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Mit Blaulicht bewegen sich zwei Wagen voneinander weg: im Rettungswagen liegt der Musiklehrer Wolfgang Gerlach, lebensgefährlich verletzt durch Messerstiche. Im Polizeiwagen sitzt seine ehemalige Schülerin Sandra Kovács, die noch am Tatort festgehalten wurde und beharrlich schweigt. Nur langsam gelingt es den Ermittlern, das Geflecht einer obsessiven Beziehung freizulegen. Dabei wird auch der Fall eines vermeintlich ertrunkenen Schülers noch einmal neu aufgerollt, und allmählich wächst die Gewissheit, dass es sich bei Sandras Tat um mehr handelt als einen Akt der Vergeltung. Nach Rache, Engel! der zweite packende Kriminalroman des kreativen Autorenduos auf höchstem literarischen Niveau.
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Seitenzahl: 411
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Elmar Tannert
Petra Nacke
Blaulicht
Kriminalroman
ars vivendi
Vollständige eBook-Ausgabe der im ars vivendi verlag erschienenen Originalausgabe (2. Auflage 2013)
© 2010 by ars vivendi verlag GmbH & Co. KG, Cadolzburg
Alle Rechte vorbehalten
www.arsvivendi.com
Lektorat: Dr. Felicitas Igel
Umschlaggestaltung: ars vivendi verlag unter Verwendung
eines Fotos von photocase
Datenkonvertierung eBook: ars vivendi verlag
eISBN 978-3-86913-318-8
Prélude
Eine Stunde hat sie gewartet. Eine geschlagene Stunde, obwohl sie ganz genau wusste, wann er rauskommt. Jeden Dienstag 14 Uhr Bachensemble – das wusste sie doch, hat doch selbst lange genug mitgemacht in Gerlachs Vorzeigeprojekt, in das nur die besten Instrumentalisten und die besten Stimmen der Schule durften. Vollkommen ausgeflippt ist sie, damals in der Siebten, als sie die Aufnahmeprüfung bestanden hatte.
Knapp zehn Minuten braucht man von hier bis zur Schule, mit dem Fahrrad schafft man es noch schneller – und Gerlach ist immer mit seinem albernen Rennrad gefahren – warum stellt sie sich also schon um zehn vor eins hin und wartet – und warum hat sie nicht dieses eine Mal auf die verdammten Dreckspillen verzichten können, die sie von innen auffressen, immer mehr von dem Bisschen, das von ihr übriggeblieben ist, abnagen?
Es ist ihr schwergefallen, wie ein schwarzes Gespenst in der prallen Sonne zu stehen und auf sein Haus zu starren, das konnte man sehen. Sie hat geschwankt und ein paarmal sah es so aus, als würde sie gleich umfallen. Wollte sie das? Wollte sie umfallen – im letzten Augenblick? Oder wollte sie auf Nummer sicher gehen – hat befürchtet, dass er ihr entwischen könnte, weil er ausgerechnet heute doch mal früher losfährt, weil er vielleicht noch was zu korrigieren hat oder dem Klavierstimmer auf die Finger sehen will oder einfach nur einen Eiskaffee trinken? Ja, das sieht ihr ähnlich, sie wollte auf Nummer sicher gehen, deshalb hat sie auch nicht irgendein Messer genommen, sondern dieses teure Sushi-Messer aus der Küchenschublade ihrer Mutter – die hat bestimmt noch nicht einmal gemerkt, dass es fehlt, und jetzt, nach all dem, wird sie es sicher auch nicht mehr benutzen wollen.
In den Nürnberger Nachrichten haben sie heute wieder mal was von der drohenden Klimakatastrophe geschrieben, davon, dass die Meeresspiegel steigen und Küstenstädte wie Hamburg und Rostock unter sich begraben würden. Heinrich Zintl hat weder Freunde noch Verwandte im Norden und hat auch für die meisten Städte nichts übrig – Hamburg und Rostock sind ihm von daher egal, aber er mag Rügen. Gleich nachdem die Mauer weg war, ist er mit Ruth zum ersten Mal dort gewesen. Sicher, in den ersten Jahren hat es an allen Ecken und Enden noch nach Sozialismus gerochen, aber auch nach frischer Luft, und günstig ist es gewesen. Ruth hat denn auch gleich gemeint, dass man für dieses Geld gerade noch in der Oberpfalz Urlaub machen könne, aber was ist Schwandorf schon im Vergleich zu Rügen! Und nun soll Rügen absaufen, nur weil die Leute nicht mehr auf ihre Umwelt achten können, tonnenweise Hamburger in sich reinstopfen und keine Energiesparlampen kaufen – verdammte Ignoranten, verdammtes CO2!, denkt Heinrich Zintl, und er denkt es noch einmal laut, nachdem er das Fenster geöffnet und eine Ladung der aktuellen Klimabilanz wie eine glühende Faust ins Gesicht geschlagen bekommen hat. Hier in der Nordstadt haben die meisten schon angefangen umzudenken, das merkt man immer wieder beim Fest am Kobergerplatz. Überhaupt kann man in dieser Stadt nur noch hier wohnen, die Nachbarschaft ist ordentlich, kaum Ausländer, keine Dönerbuden und schon gar nicht dieses Gesindel in den ewig schwarzen Klamotten wie in Gostenhof oder vor der Lorenzkirche. Widerlich, wie die da am helllichten Tag mit ihren Bierflaschen rumlungern, mit ihren verlausten Hunden, und Passanten um Kleingeld anschnorren.
Jetzt steht die immer noch da!
Vor einer Stunde war sie auch schon so dagestanden, völlig bewegungslos – na ja, ein bisschen hin und her geschwankt ist sie, wahrscheinlich besoffen, wie das so üblich ist bei denen.
»Jetzt schau dir mal das Mädel da drüben an«, hat er zu Ruth gesagt, »die hat doch wohl einen Schlag! Stellt sich bei der Hitze und mit den schwarzen Klamotten mitten in die Sonne! Sieht doch eh schon aus, als würde sie gleich umkippen.«
»Die nimmt bestimmt Drogen«, hat Ruth gemeint und angeekelt die Nase gerümpft, »jetzt kommen die also auch schon in die Nordstadt.«
Und jetzt steht die immer noch da und glotzt auf die Hauswand gegenüber, als würde darauf irgend so ein Film abgespielt!
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