Blutige Brezeln. Ein Hansel & Pretzel Krimi - Dani Baker - E-Book

Blutige Brezeln. Ein Hansel & Pretzel Krimi E-Book

Dani Baker

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  • Herausgeber: beTHRILLED
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2025
Beschreibung

O'zapft is! Der Himmel über Kitchener ist weiß-blau, Blasmusik hallt durch die Luft, die kanadische Stadt ist im Oktoberfestfieber. Mittendrin die Norddeutsche Linn Sommer, die für die Bäckerei Hansel & Pretzel im Festzelt arbeitet - im Dirndl. Als wäre das nicht schon ungewohnt genug, steht plötzlich ihr Ex-Mann Frank mit seinem neuen Freund vor der Tür. Doch Linn hat keine Zeit, sich von dieser Überraschung zu erholen. Als eine Frau im Festzelt stirbt und Frank verdächtigt wird, ist für sie das Maß voll. Sie setzt alles daran, so schnell wie möglich seine Unschuld zu beweisen. Denn nur dann kann Frank die Stadt verlassen und endgültig aus ihrem Leben verschwinden wie die Schaumkrone auf einem Bier ...

Über die Serie:

Nach einer gescheiterten Ehe ist Linn Sommer froh, in Kanada einen Neuanfang wagen zu können. Die waschechte Norddeutsche mit einer Schwäche für Stepptanz, Fahrradfahren und attraktive Männer verschlägt es in das idyllische Städtchen Kitchener. Dort findet sie einen Job in der deutschen Bäckerei Hansel & Pretzel. Alles scheint perfekt - bis Linn hinter der Bäckerei eine Leiche findet! Sie beschließt, auf eigene Faust zu ermitteln. Und das nicht nur, weil der zuständige Inspektor unwiderstehlich charmant ist.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über diese Folge

Hansel & Pretzel - Die Serie

Die Protagonisten

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Rezept

Laugenbrezeln

Danksagung

In der nächsten Folge

Über die Autorin

Impressum

Leseprobe

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Über diese Folge

O'zapft is! Der Himmel über Kitchener ist weiß-blau, Blasmusik hallt durch die Luft, die kanadische Stadt ist im Oktoberfestfieber. Mittendrin die Norddeutsche Linn Sommer, die für die Bäckerei Hansel & Pretzel im Festzelt arbeitet – im Dirndl. Als wäre das nicht schon ungewohnt genug, steht plötzlich ihr Ex-Mann Frank mit seinem neuen Freund vor der Tür. Doch Linn hat keine Zeit, sich von dieser Überraschung zu erholen. Als eine Frau im Festzelt stirbt und Frank verdächtigt wird, ist für sie das Maß voll. Sie setzt alles daran, so schnell wie möglich seine Unschuld zu beweisen. Denn nur dann kann Frank die Stadt verlassen und endgültig aus ihrem Leben verschwinden wie die Schaumkrone auf einem Bier ...

Hansel & Pretzel – Die Serie

Nach einer gescheiterten Ehe ist Linn Sommer froh, in Kanada einen Neuanfang wagen zu können. Die waschechte Norddeutsche mit einer Schwäche für Stepptanz, Fahrradfahren und attraktive Männer verschlägt es in das idyllische Städtchen Kitchener. Dort findet sie einen Job in der deutschen Bäckerei Hansel & Pretzel. Alles scheint perfekt – bis Linn hinter der Bäckerei eine Leiche findet! Sie beschließt, auf eigene Faust zu ermitteln. Und das nicht nur, weil der zuständige Inspektor unwiderstehlich charmant ist.

Die Protagonisten

Sieglinde (Linn) Sommer, deutsche Teeliebhaberin, die sich nach einer Trennung ein neues Leben in Kanada aufbaut und dabei begeistert in Mordfällen ermittelt

Bas van de Groot, Polizeiinspektor, der Linns Einmischung einerseits nicht leiden kann, aber andererseits sie auch für ihre Menschenkenntnis bewundert

Kamryn Bellamy, Reporterin mit einem schier unermüdlichen Schatz an eigenwilligen, schottischen Redewendungen und Linns beste Freundin

Mackenzie (Mac) Snyder, Linns Gothic-Mitbewohnerin mit einer Vorliebe für laute Musik, Computergenie, stammt aus einer mennonitischen Familie

Igor Medwedew, Linns Mitbewohner, Fitnesscoach und angehender Koch, verwöhnt die WG regelmäßig mit seinen Kochkünsten

Bryan Evans, Linns Vermieter und Makler, der immer um ein friedliches Zusammenleben in der WG bedacht ist

Kyle Anderson, Linns Mitbewohner, Locationscout beim Fernsehen, dessen reizvolle Grübchen Linn häufig verwirren

Marianne und Rainer Brunhuber, Hansel & Pretzel-Besitzer, die Linn wie eine eigene Tochter ins Herz schließen

Kapitel1

Ich schnappte nach Luft. »Ich kann kaum noch atmen.«

»Das muss eng sitzen.« Meine Chefin Marianne zog erneut am Dirndlband und fädelte es dann von oben nach unten überkreuzt durch die Ösen.

»Moment, da ist was verrutscht.« Annemarie, ihre Cousine, zog an der Bluse.

Ich stand mit ausgebreiteten Armen in dem kleinen Büro der Bäckerei Hansel und Pretzel und fühlte mich wie eine Schaufensterpuppe, die neu angezogen wurde.

»Ich wusste nicht, dass man drei Frauen benötigt, um ein Trachtenkleid anzuziehen«, brummelte ich.

»Fast fertig.« Marianne befestigte das Bandende mit einer Sicherheitsnadel am Dirndl.

Annemarie ließ die Bluse los, und der Rock fiel auf meine Waden herunter. Sie reichte ihrer Cousine die Schürze. Meine Chefin legte das Schürzenband genau auf die Naht zwischen meinem Oberkörper und dem Rock. Dann schlang sie es einmal um meinen Körper herum und band es vorne rechts zu einer gleichmäßigen Schleife.

Ich sah an mir herunter.

»Sieht es nicht besser aus, wenn der Knoten in der Mitte sitzt?« Ich zupfte an dem Band.

Marianne schlug mir auf die Finger. »Willst du das falsche Signal senden?«

»Ist das ein verstecktes Erkennungszeichen, oder was?«

Die beiden Cousinen warfen sich einen Blick zu.

»Entschuldigt, aber das ist das erste Mal, dass ein Fischkopp wie ich ein Dirndl trägt«, verteidigte ich meine Frage.

»Die Position der Schleife verrät den Beziehungsstatus: Schleife links, Glück bringt’s, Schleife rechts ist schlecht«, erklärte meine Chefin.

»Links ist das Herz der Frau noch zu haben, und rechts ist es bereits vergeben?«, versuchte ich, ihren Spruch zu interpretieren.

»Genau. Witwen tragen die Schleife meistens hinten, und vorne in der Mitte ist für Jungfrauen.« Annemarie strich über den Rock.

»Nein, vorne Mitte ist für die Unentschlossenen«, protestierte Marianne.

Die Zwischentür zum Café ging auf, und meine beste Freundin Kamryn steckte ihren Kopf um die Ecke.

»Hallo? Rainer hat gesagt, ihr seid hinten und ...« Sie musterte mich von oben bis unten. »Ich dachte, da, wo du aus Deutschland herkommst, trägt man kein Dirndl?«

»Tut man ja auch nicht. Das ist das Dirndl von Annemaries Tochter«, sagte ich.

»Ich leihe es Linn für das Oktoberfest.« Annemarie strich mit der Hand über die puffigen Ärmel. »So toll, dass es dir passt.«

Kamryn hob eine Augenbraue. »Du willst damit freiwillig zum Oktoberfest gehen?«

Meine Freundin wusste, dass ich kein Fan von deutschen Volkstanzgruppen, Blasmusik und Bierzelten war.

»Jedes Jahr liefern wir Brezeln für einen Stand im Festzelt an der King Street. Immer gibt es anschließend Probleme mit der Abrechnung. Daher betreiben wir dieses Jahr den Stand selbst. Linn wird ein paar Schichten am Stand übernehmen. Gleich Montag wird sie ihren ersten Einsatz haben.« Marianne ging einen Schritt zurück. »Gut schaust du aus.«

»Wäre es nicht schöner, wenn die Schleife in der Mitte ...«, doch Kamryn wurde sofort von Marianne unterbrochen: »Linn ist in einer festen Beziehung, also muss sie sie rechts tragen.«

Kamryn warf mir einen Blick zu. »Seit wann tragen Deutsche ihr Liebesleben so offen zur Schau?«

Ich sah auf den Ringfinger meiner rechten Hand. Ob andere den verblichenen Abdruck meines Eherings bemerkten? Oder bildete ich mir nur ein, dass man es noch erkennen konnte? Letztlich war es egal, denn das Signal war das gleiche: Ich war in einer Beziehung. Glücklich und nicht auf der Suche.

»Marianne? Kannst du mir vorne helfen?« Rainer hatte die Zwischentür aufgestoßen und sah seine Frau bittend an. Diese folgte ihm ins Café.

»Hat Igor uns am Montag nicht zum Thanksgiving-Essen eingeladen?«, fragte Kamryn.

Ich schlug mir vor die Stirn.

»Wer ist Igor?«, wollte Annemarie wissen.

»Einer meiner Mitbewohner«, erklärte ich. »Er macht eine Kochausbildung am Culinary Institute und verwöhnt uns regelmäßig mit leckerem Essen.« Ich wandte mich an Kamryn. »Das hab ich total vergessen, was mach ich denn jetzt?«

»Vielleicht könnt ihr euer Essen vorverlegen?«, schlug Annemarie vor. »Wir haben früher unseren Truthahn häufig schon am Sonntag gegessen, damit wir am Montag bei der Parade dabei sein und anschließend feiern konnten.«

Kamryn nickte. »Ich könnte auch am Sonntag.«

»Gut, dann werde ich Igor und die anderen fragen, ob wir das Essen verschieben können.«

Als ich mit meinem Fahrrad um die Ecke bog, hievte mein Vermieter Bryan zwei prall gefüllte Laubsäcke an die Straße. Mit quietschenden Bremsen hielt ich an unserer Einfahrt an.

»Du kommst gerade rechtzeitig.« Bryan deutete auf einen großen Laubhaufen. »Kannst du mir helfen, den Rest in Säcke zu packen?«

»Ich bringe nur schnell mein Rad in den Schuppen.«

Während ich einen Sack für Bryan aufhielt, sah ich, wie Pecan Pirate mit einer Nuss im Mund über die Regenrinne auf den Rasen sprang. Trotz besseren Wissens legte ich dem Eichhörnchen immer ein paar Pekannüsse auf das Brett vor meinem Fenster. Mit seinem rotbraunen Fell fiel es unter den kanadischen Eichhörnchen, deren Fell grau oder schwarz waren, auf, und ich bildete mir ein, dass uns deshalb etwas verband.

Gemeinsam füllten wir noch sechs Säcke, bevor wir ins Haus gingen. Beim Öffnen der Haustür schlug mir ein wohlbekannter Geruch entgegen. Ich schnupperte.

»Igor macht Sauerkraut.« Bryan zog seine Baseballkappe vom Kopf.

Seit ich vor einem Jahr nach Kitchener-Waterloo in die Wohngemeinschaft gezogen war, hatte er seine dunklen, glatten Haare immer als einen klassisch kurzen Männerschnitt getragen. Doch die letzten drei Monate hatte er seine Haare länger wachsen lassen, sodass er jetzt immer mehr Tom Cruise aus Mission Impossible 5 ähnelte.

»Hat ihn das Oktoberfest dazu inspiriert? Apropos Oktoberfest. Ist Mac auch zu Hause?«

»Oben in ihrem Zimmer.«

»Warum ist es dann so still?«

Die einzige Frau in unserer Wohngemeinschaft außer mir hörte ihre monatlich wechselnde Playlist gewöhnlich in einer ohrenbetäubenden Lautstärke.

Bryan hob die Schultern. »Mir egal, ich genieße die Ruhe.«

Gerade als ich hinaufgehen wollte, öffnete sich oben Macs Zimmertür, und sie kam mit ihren derben, schwarzen Stiefeln die Treppe heruntergepoltert.

»Der Gestank ist widerlich.« Sie hielt sich die Nase zu. Mir fiel auf, dass einer ihrer schwarz lackierten Fingernägel abgebrochen war. Anstelle des üblichen langen schwarzen Rocks mit passendem Oberteil im Gothic-Look trug sie heute schwarze Jeans und ein schwarzes T-Shirt.

Ich folgte ihr mit Bryan in die Küche.

»Essen ist gleich fertig«, verkündete Igor, der am Herd in einem Topf rührte.

»Ich will nichts.« Macs Stimme klang nasal, weil sie sich immer noch mit einer Hand die Nase zudrückte. Sie ging zum Kühlschrank und öffnete mit der anderen Hand das Eisfach.

»Du weißt doch gar nicht, was es gibt.« Igors russischer Akzent war heute wieder besonders stark.

»Das kann ich riechen.« Mac nahm eine Packung Eis heraus, zog einen Löffel aus der Schublade und begann das Eis gierig in sich hineinzustopfen.

»Was soll das?«, herrschte Igor sie an. »Du kannst was Vernünftiges essen.«

»Ich will dein Essen nicht, hab ich doch schon gesagt«, pampte Mac zurück.

»Was gibt es überhaupt?«, warf Bryan ein.

»Sauerkraut mit Nudeln.«

»Du vergiftest unschuldige Pasta mit Sauerkraut?« Mac machte Würgegeräusche. »Barbarisch.«

»Probier doch erst mal«, schlug Bryan vor. »Die Kombi klingt zwar merkwürdig, aber Igor hat uns bisher noch nie enttäuscht.« Unser Vermieter war stets bemüht, den Hausfrieden in der Wohngemeinschaft zu wahren.

Ich begann den Tisch zu decken. »In Süddeutschland gibt es was Ähnliches. Mit sogenannten Schupfnudeln. Das schmeckt gut.«

»Netter Versuch, aber nein, danke.« Mac kratzte mit dem Löffel das restliche Eis zusammen.

Igor sah sie mit zusammengekniffenen Augen an.

»Ich hab eine ganz dringende Frage beziehungsweise Bitte«, beeilte ich mich zu sagen, bevor er explodieren würde. »Ich muss am Montag für die Bäckerei beim Oktoberfest arbeiten und ...«

»Was?« Igor drehte sich so zackig zu mir um, dass ich zusammenzuckte.

»Ja, das hat sich so ergeben. Wir wechseln uns im Festzelt ab, und ich bin Montag dran«, stammelte ich. »Als ich Marianne zugesagt hab, dachte ich, dass das Oktoberfest im September sei.«

»Logisch, deshalb heißt es ja auch Oktoberfest.« Der Spott in Macs Stimme war nicht zu überhören.

»Kleine Allgemeinkunde für dich: In München findet das Oktoberfest hauptsächlich im September statt«, gab ich ein wenig patzig zurück.

»Dann gibt’s halt keinen Truthahn für dich.« Mac drückte den Deckel auf den Plastikcontainer, schob ihren Stuhl zurück und hob den Behälter in die Luft. Bryan, der noch im Türrahmen stand, öffnete den Deckel des Mülleimers, und Mac warf die leere Eispackung zielsicher hinein.

»Könnten wir das Thanksgiving-Essen vielleicht verschieben?« Igor zog hörbar die Luft ein. Bevor er etwas sagen konnte, schob ich hinterher: »Kamryn hätte Sonntag Zeit.«

Bryan richtete sich auf. »Ich auch.« Selbst wenn er es nicht zugab, wussten alle, dass er für meine rothaarige Freundin schwärmte. Ich war mir sicher, wenn ich ein Essen auf dem Mond vorgeschlagen hätte, wäre er auch gekommen, solange sie dabei gewesen wäre.

Ich sah Mac an.

»Ich esse den Truthahn, wann immer er auf den Tisch kommt«, verkündete sie.

Ich konnte Igor ansehen, dass er sich sichtbar entspannte.

»Hast du Kyle und Norah schon gefragt?«, wollte Bryan von mir wissen.

McDreamy, wie ich unseren fünften Bewohner aufgrund seiner verblüffenden Ähnlichkeit mit dem Grey’s Anatomy-Star innerlich nannte, verbrachte gegenwärtig viel Zeit bei seiner Freundin Norah.

»Ich hab ihm eine Nachricht geschickt, aber bisher hat er noch nicht geantwortet.«

»Wenn alle am Sonntag können, verschieben wir das Essen.« Igor öffnete den Deckel, und sofort wurde der Sauerkrautgeruch wieder stärker.

Mac sprang auf. »Das halte ich nicht aus.« Polternd lief sie die Treppe hoch und knallte mit ihrer Zimmertür. Einen Moment später ertönte laute Musik von oben.

»Guten Appetit«, wünschte Bryan, nachdem Igor uns aufgefüllt hatte.

Kapitel2

»Fängt das hier langsam mal an, oder was? Meine Mittagspause ist bald zu Ende«, beschwerte ich mich.

»Wir sind seit fünf Minuten hier. Außerdem glaube ich nicht, dass Marianne und Rainer dich feuern würden, wenn du deine Pause mal ein wenig überziehst.« Kamryn notierte etwas auf einem kleinen Block.

»Was schreibst du?«

»Nur ein paar Eindrücke. Dann fällt mir der Artikel später leichter. Ich geh mal ein paar Zitate einholen.« Sie drehte sich zu dem Pärchen neben uns. »Hallo, mein Name ist Kamryn Bellamy, und ich schreibe für die Kitchener Gazette ...«

Ich sah mich auf dem Kitchener Rathausplatz um. Wir standen vor einer extra aufgebauten Bühne, viele Schaulustige drängten langsam auf den Platz, aus Lautsprechern dröhnten die Hits des vergangenen Sommers. Der Anstich des ersten Bierfasses sollte das diesjährige Oktoberfest eröffnen und pünktlich um halb zwölf an diesem Freitag sein. Doch die Rathausuhr zeigte jetzt schon fast zwanzig vor zwölf, und die Bühne lag verwaist da. Im Publikum standen viele Frauen im Dirndl, ein paar Männer in Lederhosen konnte ich sehen, fast alle Anwesenden trugen einen Tirolerhut, manche sogar einen Seppelhut. Viele Hüte waren mit zahlreichen Anstecknadeln der vergangenen Oktoberfeste geschmückt. Auf dem Weg von der Bäckerei hierher hatten zwei Männer vor mir damit geprahlt, wie viele Pins sie schon an ihren Hüten hatten.

Aus den Lautsprechern knackte es, und die Musik wechselte von einem poppigen Lied zu Blasmusik. Sofort verstummten einige Gespräche, und ein paar Umstehende begannen im Takt zu schunkeln.

»Das glaub ich jetzt nicht«, murmelte ich leise auf Deutsch.

»Was hast du gesagt?« Kamryn war von ihrer Zitatenreise zurückgekehrt.

»Ich finde das hier nicht so super«, flüsterte ich ihr zu.

»Wieso? Das Wetter ist bombig, die Leute sind gut drauf. Perfekter Start fürs Oktoberfest.«

Ich verzog das Gesicht. »Ja, aber dieses ganze Pseudo-Deutsche, bäh.«

»Wieso Pseudo-Deutsch?«

»Schau dich um, die Klamotten, die Musik ...«

»Das ist doch deutsch, oder?«

»Schon«, wand ich mich. »Aber das ist mir so fremd wie ein Eisbär, der auf einen Pinguin treffen würde.«

»Wie meinst du das?«

»Stell dir vor, ich würde dich zu einem englischen Fest in Deutschland einladen. Da würden die Menschen alle im Schottenrock rumlaufen, es würde nur Dudelsackmusik gespielt werden, und es gäbe Haggis zu essen. Wie würdest du dich dort fühlen?«

»Veräppelt. Das wäre kein englisches Fest, sondern eine schottische Veranstaltung. Außerdem fände ich es albern, Deutsche in Kilts zu sehen. Das wäre beinah beleidigend.«

»So geht es mir hier als Norddeutsche. Das hier ist ein bayrisches Volksfest, mit dem ich nichts anfangen kann.«

»Herzlich willkommen zum diesjährigen Oktoberfest!«, schallte eine Stimme aus den Lautsprechern.

Das Publikum johlte, und wir richteten unsere Aufmerksamkeit zur Bühne.

»Es ist mir eine große Ehre ...« Ein Moderator stellte nacheinander den Kitchener Bürgermeister James Campbell, die Vorsitzenden der deutschen Vereine sowie die diesjährige Miss Oktoberfest vor.

Ich musterte James Campbell. Der große Mann mit den buschigen Augenbrauen und dem wachsamen Blick sah noch genauso aus, wie ich ihn von unserer ersten Begegnung im letzten Jahr in Erinnerung hatte. Damals hatte ich eine Stadträtin, die ihm Wahlfälschung vorgeworfen hatte, tot hinter der Bäckerei gefunden. Ich überlegte, wie lange er wohl schon im Amt war und wann die nächste Bürgermeisterwahl sein würde. Gerade als ich Kamryn danach fragen wollte, stieg, von begeisterten Rufen begleitet, eine orangefarbene, übergroße Figur mit schwarzem Schnurrbart und grüner Lederhose auf die Bühne.

»Onkel Hans!«, schrie jemand neben uns.

»Was ist das?«, fragte ich Kamryn.

»Das offizielle Maskottchen des Kitchener Oktoberfestes.«

»Das Fest hat ein Maskottchen?«

»Klar. Onkel Hans taucht in den Festzelten auf und versucht auch bei allen anderen Veranstaltungen dabei zu sein. Die Leute freuen sich riesig, wenn sie ein Foto mit ihm machen können.«

»Wer auch immer unter dem Kostüm steckt, freut sich sicherlich riesig, wenn die Feierlichkeiten vorbei sind.«

»Onkel Hans ist das ganze Jahr im Einsatz. Außerhalb des Oktoberfests besucht er Schulen, Krankenhäuser und so.«

»Warum?«

»Um Werbung zu machen, aber natürlich auch, um für gute Laune zu sorgen. Du weißt schon, die allseits bekannte deutsche Fröhlichkeit unters Volk bringen.« Kamryn zwinkerte mir zu.

»... bevor wir das erste Fass anstechen, freue ich mich besonders, die ›Keen Waltzers‹ präsentieren zu dürfen. Mit dieser neuen Choreografie haben sie letzte Woche bei den Meisterschaften in Ohio den zweiten Platz belegt.« Der Moderator und die anderen Gäste rückten an den Rand der Bühne.

»Keen Waltzers? Begeisterte Walzertänzer?«, raunte ich.

»Außerdem ein Wortspiel für KW: K für Keen, W für Waltzers«, erklärte Kamryn. »Die Tanzgruppe gibt es schon, so lange ich denken kann.«

Vier Pärchen in deutscher Trachtenkleidung betraten die Bühne. Der Lautsprecher knackte erneut. Als die Musik begann, schnappte ich nach Luft. »Das ist ein Witz, oder?«

»Wieso?« Kamryn wippte im Takt mit.

»... und ich schwimm, schwimm, schwimm ...« Die Tänzer machten Schwimmbewegungen auf der Bühne, einige Mutige im Publikum ahmten die Bewegungen nach, während die meisten nur klatschten.

»Das ist ein Kinderlied. Deshalb auch diese ganzen Bewegungen passend zum Text.«

»Den deutschen Text versteht hier ja niemand.« Kamryn kritzelte was auf ihren Block.

»Das merke ich. Denn ansonsten würde hier kein Mensch mitschunkeln. Das ist entsetzlich und hat mit einem bayrischen Volkstanz nichts zu tun.« Eine Frau vor uns drehte sich um und warf mir einen forschenden Blick zu.

»Ach, komm, ist doch witzig«, protestierte Kamryn.

»Ne. Das ist überhaupt nicht unterhaltsam. Das ist was zum Fremdschämen.«

»Zum was?«

»Fremdschämen. Ich schäme mich für das, was die da vorn gerade auf der Bühne zeigen.«

»Aber du hast damit doch gar nichts zu tun.«

»Schon, wenn hier jetzt alle auf dem Platz denken, das wäre typisch deutsche Musik oder wie wir tanzen. Das ist peinlich.«

»So schlimm wird es doch nicht sein.«

»Stell dir vor, jemand würde einen Kinderreim wie ›Incy Wincy Spider‹ mit einem Beat unterlegen, und dann würden Kanadier in der Paradeuniform der Wachleute der Queen, inklusive Bärenfellmütze, einen Tanz dazu aufführen.«

Kamryn verzog das Gesicht. »Es wäre unangemessen, wenn Kanadier die Uniform anziehen und damit so einen Quatsch tanzen würden.«

»Genau. Von mir aus können sie die Outfits tragen, das stört mich nicht, weil ich selbst nichts mit Trachten am Hut hab. Wobei ich es schon interessant finde, dass viele Nordamerikaner verschnupft reagieren, wenn sich Deutsche auf Indianerfestspielen in Lederklamotten werfen und Federschmuck tragen. Denn dies hier«, ich zeigte auf die Reihen Schaulustiger vor uns, von denen fast jeder zweite Dirndl oder Lederhosen trug, »ist im Grunde nichts anderes. Auch hier wird Festkleidung von Menschen getragen, die mit der bayrischen Kultur nichts zu tun haben. Aber das, was ich wirklich schlimm finde, ist diese unpassende Musik mit dem dazugehörigen Tanz. Das ist so ... so Ballermann.«

»Ballermann? Ist das dieser Partystrand auf Mallorca? Mein Cousin aus England hat mir mal davon erzählt.«

»Ja, Saufgelage ohne Ende, und das Niveau ähnelt dem Limbotanzen – wer am tiefsten kommt, hat gewonnen.«

Kamryn steckte ihren Block in die Handtasche. »Na, du bist heute ja kratzbürstig drauf.«

Das Lied war zu Ende, die Menge jubelte, und die Tanzgruppe verließ die Bühne. Erleichtert atmete ich auf. Selten hatte ich mich so dämlich gefühlt. Ich konnte immer noch nicht glauben, dass kanadische Erwachsene in deutscher Tracht nach dem »Fliegerlied tanzten, das meine kleine Nichte im Kindergarten gelernt hatte. Und dann damit auch noch einen Preis bei einem internationalen Wettbewerb gewonnen hatten.

Während sich der Bürgermeister eine Schürze umband, damit er sich beim Anstich nicht mit Bier bespritzte, beugte sich Kamryn näher zu mir. »Wenn dich das hier schon nervt, wie willst du das denn im Festzelt aushalten?«

Nachmittags nach der Arbeit ließ ich mich zu Hause aufs Bett fallen. Mein Blick fiel auf das Dirndl von Annemaries Tochter, das an einem Haken an der Tür hing. Als Marianne und Rainer mich gefragt hatten, ob ich beim Oktoberfest für sie Brezeln verkaufen könnte, hatte ich ohne Zögern zugesagt. Mittlerweile war ich mir nicht mehr so sicher, ob meine Zusage eine kluge Idee gewesen war. Denn als Norddeutsche schien ich mehr Probleme mit dieser Art von Veranstaltung zu haben, als ich erwartet hatte.

Es klingelte an der Haustür. Niemand benutzte hier die Türklingel. In der Regel klopften Kanadier nur. Oder wenn sie sehr gut mit jemandem bekannt waren, kam es auch vor, dass sie einfach durch die nicht abgeschlossene Tür ins Haus traten.

Mac hatte im Wohnzimmer auf dem Sofa gelegen und etwas auf ihrem Laptop getippt, als ich nach Hause gekommen war. Igor hatte in der Küche rumgewerkelt. Einer von beiden würde die Haustür aufmachen, davon war ich überzeugt. Dennoch war ich neugierig, wer geklingelt hatte. Ich war mir sicher, dass es ein Europäer sein musste, doch selbst Kamryn aus Schottland und mein Freund Bas, der als Kind aus Holland hergezogen war, hatten sich das Klingeln schon lange abgewöhnt.

Ich stand auf, ging zur Tür, öffnete sie leise und schlich zum Treppenabsatz, um vorsichtig hinunterzuschielen.

Ich sah Mac in der geöffneten Tür stehen.

»Ja?«

»Hallo. Ist Sieglinde Sommer zu Hause?«, fragte eine Männerstimme, die mein Herz in die Hose rutschen ließ.

Mac trat einen Schritt zurück und schob die Tür ein bisschen zu. »Wer will das wissen?«

Ich stieg die Treppenstufen hinab. »Mein Mann«, antwortete ich.

Kapitel3

Mac fuhr herum und starrte zwischen Frank und mir hin und her. Dann zeigte sie mit dem Finger auf ihn. »Du? Du bist der Kerl, der plötzlich schwul geworden ist und dafür gesorgt hast, dass sie nach KW gezogen ist?«

»KW?« Mein Mann sah sie fragend an.

»Die Leute sagen hier zu Kitchener-Waterloo KW.« Meine Stimme klang brüchig. »Hallo, Frank.«

Er breitete die Arme aus, drückte sich an Mac vorbei und umarmte mich fest. Meine Arme hingen stocksteif an mir herunter, ich stand Pinocchios Holzkörper in nichts nach.

»Schön, dich zu sehen, Sissi.«

»Sissi?« Igor war von der Küche in den Flur getreten.

Mac winkte ihn näher. »Ich glaube, das wird gleich super interessant.«

Ich machte mich von Frank los und knuffte Mac an den Oberarm. »Das ist keine Zirkusvorstellung.«

»Nein? Sissi? Ich sollte ein paar Fotos schießen.« Sie machte Anstalten, ihr Handy aus der Tasche zu ziehen.

»Wage es ja nicht«, drohte ich.

»Hallo?«, ertönte eine Stimme von draußen. »Ich würde auch gern reinkommen.«

Frank strahlte übers ganze Gesicht und zog einen Mann in den Flur. Mac schloss die Tür hinter ihnen.

»Das ist Mark«, stellte Frank uns einen Mann mit kleinen Pausbacken und rahmenloser Brille vor.

»Wer sind die zwei?«, wollte Igor von mir wissen.

»Igor, Mac, das hier ist Frank, mein Ex-Mann ...«

»Noch sind wir verheiratet«, warf Frank ein.

»... und sein Freund Mark.«

»Lebenspartner«, verbesserte Mark mich. »Schön, dass wir uns endlich kennenlernen.« Er trat auf mich zu und öffnete die Arme für eine Umarmung. » Frank hat mir so viel von dir erzählt, ich hab das Gefühl, ich würde meine eigene Schwester treffen.«

»Mit mir spricht er seltener. Ich wusste noch nicht einmal, dass ihr heute hier sein würdet.«

Mark ließ seine Arme sinken und wandte sich an Frank. »Du wolltest Sissi doch vorher Bescheid sagen.«

»Sissi. Das ist so geil.« Mac kicherte.

»Weißt du, wer Sissi ist?«, wollte Igor von ihr wissen. »Die österreichische Kaiserin?«

»Was?« Mac schrie beinah vor Lachen.

»Sie war wie eine Prinzessin im Märchen. Sah Linn allerdings überhaupt nicht ähnlich. Sie hatte lange, dunkle Haare un...«

Ich hob die Hand. »Es reicht.« Ich drehte mich zu Frank. »Was willst du, ich meine, was wollt ihr hier?«

»Können wir uns vielleicht hinsetzen?«, bat Mark.

»Ja, kommt rein.« Mac machte eine einladende Handbewegung und deutete ins Wohnzimmer. »Macht es euch gemütlich. Wollt ihr was trinken?« Sie schnupperte und sah Igor an. »Backst du was?«

»Muffins mit Kürbis und Käse. Sind gleich fertig.«

»Perfekt.« Mac wandte sich an Frank und Mark. »Igor ist unser WG-Kochgenie. Alles, was er zaubert, ist zum Dahinschmelzen.«

»Hallo? Kann ich auch mal etwas sagen?«, fragte ich.

Die Haustür ging auf, und Bryan schaute in die Runde im Hausflur. »Vorgezogene Thanksgiving-Party oder Wasserrohrbruch?«

»Wasserrohrbruch?« Mac sah ihn entgeistert an. »Wie kommst du darauf?«

»Ein Kunde von mir hatte neulich ein Probl...«

»Hey!« Ich klatschte in die Hände. »Weder Party noch Evakuierung des Hauses sind jetzt angesagt.«

Mark streckte Bryan die Hand entgegen. »Ich bin Mark, das ist Frank, Sissis Mann.«

»Wer ist Sissi?«, fragte Bryan.

Frank deutete auf mich. »Sieglinde. Das ist mein Kosename für sie.«

Mac fing wieder an zu lachen. »Bryan, wusstest du, dass es mal eine deutsche Kai...«

»... österreichische«, verbesserte Igor.

»... Kaiserin gab, die Sissi hieß, aber gar nichts mit Linn gemeinsam hatte?«

»Wer ist Linn?« Mark sah Frank fragend an.

Ich schlug die Hände vors Gesicht. »Ich halte das nicht aus.«

»Bei unserer Einwanderung in Edmonton hat der Beamte erzählt, dass seine Lieblingstante auch Sieglinde heißt, sie aber nur Linn genannt werde. Sissi hat ihren Namen noch nie gemocht, also hat sie sich von da an nur als Linn vorgestellt. Aber für mich ist und bleibt sie Sissi«, erklärte Frank ihm.

»Linn ist ein schöner Name.« Mark musterte mich. »Er passt zu dir.«

Frank trat einen Schritt zurück und sah mich an, als wenn er mich noch nie zuvor gesehen hatte. »Ich finde, dass Sissi ei...«

»Es reicht jetzt mit Sissi und Linn«, fuhr ich dazwischen. »Lasst uns ins Wohnzimmer gehen, und dann will ich hören, wieso ihr hier seid.«

Nachdem wir alle einen Platz gefunden hatten und Igor uns mit Getränken und den frischen Kürbismuffins versorgt hatte, räusperte ich mich. »Also, Frank ... und Mark. Was hat euch hergebracht?«

»Das Oktoberfest«, antwortete Mark. »Ich wollte schon immer mal dabei sein. Als Frank erwähnte, dass du nach Kitchener gezogen bist, war das wie ein Wink des Himmels.«

»Habt ihr Karten für dieses Wochenende?«, wollte Bryan wissen.

»Wir haben nicht nur zwei Karten für Montag, sondern auch noch welche für nächsten Freitag und Samstag ergattern können.« Mark machte ein paar ungelenke Tanzbewegungen mit seinem Oberkörper. »Party!«

Mir wurde flau im Magen. »Ihr werdet eine ganze Woche in KW bleiben?«

Frank nickte. »Da die Karten sehr begehrt sind, hab ich es bei drei verschiedenen Festhallen versucht. Dann hat es plötzlich überall geklappt. Am Montag nach der Parade sind wir im ...« Er schaute Mark fragend an. »Wie heißt es noch gleich?«

»Bavarian Alps.«

Ich rutschte tiefer in den Sessel.

»Ist das nicht das Festzelt, wo du am Brezelstand arbeiten wirst?«, fragte Bryan mich.

»Du arbeitest beim Oktoberfest?« Frank schlug sich auf die Schenkel. »Womöglich im Dirndl und so?«

Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden. »Es ist ein Job, nichts weiter.«

Frank kicherte. »Du im Dirndl. Ich schmeiß mich weg.«

»Ich würde die Brezeln auch lieber in Jeans und T-Shirt verkaufen, glaub mir.«

»Ich finde Dirndl super.« Igor griff nach einem Muffin. »Da werden die weiblichen Proportionen an den richtigen Stellen betont.«

Bryan räusperte sich verlegen. Ich war mir nicht sicher, ob er befürchtete, wir könnten gleich über Brüste diskutieren, oder es ihm peinlich war, vor meinem schwulen Mann und seinem Freund über weibliche Körper zu sprechen.

»Habt ihr sonst noch Pläne für das Wochenende?«, versuchte er abzulenken.

Mark schüttelte den Kopf. »Vielleicht kann Sissi, ich meine, Linn uns ein wenig von ihrer neuen Heimat zeigen.«

Ich verschluckte mich, hustete und stellte mein Wasserglas auf den Tisch. Mac presste die Lippen so stark aufeinander, dass man ihren schwarzen Lippenstift fast nicht mehr sehen konnte. Ihre Schultern bebten. Schön, dass sie die Situation offenbar zum Brüllen komisch fand.

»Das macht sie bestimmt gern. Ihr seid ja wie Familienbesuch, nicht wahr?«, sagte sie dann mit zuckersüßer Stimme.

Bryan richtete sich auf. »Familie, na klar. Mensch, wenn ihr Lust habt, könnt ihr am Sonntag auch zu unserem Thanksgiving-Essen kommen.«

»Was?«, brach es aus Igor und mir gleichzeitig heraus.

Macs Mund stand offen. Selbst ihr hatte es die Sprache verschlagen. Frank und Mark wechselten einen kurzen Blick.

»Das ist ein nettes Angebot.« Mein Mann fuhr sich durch die Haare. »Wir haben da aber noch ein kleines Problem.«

»Bei dem ihr uns vielleicht helfen könnt«, ergänzte Mark.

»Es ist nämlich so«, begann Frank, dessen Blick ziellos im Wohnzimmer herumwanderte. »Es gab einen Fehler im Hotel, es ist überbucht, sodass wir jetzt keinen Platz zum Übernachten haben ...«

»Also, um genau zu sein, weder heute noch für den Rest der Woche«, erklärte Mark. »Wir haben also Karten fürs Oktoberfest, sind extra dafür hergeflogen, aber haben keine Unterkunft.«

»Ihr könnt hier schlafen«, sagte Bryan.

»Was?« Dieses Mal waren es Mac und ich, die wie aus einem Mund fragten.

»Wo?«, wollte Igor wissen.

»In Kyles Zimmer. Er hat sicherlich nichts dagegen, wenn er die nächsten Nächte bei Norah schlafen muss.«

Frank warf mir einen vorsichtigen Blick zu. »Wäre das für dich okay, Sissi?«

Kapitel4

»Er ist hier? Mit seinem Freund?« Kamryns Stimme überschlug sich beinah, nachdem ich ihr am nächsten Morgen auf dem Weg zur Arbeit eine Textnachricht geschickt hatte. Keine zehn Sekunden später klingelte mein Handy. »Das ist der Knaller.«

»Ne, der Knaller ist, dass sie bei uns übernachten.«

»Lass mich raten, Bryan, der edle Ritter, hat es ihnen angeboten?«

»Ja, wer sonst?«

»Wieso hast du dich nicht dagegen gewehrt?«

»Was hätte ich machen sollen? Sie zum Schlafen auf die Straße schicken?«

»Wieso meldest du dich jetzt erst bei mir? Wie geht es dir?«

Ich wich einem Radfahrer aus, der mir auf dem Fußweg entgegenkam. »Ich weiß nicht. Ist wie ein schlechter Traum.«

»Du stehst unter Schock«, diagnostizierte Kamryn. »Hat Frank nie angedeutet, dass er herkommen würde?«

»Nein. Wir haben das letzte Mal im Sommer ein wenig getextet, und das war’s. Keine Ahnung, was er sich bei diesem Überraschungsbesuch gedacht hat.«

»Vermutlich hat er Angst gehabt.«

»Angst? Wovor?«

»Dass du ihm sagen würdest, er solle es ja nicht wagen, hier mit seinem Freund aufzutauchen. Da ist es bequemer, wenn man dann einfach vor der Tür steht.«

»Klingt tatsächlich nach Frank, der immer den leichtesten und unkompliziertesten Weg wählt.«

»Was hat Kyle gesagt?«

»Scheint okay für ihn zu sein, denn die beiden schlafen ja jetzt bei uns.«

»Krass. Zum Thanksgiving-Essen sind dann drei Typen von dir unter einem Dach.«

»Was soll das heißen?«

»Na ja, dein Ex, dein Freund und Kyle.«

»Kyle hat in der Auflistung nichts zu suchen.«

»Klar, und der Dudelsack stammt aus Uruguay.« Obwohl ich mittlerweile einige von Kamryns eigenwilligen schottischen Sprüchen kannte, war mir dieser neu. »Wenn Norah nicht wiederaufgetaucht wäre, wärst du jetzt vielleicht mit Kyle anstatt mit Bas zusammen.«

Als ich nach KW gekommen war, sah ich mich meinem attraktiven Mitbewohner Kyle sowie dem nicht minder interessanten Polizeibeamten Bas gegenüber. Zunächst kamen Kyle und ich uns näher. Bis seine Freundin Norah, die spurlos verschwunden war, plötzlich zu Silvester wiederaufgetaucht war. Kyle kümmerte sich fortan um sie, und ich hatte mich in Bas verliebt. Seitdem war ich mit ihm zusammen. Und glücklich. Ich war in dieser Beziehung doch glücklich, oder?

»Erde an Linn, bist du noch da?«, hörte ich Kamryns Stimme durch den Hörer.

»Ich bin jetzt bei der Bäckerei und muss aufhören. Wir sehen uns später.«

»Halt die Ohren steif. Es ist ja nur eine Woche.«

»Kennst du die beiden Turteltauben hinten am Fenstertisch? Sie haben nach dir gefragt«, fragte Marianne mich.

Ich folgte ihrem Blick. »Das sind mein Mann Frank und sein Freund Mark.«

»Oh.« Marianne spitzte die Lippen. »Ich wusste nicht, dass sie in der Stadt sind.«