Beten - Ronald Rolheiser - E-Book

Beten E-Book

Ronald Rolheiser

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Beschreibung

Manchmal verspürt man tief im Innern das Bedürfnis, zu beten. Doch wenn es einem an Vertrauen und Übung mangelt, ist es nicht leicht. Dies sympathisch kleine Buch ist ein Begleiter für ungeübte Beter, die gern mehr eigene Erfahrungen mit dem Beten machen möchten. Das Beste aus der Heiligen Schrift, der Literatur und aus den eigenen Erfahrungen des Autors ist hier zusammengeführt. Der Autor weiß: Es gibt keine schlechte Gebetsmethode, und es gibt keinen einheitlichen Ausgangspunkt. Bei allen großen spirituellen Meistern findet sich nur eine einzige, nicht verhandelbare Regel: die regelmäßige Übung. Dies Buch ist wie ein Freund, der hilft, sich zu öffnen, um im tiefsten Innern die Stimme Gottes hören zu können. Diese Stimme sagt: "Ich liebe dich!" Und nur sie kann heilen.

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Seitenzahl: 108

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Ronald Rolheiser

Beten

Offen werden für Gott

Aus dem Englischen von Gabriele Stein

Impressum

Titel der Originalausgabe:

Prayer – Our Deepest Longing

© 2013 Ronald Rolheiser

Franciscan Media, Cincinnati 2013

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: wunderlichundweigand / Stefan Weigand

Umschlagmotiv: © Jenny Sturm / Fotolia.com

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN (E-Book) 978-3-451-80166-2

ISBN (Buch) 978-3-451-33452-8

Inhalt

Vorwort

IMühsames Beten

Zu viel zu tun

Der Kampf mit der Langeweile

Falsche Vorstellungen vom Beten

Falsche Gefühle beim Beten

Falsche Erwartungen an das Beten

Beschämt und nackt

Eine Verschwörung gegen die Innerlichkeit

IIHörendes Beten

Die Stimme des Guten Hirten

Von Gott mit Freuden angenommen

Gottes bedingungslose Liebe

Sicher in Gottes Händen

»Herr, lehre uns beten!«

Auf der Suche nach Einsamkeit

IIIPriesterliches Beten

Eine Symphonie des Gebets

Das Stundengebet

Feiern als Bedürfnis

Gute Liturgie: die Rolle des Zelebranten

Gute Liturgie: unsere Rolle

IVAffektives Beten

Das Ziel des affektiven Betens

Kühnheit im Gebet

Beten als Hingabe

Kontemplatives Beten

Verbissene Treue

Das Kloster zuhause

VGereiftes Beten

Geduld mit Gott

Die nachhaltige Kraft von Ritualen

Uns unseren Dämonen stellen

Den Zorn besiegen

Die Gefahren der Verzweiflung

Ringen mit Gott

Liebe durch verschlossene Türen

Gott, unsere wahre Mutter

VIDem Herzschlag Gottes lauschen

AnhangIn Gottes Gegenwart ruhen

Vorwort

Spiritualität ist genauso real wie Wissenschaft. Allerdings ist das nicht ganz einfach zu verstehen oder zu glauben. Wir leben in einer Welt, die die Realität auf das Stoffliche reduziert hat: auf das, was man empirisch messen, sehen, anfassen, schmecken oder riechen kann. Wir leben in einer Welt des spirituellen Analphabetismus, die all ihre Güter im Schaufenster auslegt, digitalisiert oder auf Flachbildschirmen präsentiert. Deshalb ist Beten anstrengend. Wie viele andere Dinge auch. Wenn nur die Oberfläche zählt, dann ist es schwer, in die Tiefe zu schauen: sich verzaubern, sich im Innersten berühren zu lassen von der Poesie, vom Glauben, von der Liebe.

Denn wir sind für die Liebe geschaffen. Wir sind für die Vertrautheit miteinander und mit Gott geschaffen. Wie der heilige Augustinus sagt: »Zu dir hin hast du uns geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in dir.« Doch nicht immer ist es so offensichtlich, was wirklich hinter unserer Sehnsucht steckt. Heutzutage wissen nur noch wenige, dass unsere innere Unruhe uns zum Unendlichen hindrängt. Wir haben unsere Sehnsucht trivialisiert, domestiziert. Statt uns nach dem Transzendenten zu sehnen, betäuben wir uns und lenken uns ab, indem wir unsere Sehnsüchte auf das »gute Leben« ausrichten: auf Sex, Geld, Erfolg und all die anderen Dinge, die vermeintlich »jeder hat«. Im Grunde sind diese Dinge ja nichts Schlechtes, doch wenn wir meinen, auf sie um ihrer selbst willen sei unsere tiefste Sehnsucht gerichtet, dann werden wir wohl vor allem eines ernten, nämlich Enttäuschung. Und innere Leere. Unsere Unruhe hält an, und statt an einem Ort der Einsamkeit die Sehnsucht selbst als Quelle neuer Kraft zu entdecken, sind wir auch weiterhin rastlos, müde und erschöpft.

Letztlich ist diese schmerzliche Unruhe nichts anderes als unsere Sehnsucht nach Gott. Wir brauchen den Kontakt zu Gott. Wir brauchen das Gebet. Und das wissen wir auch – in unseren nachdenklichen oder in unseren verzweifelten Momenten. Genau dann nämlich verspüren wir das Bedürfnis, zu beten und nach jenem tiefen Ort zu suchen. Doch weil es uns an Vertrauen und Übung mangelt, ist der Weg dorthin beschwerlich. Wir wissen nicht, wie man betet, und vor allem fehlt uns die Ausdauer.

Ganz gleich, wo Sie gerade stehen: ob es Ihnen schwerfällt, überhaupt an die Kraft des Gebets zu glauben, ob Sie ein Anfänger oder ob Sie ein fortgeschrittener Beter sind – ich für meinen Teil hoffe, dass Ihnen die vorliegenden Gedanken in Ihrer Gebetspraxis Mut machen werden. Das hier ist kein Handbuch. Es gibt viele hervorragende Bücher, in denen Sie etwas über die verschiedenen Methoden des Betens erfahren können. Hier handelt es sich um eine Sammlung von Gedanken, die aus der Schrift, aus der antiken und der modernen Literatur und aus meinen eigenen Erfahrungen schöpfen. Die Anordnung ist nicht zufällig, aber auch nicht zwingend: Sie müssen sich nicht daran halten. Folgen Sie Ihrer Intuition. Vertrauen Sie ihr, vertrauen Sie der göttlichen Vorsehung, und vertrauen Sie darauf, dass der Text, den Sie gerade am nötigsten brauchen, Sie auch finden wird.

Es gibt keine schlechte Gebetsmethode, und es gibt keinen einheitlichen Ausgangspunkt. Bei allen großen spirituellen Meistern findet sich nur eine einzige, nicht verhandelbare Regel: Sie müssen zum Gebet »antreten« – und zwar regelmäßig. Alles andere ist verhandelbar und hängt von Ihrer jeweiligen Situation ab.

Die vorliegenden Gedanken wollen Ihnen helfen, einige Schwierigkeiten, die sich beim Beten oftmals einstellen, zu überwinden, damit Sie nicht länger das Gefühl haben, sich bloß einer lästigen Pflicht zu entledigen, wertvolle Zeit zu verschwenden, gegen die Wand zu reden, Tagträumen nachzuhängen oder zum x-ten Mal über Ihren Sorgen und Problemen zu brüten. Sie wollen Ihnen eine gesunde Mischung anbieten, die Sie trösten (Beten fällt jedem schwer), Sie aber auch herausfordern soll (wir alle brauchen das Gebet als tiefes und sicheres Fundament). Vor allem aber wollen sie Ihnen helfen, sich zu öffnen, damit Sie in Ihrem tiefsten Inneren die Stimme Gottes und die Stimme Ihrer Mitmenschen hören können. Diese Stimme sagt: »Ich liebe dich!« Und nur sie kann uns heilen.

Es gibt einen schönen Text im Evangelium, der unser Bedürfnis, zu beten, in eine ausdrucksstarke Metapher kleidet. Eines Morgens, nachdem Simon Petrus, Jakobus und Johannes sich »die ganze Nacht […] abgemüht und nichts gefangen« hatten – keinen einzigen Fisch, nur ihre eigene Leere –, kommt Jesus zu ihnen und fordert sie auf, weiter hinauszufahren und ihre Netze »ins tiefe Wasser« zu werfen. Sie tun, was er ihnen sagt, und fangen so viele Fische, dass ihr Boot zu sinken droht (Lk 5,1–7).

Diese Aufforderung Jesu hallt in den vorliegenden Gedanken nach: Wenn wir nichts fangen außer der Leere in unserem Inneren, dann ist es Zeit, im tiefen Wasser zu fischen.

IMühsames Beten

Zu viel zu tun

Wir sind keine Kultur, die sich aus ideologischen oder anderen Gründen bewusst gegen die Einsamkeit, die Innerlichkeit und das Gebet entschieden hätte. Und wir sind meines Erachtens auch nicht bösartiger, heidnischer oder spiritualitätsscheuer als die Menschen früherer Epochen. Es ist nicht so sehr unsere Schlechtigkeit, die uns von der Vergangenheit unterscheidet: Es ist unsere Geschäftigkeit. An den meisten Tagen beten wir nicht, weil wir einfach nicht dazu kommen.

Vielleicht lässt sich unser eiliges und zerstreutes Leben am besten mit einer Waschstraße vergleichen. Wenn Sie in eine Waschstraße fahren, dann sagt man Ihnen, dass Sie den Motor laufenlassen, nicht lenken und den Fuß von der Bremse nehmen sollen. Sie müssen nichts tun: Die Waschstraße saugt Sie einfach ein.

Genau dasselbe macht ein typischer Tag mit den meisten von uns: Er saugt uns einfach ein. Smartphones und Radios reizen unsere Sinne, ehe wir überhaupt richtig wach sind. Viele von uns simsen mit Freunden, gehen auf Facebook, checken ihre Mails, sehen Nachrichten und hören Musik oder Talkradio, ehe sie geduscht oder gefrühstückt haben. Der Weg zur Arbeit läuft nach demselben Muster ab: Reizüberflutet und vielbeschäftigt planen wir unseren Tag und telefonieren per Handy, während im Hintergrund das Radio läuft. Und wenn wir abends nach Hause kommen, erwarten uns der Fernseher, Gespräche, Aktivitäten und Programmpunkte aller Art. Dann gehen wir ins Bett, lesen vielleicht oder sehen noch mal ein wenig fern und schlafen schließlich ein. Haben all diese Beschäftigungen uns auch nur einen Moment Zeit gelassen, um nachzudenken, zu beten, zu staunen, zur Ruhe zu kommen und dankbar zu sein: für das Leben, für die Liebe, für die Gesundheit, für Gott? Der Tag hat uns einfach eingesaugt.

Beten ist aber auch deshalb nicht leicht, weil wir so erlebnishungrig sind. Der geistliche Schriftsteller Henri Nouwen trifft den Nagel auf den Kopf: »Ich will ja beten«, hat er einmal gesagt, »aber ich will auch nichts verpassen – Fernsehen, Filme, Treffen mit Freunden, die Welt mit allen Sinnen genießen.« Weil wir keine Erfahrung versäumen wollen, erfordert Beten echte Disziplin. Wenn wir beim Gebet sitzen oder knien, dann darben unsere Sinne und beginnen zu protestieren.

Dabei sehnen sich ironischerweise die meisten von uns nach Einsamkeit. Je hektischer unser Leben und je größer unsere Müdigkeit wird, je häufiger das Thema »Burnout« durch unsere Gespräche geistert, desto öfter phantasieren wir von der Einsamkeit. Wir denken an einen stillen, friedlichen Ort, einen Spaziergang am See, einen Sonnenuntergang oder einen Kamin samt Schaukelstuhl, in dem wir unser Pfeifchen rauchen. Doch selbst diese erträumte Einsamkeit ist oft nur eine andere Art von Aktivität: etwas, das wir tun.

Tatsächlich aber ist die Einsamkeit eher eine bestimmte Einstellung. Einsamkeit heißt, mitten im Leben präsent und aufnahmebereit zu sein. Es heißt, unseren Alltag bewusst zu erleben und ihm somit eine Dimension der Dankbarkeit, Wertschätzung und Freude, des Friedens und des Betens zu verleihen. Es heißt, die Normalität in dem Bewusstsein zu leben, dass das Leben kostbar und heilig ist – und dass es genügt.

Wie kann uns diese Art der Einsamkeit gelingen? Wie bekommen wir das Leben so in den Griff, dass es uns nicht einfach einsaugt? Wie schaffen wir in unserem Leben eine Basis für das Gebet?

Der erste Schritt besteht darin, »im tiefen Wasser zu fischen«, das heißt, sich in die Gegenwart Gottes zu versetzen und ruhig zu werden – in Einsamkeit, Stille und Gebet. Wenn Sie so etwas noch nie gemacht haben, sollten Sie mit 15 Minuten anfangen. Mit der Zeit schaffen Sie vielleicht 30. (Im Anhang finden Sie einige einfache Tipps, die Ihnen helfen können, in Gottes Gegenwart zu verharren.)

Denken Sie daran: Ihr Herz ist dafür geschaffen, in Gott zu ruhen. Wenn der heilige Augustinus Recht hat – und das hat er! –, dann dürfen Sie sich darauf verlassen, dass Ihre Ruhelosigkeit Sie zum tieferen Beten hinführen wird: zu jener Art des Betens, die Sie von innen heraus verwandelt, jener Art des Betens, die Sie nicht mit leeren Händen zurücklässt.

Der Kampf mit der Langeweile

Beten ist ein einziges Auf und Ab. Manchmal laufen wir übers Wasser, wenn wir zu beten versuchen, dann wieder gehen wir unter wie ein Stein. Manchmal sind wir ganz durchdrungen von der Wirklichkeit Gottes, dann wieder können wir uns nicht einmal vorstellen, dass er überhaupt existiert. Manchmal erfasst uns eine tiefe Ahnung von der Güte und Liebe Gottes, dann wieder fühlen wir nichts als Langeweile und Zerfahrenheit. Manchmal füllen sich unsere Augen mit Tränen und wir würden am liebsten immer weiter beten, dann wieder wandert unser Blick verstohlen zur Uhr, um zu sehen, wie lange wir noch durchhalten müssen.

Wir machen uns ein recht naives Bild davon, was Beten heißt und wie wir es darin zu einer gewissen Ausdauer bringen. Dieses Bild stützt sich oft auf die irrige Vorstellung, Beten müsse immer interessant und inbrünstig und reich an spirituellen Einsichten sein – und wir müssten immer spüren, dass wir tatsächlich beten. In den Klassikern der geistlichen Literatur lesen wir, dass dies in den Anfängen unseres Gebetslebens – sozusagen in den Flitterwochen unseres geistlichen Reifeprozesses – zwar durchaus zutreffen mag, jedoch immer weniger gilt, je weiter wir zum eigentlichen Kern des Betens und der Spiritualität vordringen. Das heißt aber nicht, dass unser Beten deswegen schlechter würde. Im Gegenteil.

Vielleicht kann Ihnen ein Vergleich Mut machen, wenn Sie sich das nächste Mal gegen die Langeweile und gegen den Eindruck wehren müssen, Ihre Zeit sinnlos zu vertun:

Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine betagte Mutter, die im Pflegeheim lebt. Weil Sie ein pflichtbewusster Mensch sind, nehmen Sie sich täglich nach der Arbeit eine Stunde Zeit für sie, leisten ihr beim Essen Gesellschaft, unterhalten sich über die Ereignisse des Tages und sind, als Tochter oder Sohn, eben einfach da. Ich bezweifle, dass Sie – von einigen seltenen Gelegenheiten einmal abgesehen – viele zutiefst emotionale oder auch nur interessante Gespräche mit ihr führen werden. Oberflächlich betrachtet sind Ihre Besuche reine Routine. In der Regel sprechen Sie über triviale, alltägliche Dinge. »Den Kindern geht es gut.« »Steve war letzte Woche bei uns.« »Mama, das Essen hier ist wirklich zum Abgewöhnen, wie hältst du das nur aus mit diesem Einheitsbrei?« »Nein, es hat nicht viel geregnet, nur ein paar Tropfen.« Und es ist nur natürlich, dass Sie hin und wieder heimlich auf die Uhr sehen, denn Sie haben viel zu tun, und Ihr eigenes Leben lebt sich auch nicht von allein.

Wenn Sie aber Monat für Monat und Jahr für Jahr an diesen regelmäßigen Besuchen bei Ihrer Mutter festhalten, dann werden Sie sie schließlich besser kennen als jeder andere, und auch sie wird Sie besser kennen als alle Menschen auf der Welt. Das liegt daran, dass die eigentliche Verbindung zwischen uns nicht in unseren belanglosen Gesprächen, sondern auf einer tieferen Beziehungsebene, gleichsam unter der Oberfläche stattfindet. Das bloße Beisammensein macht uns miteinander vertraut.

Mit dem Gebet ist es ganz genauso. Wenn wir treu sind und jahraus, jahrein, täglich beten, dann erwartet uns wenig Aufregendes, jede Menge Langeweile und die immer wiederkehrende Versuchung, auf die Uhr zu sehen. Und doch entsteht dabei eine Bindung, eine Vertrautheit: Unter der Oberfläche wächst eine tiefe Beziehung zwischen uns und unserem Gott.