, über die ich nicht gerne sprach. (Was hauptsächlich daran lag, dass ich mündlich kaum mitgemacht hatte.) Dazu kam, dass ich noch nie einen Freund hatte. Das Mauerblümchen, das hässliche Entlein. Ich fand mich nicht besonders hübsch. Meine Haare standen immer zu weit ab, waren fransig und trocken, meine Haut hatte noch mit den Nachwirkungen meiner Akne mit fünfzehn zu kämpfen und wenn ich mich schminkte, zerlief immer die Mascara, weil ich so tränende Augen hatte. Ich war klein, mager und unscheinbar.

Vielleicht lag es daran, dass mich sein Anblick derart faszinierte.

Wenn ich erfahrener gewesen wäre, wäre er mir vielleicht gar nicht aufgefallen.

Aber das tat er.

3

»Wo bist du denn mit deinen Gedanken unterwegs?« Maren fuchtelte mit ihrer Arbeitsmappe vor meinem Gesicht herum.

Wir wohnten zusammen in einer WG.

Ich war hauptsächlich für das Staubsaugen, das Geschirrspülen und die Wäsche zuständig - und überhaupt für den restlichen Haushalt. Ich konnte nicht Nein sagen, das war das Problem.

»Hallo? Erde an Gwen.«

»Ich mach ja schon«, murmelte ich.

»Nicht in diesem Ton, junge Dame.« Maren war zwar nur drei Jahre älter als ich, doch sie sprach mit mir, als würde sie bereits Rente erhalten. »Du hast da was übersehen. Da, siehst du? Mach das weg. Ich will dir ja nur helfen, bevor Lea heimkommt.«

Lea war die Bösartigkeit in Person.

Wenn es da draußen tatsächlich einen Gott gab, machte er um sie sicherlich einen großen Bogen. Luzifer ebenso. Sie verkörperte sämtliche Klischees aus sämtlichen Hollywood-Teenager-Schmonzetten und trieb sie auf die Spitze. Und dazu war sie wunderschön. Ihre Beine gingen mir bis zum Kinn und ihre langen Haare reichten von einer Seite des Badezimmerbodens bis zur anderen (jedenfalls wenn sie sie kämmte und sie dort liegen ließ).

»Sag mal, Maren ...«

Obwohl sie immer so großmütterlich streng mit mir redete, konnte ich mich ihr mit allem anvertrauen. Sie war niemand, der alles gleich weiter erzählte. Eigentlich war sie sogar zu einer meiner besten Freundinnen geworden (wenn nicht sogar zu der einzigen, denn andere hatte ich nicht).

»Hm?«

»Was würdest du tun, wenn du ... jemanden ... siehst?«

»Hä?«

Maren wickelte sich eine Strähne ihres rotblondes Haares um den Finger und blätterte in ihrem Biologiebuch weiter. »Kannst du dich mal deutlicher ausdrücken, Madame?«

»Ich habe ... ein ... Bus ... und da ...«

Atemlos schrubbte ich den Dielenboden und kniff die Augen zusammen.

Einatmen. Ausatmen. Du kannst normal sprechen, Gwen. Mach dir keinen Kopf. (Und doch machte ich mir einen Kopf, einen viel zu großen sogar, auch wenn mein Therapeut meinte, dass er doch normal groß sei.)

»Hast du eine Panikattacke?«, fragte Maren mit nun wesentlich zärtlicherer Stimme.

Sie wusste von meinen Problemen damit: 1. Fremde Menschen anzusprechen. 2. Aus dem Haus zu gehen. 3. Referate zu halten.

Aber ohne Referate zu halten, schaffte man heutzutage kein geisteswissenschaftliches Studium mehr und aus diesem Grund besuchte ich seit meinem Umzug nach Hamburg einen teuren Therapeuten. Bisher hatte er mir die progressive Muskelentspannung beigebracht, mich hinausgeschickt, damit ich anderen Leuten auf den Geist gehe, mich dazu gebracht, mein Studium nicht abzubrechen. Guter Therapeut, immerhin. Herr Zaunsänger.

»Setz dich, ich hol dir ein Glas Wasser.«

Maren sprang von der Couch hoch, die schon in der WG stand, als ich hier eingezogen war. Sie stand offenbar schon seit dreißig Jahren hier und hatte Hunderte von WG-Bewohnern überlebt.

Nachdem Maren mit dem Glas Wasser aus der Küche kam und mich dazu zwang, es auszutrinken, brachte ich endlich den Satz heraus: »Ich habe jemanden gesehen. Im Bus.«

»Hm. Das ist nicht besonders verwunderlich«, sagte Maren und zuckte mit den Achseln. »Es fahren auch andere mit dem Bus, nicht nur du.«

»Nein, aber jemanden.«

»Einen Serienkiller?«, fragte sie und klang hoffnungsvoll. Maren war total besessen von Krimis, Sendungen über Mörder und grundsätzlich allem, was irgendwie gefährlich sein könnte.

Ein bisschen hätte mir das ja Angst machen sollen, aber ... na ja ... sie war halt so schräg.

»Einen Jungen«, flüsterte ich.

»Einen Jungen«, wiederholte Maren und rollte die Augen. »Ja, diese Spezies läuft auch frei bei uns herum. Was war das denn für ein Exemplar, das dich so außer Atem bringt?«

»Er sah aus wie ... wie ein griechischer Gott ...«

Jap. Ich war da noch sehr naiv. Aber bitte seht darüber hinweg. Ich werde mich noch ändern.

»Ein griechischer Gott«, wiederholte Maren erneut und prustete. »Tja ...«

Dass er kein griechischer Gott war, sondern eher ein PRINZ, das konnte ich damals noch nicht wissen.

»Dann sprich ihn doch das nächste Mal einfach an«, sagte Maren und grinste. »Tipp ihm auf die Schulter und rede mit ihm.«

Ich sah sie an, als hätte sie gerade von mir verlangt, jemanden umzubringen.

»Gwen ...« Sie seufzte und kniff mir in die Wange, wie man es wohl eher bei einem kleinen Kind tun würde. »Probier es mal. Und wenn es nicht klappt, dann ist er es gar nicht wert.«

4

Am nächsten Tag ließ ich extra mein Tutorium ausfallen, um rechtzeitig den passenden Bus zu erwischen, aber diesmal war der Junge nicht da. Am übernächsten Tag probierte ich es erneut und immer so weiter. Jedes Mal mit der Hoffnung, ihn wiederzusehen.

Vielleicht war er nur ein einziges Mal mit dem Bus gefahren.

Vielleicht kam er aus einer anderen Stadt.

Vielleicht hatte ich ihn mir nur eingebildet.

Ihn mir herbei geträumt.

Irgendwann wurde es beinahe zur Gewohnheit. Um 17 Uhr 21 den Bus zu nehmen, in dem ich ihn gesehen hatte. Drei Stationen weiterfahren und dann wieder aussteigen und zurücklaufen. Beinahe hatte ich vergessen, warum ich das tat. Es war einfach nur ein weiterer Teil meiner abendlichen Routine, kurz vor dem Nachhausefahren.

Ich vergaß ihn.

Ich vergaß, was für ein Gefühl er in mir ausgelöst hatte.

Bis dann alles viel zu schnell ging ...

 

5

Seid ihr schon einmal verliebt gewesen?

Ich war es bis dato nicht.

Ich wusste nicht, dass alle Farben plötzlich leuchtender wurden, dass plötzlich alle anderen Personen in den Schatten traten und nur diese eine Person euer Sichtfeld einnimmt. Dass nur ein Blick des Jungen dafür sorgen kann, dass du auf der einen Seite schreien und auf der anderen lachen und weinen willst. Dass es in deinem Körper physikalische Vorgänge gibt, die du nicht mehr kontrollieren kannst. Dir wird heiß, dir wird kalt, es kribbelt überall, dein Mund fühlt sich trocken an, du fühlst dich magnetisch zu ihm hingezogen. Du versinkst in seinen Augen, dein Herz schlägt schneller, wenn er dich anlächelt, du drehst jedes Wort dreimal in deinem Kopf herum, damit du ja auch nichts Falsches sagst und du kannst an nix und niemanden mehr denken als an ihn.

Bis zu diesem Moment, als er sich im Bus neben mich setzte, war er nur eine Erscheinung.

Eine Idee.

Eine irrwitzige Verliebtheit einer jungfräulichen Studentin.

Er sah mich wieder nicht.

Für ihn war ich nur Teil der Szenerie im Bus.

Ein Möbelstück.

Ein Mensch.

Uninteressant.

Aber ich schnappte nach Luft, zuckte zusammen und blinzelte mehrmals. Konnte das wirklich sein? Saß er gerade ernsthaft neben mir? ER? Aus der Nähe betrachtet war er noch perfekter, er hatte glatte beinahe verwaschene Haut. Er roch nach ... Tannennadeln und ... etwas Metallischem. Er tippte auf seinem Handy herum und bemerkte mich nicht. Hob nur kurz den Kopf und runzelte die Stirn, als würde ihn etwas im Bus irritieren.

Was sagt man zu jemandem, den man gar nicht kennt, aber den man gerne unbedingt kennenlernen will? Und der dazu, wohlgemerkt, kein Mensch ist und sich für menschliche Belange eigentlich so gar nicht interessiert? (Bis auf ihr Blut?)

Hallo?

Hi, mein Name ist Gwen?

Bist du vom Himmel gefallen?

Ich kenne dich nicht, aber ich bin irgendwie seit Wochen besessen von dir und stalke deinem Bus hinterher?

Sag etwas, egal was, denn sonst wirst du ihn vielleicht nie wiedersehen und dann? Dann wirst du es dein Leben lang bereuen.

Denn ich bezweifelte, dass jemals wieder jemand so etwas in mir auslösen würde.

6

Doch ich musste gar nichts sagen.

Denn unwillkürlich beugte er sich zu mir vor und flüsterte: »Du solltest das mal kontrollieren lassen.«

»Hm?«, quietschte ich. Ja. Wirklich. Ich QUIETSCHTE. Wie ein lederner Stuhl, auf den man sich setzt.

»Deinen Puls. Der ist viel zu schnell.«

Meine Antwort würde ich euch lieber verschweigen, denn sie ging in Richtung »hmdspf«.

Wo, wie, warum weiß er, wie schnell mein Herz schlägt?Ist es so laut?

Ich dachte, nur ich kann es hören.

»180«, sagte er und schüttelte den Kopf, immer noch, ohne mich anzusehen. »Das solltest du wirklich medizinisch untersuchen lassen.«

»Hm, äh, okay.«

Er setzte seine Kopfhörer wieder auf und lehnte sich auf seinem Sitz zurück.

Seine Hand war nur Millimeter von meiner entfernt.

Ich hätte nur meinen Zeigefinger ausstrecken müssen, um ihn zu berühren.

Es kostete mich wahrlich eine unheimliche Kontrolle, um es nicht zu tun. Um ihn nicht wenigstens kurz zu streifen. Ihn zu berühren. Daher knotete ich meine Hände ineinander und starrte auf meine Schuhe.

Er hat mit mir gesprochen.

Ich bin nicht unsichtbar.

Eigentlich hätte ich jetzt wieder aussteigen müssen. Drei Stationen. Und zurücklaufen. Aber das tat ich nicht. Ich saß wie festgewachsen auf meinem Sitz, betrachtete ihn aus dem Augenwinkel und fragte mich, wie er hieß. Er sah aus, als hätte er einen komplizierten altertümlichen eleganten Namen. So etwas wie Jeremiah. Oder Jesaiah. Oder Justinian.

Bitte fragt mich nicht, was ich für einen Fetisch mit dem Anfangsbuchstaben J habe.

Dazu starrte ich auf sein Handy und fragte mich, wie ich wohl an die Nummer kommen könnte.

Ob er wohl WhatsApp hatte?

Was für eine blöde Frage, jeder hatte WhatsApp.

Vermutlich sogar griechische Götter und Vampire und Vampirprinzen.

Ich lugte immer wieder auf sein Handy und stellte fest: Jap. Er schrieb Nachrichten an andere, wenn auch mit wesentlich weniger Emojis, als ich das tat. Für mich war es einfacher, einfach auf Bilder zu klicken, um den anderen in meinem Verwandtenkreis zu sagen, wie ich mich fühlte, anstatt es echt ausdrücken zu müssen. Sprachnachrichten waren für mich der Horror. Aber Smileys, dahinter konnte man sich gut verstecken.

Nach etwa einer weiteren Viertelstunde zog er endlich wieder die Kopfhörer aus den Ohren und sah sich verwirrt im Bus um.

Auch ich sah mich um.

Oh.

Es war niemand mehr drinnen.

Bis auf uns beide.

Zum ersten Mal sah er mich mit seinen stechend schwarzen Augen an. Es war kein freundlicher Blick. »Hast du deine Station verpasst?«, fragte er fast schon feindselig.

»Ähm ... ja ... oder nein ...«

»Normalerweise ist der Bus zu dieser Zeit immer leer«, sagte er langsam. »Also ...«

Ich sah auf die Anzeige und mich durchfuhr ein Schaudern. Wie lange waren wir nun schon gefahren? Wir befanden uns außerhalb von Hamburg, irgendwo an einem Ort, dessen Namen ich noch nicht einmal kannte, weil ich eigentlich aus einem kleinen Dörfchen in Rheinland-Pfalz stammte und Hamburg mir immer noch vorkam wie eine viel zu weite Metropole.

»Ich bin neu hier«, stammelte ich.