Besessenheit - Gabriele Kluge - E-Book

Besessenheit E-Book

Gabriele Kluge

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Beschreibung

Dies ist die Geschichte von Marlis, die Johannes Nössel, den Protagonisten aus "Königskinder" mit einer Lüge in eine von ihm ungewollte Ehe lockt. Er entzieht sich ihr aber, indem er seine Tätigkeit im europäischen Ausland nicht aufgibt. Durch Zufall erfährt sie von der unerfüllten Liebe ihres Mannes zu Editha, die hinter dem Eisernen Vorhang mit ihrem gemeinsamen Sohn gefangen ist. Immer wieder versucht Marlis, Johannes an sich zu binden, bis er die Wahrheit über die angebliche Schwangerschaft, die der Grund für ihn war, diese Ehe einzugehen, erfährt und sich umgehend von Marlis trennt. Marlis Liebe wandelt sich nun langsam, aber unaufhaltsam hin zu Hass. Sie stalkt ihn und macht ihn das Leben dadurch mitunter schwer. Als sie allerdings erfährt, dass diese Editha nach der Grenzöffnung 1989 zwischen Ost und West nach Wien gezogen war, damit Johannes und sie nun als glückliches Paar ihre Liebe genießen können, wird ihr Hass zur Besessenheit. Sie versucht alles, um das Glück der beiden zu verhindern oder zu zerstören. Es gelingt ihr aber nicht. Sie überschreitet alle Grenzen und auch diverse Kontaktverbote können sie nicht aufhalten. Auch wenn diese Attacken von ihr Johannes und Editha stark unter Druck setzen, halten sie zusammen. Als Marlis aber auch den Tod von Johannes billigend in Kauf nimmt, indem sie einen Verkehrsunfall provoziert, ist Editha am Ende ihrer Nerven und zieht sich für eine gewisse Zeit in ihre Heimat, nach Deutschland zurück. Dort erfährt sie, dass auf Johannes und seinem Freund ein Mordanschlag verübt wurde. Durch die Zeugenaussagen und der polizeilichen Bekanntheit von Marlis, kann sie bald, ausgerechnet in Deutschland gefasst werde. Dem Happy End von Johannes und Editha steht nun endlich nichts mehr im Weg.

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Gabriele Kluge

„Besessenheit“

Gabriele Kluge

Besessenheit

Roman

Impressum

Texte: © 2024 Copyright by

Gabriele Kluge

Umschlag: ©2024 Copyright by

Gabriele Kluge unter Verwendung eines Fotos von pixabay

Verantwortlich für den Inhalt:

Gabriele Kluge

[email protected]

Druck: ebubli – ein Service derNeopubli GmbH, Berlin

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Prolog

Marlissaß im Café Mertens in der Wiener Innenstadt und wartete. Ihre sorgfältig manikürten Finger trommelten ohne ihr Zutun auf der Tischplatte. Ihr Körper war verspannt und steif. Sie konnte nicht lockerlassen. Heute würde sie ihn endlich kennenlernen, ihn, auf den sie schon solange ein Auge geworfen hatte. Schon als sie ihn das erste Mal gesehen hatte, sie waren beide zum Mittagessen im gleichen Restaurant, war ihr klar, dass er es war, den sie wollte. Ihr Begehren war sofort unkontrollierbar in ihr entflammt. Sie hatte ihn dann öfter dort gesehen, bis er eines Tages nicht mehr auftauchte. Erst nach einigen Wochen erschien er wieder zur gleichen Zeit beim Mittagessen. Sie verlor keine Zeit mehr und startete ihr kleines Arrangement, dass bei achtzig von einhundert Männern funktionierte. Sie rempelte ihn einfach von hinten an und ließ dabei ihre Einkauftasche fallen. Der junge Mann sah sich erschrocken um, entschuldigte sich tausendmal bei ihr und natürlich half er, ihren Einkauf wieder in die Tasche zu verstauen. Naja, der Rest war ein Kinderspiel. Sie hatte zwar mehr Mühe als gedacht, die Aufmerksamkeit für sie bei ihm hochzuhalten, aber sie wusste genau, wie sie vorgehen musste. Nach ein paar Minuten hatte sie ihn so weit, dass er sie endlich zu einer Tasse Kaffee einlud, sie aber mit außerordentlichem Bedauern ablehnte, weil sie leider so gar keine Zeit hatte. Ihre Mutter brauchte sie usw. Allerdings sorgte sie auch dafür, dass er gar nicht anders konnte, als ihre Einladung für zwei Tage später anzunehmen. Und nun war es gleich so weit. Auf ihrer Armbanduhr waren noch 5 Minuten Zeit. Sie stand auf, nahm ihre Handtasche und begab sich auf die Toilette. Ein kleines Restrisiko blieb natürlich. Wenn sie dann in ca. sechs Minuten wieder rauskommen würde, hoffte sie, dass er da war.

Sie hatte sich nicht in ihm getäuscht. Als sie die Toilette verließ und den Gastraum wieder betrat, war ihr Angebeteter gerade dabei, sich an einem Tisch für zwei Personen am Fenster zu setzten. Sie trat zu ihm und entschuldigte sich für ihr Zuspätkommen. Er stand auf, ließ sie Platz nehmen und meinte selbstverständlich, dass er sicher etwas zu früh war. Es lief alles, wie sie es sich vorgestellt hatte. Er stellte sich ihr als Johannes Nössel vor. „Angenehm, mein Name ist Marlis Riener“. Nun konnte das Spiel beginnen.

Kapitel 1

„Dererste Eindruck ist ja so wichtig. Oder was denkt ihr?“ Mit Johannes hatte ich einen Mann vor mir, der es offensichtlich nicht auf ein schnelles Abenteuer anlegte. Das Treffen plätscherte so dahin. Aus seiner Richtung kam so gut wie nichts, worauf ich hätte aufbauen können. Er war höflich, nicht unfreundlich, aber total unpersönlich und schien absolut nicht an mir interessiert zu sein. Also unterließ auch ich es, mit ihm zu flirten, was sonst eigentlich der sicherste Weg ins Bett eines Mannes war. Auf meine Frage, was er beruflich mache, antwortete er, dass er in einer Spezialbaufirma arbeite. Mehr nicht. Auf die Retourfrage an mich antwortete ich dann also auch nur, dass ich in einem Reisebüro arbeitete. Für mich war es richtig anstrengend, das Gespräch am Laufen zu halten, ehe wir wegen fehlender Gesprächsthemen wieder getrennte Wege gehen würden. Ich ließ also ganz nebenbei einfließen, dass ich schon sehr lange nicht mehr mit einem Mann verabredet war, weil ich ein gebranntes Kind sei. Da hatte ich wohl einen Nerv getroffen.

„Inwiefern ein gebranntes Kind?“ fragte er.

Na endlich, da hatte ich den Faden, an den ich anknüpfen konnte. Ich erzählte ihm also die Geschichte meiner angeblichen letzten Liebe, an die ich so fest geglaubt hatte, aber dann doch wieder verlassen worden war.

„Aber ich kann ja nun auch nicht bis an mein Lebensende um den einen trauern. Es muss doch auch für mich den Richtigen geben“ ließ ich ihn als Entschuldigung, dass ich nun mit ihm hier im Café saß, wissen.

Sein Blick wurde plötzlich leer. Er sah aus dem Fenster und ich glaubte schon, dass ich nun doch einen entscheidenden Fehler gemacht hätte. Ich nahm also einen kleinen Schluck aus meiner Tasse und wartete ab. Als er sich mir wieder zuwandte, sah er gequält aus. Seine Augen blickten traurig, auch wenn er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. Ich legte meine Hand auf seinen Unterarm und sagte mit allem Verständnis, das ich aufbringen konnte:

„Es tut mir leid, das hätte ich nicht sagen sollen. Jeder muss sein eigenes Päckchen tragen, aber es tut einfach gut, auch mal über ein Problem zu reden, mit dem man nicht allein klarkommt.“ Dabei sah ich ihm tief in seine blauen Augen, die mich von Anfang an fasziniert hatten.

Johannes zog seinen Arm nicht weg und ich ließ meine Hand dort liegen. Gedankenverloren antwortete er darauf:

„Sie haben Recht. Und das Leben muss ja auch weitergehen.“

Im weiteren Verlauf erfuhr ich dann noch, dass er Single war, Urlaub hatte und ansonsten auf Montage in ganz Europa arbeitete. Ich hatte mich also nicht in ihm getäuscht, er war gutaussehend, stand wirtschaftlich auf sehr stabilen Beinen und hatte gerade eine große Enttäuschung hinter sich. Darüber wollte er aber auch partout nicht reden. Ich fand auch, dass er es nicht musste, es interessierte mich nicht. Mir war nur wichtig, dass ich jetzt wusste, wie ich ihn für mich gewinnen konnte. Verständnis und Geduld, mehr brauchte es nicht. Nur der Umstand, dass Johannes nur noch siebzehn Tage in Wien sein würde und dann wieder nach Bukarest müsse, wo er vermutlich bis Weihnachten bleiben würde, beunruhigte mich. Zeit war ein wichtiger Faktor.

Ich verhielt mich ihm gegenüber so, dass er annehmen musste, er half mir, wenn er mir zuhörte und ich fand offensichtlich genau den richtigen Ton. Ich jammerte nicht, aber ließ durchaus durchblicken, dass es so wehtat, dass ich so dankbar war, in ihm jemanden gefunden zu haben, der mich versteht. Er sagte ganz aufrichtig und in seiner Stimme lag so viel Melancholie, dass ich fast selbst traurig geworden wäre:

„Ich weiß, was Sie empfinden. Ich glaube aber, Sie sind stark genug, Sie werden es schaffen. Und dann tut es auch nicht mehr weh.“

„Ich hoffe, Sie haben recht“ antwortete ich.

Und nun kam mein nächster Schritt. Ich sagte ihm leise, dass es viel schneller gehen würde, wenn ich ihn öfter sehen könnte.

„Wenn ich mit Ihnen über das alles rede, fällt es mir schon nicht mehr ganz so schwer. Aber naja, ist auch in Ordnung, wenn sie das nicht wollen. Selbst meine Freundinnen meiden mich, weil sie es eben nicht nachvollziehen können. Die sind alle glücklich in ihren Beziehungen und da stört mein Unglück nur.“

Seine Antwort kam zögerlich, aber er sprach seinen Satz zu Ende: „Marlis, ich kann ihnen vermutlich nicht wirklich helfen, aber sie haben recht, manchmal hilft es einem schon, wenn man reden kann. Wenn sie wollen, können wir uns ja nächste Woche wiedersehen. Vielleicht gehen wir dann ins Kino oder so. Dann kommen wir beide auf andere Gedanken.“

„Ja, das wäre wunderbar. Wie wäre es mit übermorgen? Oder ist Ihnen das zu früh? Naja, geht natürlich auch nächste Woche.“

Ich ließ die Stimme ein wenig bedauernd klingen, nachdem ich zuerst voll begeistert war. Auch dieser Trick funktioniert fast immer. Johannes war viel zu einfühlsam, als dass er mich so abspeisen wollte. Also verabredeten wir uns für den übernächsten Tag zur selben Zeit am selben Ort.

Als wir uns voneinander verabschiedet hatten, hätte ich ihn am liebsten geküsst, ließ es aber natürlich sein. Das hätte all meine Mühe vermutlich vergeblich sein lassen.

Wir hatten uns nun bereits viermal getroffen und wenn ich den entscheidenden Schritt nicht heute, aber spätestens Ende dieser Woche gehen konnte, waren vermutlich alle meine gut geplanten Bemühungen umsonst. Dann wäre er wieder in Bukarest und ob er nach seiner Rückkehr noch Interesse an mir hätte, bezweifelte ich, wenn ich ehrlich war. Ich kam einfach nicht richtig an ihn ran. Er hatte eine Mauer um sich aufgebaut, die ich nicht einreißen konnte. Heute wollten wir uns einen Film ansehen, den ich ausgesucht hatte. „Funnygirl“ – ein Musicalfilm mit Barbra Streisand. Hier konnte ich Angenehmes mit dem Nützlichen verbinden. Ich wollte den Film tatsächlich gern sehen und das Thema Liebe kam mir bei meinem Vorhaben auch sehr entgegen.

Pünktlich wie immer stand Johannes mit seinem Ford „Capri“ vor der Tür, um mich abzuholen. Ich stieg ein und wir fuhren die wenigen Minuten bis zum Kino. Johannes Begeisterung hielt sich in Grenzen, aber er war höflich genug, es mich nicht allzu sehr merken zu lassen. Mir war natürlich klar, dass Filme dieser Art nicht unbedingt auf den Wunschlisten der Männer standen, aber ich hatte mir etwas dabei gedacht. Zu meiner eigenen Überraschung hatte ich festgestellt, dass ich mich in diesen Mann verliebt hatte und meine Motivation, ihn zu erobern wuchs dadurch ins Unermessliche.

Der Film war genauso, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Barbra Streisand war göttlich und Omar Sharif ja sowieso. Diese Liebesgeschichte hatte genau die richtige Mischung von Herz und Vergnügen. Als sich dann abzeichnete, dass alles in einer Katastrophe enden würde, fingen die ersten Frauen schon an, nach ihren Taschentüchern zu suchen. Ich auch. Das war einerseits auch so von mir geplant, aber ich muss gestehen, dass mich die Geschichte wirklich tiefer berührte, als ich gedacht hatte. In der Schlussszene, als Funny Price dann allein, inmitten eines Scheinwerferkreises auf der riesigen Bühne stand und mit weinerlicher Stimme erst leise und dann so strahlend sang „Oh my Man I love him so“ ging das Geheule los. Das Gemeine daran war, dass fast das ganze Kino heulte und genau jetzt der Film zu Ende war, der Vorhang schloss sich, das Licht ging an und die Türen wurden geöffnet. Ich hatte auch verweinte Augen, die Tusche war vermutlich verlaufen und selbst Johannes hatte ein verdächtiges Glitzern in seinen Augen. Er legte seinen Arm um mich und so gingen wir gemeinsam in den Abend. Ich musste mich überhaupt nicht anstrengen, ich war wirklich tief berührt von diesem Film. Ich legte meinen Kopf an seine Schulter und schluchzte noch ein bisschen weiter. Als ich mich ausgiebig geschnäuzt hatte, fragte Johannes:

„Wow. Alles wieder gut? Zeig mal her“, er legte einen Finger unter mein Kinn und hob mein Gesicht an, sodass er im Laternenlicht sehen konnte, wie groß der Schaden in meinem Gesicht war. Dann lachte er und sagte:

„Naja, ich glaube, so möchtest du nicht mehr unter Menschen gehen.“ Dass er mich ganz spontan geduzt hatte, war mir nicht entgangen.

Ich schüttelte den Kopf, sah ihm in die Augen und eher er sich versah, hatte ich ihn geküsst. Johannes versteifte sich kurz und meinte dann: „Das Beste wird sein, ich bringe dich jetzt nachhause.“

Ich nickte und ging ebenso wenig wie er auf diesen Kuss ein. Als wir dann vor meiner Tür standen, liefen mir schon wieder die Tränen übers Gesicht. Johannes ließ mich in Ruhe, aber nach einem Weilchen fragte er dann: „Marlis, ist alles in Ordnung? Soll ich noch mit hochkommen?“

Ich nickte stumm, aber innerlich jubelte ich:

„Jetzt habe ich dich.“

Als wir in meiner Wohnung angekommen waren, nahm ich ihm seinen Mantel ab und hängte ihn an der Garderobe auf. Dann gingen wir ins Wohnzimmer, ich schaltete die Beleuchtung an, die eine so intime Wirkung hatte, dass ich fast befürchtete, er würde den Braten riechen und sofort verschwinden. Im Vorübergehen schaltete ich noch die Stereoanlage an, die ich vorsorglich schon auf diese Situation vorbereitet hatte. Die Scheibe hatte ich ganz neu, sie war absolut In und so gefühlvoll. Roberta Flack mit „Killing me softly“. Hoffentlich war das nicht zu viel. Heute würde ich alles auf eine Karte setzen. Ich wollte ihn haben und an mich binden, ehe er dann wieder für lange Zeit weg wäre. Am liebsten wäre ich ins Bad gegangen und nur leicht bekleidet zurückgekommen, aber ich wusste, das würde bei Johannes das Gegenteil bewirken. Stattdessen ging ich in die Küche und holte den Wein in der Hoffnung, dass er wenigstens ein Gläschen mit mir trinken würde. Alles andere würde sich finden.

Als ich wieder zurückkam, saß Johannes auf dem Sofa und sah sich die Plattenhülle an. Ich setzte mich neben ihn und fragte, ob er die Musik mag. Er nickte, mehr nicht. Ich goss den Wein in die Gläser und war schonmal froh, dass kein Protest kam. Johannes nahm sein Glas auch ohne zu fragen oder darauf aufmerksam zu machen, dass er ja noch fahren müsse. „Gut“, dachte ich, „scheinbar wird alles besser gehen, als ich dachte.“

Nun begann ich das Gespräch, indem ich mich entschuldigte: „Ich weiß nicht, was mit mir los war, aber dieser Film hat mich so fertig gemacht, ich konnte einfach nichts dagegen tun. Danke, dass du mich nicht allein lässt.“

Johannes sah mich an und lächelte, als er sagte:

„Mach dir keine Sorgen, ich kann das gut verstehen. Ich habe auch mit den Tränen kämpfen müssen und das ist erst peinlich.“

Sein Lachen dabei war nicht echt, das hörte ich. Ich vermutete, dass er einen tiefen Schmerz mit sich rumtrug und fand, dass er so viel über mich und meinem (angeblichen) Schmerz wusste, dass ich ihn nun auch fragen konnte. Also setzte ich mich so hin, dass ich ihn ansehen konnte und fragte einfach:

„Was ist los, Johannes, wo drückt bei dir der Schuh. Ich merke doch schon die ganze Zeit, dass da irgendetwas nicht stimmt. Sind wir nicht mittlerweile Freunde genug, dass auch du mir vertrauen kannst?“

Dabei nahm ich einfach eine seiner Hände in meine. Er ließ es zu, sah mich aber nicht an.

Dann plötzlich begann er zu sprechen: „Ach Marlis, das ist nicht so einfach. Ich weiß auch nicht, ob du die Richtige bist, der ich das erzählen möchte. Glaub mir, ich mag dich wirklich, aber das, was ich auf dem Herzen habe, muss ich allein schaffen. Lass mal, das wird schon“, dann nahm er meine Hände und sagte: „Trinken wir lieber noch ein Schlückchen und hören uns diese schöne Musik an.“

Dabei prostete er mir zu und es schien, als wäre nun alles gut. Er lachte, machte mir Komplimente und trank seinen Wein. Nach einer Stunde war die Flasche leer, die zweite stand auf dem Tisch und ich wusste, dass Johannes so nicht mehr Auto fahren konnte. Die Stimmung war gelöst und ich war glücklich. Jetzt war ich mir sicher, dass ich Johannes liebte, und ich wollte alles dafür tun, dass er mich auch eines Tages lieben würde. Heute sollte alles beginnen.

Kapitel 2

Alleskam, wie es kommen sollte. Johannes hatte zu viel getrunken, ich tat, was ich konnte, um ihm zu gefallen, wir tanzten, lachten, umarmten uns und verschwendeten keine Gedanken mehr an irgendwelche Kümmernisse. Ich bekam, was ich mir wünschte.

Der erste Kuss war wie gestohlen. Ich raubte ihn mir, als Johannes mir beim Tanzen in die Arme fiel. Er erwiderte meinen Kuss und ehe wir uns versahen, waren unsere Körper ineinander verschlungen. Dieser Liebesakt hatte von Johannes Seite etwas Besessenes, etwas Verbissenes, keine Zärtlichkeit, wie ich sie mir gewünscht hätte. Ich fühlte, wie er das Heft in die Hand nahm, wie es aus ihm hervorbrach. Er wehrte sich nicht gegen sein Verlangen, dass er bisher doch so sehr verborgen hatte. Er drang fest in mich ein und stieß immer und immer wieder heftig zu. Ich wollte ihn beruhigen, hatte aber keine Chance. Wenn ich ihn nicht schon vorher so sehr begehrt hätte, wäre diese erste Liebesnacht für mich eine herbe Enttäuschung geworden. Aber mein eigenes Verlangen schaffte es dann doch, dass ich fast gleichzeitig mit Johannes meine Befriedigung fand. Dann, als alles viel zu schnell vorbei war, ließ Johannes von mir ab und kurze Zeit danach war er eingeschlafen. Trotz meiner Enttäuschung hatte ich erreicht, was ich wollte. Ich hatte es geschafft, ihn, noch bevor er Wien wieder verließ, in mein Bett zu bekommen. Da ich ihn liebte, war ich entschlossen, all meine Chancen zu nutzen, damit wir beide gemeinsam glücklich sein konnten. Was sagte meine Oma immer: „Kommt Zeit, kommt Rat.“

Am nächsten Morgen war Johannes schon wach und im Begriff aufzustehen. Ich überließ ihm als erstes das Bad und bereitete uns noch ein schönes Frühstück vor. Ich war glücklich, wenn da auch noch Luft nach oben war. Ich beruhigte mich damit, dass einfach zu viel Alkohol im Spiel war. Beim nächsten Mal würde alles besser werden.

Obwohl Johannes, als er den gedeckten Frühstückstisch sah, protestieren wollten, konnte ich ihn zum Bleiben überreden. Ich hatte das Gefühl, dass er sich nicht besonders wohl fühlte, dass er die letzte gemeinsame Nacht bereute. Also tat ich so, als würde ich das verstehen und nahm die Verantwortung auf mich. Ich hatte festgestellt, dass er nicht in der Lage war, anderen weh zu tun. Ich legte es also darauf an, ihm ein schlechtes Gewissen einzureden, indem ich ihm erklärte, dass ich ein Solches hatte, weil ich ihn nicht wegschicken konnte. Schon bestand er darauf, dass das nicht stimmte, er hätte ja gehen können, wenn er gewollt hätte. Gut so, dachte ich. Als er ging, küsste ich ihn dennoch und fragte, ob wir uns sehen würden, bevor er nach Bukarest abreisen musste. Sein Gesicht wurde schlagartig ernst und er meinte nur, er werde es versuchen. „Ich rufe dich an, ok?“ Dann küsste er mich auf die Nasenspitze und ging. Leider hat er sich vor seiner Abreise nicht noch einmal bei mir gemeldet. Aber das macht nichts, das wird schon.

Kapitel 3

Dreilange Monate sind vergangen, seit Johannes so sang- und klanglos aus meinem Leben verschwand. Viel zu spät ist mir aufgefallen, dass ich bei all der Hektik, ich hatte für mein ganzes Vorhaben ja mal gerade etwas mehr als zwei Wochen, vergessen hatte, mir seine Adresse oder seine Telefonnummer in Bukarest geben zu lassen. Nun stand ich ganz schön dumm da. Ich wusste nur, dass ich das nicht so einfach hinnehmen konnte. Nach einigen Nachforschungen habe ich dann auch endlich diese Wiener Spezialbaufirma ausfindig gemacht, bei der Johannes beschäftigt war. Ich machte mich also auf den Weg und suchte das Personalbüro auf. Wie ich vermutet hatte, saß im Vorzimmer natürlich eine Sekretärin. Sie war mittleren Alters, sehr konservativ gekleidet, aber dennoch sehr zugänglich. Ich hatte mich sehr dezent angezogen, kaum Make-up aufgetragen und stellte mich als dummes, kleines Frauchen dar, dass dringend Hilfe brauchte. Ich erklärte der netten Frau, dass ich Johannes Nössel kennengelernt hatte, wir uns auch sehr nahegekommen waren, aber so wenig Zeit füreinander gehabt hatten, dass die Telefonnummer, die er mir für alles Fälle gegeben hatte, verloren gegangen war. Und nun sei Not am Mann. Ich saß vor dieser wirklich netten Frau auf einem Stuhl und bemerkte, wie ihre anfängliche Skepsis erst immer mehr der Neugier wich und dann dem Mitleid mit mir Platz machte. Ich versicherte ihr, es sei mir ja so peinlich und ich würde sie nie mit alldem belästigen, wenn ich nicht so verzweifelt wäre. Ob sie mir wohl helfen könnte?