Bluffen - Stefan Adrian - E-Book

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Stefan Adrian

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Beschreibung

Dieses Romandebüt erzählt vom Berlin der Nullerjahre: vom Platzen der Dotcomblase über Nine Eleven bis zur Gentrifizierung. Elegant und klar zeigt Stefan Adrian, wie ein Ego des 21. Jahrhunderts sich durchschlägt und wie ein Herz daran immer wieder fast zerbricht. „Adrians Blick auf Berlin und auf die Biographie eines Zugezogenen ist spannend, weil er das alles in einer Zeit spielen lässt, die nicht mehr das Berlin von Herrn Lehmann ist, lange nicht mehr, aber auch noch nicht das Berlin in dem Migranten in ihrer höchsten Güteklasse gerne mal Expats genannt werden. Es ist ein Berlin, das sich seiner eigenen Armut, aber nicht seiner eigenen Sexyness bewusst ist – oder sein muss. … Hoffentlich findet dieses Stück Prosa die entsprechende Beachtung. Ein mikrotext von großem Format.“ Kevin Junk, Fixpoetry „Popliteratur war gestern, es lebe die Zugezogenenliteratur.“ Subliminal_Kids, Realvinylz Stefan Adrian wurde 1975 im Burgenland geboren, einen Steinwurf entfernt vom tiefst gemessenen Punkt Österreichs. Schon daraus zeigte sich, wohin der Weg nur führen konnte: nach oben. Nach dem Abitur folgte der Umzug nach Wien, 2002 ein weiterer nach Berlin. Nach abgebrochenem Studium Tätigkeiten u.a. als Gelegenheitsjobber, McDonald's-Küchenkraft, Journalist, Barkeeper, Chefredakteur oder als Ghostwriter (Tim Raue: „Ich weiß, was Hunger ist“, Piper, 2011). 2014 veröffentlichte er bei mikrotext „Der Gin des Lebens. Drinklyrik“.

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Seitenzahl: 302

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STEFAN ADRIAN BLUFFENEin Roman ein mikrotext

Lektorat: Nikola Richter

ePub-Erstellung/Cover: Andrea Nienhaus

Coverfoto: Andrew Hyde / flickr.com

Covertypo: PTL Attention, Viktor Nübel

www.mikrotext.de – [email protected]

ISBN 978-3-944543-17-8

Alle Rechte vorbehalten.

© mikrotext 2014, Berlin

Stefan Adrian

BluffenEin Roman

1

Der Abend der Entführung war einer dieser Tage im Herbst, an dem die untergehende Sonne breit über dem Horizont zerfloss wie ein zerschlagenes Ei. Wir saßen im Wagen und warteten. Rene hatte einen Flachmann dabei, aus dem er gelegentlich ansetzte. Ich achtete darauf, dass er nicht mehr trank als die Menge, die zur Beruhigung notwendig war. Er trommelte mit den Fingern seiner rechten Hand gegen seinen Oberschenkel, und als ich ihn betrachtete, wurde mir klar, dass es kein Zufall war, dass wir beide hier saßen. Wir hatten uns an einem bestimmten Punkt unseres Lebens stets für etwas anderes entschieden oder vielmehr gegen etwas; gegen etwas, von dem wir angenommen hatten, es sei zu gewöhnlich und unter unserer Würde, auch wenn wir uns nie im Klaren darüber waren, worauf diese sich stützte. Wir waren wie von einem Schiff gefallenes Ladegut, das gemeinsam in eine Strömung gezogen worden war und nicht mehr aus ihr hinauskam, je stärker es sich ineinander verhakte.

Zwei Verweigerer mit falschen Waffen, dachte ich, zwei Männer, die an Frauen vor allem körperlich interessiert waren und mit einer Feministin eine Entführung durchführten. Aber ich sah darin keinen Widerspruch, ich sah überhaupt keine Widersprüche mehr. Wenn man die Dinge durchschaut hatte, blieb einem nur übrig, sich außerhalb dessen zu bewegen, was als legale Norm abgesteckt war, deswegen fand ich die Tatsache, an diesem Punkt angekommen zu sein, sehr logisch. Wir waren Typen, denen Streben nach Anerkennung stets als falscher Stolz und ein gesunder Selbsterhaltungstrieb stets als übertriebener Egoismus verkauft worden war. Man hatte uns moralischen Mantel um moralischen Mantel umgeworfen, mit denen wir gehen lernen sollten, obwohl wir uns kaum bewegen konnten. Auf diese Weise hatte man uns von Anfang an unserer Wut beraubt und uns gelehrt, dass sie etwas Schlechtes war, etwas, das man sich wegtrainieren musste, um es mit der Mentalität des Verstehens zu ersetzen.

Aber in diesem Moment im Bus fühlte ich mich wie ein Gefangener, der aus einem Lager ausbrach, wie ein Häftling, der der Gehirnwäsche entflohen war. Ich fühlte mich jedoch nicht als Opfer des Systems, das zurückschlug, es gab kein System, das die Bahnen lenkte wie ein Kranführer die Hebel seiner Maschine. Es gab nur eine Verkettung und Verzahnung unterschiedlicher Machtverhältnisse und Weltanschauuungen, und in diesem Gestrüpp musste man seinen Platz finden. Erst dann war man in der Lage, diesen bewusst nicht zu akzeptieren. Ich hatte mein Leben immer als Einzelschicksal wahrgenommen, selbst wenn es nicht schwierig war, sich auszumalen, wie wir in den Schlagzeilen als Beispiele einer „aus den Fugen geratenen Spaßguerilla oder einer desillusionierten Generation zwischen Facebook und HartzIV“ bezeichnet werden würden, sollte die Sache schief gehen.

Würde die Sache schief gehen, würde sich ohnehin alles in sein Gegenteil verkehren. Reporter würden in mein altes Heimatdorf fahren und Nachbarn befragen, die längst keine Ahnung mehr von mir hatten, für die ich als Person in der Zeit eingefroren war, so wie sie für mich. Wenn wir scheiterten, würden wir verurteilt und, was noch schlimmer war: Wir würden dann von dem Spiel vereinnahmt werden, das wir mit dieser Aktion bekämpfen wollten. Unsere Absicht würde auffliegen, unsere Namen würden auf Suchmaschinen im Netz ganz oben stehen, und alles wäre vergebens gewesen. Mich würde weniger eine Haftstrafe treffen oder die Tatsache, dass mein Name für immer damit in Verbindung gebracht werden würde. Mich würde treffen, dass die Sache überhaupt einen Namen bekommen würde. Sie würde dann dastehen, schön ausdefiniert und stramm gestriegelt wie ein virtuelles Rennpferd, das man bis auf die kleinste Sehne bewundern konnte. Seine digitalen Fußspuren würden sich nicht mehr rückgängig machen lassen.

Es wurde stickig im Wagen. Die Scheiben beschlugen. Ich erinnerte Rene an den Tag meiner gescheiterten Intervention beim Deutschen Fußballbund und sagte, dass der Grund, weswegen ich die Sache damals nicht durchgezogen hatte, auch der gewesen sei, dass ich zu lange alleine gewesen sei. Die stundenlangen Selbstgespräche hätten mich aus der Situation hinauskatapultiert, und ich sagte, dass ich froh war, dass er dabei war. Dann betrachteten wir uns wie an jenem Abend in der Bar am Darß und warteten darauf, dass der andere sagte, es wäre klüger, die Aktion abzublasen. Ich nahm den Flachmann und sah aus dem Fenster.

2

Um zu verstehen, wie es dazu kam, dass wir einen prominenten Menschen entführten und ihn zwei Wochen in eine Hütte in Mecklenburg-Vorpommern sperrten, muss ich von Nine Eleven sprechen. Nicht, weil der Zweck der Entführung direkt mit dem Ereignis zu tun hätte oder der Anschlag mein Leben von heute auf morgen so umgekrempelt hätte wie das derjenigen, die direkt betroffen waren. Es war für mich wie für die meisten ein abstraktes Grauen, von dem ich wusste, dass es mich verändern und dass es Einfluss auf das Leben haben würde, einfach weil es die ganze Welt verändern würde, deren Teil ich schließlich war, und vielleicht machte mir der Schrecken überhaupt erst richtig bewusst, dass ich Teil einer Welt und nicht nur ein stiller Beobachter war, so wie man immer erst durch eine schlechte Nachricht tatsächlich in das Leben eines anderen Menschen eintauchte oder sich ernsthaft damit beschäftigte.

Der 11. September 2001 definierte vielmehr einen brauchbaren Punkt A, der diese Fallhöhe darstellte, aus der ich Jahre später bei Punkt B aufschlug, wobei Fallhöhe implizieren würde, dass ich mich fühlen würde, als wäre ich auf eine tragische Weise gefallen oder abgestürzt. Das traf nicht zu. Ich dachte nach wie vor, dass wir das Richtige getan hatten. Aber dieser Zeitraum seit dem Anschlag stellte die erste Dekade meines Lebens dar, die sich lückenlos von mir reflektieren ließ. Es war ein Zeitraum, der etwas mit mir angestellt hatte, etwas, was ich verstehen konnte oder zumindest versuchen konnte zu verstehen, da der Geist es in seiner Gesamtheit erfasst hatte, sich an jedes Jahr erinnern konnte und die Ereignisse und Erlebnisse in eine bewusste oder logische Relation zueinander setzen konnte oder sich wenigstens vormachte, es tun zu können.

Der Anschlag war ein Pflock, den ich in das Feld der Zeit rammte, um ihn als Orientierung zu benutzen. Jeder Mensch auf diesem Planeten wusste, wo er sich zu diesem Zeitpunkt befunden und was er gerade gemacht hatte, weil er sich vor allem daran erinnerte, worin er unterbrochen wurde. Ich war zu dem Zeitpunkt ein Träumer an der spanischen Küste, der sich keine Sorgen um seine Zukunft gemacht hatte, leicht möglich, dass ich zu dem Zeitpunkt, als das erste Flugzeug in den Turm flog, gerade Sex hatte. Jetzt saß ich in Berlin und hatte Angst, verhaftet zu werden. Dazwischen lag ein Morphing-Prozess meiner Persönlichkeit, der mir in manchen Momenten sehr skurril erschien, als wäre er einer anderen Person passiert, einer Version, die heimlich in mir gearbeitet hatte. Ich hatte mich nicht entscheiden können, ob es besser war, diese Version aufzuhalten oder sie zu fördern, und da ich keine Entscheidung gefällt hatte, hatte sie sich selbständig gemacht, weswegen mir das Ergebnis in anderen Momenten wiederum sehr logisch erschien.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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