Blütenlese 2024 - Band 2 -  - E-Book

Blütenlese 2024 - Band 2 E-Book

0,0

Beschreibung

Blütenlese 2024 - Band 2, eine Anthologie mit 28 Texten aus der Feder von Stephie Abels, Nadin Corinna Bühler, Birgitta Gronau, Simone Köstlmeier, Monika Link, Thomas Meier, Birgit Regge, Heike Römming, Florence Rößler-Nance und Dorothee Schulte-Peschel. Spannend, amüsant, fantastisch, ob Krimi oder Drama des Alltags, jeder der hier versammelten Texte hat seinen eigenen Reiz.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 72

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Vorwort

Abels: Christo

Bühler: Rote Pumps

Gronau: Ein Glücksfall

Köstlmeier: Der alte Mann sieht in den Himmel

Link: Mein Kind ist kein Haufen!

Meier: Gerry

Regge: Veilchenzauber

Römming: Im Eismeer

Rößler-Nance: Gedanken an Cordon bleu

Schulte-Peschel: Ein Denkmal für Frau M.

Abels: Dialog im Bücherregal

Bühler: Kaffeefahrt

Gronau: Resonanz

Meier: Mein Fahrlehrer

Regge: Elfchen

Römming: Reden ist Silber

Rößler-Nance: Gregors Abenteuer

Schulte-Peschel: Für Riya

Abels: Im Namen des Volkes

Bühler: Der verhängnisvolle Saunabesuch

Gronau: Vorrat

Köstlmeier: Stern ohne Glanz

Link: Der Bus als Begegnungsort - Sindelfingen

Meier: Zwei Mettbrötchen

Regge: Leben wagen

Römming: Vogelgezwitscher

Rößler-Nance: März 1724

Schulte-Peschel: Nach Kassenschluss

Autorenvorstellung

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

Sie finden in diesem Buch 28 Texte, die im Rahmen der Literatur-Fernkurse „Kurzgeschichten – Von der Idee bis zur Publikation“ und „Kreatives Schreiben“ im 1. Halbjahr 2024 entstanden sind.

10 Autorinnen und Autoren präsentieren, wie vielfältig Kurzgeschichten und Lyrik sein können: spannend, amüsant, fantastisch … Ob Krimi oder Drama des Alltags, jeder der hier versammelten Texte hat seinen eigenen Reiz.

Mit großer Freude habe ich als Herausgeber dieser Anthologie die einzelnen Texte zusammengestellt, verbunden mit dem Wunsch, dass alle Beteiligten dem Schreiben treu bleiben und weitere Texte verfassen.

Ich freue mich auf die Resultate!

Stolberg, August 2024 Thomas Opfermann

Christo

Stephie Abels

Christo trat fest in die Pedale. „In diesem Sommer fällt so viel Regen, dass die Badewanne vollläuft und die Hundehütte absäuft“, sang er, um sich von der Anstrengung abzulenken. Seit vier Stunden war er mit dem Fahrrad unterwegs, und genauso lange regnete es schon. „Ich bin nass wie eine Flunder und platt wie ein Pfannkuchen“, sang Christo weiter.

„Keine Sause ohne Pause, ich sehe eine Hütte, ist sie trocken, ist Pause mit Sausen.“

Die Hütte, die Christo gesehen hatte, war tatsächlich trocken. Er zog seine nassen Sachen aus und trocknete sich ab, breitete seine Decke auf dem Boden aus, kramte seine Vorräte hervor und ließ es sich schmecken. Als er satt war, lehnte er sich an die Wand, und ehe er sich versah, fielen ihm die Augen zu. Er träumte von Sonne und blauem Himmel, von heißer Luft und sandigen Wüsten, in denen sich Kojote und Kaktus Gute Nacht sagten. Der Kojote winkte Christo zum Abschied zu, und der Kaktus krabbelte in seine Arme. Das piekste aber!

„Oh, Entschuldigung“, hörte Christo eine Stimme. „Habe ich dir weh getan?“ Christo schaute genauer hin: Der Kaktus war ein Igel!

„Ich bin ein Esel“, sagte der Igel, „ich hab dich mit einem Laubhaufen verwechselt.“

„Du piekst, das tut weh“, wollte Christo sagen.

„Gegen Schmerzen helfen keine Aspirin, nimm diese Mohnblume“, sagte der Igel. „Sie berührt dein Herz, und schon sind alle Schmerzen weg.“

Als Christo wieder aufwachte, fielen Sonnenstrahlen durch die offene Tür der Hütte auf die Mohnblume in seiner Hand.

Rote Pumps

Nadin Bühler

Die roten Spitzen ihrer Pumps ragten parallel über die Dachkante der City Mall. Ihr orangefarbenes Negligé wehte im Wind. In ihrer Rechten hielt sie den gezogenen, blank polierten Revolver ihres Ehemannes. Auf dem linken Arm schlief selig Amy-Lou, der Säugling, den sie in der Früh aus der Kinderklinik entwendet hatte. Ihr Werk war vollbracht.

Die letzte Leiche hatte sie soeben im Aufzug der Mall platziert - Felix, ein Junge von 13 Jahren. Mit einem Skalpell hatte sie ihm die Kehle durchtrennt. Präzise, ein gerader Schnitt. Sonst im OP, vorhin im Aufzug. Bevor sie den Aufzug freigegeben hatte, hatte sie Felix mit ihrem türkisfarbenen Nerz zugedeckt und die soeben erstandenen Steiff-Kuscheltiere aus der Spielzeugabteilung fein säuberlich um ihn herum platziert. Ein Zebra, zwei Elefanten, drei Warzenschweine. Im Busch lagen die Kadaver auch umzingelt da. Felix war der Sohn der spindeldünnen, blonden Kinderkrankenschwester, mit der ihr Mann sie einst betrogen hatte.

In flagranti hatte sie beide auf der Patientenliege im Stillzimmer erwischt. Noch immer hatte sie deren stechenden Vanille-Patchouli-Parfümduft in der Nase.

Vor Felix hatte sie die kleine achtjährige Lina im Untergeschoss auf der Damentoilette ertränkt. Dies erfolgte recht rasch, ohne Gegenwehr, direkt kopfüber in der verstopften WC-Schüssel. Dass Lina ihr Leben lassen musste und noch immer unnatürlich verkrümmt unten auf dem versifften Toilettenboden lag, tat ihr zwar ansatzweise leid, aber Linas Vater, ihr linker Kinderarztkollege Helmstaedt, hatte es nicht anders verdient. Wie oft hatte er ihr ihre wichtigen Operationen vor der Nase weggeschnappt, um beim Professor und bei der Klinikleitung Eindruck zu schinden. Ihr überließ er stattdessen nur die Bagatellfälle - Schiel-OPs und Armfrakturen. Statt CT- und MRT-Bilder auszuwerten, konnte sich ihr werter Kollege nun Särge und Blumenkranzinnschriften für die Beerdigung seiner kleinen Tochter anschauen. Ein Grinsen und ein Gefühl von Genugtuung breiteten sich in ihr aus, als sie sich die Situation bildhaft vorstellte. Von Wolke sieben würde er nun steil bergab in den Abgrund stürzen und das wahre Leben kennen lernen.

Was für ein erfolgreicher Tag allmählich für sie zu Ende ging. Am Horizont begann langsam die Sonne unterzugehen. Der Ball am Horizont gab ihr die erforderliche Energie, die sie nun brauchte. Unten auf der Straße formierten sich die ersten Einsatzwägen. Polizei, Feuerwehr, Krankenwagen. Ein blau blinkendes Lichtspektakel bot sich unter ihr. Gleich würden sie nach oben kommen. Gleich würden sie mit ihr verhandeln wollen.

Dann.

Ein einziger Schritt.

Ein dumpfer Aufprall.

Aus und vorbei.

Ein Glücksfall

Birgitta Gronau

Der Kulturdezernent war verschwunden. Am Dienstagnachmittag um 16.30 Uhr hatte er sich aus seinem Büro verabschiedet, um zu einem Pressetermin im Theater Schnick Schnack zu fahren. Dort war er nie angekommen. Ein Mitarbeiter hatte ihn noch vor dem Rathaus gesehen, wo er schwungvoll auf sein E-Bike stieg und davonfuhr. Eine Soko wurde eingerichtet, aber trotz intensiver Suche gab es keine Spur. Sein Handy lag noch im Büro. Nach Auskunft seiner Sekretärin „vergaß“ er es öfter, um nicht immer erreichbar zu sein. Eine Smartwatch besaß er nicht, er trug ein Chronometer, aus Überzeugung.

Seit dem Verschwinden gab es zu dem Fall täglich neue Artikel in der Tageszeitung. Außer allerhand Spekulationen über Täter und Motiv stand darin aber nichts Neues. Der Mann war und blieb weg. Man hatte alles durchleuchtet, die gesamte greifbare Kommunikation. Es gab keine Drohungen, keine verdächtigen Nachrichten, nur das Übliche „Das Theater ist zu teuer, gebt das Geld lieber für die Schulen aus“, keine Lösegeldforderung, aber auch keinen Abschiedsbrief oder auf seinen Namen ausgestellte Flugtickets.

Die Sonderkommission tappte im Dunkeln.

Professor Singer verfolgte die Meldungen zum vermissten Dezernenten seit Wochen mit steigendem Interesse. Er war vor einigen Monaten in den Ruhestand gegangen und hatte nun endlich Zeit zum Lesen. Wie er sich bald eingestehen musste, mehr als ihm lieb war. Er hatte den Tag herbeigesehnt, an dem er andere als mathematische Fachliteratur, deren Inhalte er mehr oder weniger erfolgreich an Studierende vermittelte, würde lesen können. Nun konnte er und stellte fest, dass es nicht so reizvoll war, wie erhofft. In der Welt der Belletristik kannte er sich nicht aus. Er stand vor einer Menge an Büchern, die gen unendlich zu streben schien, für die er aber keine Formel hatte, um etwas für ihn Geeignetes auswählen zu können. Die rein zufällige Wahl führte zu 98% zu nicht zufriedenstellenden Ergebnissen. Zu langweilig, zu verquast, zu unlogisch. Also blieb er vorerst bei der klar gegliederten Tagespresse. Dort konnte er zumindest die Rubriken herausfiltern, die ihn interessierten. Das Verschwinden des Dezernenten entwickelte sich zu einer Spur, der er folgen wollte. Ein Kriminalfall. Mit Logik sollte man dem doch beikommen können. Zuerst einmal brauchte er ein Motiv. Für eine Straftat, deren Opfer der städtische Beamte geworden war, oder aber für ein selbst organisiertes Verschwinden. Noch war alles offen. Der Professor durchkämmte sämtliche Zeitungsausgaben und das Internet nach Berichten aus den letzten zwölf Monaten. Es schien ihm plausibel, dass das Motiv nicht lange zurücklag. Das Ergebnis war übersichtlich. Persönliches war über den Dezernenten wenig bekannt. Er war ledig, hatte keine Familie und wohl auch keine besonderen Hobbys. Ein Leben für die Kultur